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Das Gendernarrativ

Es gibt eine Zweiteilung der Wissenschaften in empirische Wissenschaften und das, was man eher als Geisteswissenschaften kennt. Erstere beschäftigen sich mit empirischen ((empirisch: sinnlich erkennbar und erfassbar, messbar)) Erkenntnissen. Dazwischen stehen irgendwo die Sozialwissenschaften, die durchaus empirisch forschen, aber halt auch geisteswissenschaftliche Theoriebildung betreiben.

Die wohl herausragendste Form moderner Geisteswissenschaften, die sich gern auch als Sozialwissenschaft geriert, es aber viel zu oft nicht ist, ist die Genderforschung. Ausgehend von der gesicherten Erkenntnis, dass Frauen gegenüber Männern in unserer Gesellschaft strukturell benachteiligt sind, entwickelte sich eine ganze Forschungsrichtung, die theoriebildend über Strukturen und Formen von Geschlechterungerechtigkeit arbeitet. Im Rahmen dessen fiel dann auf, dass es noch mehr Ungleichheiten in dieser Welt gibt, nämlich nach Abstammung, sozialem Status und so weiter. Das sind jetzt eigentlich keine neuen Erkenntnisse. Was die Genderforschung und angeschlossene Forschungsrichtungen allerdings problematisch macht, ist die Axiomatik, die ihren Ideen anhängt. Doch bevor ich darauf zurückkomme, hier ein Exkurs über Konstrukte.

Exkurs: soziale Konstrukte und Macht

In der Psychologie und Philosophie hat sich seit den späten 90er Jahren die Denkrichtung des Konstruktivismus etabliert. Ausgehend von der Erkenntnis, dass das menschliche Gehirn Realität immer interpretiert und Wissenserwerb durch die Verarbeitung von Reizen entsteht, postulierten verschiedene Schulen der Philosophie, dass die Menschen an sich keinen echten Zugang zur Realität haben, sondern diese immer zu einem bestimmten Grade konstruieren.

Diese Idee wurde auch in den Sozialwissenschaften aufgegriffen und auf soziale Normen und Regeln angewandt. Soziale Strukturen, die den Menschen als absolut vorkommen werden durch Sprache und Verhalten der Gesellschaft konstruiert und für real betrachtet, dabei sind sie nur geistige Konzepte. Ideen, die einmal in der Welt sind bestimmen auf einmal das Handeln ganzer Generationen, für die sie als reale Bedingungen der Welt gelten. Beispiele hierfür ist die Eugenik, aber auch Sozialismus und romantische Liebe ((Ja, das ist sozial konstruiert. Es gibt Menschen auf dieser Welt, die nicht verstehen können, dass man sich ineinander verlieben muss, damit man eine Beziehung eingeht.)). Alles sind Ideen, die wirkmächtig sind und waren, und die erst erdacht werden mussten. Trotzdem binden diese Ideen unser Denken. Es scheint so zu sein, dass das Denken außerhalb etablierter sozialer Konstrukte, je nach Kontext bis zum Ausschluss aus sozialen Gruppen sanktioniert wird. Dazu entstehen diese Konstrukte dadurch, dass Menschen einfach Sachen daherreden können. Das bedeutet, dass wenn man oft genug denselben Schwachhsinn erzählt, dieser ein soziales Konstrukt wird.

Das bedeutet dann, dass die Menschen, die diese Konstrukte erfunden haben oder vertreten, eine automatische Diskurshoheit und damit Macht über andere Menschen haben. Durch die Möglichkeit zu bestimmen, was gesagt werden kann, kann man langfristig sogar bestimmen, was gedacht werden kann oder darf. ((Aber das wusste schon George Orwell.)) 

Genderforschung und Genderkampagne

Die Genderforschung an sich ist erstmal keine schlechte Idee. Ausgehend von empirisch erfassbaren sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern entwickelte sich eine Forschungsrichtung, die versuchte diese zu erfassen und darzustellen. Und dann wurde es geisteswissenschaftlich-esoterisch. Auf einmal wurde alles unter die Genderlampe gehalten und mit Gewalt versucht die auf einmal wahrgenommenen Ungleichheiten auszugleichen. Die Sprache wurde dekonstruiert, weil man dachte, dass dies auch die Gedanken ent-genderisiert. Es wurden neue Begriffe für Sexualität eingeführt, damit es eine Systematik in einem Kontinuum gibt und die Öffentlichkeit verschüttete Häme über dem verzweifelten Versuch mit akademischen Mitteln soziale Ungleichheiten aufzulösen.

