Archiv der Kategorie: Politik

Aus dem Leben des Politiklehrers im Schuljahr 2015/16

Die heute-show hatte letztens so ein lustiges Bildchen, in dem davon geredet wird, dass wir Politiklehrer es so schwer haben werden unseren Schülerinnen und Schülern zu erklären, warum sich welche Politiker nicht wie die Parteienlegende verhalten, die sie vertreten sollen. Das ist natürlich nur ein dümmlicher Witz. Sowas interessiert mich schon lange nicht mehr. Deswegen möchte ich mal heute am 22. März 2016 kurz auflisten, worüber ich dieses Schuljahr schon mit meinen Schülerinnen und Schülern reden musste:

  • September 2015 Schuljahresbeginn
  • Stehende Themen: PEGIDA, AfD, Flüchtlinge, Syrienkrieg, Soziale Ungleichheit, Vorratsdatenspeicherung, Sicherheit und Überwachung
  • 13. November 2015 Anschläge in Paris
  • 17. November 2015 Absage eines Fußballsspiels inklusive Terrortheater
  • Landtagswahlen im März 2016
  • Amerikanischer Wahlkampf
  • EU Austritt Großbritanniens
  • 22. März 2016 Anschläge in Belgien

Ich weiß nicht, wie da draußen irgendjemand auf die Schnapsidee kommen kann, dass mich Parteipolitik noch interessiert. Ich habe jetzt zum zweiten Mal in ca. 6 Monaten damit zu tun Massenmorde zu erklären. Ich darf jetzt schon seit 6 Monaten PEGIDA und das Aufstreben der AfD erklären. Das bedeutet für junge Menschen, die heutzutage in einem Sturm von Informationen stehen und diese nicht einordnen können, Orientierung und Analyse zu bieten, Ängste einzufangen und zu reflektieren. 

Um es kurz zu sagen: der Politiklehrer ist derzeit hauptsächlich damit beschäftigt den Wahnsinn der Welt zu ordnen, zu analysieren und eine freiheitlich-demokratische Perspektive zu etablieren.

In welcher Partei welche Nase auf Grund ihres Verhaltens zu sein hat, ist nun wirklich scheißegal.

Inhalte und Beziehungen – ein kleiner Guide zur Kommunikation

Das Soziale ist ja eher so schwierig. Es mag den meisten Menschen nicht so erscheinen, aber tatsächlich beschäftigt sich ein größerer Teil unseres Gehirns mit Kommunikation und Informationsverarbeitung sozialer Signale und liegt dabei gerne immer noch falsch. Doch es gibt ein paar Sachen, die man so generell mal über soziale Interaktion wissen kann, damit etwas besser versteht, was da passiert.

Kommunikation bedeutet eigentlich nur Zeichenübertragung. Sehr oft wird darunter Sprache verstanden, egal ob geschrieben oder gesprochen ((Da gibt es riesige Unterschiede. Soviel sei einmal gesagt: geschriebene Sprache ist ein Zeichensystem das auf der gesprochenen Sprache basiert.)). Doch wir benutzen noch ein paar Zeichen mehr als das und gerade Sprache kann sehr gut verschleiern, was die Menschen wirklich sagen. Doch dazu gleich mehr, erstmal interessiert uns die Frage, was eine Botschaft beinhaltet.

Dazu gibt es ein paar Standardtheorien. Diejenige, die man auf jeden Fall mal gehört haben sollte, wenn man etwas unmündiger kommunizieren will, ist die von den vier Seiten einer Nachricht.

700px Vier Seiten Modell de svg

Eine Nachricht hat also immer vier verschiedene Aussagen, die vom Sender und Empfänger unterschiedliche betont werden können. Dazu benutzen wir den Beispielsatz: „Es ist aber sehr stickig in diesem Raum.“

Zum einen ist eine Nachricht immer eine Aufforderung an den Empfänger. Die Appellseite unserer Aussage ist: „Mach mal das Fenster auf.“

Dazu gibt der Sender der Nachricht etwas über sich preis. Nämlich, dass er die Luft im Raum für stickig empfindet, es ihm also zu warm ist.

Dazu ist der Satz natürlich auch eine Sachaussage. Die Luft im Raum wird als stickig wahrgenommen.

