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Die Rückkehr der Ideologie

Das neue Jahr ist jung und wir haben schon jede Menge Stress in der Gesellschaft. Was sich allerdings schon seit dem Frühjahr 20115 abzeichnet ist, dass die Ideologie als gesellschaftliche Instanz wieder da ist.

Bevor es darum geht, was das nun genau bedeutet, vielleicht erstmal die Bestandsaufnahme. Im Laufe der 2000er Jahre hat sich in der deutschen Politik die Angst vor normativ begründeten politischen Entscheidungen breit gemacht. Der letzte Politiker, der ernsthaft eine solche getroffen hat, ist Gerhard Schröder gewesen. Und dieser wurde dafür bestraft. Nun ist man im Nachhinein immer schlauer und weiß nun, dass der Umbau des Sozialsstaates vielleicht eine blöde Idee war. Doch seit Schröder wird eben keine ideologische Politik betrieben aus der Angst, dass alles außer Reflex und Verwaltung dazu führt, dass man die Zustimmung des Volkes verliert. Wer nicht auffällt, hat nichts zu verlieren. Angela Merkel hat das perfektioniert. Doch nun ändern sich die Umstände.

Die neuen Probleme, vor denen Europa und mit ihm auch Deutschland steht, angefangen bei der Wirtschafts- und Finanzkrise, über die Flüchtlinge, die Auseinandersetzungen mit Russland und jetzt die Diskussionen über sexuelle Gewalt, sie können alle nicht wegverwaltet werden. Diese Probleme brauchen eine inhaltliche Positionierung. Und während das bei der Finanzkrise mit knallharter Austerität noch ging, wurde 2015 klar, dass man sich bei vielen anderen Themen positionieren muss. Das ist aber etwas, das die großen Volksparteien scheuen, immerhin hängt Machterhalt davon ab, von möglichst vielen Leuten als positiv wahrgenommen zu werden. Doch dieses Spiel ist langsam ausgespielt. Der Aufstieg von PEGIDA und der AfD, aber auch die immer stärkere Präsenz linker Diskurse zeigt, dass Ideologie wieder da ist.

Das bedeutet für die etablierte Politik 2016 natürlich auch, dass sie sich entscheiden muss: entweder es gibt wieder klare ideologische Aussagen wie die CDU das mit Merkel (bürgerliche Mitte), de Maiziere und Seehofer (rechts) angefangen hat und Politik, die darauf zurückzuführen ist, und nicht nur Theaterspielerei oder die Leute mit den klaren ideologischen Aussagen, wie die AfD oder auch die Linke werden hier gewinnen. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Vertreter der „Mitte“ verhalten. Diese Mitte wird auf jeden Fall kleiner und kleiner, je weniger Richtung sie von der etablierten Politik sieht und das bedeutet am Ende, dass sie denjenigen in die Arme läuft, die keiner an der Macht haben wollte.

Wahlen in Bayern – persönliche Eindrücke

Habt ihr es schon mitbekommen? Es sind Wahlen! Politiker tun so, als würden wir sie interessieren und die ganzen Straßen sind mit Wahlplakaten voll. Es ist etwas wie Weihnachten, nur die Straßendekoration ist bunter. Ich stehe natürlich auch vor der Wahl ((Hier in Bayern auch Landtags- und Bezirkstagswahl.)) und weil ich das mit dem politischen Meinungsbilden professionell gelernt habe, begab ich mich letztens in die Innenstadt um mich von den Parteien informieren zu lassen. Ich habe jede relevante Partei gefragt, was ihre Claims sind, in drei Begriffen und mir den relevanten Wahlkampfflyer mitgeben lassen. Bei Abweichungen habe ich das vermerkt.

Piratenpartei

Hier muss ich gleich sagen, dass ich das Personal der Piratenpartei persönlich kenne, und dass ich keinen Flyer mitgenommen habe, weil mir die Positionen durchgehend bekannt sind. Das Personal war deswegen natürlich sehr offen und wir hatten eine gute Unterhaltung. Mein Eindruck des Wahlkampfes der Piratenpartei ist, dass hier solide intelligente Menschen gegen eine Hypothek kämpfen müssen, die ihnen egomanische Vollpfosten eingebrockt haben. Inhaltlich sind sie progressiv auf eine sozialliberale Art. Ich denke, dass die Piraten eine sehr heterogene Gruppe von Menschen ansprechen können, aber es sehr schwer ist das zu tun, wenn die Leute dich auf journalistisch erarbeitete Klischees reduzieren.