Doch es gibt auch das Internet. Diese Möglichkeit für jede Minderheit gehört zu werden. Der schnelle einfache Zugang zum Diskurs, bei dem man dann durch die Eingeschränktheit der Kommunikationsmittel, noch viel einfacher eine Diskurshoheit erlangen kann, als das je zuvor möglich war. Und damit wurde aus der Forderung nach Gleichheit ein Mittel der Oppression. Gender wandelte sich von Forschung an Ungleichheiten hin zu Handlungsanweisungen zur Weltverbesserung. Es wird nicht mehr neutral erforscht, es wird politisch agiert. Theoretische Konzepte, die in den Geisteswissenschaften ungeprüft nebeneinander stehen können und diskutiert werden, werden auf einmal zu Fakten und zu Basis politischer Aussagen. Es wird davon ausgegangen, dass die vielfältigen Perspektiven, die in der Genderforschung existieren und entwickelt werden, alle sofort richtig, wirkmächtig und a priori sinnvoll und gut sind. Solche Nischenideen, wie die Neustrukturierung der Sprache, um Diskriminierung zu eliminieren ((Ein Idee, die nicht nur sprachwissenschaftlich Quatsch ist, sondern auch zeigt, dass ihre Vertreter nicht verstanden haben, dass Menschen Vorschriften zu machen, wie sie zu denken haben, meist nach hinten losgeht.)) oder aber die patronisierende Rücksichtnahme auf jede wahrgenommene Splittergruppe im LGBT Bereich, egal ob die Personen, die da dazugehören, sich überhaupt so sehen, werden verallgemeinert und als best practice in die Welt hinaus geblasen um dann diejenigen zu shitstormen, die Zweifel anmelden. Damit wird aus dem berechtigten und notwendigen sozialen Konstrukt, dass wir Menschen ungeachtet ihres sozialen und biologischen Geschlechtes gleich behandeln sollen, eine Waffenkammer der sozialen Machtausübung. Es geht nicht mehr darum darauf hinzuweisen, dass die Geschlechterdimension wichtig ist und berücksichtigt wird, es geht darum, dass man sie benutzen kann, um unliebsame Aussagen und Personen mundtot zu machen und eine Welt zu generieren, in der Menschen aus vorauseilendem Gehorsam schon nichts mehr sagen.

Dieser Gehorsam ist aber komplett hohl. Und die Idee, dass wir die Welt zu einem besseren und vor allem freieren Ort machen, in dem wir die Meinung durchdrücken, die uns besser erscheint, zeigt nur, dass ein positives Menschenbild zu Terrorismus führt. Das starke Wollen, dass man so etwas gutes wie Geschlechtergerechtigkeit einfach so schafft, in dem man jetzt jeder Person sagt, dass sie es falsch macht und diese dann sofort erleuchtet ist, missachtet das Individuum absolut und lässt nach dessen Widerstand nur noch die Anwendung von Gewalt zu.

Geschlechtergerechtigkeit ist ein wichtiges Thema. Man ist sich nicht einmal einig, wie sie aussehen soll. Doch im Internet ist sie ein Mittel der Oppression geworden, von ihren Vertretern wie von ihren Feinden. 

Für eine bessere Welt!

Nachdem es hier bisher ja darum ging die Romantik in dieser Welt darzustellen und zu dekonstruieren und aufzuzeigen, warum sie eine schlechte Idee ist, muss sich ja dann die Frage danach gestellt werden, wie wir diese Gesellschaft weiterbekommen, wenn es durch romantische Verklärung und den daraus resultierenden Zwang nicht wirklich möglich ist. Wie kann also eine Einstellung zur Welt aussehen, die positive Effekte hat, aber nicht dogmatisch oder unterdrückend ist oder in ihren Resultaten wird.

Egal um welche Facette des Sozialen oder Politischen es sich handelt, wenn man eine positive Veränderung möchte, dann braucht es mehrere Komponenten. Ein paar davon sind eher trocken, ein paar sind hier natürlich von meiner persönlichen Philosophie geprägt. ((Die schreibe ich irgendwann mal auf. Oder auch nicht…)) Also fangen wir mal vorne an.

Fakten

Es klingt jetzt irgendwie banal, wird aber in der medienverseuchten Postmoderne immer wichtiger, dass man wirklich die Fakten überprüft, soweit man es kann und sich auch bewusst ist, wenn man es nicht kann. Dazu sollte man gegenüber allen Quellen einen gewissen Grundsatzskeptizismus hegen und noch einmal mehr gegenüber welchen, die man nicht überprüfen kann und die offensichtlich eine Agenda haben. ((Beispiel: Das Innenministerium und die Terrorabwehr.)) Dazu sollten man immer versuchen alle Fakten zu haben oder sich wiederum bewusst sein, dass man diese eben nicht hat. Bevor man sich mit einem Problem beschäftigt muss man Fakten über dieses Problem haben, sonst wird es nur Gequatsche oder postmoderner Werteeinheitsbrei, bei dem man sich wahlweise aufgrund religiöser Tendenzen die Gurgeln rausreißt oder sich bestätigt, dass ja der andere genauso viel recht hat und man ja total tolerant ist. ((Also so tut, als würde man sich nicht gegenseitig die Gurgeln rausreißen wollen.))

Konsistenz

Ist das mit den Fakten geregelt, muss man diese bewerten. Das kann man eigentlich nach jeder Philosophie machen und das ist auch legitim, allerdings sollte man tatsächlich eine konsistente Argumentation aufbauen und sich die Frage stellen, ob das, was man da erzählt überhaupt noch mit den Fakten und vor allem mit dem restlichen Weltbild, was man so gerade zur Bewertung verwenden will, übereinstimmt. Egal, worum es geht, es wird nicht besser, wenn man sich selbst lieber und den anderen ein Märchen erzählt, das man dringend glauben will, aber das eben nicht stimmt. Gerade persönliche kognitive Dissonanz führt oft dazu, dass man eben die falsche Entscheidung trifft, weil man nicht einsieht, dass die eigenen Wünsche eine größere Rolle spielen, als man glaubt. Das ist alles okay, aber Konsistenz bedeutet eben eine Ehrlichkeit gegenüber der Sache und sich selbst und ohne diese wird das mit dem Weltretten nichts. Denn auf Lügen kann keine Strategie aufbauen, die dann belastbar die Welt verbessern kann.