Und sie ist eine Aussage über die Beziehung von Sender und Empfänger. Der Sender ist auf den Empfänger angewiesen, er möchte, dass dieser das Fenster öffnet. Dazu möchte er aber auch die Zustimmung des Empfängers zu seiner Sachaussage haben. Man kann natürlich auch sagen, dass der Sender einen Befehl sendet.

Soweit zur Theorie, doch was bedeutet das jetzt? Eine Nachricht hat immer diese Seiten und der Sender sucht sich in seiner Intention eine aus. Der Empfänger empfängt aber auch alle vier und kann sich fragen, was denn das alles bedeutet und ob eine der anderen Seiten nicht auch etwas verrät, was der Sender eigentlich gar nicht so sehr preisgeben wollte. Der Sender kann natürlich auch Botschaften verstecken, die er dem Empfänger so mitgeben will. Als Lehrer lernt man sowas aktiv auszunutzen.

Doch bleiben wir kurz bei der Beziehungsebene und der Sachebene. Diese beiden werden gerne verwechselt und bieten damit viel Ansatz für Kummer in menschlichen Beziehungen. Dazu wird die Beziehungsebene sehr oft benutzt um etwas auf der Sachebene zu erreichen. Die Vermengung von Sach- und Beziehungsebene ist vor allem in engen sozialen Beziehungen üblich und man muss schon sehr dagegen wehren, dass die Bedrohung mit Beziehungsänderung nicht dazu führt, dass man auf der Sachebene nachgibt. 

Doch das ist nicht alles. Die Aussagen einer Person beinhalten nicht nur Selbstoffenbarung, man kann sie auch mit dem Vergleichen, was eine Person tut. Handlungen sind auch Nachrichten im obigen Sinne, das bedeutet, dass wenn Menschen etwas tun oder auch nicht tun, dann hat diese Handlung auch diese Seiten und kann mit dem, was Menschen sagen, in Beziehung gesetzt werden. Das führt dann öfter mal zu der unangenehmen Erkenntnis, dass das Gegenüber nur quatscht, um davon abzulenken, dass es etwas tut, dass eigentlich soziale Nachteile mit sich zieht. Diese Inkonsistenzen sind zwar sehr menschlich, wenn sie aber in Beziehungen auftreten und jemand im Endeffekt die ganze Zeit durch seine Handlungen lügt, wird es schwierig. Vertrauen zwischen Menschen entsteht durch diese Konsistenz von bedeutungsvoller Handlung und verbaler Aussage und wird durch Inkonsistenz beschädigt.

Deswegen sollte man immer genau schauen, was andere Menschen sagen, wie sie es sagen und was sie tun.

Nürnberger Spielemesse 2016

Ich konnte dieses Jahr die Nürnberger Spielwarenmesse besuchen und deswegen gibt es jetzt einen Blick auf die Spielwarenindustrie, wie sie sich auf ihrer Industriemesse präsentiert. Gewehre bereit Stormtrooper!

IMGP7674

Kitsch für Jungs und Mädchen

Fangen wir mit Kitsch für Jungs und Mädchen an. Die Sektion für Babyspielzeug überzeugte unter anderen mit perfekten Kinderzimmern für Jungs.

IMGP7634

Und Mädchen…

IMGP7635

Wenn man dann älter ist, bekommt man entweder freundlich lächelnde Mädchengesichter.

IMGP7644

Oder doch lieber Superhelden…

IMGP7645

Wobei irgendwie klar ist, dass die Mädchengesichter aus dem Horrorfilm für die selben Menschen bestimmt sind, wie diese wunderbare Schminksammlung:

IMGP7641

Während die Träger der Superheldenrucksäcke bestimmt auch als Zielgruppe für diese wunderbaren Zweitweltkriegsfahrzeuge aus Plastiksteinen gesehen wird.

IMGP7642

Und wenn sich Mädchen für Naturwissenschaft interessieren muss uns das nicht aufhalten. Immerhin gibt’s auch die Erde in rosa:

IMGP7660

Und wer sich wehrt, der wird von dieser Puppe angesehen…

IMGP7632

oder bekommt dieses wunderbare Plastikbaby mit Ohrstecker geschenkt.

IMGP7623

Cooles Spielzeug

Ganz vorn beim coolen Spielzeug war der Kettcar mit Nerfgun und Pfeilhalterungen:

IMGP7637

Wir erwarten den Nachbau für Erwachsene in Jahresfrist und die erste Schlacht aufm Congress.