Die Grünen

Die Grünen machen hier Lokalwahlkampf und tradieren ihre Bundeswerte für die Bundestagswahl. Die Kandidatin für den Bundestagswahlkampf wollte ein Bild mit mir für die Internetseite, weil ich interessant ((Lies: Eigenartig genug.)) aussehe. Nachdem ich ihr erklärte, dass ich das aus Berufsgründen nicht machen kann und werde ((Der goldene Engel, den sie da hielt war auch ein Argument.)), war sie etwas verwirrt. Aber die inhaltliche Diskussion war sehr fruchtbar. Sie hat sich klar als Spartenpolitikerin bekannt und ich traue ihr in dieser Sparte auch Kompetenz zu. Ich fand das erfrischend ehrlich. Der Flyer der Grünen enthält Thementexte und die meisten Forderungen in bestem Neusprech „Schuldenbremse für Banken“ als Listen auf der rechten Seite. Dabei wird mal gar nicht darauf eingegangen, was das alles bedeutet. Nunja, als unwissender Bürger wüsste ich nur das, was ich mir so einbilde zu wissen. Generell wirkt der Flyer vage und soll das wahrscheinlich auch sein. Die Hauptpunkte sind wohl: Umwelt, sozial und bitte schnell vergessen unter welcher Regierung der soziale Kahlschlag begonnen hat.

FDP

Die FDP hat es ja nicht leicht, aber schlägt sich tapfer. Spannend war im Gespräch mit dem Bezirkstagskandidaten, dass der kalten Liberalismus super über so eine Verantwortungsschiene verkaufen konnte. Im Land kam hier das Argument, dass eine starke FDP vielleicht die renitente CSU beeinflussen kann.((Moment… *bwahahahaaa*)) Alles in allem wird hier sehr viel Wahlkampf gemacht, der darauf zielt, dass die FDP die einzigen sind, die den Konservativen etwas Menschlichkeit abringen können. Da passt dann auch der Flyer, der mit dem Slogan aufmacht: „Geld ist einfach heller als Schwarz.“ Gut, das trifft jetzt auf jede Farbe zu, aber der Versuch wird respektiert. Das Programm ist auch kurz gehalten und dreht sich um Deregulierung, die aber gerne als Förderung von Eigenverantwortung getarnt wird, und um Bürgerrechte. Letzteres ist ihnen dankt der Justizministerin wenigstens teilweise abzunehmen.

Die Linke

Hatte ich an diesem Tag nicht gesehen, aber vorher schon getroffen. Das spannende war der minderjährige Wahlhelfer, der zuviel Marx gelesen hat und etwas an der Tatsache verzweifelte, dass ich nicht so idealistisch bin. Die Unterhaltung war auch gut. Die Linke ist sich ihrer Rolle als Underdog bewusst und deshalb umso schamloser in der Platzierung ihrer Inhalte. Hier wird klar gesagt, was alles in diesem Land stinkt und versucht Antworten zu geben. Mit denen kann man dann glücklich sein, oder eben nicht. Wichtig ist: sie geben welche.

SPD

Die SPD kämpft natürlich auf allen Fronten und da lokal die SPD den Bürgermeister stellt, spielt der auch eine Rolle bei der Wahl. Im Land ist die SPD seit über 50 Jahren die zweite Geige und will das mit dem Münchner Oberbürgermeister Ude als Spitzenkandidat ändern. Hier wird Personenwahl gemacht, egal wo. Da verwundert es einen nicht, dass der Wahlflyer voller Gesichter ist. Generelle Claims: alles einfach in sozial. Also soziale Energiewende, soziales Bildungssystem und so weiter. Konkret ist da nichts, warum man die jetzt der CSU vorziehen sollte, keine Ahnung, wurde mir nicht gesagt.