Respekt

Doch, jenseits des eigenen Kopfes gibt es auch noch andere Köpfe und nur weil man Ordnung und eine Perspektive in seinem eigenen Schädel hat, heißt das noch nicht, dass das was man da denkt auch den anderen Leuten einleuchtet. Die Wahrscheinlichkeit, dass es mindestens eine Person gibt, die es genau anders sieht als man selbst. Diese und auch der Rest der Menschen benötigt eines: Respekt. Man muss den Standpunkt anderer Menschen nicht nachvollziehen können, obwohl das definitiv sehr hilft, aber man sollte ihn immer respektieren. Dabei ist die respektloseste Handlung gegenüber einem intellektuellen Gegner ihn mit eigenen Kampfbegriffen zu überziehen und a priori zu stereotypisieren. Respekt ist hier eine der wichtigsten Komponenten. Wir können nur zu einer möglichst idealen Einigung über ein Problem kommen, wenn sich jeder respektiert fühlt, denn nur dann kann man auch davon ausgehen, dass der Konsens zwischen allen Parteien tragfähig ist. Gegenseitige Vorwürfe und Zwang führen dazu, dass das beste Konzept zur Weltrettung nicht angewendet wird, weil die Mauer des Sozialen dazwischen steht. Wollen wir hier Probleme lösen, dann hilft es nicht die Menschen, die andere Ideen über die Lösung haben von vorneherein gegen uns und unsere Position aufzubringen.

Klare und einfache Sprache

Wenn man möchte, dass die ideale Weltrettungsidee, die wir auf Fakten hrausgefunden haben, konsistent begründen können und die von allen anderen als valide respektiert wird, auch irgendwie eine Wirkung bekommt, dann muss man sie so verpacken, dass sie jeder Depp und sein Bruder und im Zweifel dessen Hundesitterin versteht. Also kann man nicht irgendwelchen hochgestochenen überdefinierten Wissenschaftsdiskursen ankommen. ((Jedes Mal, wenn jemand auf twitter von einem wichtigen Diskurs redet, tötet Gott ein Kätzchen aus Frust darüber, dass irgendwelche Sesselfurzer angeblich tolle Gedanken im Lehnstuhl haben, aber anstatt zu handeln lieber quatschen.)) Es muss klar und einfach auch an den letzten Mann und die letzte Frau gebracht werden. Dabei geht es dann auch wieder um Respekt gegenüber dem jeweils anderen Menschen. Denn wenn ich ihn respektiere, dann ist er mir eine Erklärung wert, die er auch versteht.

In diesen Bereich gehört auch das Vermeiden von Diskussionsskripten und ähnlichen rhetorischen Tricks. Zum einen sind wir hier wieder beim Respekt angekommen, zum anderen bedeutet das Verwenden solcher Tricks, dass das mit den Fakten und der Konsistenz nicht stattgefunden hat. Wenn ich nämlich meinen Punkt anständig machen kann, dann brauche ich keine rhetorischen Tricks. ((Mit dem Gedanken mal ’ne Rede von irgendeinem Großpolitiker außer Gysi und Ströbele schauen. Die beiden glauben 100% was sie da erzählen.))

Eine Subkategorie dieser Skripte muss ich hier auch noch erwähnen. ((Weil mir davon besonders schlecht wird.)) Gerne wird versucht mit Hilfe emotionaler Wendungen Argumente zu gewinnen. Die Bochumer Arbeitsgruppe für sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung hat in ihrem famosen Arbeitspapier 5 einige Varianten dieser Struktur dargestellt:

Der um den anderen besorgte Menschenfreund

  • „Wie kannst du nur mit diesen Gedanken glücklich sein?“
  • „Wie kannst du überhaupt mit diesen Gedanken leben?“
  • „Da mußt du doch mit verzweifeln!“
  • „Das du überhaupt noch ruhig schlafen kannst!“
  • „Du bist ein armes Schwein, wenn du solche Gedanken hast!“

Erklärung: Wie in anderen Skripten wird hier personalisiert, gleichzeitig dabei aber großes Verständnis für A gezeigt. B erscheint geradezu menschenfreundlich. B unterstellt mit seinem/ihrem Skript der anderen Person Gefühle, die diese eigentlich haben müßte (wenn er/sie nur ehrlich wäre und es zugeben würde etc.). A’s Gedanken sind nicht vereinbar mit einem stimmigen und zufriedenen Leben. B macht mit seinem/ihrem Skript auch klar, daß A als Person nicht ganz okay ist, bzw. nicht ganz okay sein kann, da sie solche Gedanken vertritt.

Konsequenzen: B stellt Distanz her, indem er/sie nicht das Thema behandelt, nicht auf das Argument von A ein- geht, sondern, scheinbar außenstehend, die Person in ihrem So-Sein und in ihrer Welt betrachtet. B erscheint als externer Psycho-Päda-Therapie-Gucker bzw. als durchaus einfühlender Menschen- freund, der sich eben augenscheinlich Sorgen um A macht. B wirkt nicht so, als würde er/sie A angreifen.