Sehr schön waren auch die liebevollen Modelleisenbahnanlagen, die teilweise sehr ausgefallen aussahen:

IMGP7652

Den Realismus leicht übertrieben…

IMGP7656

aber sehr schöne Fotomotive ergaben.

IMGP7659

Business baby, business.

Doch das ist gar nicht das Spannendste an der Messe gewesen. Das Spannendste ist, dass es sich hier ja um eine Fachmesse ohne Publikum handelt. Es gibt also keine lauten Bühnen, viele Schlipse und Marketingfuzzis, und die Stände der Branchenführer sind bei weitem nicht so einladend, wie die des Mittelstands. Stattdessen wird sich abgeschottet:

IMGP7663

Und bevor es Fragen gibt: Mattel, dasselbe in pink und weiß, Playmobil blau-weiß, Hasbro rot-blau… und so weiter. Wenn sich jemand fragt, wo die Deals geschlossen werden. Hinter diesen netten Damen am Empfang und der Security. Leider werden da so Nasen wie ich nicht reingelassen.

Fazit

Die Spielwarenmesse ist das Branchentreffen und vor allem ein Hort seelenlosen Plastiks, das unter Marketinggesichtspunkten zumeist in fremden Ländern produziert wird. Man merkt, dass hier sehr viel Geld durch die Gegend geschoben wird, wenn man sieht wie auch kleine Unternehmen sich präsentieren. Hinter den Wänden der großen Stände wird, ohne störenden Einfluss festgelegt, was den Geist vieler Kinder im nächsten Jahr bewegen wird. Was vielleicht fehlt, ist eine Präsenz, die hier gesellschaftlich beratend agiert. Dann gäbe es weniger Hello! Barbies, Pinkstinks Artikel und Ausbeutung…

Die Rückkehr der Ideologie

Das neue Jahr ist jung und wir haben schon jede Menge Stress in der Gesellschaft. Was sich allerdings schon seit dem Frühjahr 20115 abzeichnet ist, dass die Ideologie als gesellschaftliche Instanz wieder da ist.

Bevor es darum geht, was das nun genau bedeutet, vielleicht erstmal die Bestandsaufnahme. Im Laufe der 2000er Jahre hat sich in der deutschen Politik die Angst vor normativ begründeten politischen Entscheidungen breit gemacht. Der letzte Politiker, der ernsthaft eine solche getroffen hat, ist Gerhard Schröder gewesen. Und dieser wurde dafür bestraft. Nun ist man im Nachhinein immer schlauer und weiß nun, dass der Umbau des Sozialsstaates vielleicht eine blöde Idee war. Doch seit Schröder wird eben keine ideologische Politik betrieben aus der Angst, dass alles außer Reflex und Verwaltung dazu führt, dass man die Zustimmung des Volkes verliert. Wer nicht auffällt, hat nichts zu verlieren. Angela Merkel hat das perfektioniert. Doch nun ändern sich die Umstände.

Die neuen Probleme, vor denen Europa und mit ihm auch Deutschland steht, angefangen bei der Wirtschafts- und Finanzkrise, über die Flüchtlinge, die Auseinandersetzungen mit Russland und jetzt die Diskussionen über sexuelle Gewalt, sie können alle nicht wegverwaltet werden. Diese Probleme brauchen eine inhaltliche Positionierung. Und während das bei der Finanzkrise mit knallharter Austerität noch ging, wurde 2015 klar, dass man sich bei vielen anderen Themen positionieren muss. Das ist aber etwas, das die großen Volksparteien scheuen, immerhin hängt Machterhalt davon ab, von möglichst vielen Leuten als positiv wahrgenommen zu werden. Doch dieses Spiel ist langsam ausgespielt. Der Aufstieg von PEGIDA und der AfD, aber auch die immer stärkere Präsenz linker Diskurse zeigt, dass Ideologie wieder da ist.