CSU

Die CSU hatte schon abgebaut, als ich kam: 13 Uhr ist eindeutig zu spät um den Bürger zu informieren. Immerhin weiß ich jetzt, dass die Kandidatin für Bamberg, die mir bisher nichts sagte wohl Gesundheitsministerin werden könnte.

AfD

Zu guter Letzt die aufstrebende Partei des gepflegten Nationalismus. Die gaben mir gleich zwei Flyer, haben aber nicht mit mir geredet. ((Ist auch besser so.)) Die Flyer sind voller Vorwürfe an die Politik und komplett ohne Lösungsvorschläge. Dazu kommt dann noch Pseudo-identifikation mit „Wir sind keine Berufspolitiker sondern Bürger!“ Darunter stehen dann nur Menschen mit Doktoren und Professorentitel. Das ist klar, dass die Menschen, die diese Partei führen auf keinen Fall das Wahlvolk geringschätzen oder missachten werden. Mein Lieblingsslogan ist: „Der Euro spaltet Europa.“ Das man sowas ironiefrei schreiben kann zeugt von einer Wahrnehmungsverzerrung, die dringend psychologisch untersucht gehört.

Fazit

Je näher eine Partei der tatsächlich Machterlangung ist, desto weicher werden die Inhalte, bis sie dann komplett verschwinden. Immerhin gibt man sich gegenüber dem geübten Auge nicht mal mehr die Mühe vorzugeben man hätte diese Inhalte. Die AfD ist zu beobachten, sie fischt mit plumpen Wutparolen den Stammtisch ab, verachtet diesen jedoch in dem, was man beim Programm sehen kann.

Ist das jetzt eigentlich schade?

Unsere Großpolitik hadert ja seit Ewigkeiten mit der Linken. ((Die ist ja so böse linksextrem und wird schon seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet. Das heißt im Klartext: sie sagt die ganze Zeit Dinge, die nicht dem Großkonsens der Restpolitik entsprechen. Ist ja auch furchtbar, wenn jemand eine grundlegend andere Sicht auf Dinge hat und dann mit Tatsachen argumentiert.)) Das zieht sich bis in die Finanzierung der Jugendorganisationen. Gerade unter der aktuellen Familienministerin Christina Schröder gab es schon seit längerem Bestrebungen gerade den antifaschistischen und damit eher linken Projekten und Organisationen die staatliche Förderung zu entziehen. ((Achtung! Link geht zur Jungle World. Das ist ja nicht jedem seine Sache.))

Besonders hat es der armen Frau Schröder die Jugendorganisation der Linken, die Linksjugend Solid, angetan. Deswegen ging sie mit ihrem Ministerium vor dem Berlin-Brandenburger Verwaltungsgericht in den Kampf mit der Linksjugend. Den hat sie heute so schallend verloren, dass sogar in Frage steht, ob die anderen Parteijugenden überhaupt gefördert werden dürfen. Nunja, und da sind wir bei der Frage, die sich mir das stellt: ist das jetzt eigentlich schade?

Immerhin kann von keiner parteilich finanzierten Organisation ((Nur so, ein Großteil der politischen Erwachsenenbildung kommt von Parteienstiftungen oder kommerziellen Anbietern. Die haben sicher alle keine Agenda.)) eine reine ideologiefreie Inhaltsauswahl oder eine sachbasierte Analyse erwartet werden. Das ist ja schon staatsbezahlt relativ schwer zu bewerkstelligen. Also ist da so die Frage, ob eine Verteilung der Finanzen auf neutralere Träger, die eben nicht direkt an den Parteien hängen, aber dafür die Bevölkerung breiter abbilden, besser ist. Schließlich sind die Jugendorganisationen die Kaderschmieden der Parteien und Teil deren Elitenbildung. Das bedeutet, dass sie aus der Sicht der politischen Bildung, die die Mündigkeit des Bürgers im Blick hat, nicht unbedingt ideal sind. Stattdessen sollte dies ansetzen, nachdem die Jugendlichen mal eine neutralere Politiksicht gezeigt bekommen haben.

Aber dafür bräuchten wir ja ma eine politische Bildung, die nicht fünf Minuten vorm Abi stattfindet!