Coping: Ehrenwerte Copingstrategien scheinen rar zu sein, da A als beratene Person die Haltung von B nicht verändern und auch die Meinung von B nicht entkräften kann. A sollte auf jeden Fall versuchen, die von B vorgenommene Entmündigung zu thematisieren. „Bitte beschäftige dich doch mit meinen Argumenten und nicht mit meiner Psyche!“ „Um meinen psychischen Zustand kümmere ich mich schon, daß brauchst du nicht!“ Eine weitere mögliche Offensive ist: „Du, ich bin ja wohl das beste Beispiel dafür, daß man mit diesen Gedanken wunderbar leben und glücklich sein kann!“

Das letzte Coping gefällt mir besonders gut. Das ist mir schon öfter passiert und ich kann da dann auch nur sagen, dass man hier eigentlich noch mehr mit absurder Intervention draufhauen kann. Ein zweites Beispiel ist mir auch noch wichtig:

eigene Gefühle einbringen

  • „Du ich fühle jetzt, wie ich dir gar nicht mehr zuhören möchte.“
  • „Du ich bin sehr traurig, wenn du so etwas sagst.“
  • „Wissen Sie, das macht mich sehr betroffen, wenn Sie hier einfach sagen, daß…“
  • Auch die Kombination ist möglich: „Du, das macht mich sehr betroffen, wenn ich mir vorstelle, wie du unter deinen Gedanken leiden mußt!“

Erklärung: Es lassen sich zwei Vorgehensweisen unterscheiden:

B bringt eigene Gefühle ein, indem er/sie sich auf den Inhalt oder die Art und Weise des von A Gesagten bezieht.

Eigene Gefühle einbringen und auf den Inhalt beziehen: B gibt zu erkennen, daß der Inhalt von A’s Argument ihn/sie betroffen macht. Gleichzeitig drückt B aus, daß er/sie emotional beteiligt ist und deswegen auch wesentlich authentischer mit dem inhaltlichen Thema umgehen kann (siehe Beispiele 2 und 3)

Eigene Gefühle einbringen und auf die Art und Weise des von A Gesagten beziehen: B versucht durch Einbringen seiner/ihrer Gefühle zu zeigen, daß in Wirklichkeit in der Diskussion etwas schief läuft: so könne dies Thema nicht angemessen behandelt werden, sonst hätten sich ja seine/ihre Gefühle als authentisch-eigentliche Instanz nicht von selbst gemeldet (siehe Beispiel 1)! Sehr wichtig ist natürlich das kulturell definierte Hintergrundstereotyp, daß Gefühle viel wesentli- chere und zuverlässigere Indikatoren für die angemessene Bearbeitung und die richtige Bewertung von Themen sind, als irgendwelcher kopflastiger Schnickschnack.

Auf den Inhalt bezogen ergeben sich folgende Konsequenzen: Da Gefühle das wesentlichere sind, kann B offensichtlich mit dem derzeitigen Inhalt angemessener umgehen als A. Somit erscheint B authentischer, A dagegen hoffnungslos verkopft. Auf die Art und Weise bezogen erreicht B durch das Einbringen seiner/ihrer Gefühle, daß A sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, offensichtlich unnormal und unangemessen mit dem Thema umzugehen.

Coping dürfte sehr, sehr schwierig sein. Natürlich läßt sich auf die Struktur verweisen. Des weiteren steht A vor der Alternative, ob er/sie bei dieser Gefühlseinbringung mitmachen will oder nicht. „Was macht dich denn so traurig?“ „Was stört dich denn genau?“ „O. K., sprechen wir über unsere Gefühle, aber dann sollten wir zum Thema zurückkehren.“

Diese Art des Argumentierens ist, wenn man sich die erste Regel anschaut, die ich dort oben formuliert habe, schon schwierig. Schliesslich soll es um Fakten gehen und diese Art von Kommunikation wischt die Fakten weg. Allerdings ist sie gerade bei den romantischen Vertretern der Weltveränderer sehr beliebt, denn diese fühlen sich meist emotional von einem Problem betroffen. Diese tragen sie dann gerne in den Diskurs und erpressen den Gegenüber emotional mit solchen Skripten. Das führt dann zu einem sozialen Terrorismus durch Menschen, die es nur gut meinen.

Fazit

Wenn wir die Welt verändern wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass diejenigen, die anderer Meinung sind überzeugt werden, aber nicht überwältigt. Denn nur, wenn Menschen sich selbst von einem Standpunkt überzeugt haben, werden sie ihn im Zweifel auch vertreten. Das bedeutet, dass jegliche Art von Zwang kontraproduktiv ist. Die Art wie viele wichtige und moderne Diskurse innerhalb, aber auch außerhalb, des Netzes geführt werden ist also eigentlich der Mittelpunkt der Frage, wie wir eine bessere ((lies: den moralischen und politischen Vorstellungen des Vertreters besser entsprechende)) Welt bekommen. In dem wir die Sache und die Freiheit des Einzelnen ernst nehmen, aber nicht uns selbst und unsere Mission.

Vorsicht vor den guten Menschen…

Nachdem ich mich jetzt schon einmal darüber geäußert habe, dass wir romantische Strömungen in unserer Gesellschaft haben und ich dem Phänomen eher negativ gegenüberstehe, ((Okay, das ist ein reiner Euphemismus. Ich find’s eklig.)) muss ich jetzt auch mal erklären, warum dem so ist. Dazu mache ich hier mal eine kleine philosophische Einteilung auf.