Das bedeutet für die etablierte Politik 2016 natürlich auch, dass sie sich entscheiden muss: entweder es gibt wieder klare ideologische Aussagen wie die CDU das mit Merkel (bürgerliche Mitte), de Maiziere und Seehofer (rechts) angefangen hat und Politik, die darauf zurückzuführen ist, und nicht nur Theaterspielerei oder die Leute mit den klaren ideologischen Aussagen, wie die AfD oder auch die Linke werden hier gewinnen. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Vertreter der „Mitte“ verhalten. Diese Mitte wird auf jeden Fall kleiner und kleiner, je weniger Richtung sie von der etablierten Politik sieht und das bedeutet am Ende, dass sie denjenigen in die Arme läuft, die keiner an der Macht haben wollte.

Von Betroffenheitslyrik und ernsthaften Perspektiven

Mir reicht es langsam und zwar mit diesem Geheule, das mir immer wieder vor Augen und Ohren kommt. Da wird herumschwadroniert, besonders zum Jahresanfang, dass wir Angst haben müssen, dass es alles schlimmer wird, dass die anderen Menschen in diesem Land alle dumm, böse und deswegen gefährlich sind. Den meisten dieser Artikel, Fernsehbeiträge und sonstigen medialen Einlassungen fehlt es neben sachlicher Analyse auch an jeglicher Perspektive. Wenn ich mit diesem Gejammer meinen Schülern gegenübertreten würde, würden die sich zurecht beschweren, dass sie sich auch gleich erschießen können. Das kann es ja nun wirklich nicht sein.

Wie man vielleicht merkt, hat der 32c3 mich in einem positiven und weltbejahenden Zustand zurückgelassen. Jenseits von schwarzem Hackerhumor, der sich in Weltuntergang und Verschwörung ergeht, ist auf dem Congress immer zu spüren, dass wir als Gesellschaft etwas tun können. Da gibt es die Leute von Refugee Emancipation, oder Freifunk, oder aber Menschen, die Makerspaces in Favelas einrichten oder viele, viele mehr. Die Idee, das man einfach etwas tun kann, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, ist sehr mächtig und wir sollten ihr mehr folgen. Was wir tun, damit die Welt ein besserer Ort wird, hat viel mit unseren Talenten zu tun. Egal, worin man gut ist und bei mir ist es quatschen, man sollte es tun, damit die Welt besser wird. Und wenn es das ist, dann mache ich das für Flüchtlinge, auf Podien, in Klassenzimmern, in Podcasts oder in diesem Blog. Meine Projekte für 2016 sind noch nicht geschrieben, aber wahrscheinlich wird dieses Jahr mehr hinzukommen, das andere inspirieren soll. Weil das ist es, was ich am besten kann.

Und weil das Jahr unheimlich jung ist, frage ich euch, ob ihr nicht mitmachen wollt? Sucht euch kleine Sachen, die die Welt besser machen und die ihr gut könnt. Nur eines ist wichtig: kein Gejammer, kein Geheule und nicht aufgeben, auch wenn es scheiße aussieht. Wir haben hier was zu verlieren.

Wer macht hat recht und wer Angst und Panik macht, hat die Fresse zu halten!

[32c3] Retrospektive

So, nun ist er vorbei, der 32c3. Es waren sehr angenehme Tage in Hamburg. Hier kommt dann mal die Rückschau.

Ich habe es netto in zwei Talks geschafft. Zum einen den sehr empfehlenswerten über Floskeln in der politischen Sprache von Kai Biermann und Martin Haase und zum anderen in den über Landesverrat von Markus Beckedahl. Ansonsten werde ich, genauso wie wahrscheinlich viele von euch, den Congress in Ruhe nachsehen.

Ich habe viel Zeit im Sendezentrum verbracht und dabei die ganzen Podcaster kennen gelernt. Dazu auch neue Kontakte geknüpft aus denen vielleicht in Zukunft neue Projekte erwachsen werden.

Etwas erstaunlich war, dass ich irgendwie bekannt bin für den Podcast, den ich da mit Holger mache. Also, ich bin in der Congresswelt C-Promi. Das ist befremdlich, aber wirkt bisher nicht bedrohlich. Ich freue mich, dass diese Sendung so vielen Leuten was bringt.

Alles in allem habe ich das Gefühl, dass ich sehr viel, aber irgendwie noch nicht in der Tiefe mit vielen Leuten geredet habe. Ich denke, dass ich „noch nicht ganz angekommen“ bin. Ist aber nicht schlimm… kommt.