Jedes philosophische System erstellt auch ein Menschenbild. Und diese Menschenbilder zeigen bestimmte Hoffnungen und Annahmen über den Menschen. Das ist schön, aber um das gleich klarzustellen: die sind alle falsch. Oder sie sind alle richtig, sucht es euch aus. Diese Menschenbilder kann man grob in diejenigen unterteilen, die den Menschen positiv und die, die ihn negativ sehen. Ich erkläre das mal an zwei Beispielen.

Thomas Hobbes – Hilfe, wir brauchen einen Diktator

Thomas Hobbes schrieb in seinem Leviathan die erste der politischen Vertragstheorien der Neuzeit. Er plädiert in dem Werk, dass man einen eigenständigen Souverän braucht. Seine Begründung zieht er dabei aus einer Analyse des Menschen im sogenannten Naturzustand dieser fiktive Zustand ist Hobbes‘ Vorstellung für eine ungeregelte menschliche Gesellschaft. Seine Vorstellung ist die einer gewalttätigen unberechenbaren Gesellschaft in der sich der Stärkste jedes Recht nimmt und man in dauerhafter Angst und Unsicherheit lebt. Dafür braucht es dann eben einen regulierenden Staat.

Hobbes ist ein Pessimist und Zyniker. Er erwartet von den Menschen nichts Gutes. Er misstraut ihnen auf Schritt und Tritt und gesteht deswegen einem Gemeinwesen nicht einmal zu, dass es nach der Einsetzung seines Souveräns, des titelgebenden Leviathans, keinen Einfluss mehr auf diesen hat. ((Ob das so eine gute Idee ist, ist eine andere Diskussion.)) Hobbes ist durchgehend skeptisch gegenüber der menschlichen Natur. Das führt allerdings auch dazu, dass er sich für ein politisches System ausspricht, das eigentlich nur das Schlechte im Menschen, das er sieht, reguliert und sich damit zufrieden gibt. Hobbes halt also ein negatives Menschenbild, es führt aber in der Verwirklichung zu einem Staat, der Freiheiten nur einschränkt, damit das Tier in uns die  anderen nicht umbringt. Man sieht hier also, dass ein eher negatives Menschenbild einen zu einer regulierenden Idee über menschliches Zusammenleben führt. Man möchte etwas verbessern, das man als negativ wahr nimmt. Und mehr als diese Verbesserung braucht es meistens nicht. ((Okay, man kann über das Ziel hinausschießen, aber dann landet man automatisch in der anderen Kategorie.))

Karl Marx – Die Hoffnung stirbt zuletzt ((Das tat sie dann ungefähr auf Höhe Stalins.))

Marx hat uns eine Vielzahl philosophischer Ideen hinterlassen. Das Ziel seiner Philosophie ist aber der sogenannte wissenschaftliche Kommunismus. In diesem soll es kurz gesagt dann keine Herrschaft mehr geben. Er begründet seine historisch-kritische Theorie auf einer Wirtschaftsanalyse und zieht damit seinen Kommunismus basierend auf wirtschaftlichen Ideen auf. In diesem zukünftigen Kommunismus soll es aber keine Herrschaft mehr geben. ((Lies: Die Produktionsmittel gehören allen.)) Das bedeutet allerdings auch, dass jeder in der kommunistischen Gesellschaft freiwillig arbeiten muss, damit die Welt weiter läuft. In Marx‘ Ideenwelt machen die Menschen das auch, weil sie erkennen, dass es das Beste für sie ist, wenn sie der Gesellschaft dienen. Diese Idee setzte sich dann im realen Sozialismus Osteuropas erstmal auf irgendeine Art fort. Doch stellte man schnell fest, dass es nicht funktionierte. Die Menschen begannen weniger zu Arbeit zu erledigen, weil sie soundso bezahlt wurden. Keiner tat etwas, was er nicht dringend musste und so musste sich der Staat Anreizmodelle einfallen lassen. Die eine Idee waren die Aktivistenorden in der DDR, also ein positiver Stimulus. Die leiern sich nur leider aus. Deswegen setzte man dazu auch noch auf geheimdienstliche Überwachung und Oppression. ((Die wurde auch eingesetzt um Landflucht vorzubeugen. Immerhin brauchte man die Leute und konnte sich auch nicht vorstellen, warum die überhaupt nicht im Sozialismus leben wollen.))

Hier sieht man, dass ein positives Menschenbild das Problem birgt, dass man oppressiv werden muss, wenn die Menschen sich nicht an die Vorstellungen halten, die man selbst von ihnen hat. Man muss sie also zu ihrem Glück zwingen. Das bedeutet dann auch, dass sie dieses Glück verlieren, denn sie sind in einem totalitären Zwangsstaat. Ein positives Menschenbild führt also langfristig zu Überwachung und Staatsterrorismus.

Vorsicht vor den guten Menschen…

Man kann also sehen, dass Ideale über das menschliche Zusammenleben und ein idealistisches Menschenbild immer dazu führen, dass man Menschen, die sich nicht an diese hohen Standards halten, also einfach Menschen sind, zu ihrem eigenen Glück zwingen muss. Das kollidiert dann mit der Welle an Romantik, die da durch die Welt schwappt. Es gibt also sehr viele Menschen, die sich nach einer heilen Welt sehnen und glauben, dass man die dadurch erreichen kann, dass man andere Menschen dazu auffordert sich entsprechend zu verhalten. Gerade soziale Netzwerke sind ein einfacher Weg sozialen Druck auf Menschen aufzubauen, die das persönliche Romantikempfinden stören oder aber sogar daran zweifeln, dass diese Ansicht eine valide auf der Welt ist. Sie haben also ein negatives Menschenbild und das kann man ja nicht haben. Die Welt soll gut und toll sein, wir sollen uns alle lieb haben und die niederen Teile unseres Wesens überwinden oder unterdrücken.

Doch was ist, wenn die anderen das nicht tun? Dann wird Druck aufgebaut, gerne über die emotionale Schiene und über einen diffusen Moralbegriff. ((Beide zutiefst verabscheuungswürdig.)) Dabei werden essentielle Grundlagen des zwischenmenschlichen Umgangs ignoriert und verletzt. Weder wird auf die Eigenständigkeit des anderen, noch auf sein Recht zu einer eigenen Meinung Rücksicht genommen. Man weiß ja schliesslich selbst, was die bessere Welt wäre. Dazu kommt noch, dass dieses Verhalten einen blind gegenüber den meisten Dimensionen einer multivariaten und komplexen Welt macht. Es ist also auch jenseits absoluter Menschenfeindlichkeit als Problemlösungsstrategie für eine soziale Gruppe eine absolute Katastrophe. Denn der Einzelne ist immer blind gegenüber den Änderungen in der Welt und die einzige Hoffnung ist der Diskurs mit den anderen. Wenn man diesen dann unterdrückt, weil es nicht dem kitschig-romantischen Weltvorstellungen entspricht, endet man im Terrorismus der guten Menschen.

Fazit

Wie die Überschrift sagt: misstraut Menschen, die nur das Gute wollen. Sie sind die Diktatoren von morgen. Sie haben nicht mehr Ahnung, wie die Welt läuft als man selbst und sie haben im Zweifel keine Skrupel ihre Interessen mit sozialer oder sogar körperlicher Gewalt durchzusetzen, denn sie nehmen für sich in Anspruch das richtige und Gute zu tun. Aus einem positiven Menschenbild folgt nämlich immer Terrorismus, ob in sozialen Netzwerken oder an der Spitze von Staaten ist hierbei vollkommen egal.

Romantische Selbstreproduktion

Wir denken gerne mal, dass wir gebunden sind. Das Soziale umarmt uns immer wieder und erzählt uns, wie unser Leben zu sein hat. Die Narrative der postmodernen Pseudoleistungsgesellschaft sind erdrückend: sei flexibel, sei modern, sei preiswert und du wirst belohnt werden. Die Welt wird begriffen als rein rationale Angelegenheit in der unser Tun als Akteure einer Wirtschaft in der Mitte stehen. Diese Welt wird also von den Mythen und Märchen des finalen Kapitalismus bestimmt. Das heißt, dass viele Menschen sich diesen angeblichen Zwangslogiken ergeben haben. Das ist auch der Fall, wenn es sich um die irgendwelche „Alternativkulturen“ handelt. Diese haben meist einen romantischen Ursprung und ziehen ihre Energie aus dem selben abscheulichen Menschenbild, dass uns vorgesetzt wird. Diese romantische Verklärung ist also nur die Betäubungspille für diejenigen, die sich unwohl mit dieser kalten Welt der Ausbeutung fühlen. Da wird man dann eingelullt in die Wärme des romantischen Gequatsches, in ein wohliges Gefühl des angeblichen Verständnisses, dass aber seine Prämisse und sein Ziel der Gegenwehr aus den selben unmenschlichen Prinzipien unserer Gesellschaft zieht. Würden wir diese Prinzipien tatsächlich ändern, dann würde auch die Romantik sterben.

Und mit ihr würden die vielen salbungsvollen Floskeln sterben, die wir uns erzählen um darüber hinweg zu täuschen, dass wir eigentlich nichts gegen diese Welt unternehmen wollen. „Genieße dein Leben, denn der harte Teil kommt noch!“, „Wir müssen uns mehr den Gefühlen widmen und uns wieder zur Natur zurückkehren.“ und „Erfülle deine Träume, weil später kannst du es nicht mehr.“ Das ist alles der romantische Backlash, der auf der Annahme beruht, dass der finale Kapitalismus das einzige Paradigma ist. Also auf der Annahme, dass wir nur rationale Wesen in einer kapitalistischen Welt werden und nur das werden können. Dagegen kann man sich fein wenden, aber das Prinzip ändert man damit nicht, man verfestigt es. Man blickt verklärt zurück oder sagt sich, dass die Zukunft schlecht wird, weil man die Idee nicht in Frage stellt.

Und so ist das romantische Geschwafel selbstproduzierend, weil es die selbe Welt braucht, über die es lamentiert anstatt sich gegen diese Welt zu wenden. Doch wenn es diese Welt nicht mehr gibt, wenn es, Eris befürchte, sogar eine gute Welt wird, über die man sich kaum beschweren kann, dann sitzen die ganzen verschnieften Romantiker da und haben auch ihren Lebenszweck verloren. Das geht nicht, also bleibt alles beim Alten, denn wenn sich die Dinge, über die wir weinen ändern, dann macht uns das selbst im größten Vorteil unglücklich und das muss verhindert werden.