So… das war der 32c3. Jedenfalls der Teil, über den ich reden werde… 

Das Pfeifen im Walde

Hey, wart ihr schonmal im Dunkeln allein im Wald unterwegs? Schauriger Ort, oder? Die Dunkelheit sorgt dafür, dass man sich alles mögliche im Gestrüpp einbilden kann. Da hilft es nur sich selbst Mut zu machen. Also pfeift man verzweifelt ein fröhliches Liedchen, damit man den Wolf im Dunkeln verjagt oder besser glaubt, dass er sich dadurch verjagen lässt. Deswegen pfeift man, wenn man allein im dunklen Wald ist.

Ist man zu zweit erzählt man sich gegenseitig, wie wenig Angst man zu haben braucht. Aber das ersetzt auch nur das Pfeifen. Der Wald ist immer noch dunkel und der Wolf ist immer noch da draußen.

Wir leben in Zeiten, die immer dunkler werden. Die Menschheit wußte noch nie so sehr bescheid über die Welt wie heute. Wir waren noch nie so informiert, aber das führt nur dazu, dass wir noch mehr Angst vor dem Dunkeln haben und immer besser wissen, wie der Wolf aussieht: Klimawandel, Neoliberalismus, sozialer Abstieg, Krieg oder extremistische Vollpfosten mit Sprengstoffgürteln.
Deswegen wird immer lauter gepfiffen. Sei es das Schreien der Flachnasen auf irgendwelchen Demos, die Durchhaltereden der Regierung oder aber das monotone Mantra des Politikfernsehens, das uns einlullt, das alles ist nur das Pfeifen im Walde, während der Wolf näher kommt. Wenn man sich ansieht, wie hier alle immer nur ironisch sind, während sie sich mit Hedonismus betäuben, sich über die Dummheit der anderen aufregen ohne selbst etwas dagegen zu tun, oder betroffen eine sinnlos Geschichte nach der anderen aufschreiben, weil sie selbst nur noch etwas spüren, wenn sie betroffen sind, dann weiß man, wie laut das Pfeifen ist. Und man merkt, dass keiner eine Lösung zu haben scheint, geschweige denn über eine nachdenken will. Schließlich sind sie alle zu sehr mit Pfeifen beschäftigt. Das Dunkel scheint immer manifester zu werden und der Wolf ist schon nahe, also muss man lauter pfeifen, oder?

Oder?

Oder wie wäre es, wenn man mal die Strategie wechselt? Der Wolf hat Angst vorm Licht, also zünden wir in der Dunkelheit ein Licht an. Dann kann man zum einen den Weg viel besser sehen, und zum anderen finden einen vielleicht auch andere verlorene Menschen. Die müssen dann auch nicht mehr durch die Dunkelheit irren und gemeinsam sind dann alle eine schwerere Beute für den Wolf.
Aber wo kommt jetzt dieses Licht her? Darauf gibt es viele Antworten, aber die schönste kommt für mich von Aristoteles. Dieser sagte, dass jeder von uns ein „telos“ hat, ein Ziel, und wenn wir dieses erfüllen, dann tun wir das beste für uns und die Welt. Unser telos ist das nach dem wir streben und in uns angelegt, hat aber auch etwas mit unseren Talenten zu tun. Man sollte das tun, was einem zukommt und nicht versuchen etwas anderes zu tun, denn dann erfüllt man nicht sein Ziel in der Welt. Wenn wir alle das tun, was wir gut können, dann machen wir die Welt besser. Das geschieht durch alles mögliche: gute Kunst, schöne Fotos, tolle Musik, schöne Podcasts, inspirierender Unterricht, tolle Gute-Nacht Geschichten, gut gebaute moderne Autos, geile Astrophysik, leckeres gutes Brot.
Alles das ist besser als im Wald zu pfeifen. Wenn man durch das, was man tut ein Licht anzündet, anstatt sich selbst einzureden, dass da draußen im Dunkeln der Wolf verschwindet, weil man möglichst viel Lärm macht, dann wird der ganze Wald weniger bedrohlich.

Manchmal willst du nicht aufstehen…

So… na, das ist doch mal ein toller Morgen, oder?