Die Kunst gehen zu können…

Wir Menschen sind soziale Wesen und als solche abhängig von Beziehungen ((Beziehungen sind hier als breit definiert also sprich alle Arten zwischen Menschen.)), doch Beziehungen sind auch der Beginn allen Leids in vielen Fällen. Denn vieles kann schief gehen. Ich kann mich an jemandem aufreiben, der eher soziopathisch ist, ich kann in sozialen Umständen sein, die mich ausbeuten oder mir schlicht und ergreifend von der Persönlichkeit her nicht liegen oder sogar offen schaden. Doch man ist oder wird so sehr an diese Beziehungen gebunden, dass man sie weiter aufrecht erhält. Gründe können vieles sein, meine Einbildung, die Psychopathologie des anderen, soziale Zwänge oder finanzielle Zwänge. Ist die Beziehung schädlich genug, geht man da schnell an seine Grenze und das kann dann auch gern ma in den Bereich gehen in dem man in geschlossenen Anstalten oder zumindest auf der einen oder anderen Couch landet. ((Oder aber auch nicht, weil man ist ja nicht verrückt!))

Deswegen wäre es ja eigentlich gut, wenn man diese Beziehungen dann auch verlässt, aber das ist wie gesagt schwer. Vor allem bei Beziehungen, die einen hohen sozialen oder emotionalen Wert für uns zu haben. Doch es sind dann meist auch diese aus denen man gehen muss. Zu gehen ist deswegen wichtig und eine Kunst, die man beherrschen sollte. Auch, wenn es bedeutet, dass man soziale Verluste eingeht, sollte einem das eigene Seelenheil wichtiger sein als eine Beziehung, der man im Zweifel soundso zuviel Wert beimisst. Man reisst sich vielleicht das Herz raus, aber das ist ein kurzfristiger Schmerz gegenüber dauerhaftem Leiden.

Also, die Kunst ist es gehen zu können. Ihr könnt nahezu jede Beziehung in eurem Leben beenden, außer vielleicht den Job ((Ja, weil der ernährt einen…)), aber den kann man immerhin wechseln.

Wie man Beziehungen zur Hölle macht…

So nachdem ich etwas über die Streitkultur geschrieben habe, kann ich auch noch was zu den Strukturen beitragen mit denen man eine Zweierbeziehung zur Hölle macht. Dies sind kommunikative Spielarten an denen man erkennt, dass es dem anderen primär um Machtausübung geht.

Sehr oft wird hier die Objektebene und die Beziehungsebene verwechselt. Auf der Objektebene kann man nur Aussagen über ein Objekt machen, in der Beziehungsebene unterhält man sich darüber, wie man sich selbst und andere zu diesem Objekt verhalten. Beides gleichzeitig kann man nicht ausdrücken und in Beziehungen geht es viel zu oft darum, was Sachen bedeuten, als darum was tatsächlich das Problem ist.

Ein Klassiker ist das Ausnutzen der Beziehungsebene um etwas auf der Objektebene zu erreichen. Das funktioniert dann mit Sätzen wie: „Hast du Lust Kaffee zu kochen?“ oder in der deutlichen Variante „Hast du Lust für mich Kaffee zu kochen?“ Das kann man dann aber noch weiter treiben, in dem man die etwas konstruktivistische Antwort, dass man eigentlich keinen Kaffe machen will, es aber für den anderen tut, mit der Bedingung kontert, dass der andere es auch gerne tut.

Das nächste ist die Illusion der Alternativen, die wirklich vorzüglich eingesetzt werden kann. Hier wird dem Partner eine Wahl auf der Objektebene gestellt, die dann auf der Beziehungsebene für Vorwürfe genutzt wird. Dabei ist es übrigens scheißegal, wie die Wahl aussieht. Sprich, man bringt dem Partner zum Beispiel zwei CDs mit und fragt ihn unabhängig davon, welche er nimmt mit traurigen Augen: „Hat dir die andere nicht gefallen?“

Auch toll und allein von der Kommunikationsstruktur total klasse sind paradoxe Aufforderungen, bei denen man etwas vom anderen verlangt, was er nach dem Verlangen nicht mehr erfüllen kann. „Ich finde es mal toll, wenn du sagen würdest, was wir am Wochenende machen!“ zum Beispiel führt dazu, dass wenn man dann etwas vorschlägt, einem vorgeworfen wird, dass man es nur tut, weil es gesagt wurde. Daraus kann man dem anderen dann vielseitige andere Vorwürfe machen. Ein wahrer Strauss der Freude kommt aus dieser Struktur.

Da gibt es noch viel mehr, aber dies sind die Klassiker. Bitte benutzt sie nicht.

Streitkultur in Beziehungen

Ich wurde ja schon gestern gefragt, was das eigentlich sollte und worauf ich hinaus will. Das hat noch seine Zeit. Ich baue hier noch etwas meine Sammlung für die Argumentation auf. Nicht nur, weil das hilfreich ist, sondern auch, weil es mir kindlichen Spaß bereitet.

Im letzten Post habe ich ein paar der standardisierten Begründungen gesammelt, die man so für das Führen einer Beziehung angeben kann ohne komisch angesehen zu werden, die also sozial akzeptiert sind. Diesmal geht es um die Kommunikation in Beziehungen und hier um den Streit. Streit als Krise der Beziehung bietet dann wiederum Raum um die gemeinsame Wirklichkeit der Beziehung mehr in die Richtung der eigenen Realitätsvorstellung zu rücken als in die des anderen. Es geht hier also auch um Macht ((Es sei an dieser Stelle die Machtdefinition von Max Weber gegeben: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“)) den anderen in die Ecke zu drängen und ihm damit die eigene Weltsicht aufzudrücken.

In den gegebenen Streitskripten geht es dann auch von den Standardfloskeln bis hin zu dem Punkt, wo man schon im Streit die Trennung vorbereitet.

Allgemeine Floskeln
Beispiele: Das ist eine Unterstellung!, Das ist reine Provokation!, Das war schon immer so! ((Auch beliebt bei Schülern…))

Diskurszurechtweisungen
Beispiel: Das ist doch kein Argument! Mit dir kann man ja nicht diskutieren! Du drehst einem ja das Wort im Mund rum! ((Diese Art der Argumentation ist übrigens ein Grund für mich, einfach mit jemandem nicht mehr zu diskutieren. Macht keinen Sinn.))

Vorwürfe
Beispiel: Das tust du nur, um mich zu provozieren! Das sagst du nur, weil du sauer bist! An mir liegt es nicht, dass alles so schlecht ist. ((Gerade das Pathologisierende ist total eklig, denn es setzt voraus, dass man den Gegenüber besser kennt als er sich selbst.))

Einklagen
Beispiel: Du willst wirklich gehen? So will ich das nicht mehr! ((Hier sehen wir schon, dass es um Macht geht. Dadurch, dass ich hier ja sagen müsste um die Beziehung zu retten, hat der andere jede Möglichkeit klare Bedingungen an mich stellen, denen ich mich unterwerfen muss. Macht halt.))

Pseudobeschwichtigung
Beispiel: Nimm das doch nicht gleich wieder zu ernst. ((Wenn dir jemand so kommt, trenne dich doch besser gleich.))

Finale Skripte
Beispiel: Ich glaube das hat keinen Sinn mehr mit uns. So will ich das nicht mehr. ((Ist auch ein Druckmittel, dem man eigentlich nachgeben sollte.))

Auch hier wieder der Hinweis, dass es sich um Zitate der BOAG handelt.

Beziehungsbegründungen

Romantische Liebe ist ja eine Erfindung des Bürgertums des 18. Jahrhunderts, das eine Begründung für Beziehungen brauchte, die sich von der Zweckrationalität des Adel und der Baueren ((Heiraten zum Land- und Geldgewinn)) unterschied. Also, jedenfalls war das am Anfang die Begründung. Heute geht es gerade bei dem was man so als Reste des Hochbürgertums sehen kann wieder nur um die Kohle.

Was allerdings davon übrig blieb sind die Vorstellungen, die die Menschen von der Liebe haben und die sind voller Selbstverwirklichung und zwischenmenschlicher Harmonie. ((Genau, so sieht das auch normalerweise aus. HARMONISCH! KLAR?)) Und deswegen sind Beziehungen ein schönes Studienobjekt. Ich möchte hier gerne ein paar Erkenntnisse über die Mythen wiedergeben, die man sich so als Begründung für Beziehungen erzählt, denn Beziehungen sind natürlich auch eine sozial konstruierte Angelegenheit. Nennt man eine Beziehung Beziehung dann muss man sich auch an die entsprechenden Mythen halten, mit denen diese begründet werden. Da Beziehungen aus verschiedenen Mythen bestehen, die die Liebenden, so sie sich auf einen Satz geeinigt haben, mittels Skripten abspielen können. Der Hauptmythos scheint eine dauerhafte vollkommene Liebe zu sein, bei der man gleichzeitig kameradschaftlich, leidenschaftlich und glücklich gebunden ist. Doch auch der Verlauf einer Beziehung ist aufgeteilt und durchgeskriptet und ich stelle euch ein paar meiner Lieblingsskripte vor. Hier schließt sich gleich die Aufforderung an das Publikum an mitzumachen und beizutragen.

Begründungsskripte

Hier gibt es zum einen Standardsituationen und zum anderen Schicksalsmedien mit denen Beziehungsanfänge beschrieben werden. Schaut zu… Boshaftigkeiten in den Fußnoten.

Die Macht der Liebe
Beispiel: Weil wir uns lieben. Es traf mich wie aus heiterem Himmel. ((Ja klar, der/die hat dir nicht gefallen oder so, gell?))

Emotionaler Kontrollverlust
Beispiel: Ich verliebe mich immer so schnell. ((Ist ja eigentlich schon pathologisch, wenn das so ohne Einfluss geht.))

Abhängigkeit vom Partner
Beispiel: Weil wir uns brauchen. Weil er/sie mich braucht. Weil ich ihn/sie brauche. ((Es gibt da auch preiswert Therapiemöglichkeiten.))

Beziehung brauchen
Beispiel: Weil ich nicht allein sein kann. Weil ich Torschlusspanik hatte. ((Weil ich kein selbstbestimmtes Wesen sein kann ohne mir ein anderes an die Backe zu binden.))

Postmoderne Autonomie
Beispiel: Weil er/sie mich nicht braucht. ((Naja, schon geil, oder?))

Sex
Beispiel: Weil er/sie gut im Bett ist. Weil er/sie der/die erste ist, der/die mich im Bett glücklich machen konnte. ((Joa, endlich mal ein Grund, der ehrlich ist.))

So. Ich danke hier auch der Bochumer Arbeitsgruppe für sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung, die mir diese Ideen in den Kopf setzte und deren Arbeitspapier Nr. 8 hier auch zitiert ist.