Organisierter Massenmord (kleiner Umfang) in Paris. Es waren die die Islamisten. Oder waren es nur Menschen, die sich eine Religion vorhalten, weil sie ansonsten nix mehr haben? Also vielleicht Menschen, die aus derselben sozialen Ungerechtigkeit heraus Gewalt anwenden aus der „besorgte Bürger“ in diesem Land Angst vor Fremden haben.

Der Terror wird erst nach diesen Taten entstehen, weil man noch mehr Überwachung und noch mehr Gängelei gegen die eigene Bevölkerung anwendet. Zur sozialen Kälte kommt halt am Ende noch generelles Misstrauen. In Frankreich sind die unteren sozialen Statusgruppen eher muslimisch, in Deutschland eher säkular. Die einen radikalisieren sich islamistisch, die anderen eher nationalistisch. Und wir können nicht einmal ausschliessen, dass die Geheimdienste nicht Waffen geliefert haben, damit sie sich weitere Befugnisse erschleichen können.

Die Medien versagen großflächig in hechelnder Reportage ohne Fakten und Einordnung, die dann von „Experten“ ergänzt wird, die nur warten ihre Agenda breit zu treten.

Also, nehmt euch das Popcorn und schaut zu wie man in Reaktion auf die Symptome des eigenen Fehlhandelns noch mehr falsch macht. 

Erst wird es kalt, dann wird es heiß und dann brennt es.

Kälte

Es ist schon vor längerem kalt geworden in der deutschen Gesellschaft. Spätestens mit den Gesetzen der Agenda 2010 änderte sich unser Umgang miteinander und das soziale Gefüge. Im Zuge der fortschreitenden Rationalisierung von Arbeit stand die Frage im Raum, wie die Gesellschaft mit der abnehmenden Menge an Arbeit umgehen soll. Die Antwort darauf war nicht, das Paradigma der Arbeit als grundlegende Bedingung von Wohlfahrt aufzuheben, sondern es zu verschärfen. Arbeit wurde, obwohl wir immer stärker automatisieren, der einzige Grund ein würdiges Leben führen zu dürfen. Das Arbeitslosengeld II ist das Stigma der Moderne. Es ist auf der einen Seite das Damokles-Schwert über dem Kopf eines jeden arbeitenden Menschen, auf der anderen Seite das Signum des Versagens in der Moderne. Wer ALG II empfängt ist nicht nur wertlos für die Gesellschaft, er oder sie ist sogar eine Belastung für eine Gesellschaft deren Reichtum sich mehr aus dem Geklicke irgendwelcher Bankfuzzis generiert als aus der händischen Arbeit der eigenen Bevölkerung. Und daran ist die Person, die da Leistungen empfängt auch noch selbst schuld. Schließlich hat sie sich ja nicht genug Mühe gegeben, einen besseren Job zu bekommen und mehr zu leisten.

Diese besseren Jobs gibt es natürlich nur in einer endlichen Zahl und der Rest, der eher miserablen Jobs, die auch bald wegautomatisiert werden, wird in immer kleineren Scheiben auf die Leute aufgeteilt, die man technisch gesehen eh nicht braucht und denen dazu vermittelt wird, dass dies a) die Position ist, die sie verdient haben und dass b) diese Position ihre eigene Schuld ist. Wir haben als Gesellschaft soziale Kälte institutionalisiert und es geschafft, dass jeder dieses Konzept kauft, obwohl es im Interesse der meisten Menschen in diesem Land liegt, dass dem nicht so sei. Das sieht man schon daran, dass die politische Partei, die soziale Wärme als Programm hat, seit mehr als 15 Jahren als weltfremd diffamiert wird.

Hitze

Hitzig wird es erst, nachdem diejenigen, die bisher die soziale Kälte abbekommen haben, nun eine Möglichkeit bekommen, diese weiterzugeben und sich gleichzeitig am Boden der Gesellschaft in einer Konkurrenzsituation sehen. Diese entsteht durch Menschen, die aus Kriegsgebieten in unser Land flüchten und auf einmal Unterstützung bekommen für die aber humanitäre Gründe herangezogen werden und nicht die verquere Leistungslogik, mit der bisher gerechtfertigt wurde, dass man Unterstützung versagt. Dadurch entsteht natürlich Neid. Die Flüchtlinge sind per definitionem an ihrer Situation unschuldig und mussten sich nicht von irgendwelchen Halb-beamten erniedrigen lassen. Aus der Sicht der Unterschicht hatten die nichts auszustehen, wenn man mal von mehreren tausend Kilometern Flucht absieht, die als Konzept so abstrakt sind, dass nur gewaltsame Bilder überhaupt begreiflich machen, was da passiert.

Es wird hitzig, weil nicht verstanden wird, warum Fremde augenscheinlich besser behandelt werden als die eigene Bevölkerung, und warum für diese Fremden nicht dieselbe menschenverachtende Logik gilt, die an die eigene Bevölkerung angelegt wird. Aus diesem Widerspruch entsteht Hass und dieser bricht sich immer mehr Wege. Er kann aber eigentlich nur aufgelöst werden, in dem man das Problem der sozialen Kälte angeht.

Feuer

Ansonsten werden immer mehr Flüchtlingsunterkünfte brennen und der Ruf nach denen immer lauter, die die Welt brennen sehen wollen. Die soziale Kohäsion, die solche Auswüchse verhindert, wurde nachhaltig zerstört und bildet nun den Nährboden für offenen Hass und Rechtfertigung dafür, dass die Welt brennen muss. Deutschland ging die europäische Geschichte als das Land ein, das binnen von knapp 50 Jahren zweimal die Welt in Brand gesteckt hat. Die Chancen, dass wir das auch im 21. Jahrhundert hinbekommen stehen mittlerweile gar nicht so schlecht.

Rezension – Katrin Rönicke – Bitte Freimachen

Zum ersten Mal hörte ich von Katrin Rönicke als sie bei CRE mit Tim Pritlove über Feminismus sprach.  Schon an diesem Gespräch beeindruckte mich, dass es bei ihrem Feminismus weniger um Kampf als mehr um Kommunikation geht. Dieser Eindruck bestätigte sich später auch beim dauerhaften Hören des Lila Podcast.

Nun hat Katrin Rönicke ihr erstes Buch herausgebracht. Bitte Freimachen! ist laut Untertitel eine Anleitung zur Emanzipation und obwohl man erst einmal davon ausgehen muss, dass damit hauptsächlich Frauen gemeint sind, ist es auch eine Anleitung für Männer, denn Katrin Rönicke ist, wie sie selbst sagt, die männerfreundliche Feministin. Und sie macht sich in diesem Buch frei, während sie den Leserinnen zeigt, wie wir uns alle freier machen können. Dabei hatte ich öfter das Gefühl, dass ich die Autorin am liebsten umarmen möchte. Entweder wegen der eher schmerzhaften Geschichten, die sie von sich erzählt oder wegen der profunden einleuchtenden Erkenntnisse, die mir auch persönlich entweder zusagen oder ins Gedächtnis zurückgerufen haben, was ich selbst für richtig und wichtig erachte. Dabei wird die Perspektive im Laufe des Buches immer breiter. Es fängt mit den Körperbildern junger Frauen an, geht über geschlechterorientierte Werbung und Produkte zu den Fragen, warum wir eigentlich Geschlechterrollen und Beziehungen so denken und leben, wie wir es tun und warum das eigentlich sehr ungesund für uns, und zwar Männer wie Frauen, ist.

Es gab mehrere Kapitel, die bei mir eine besondere Resonanz hervorgerufen haben, aber keines so wie das Beziehungskapitel, das sehr gut aufzeigt wie begrenzt unsere Vorstellungen darüber sind, wie wir miteinander zusammen leben und Beziehungen gestalten. Katrin Rönicke sagt hier vieles, das dringend in den Allgemeingeist übergehen sollte, es aber wahrscheinlich wenig tut. Wenn es sie beruhigt: es waren für mich die richtigen Worte zu richtigen Zeit.

Jenseits meines persönlichen Eindrucks, ist wohl die größte Überraschung, die eine unbedarfte Leserin bei diesem Buch haben wird, dass die Autorin Emanzipation in ihrer breiten Bedeutung begreift. Es geht hier also nicht um diese alte Vorstellung, dass Frauen sich emanzipieren müssen, sondern dass wir alle uns von Geschlechterrollen emanzipieren müssen, denn Männer wie Frauen leiden unter diesen Konstrukten, von denen wir glauben, dass wir ihnen dringend folgen müssen.

Also, gehet hin und kauft und lest Bitte Freimachen! und macht euch frei!