Schlagwort-Archive: soziale Netzwerke

HCH068 Kommunikation 4 - Kommunizieren im Internet

So, noch kurz und komplett frei-flottierend über Kommunikation im Internet, als kleine Anwendung der Erkenntnisse der letzten Folgen.

Authentische Kommunikation und Social Media

Ich habe mich vor einiger Zeit mal kurz darüber geäußert, warum formularische SEO-Bullshit Tweets und ähnliches soziales Vernetzungsgebaren auf sozialen Netzwerken soziologisch gesehen peinlich und kontraproduktiv ist. Und weil ich zu gesteigerter Eristik neige, erkläre ich jetzt mal warum das alles Quark und nicht ernstzunehmen ist. Dabei mache ich mich natürlich über alle Vertreter dieser Religion lustig. Doch, wie immer, für die Lernfreudigen etwas Grundlagen.

Aufmerksamkeitsökonomie

Wir sind ja auf dem besten Weg zu Post-Scarcity, jedenfalls wenn es um die Phantasien verschiedenster Wirtschaftler und Utopisten geht. Ob das so wird, oder nur Full-Scarcity ist noch nicht raus. Sicher ist allerdings, dass die Herstellung von Produkten durch menschliche Arbeitskraft wohl immer mehr abnimmt. Wir sind jetzt schon in sogenannten Dienstleistungsgesellschaften und mit den sozialen Medien hat sich eine komplette virtuelle Wirtschaftswelt entwickelt. Seit Bitcoin wissen wir, dass eine Menge von Nullen und Einsen den Wert sehr vieler physischer Produkte übersteigen kann. In dieser tollen neuen virtuellen Wirtschaftswelt gibt es allerdings eine Kategorie, über die wirtschaftlicher Wert generiert wird: Aufmerksamkeit. Nachdem nur noch zählt, wer was zu sehen bekommt, ist Aufmerksamkeit die einzige Währung, die wirklich zählt. Wer wahrgenommen wird, hat Wert und wer nicht, der nicht. Das können wir jetzt schon bei Youtube Stars und Influencern ((Allein das Wort ist schon peinlich…)) sehen.

Die Frage ist jedoch, wie generiert man nun als wirtschaftlich orientiertes Wesen Aufmerksamkeit und damit Geld in dieser Art von Ökonomie?

Kundschaft und Plattform

Die Antwort auf diese Frage hat zwei grundlegende Dimensionen, die der Kunden und die der Plattformen. Beide haben miteinander zu tun, aber in unterschiedlicher Ausprägung. Die Kunden sind der einfachste Ansatz, aber interessanterweise auch das, was am meisten falsch verstanden wird. Es wird zwar immer behauptet, dass die User also die normalen Menschen da draußen diejenigen sind, die in der Aufmerksamkeitswirtschaft die bezahlenden Kunden sind, aber das stimmt großflächig nicht. Zwar gibt es Angebote, die von direkten Spenden ihrer Zuhörer und Abos leben können, diese sind jedoch in der Unterzahl und das meiste davon wird mittlerweile auch über Plattformen abgewickelt, die dann wiederum zumindest zum sekundären Kunden werden, der auch immer mit befriedigt werden muss. Das bedeutet, dass die Adressaten zwar das eigentliche Publikum sind, das die Aufmerksamkeit spendet, aber nicht die Gruppe, die am Ende das Geld generiert und diese Gruppe ist die eigentlich wichtige.

Die Übersetzung von Aufmerksamkeit in Geld findet derzeit hauptsächlich über die verschiedenen Spielarten von Werbung statt, die wiederum primär durch die Plattformen mit den Inhalteanbietern verbunden werden. Damit ändert sich dann, wie oben gezeigt, aber der Kunde des Anbietenden. Die Werbetreibenden werden zum primären Kunden des Anbieters und die Plattformen werden zum Mittelsmann zwischen beiden. Um also die generierte Aufmerksamkeit in Geld zu übersetzen scheint derzeit der Königsweg zu sein, sich über eine Plattform oder direkt an die Werbewirtschaft zu verkaufen. Dabei bestimmt diese dann langfristig auch den Inhalt und beschränkt die eigene Freiheit, da sie nur Botschaften haben möchte, die bestmöglich mit der vordefinierten Zielgruppe resoniert ((Also bitte nicht solche Texte hier…)). Die Plattformen sind hierbei die Regulierungsinstanzen, die von vorneherein versuchen werbefreundliche Produkte zu bevorzugen. Das bedeutet, dass Inhalte hauptsächlich den Plattformen und Werbetreibenden gefallen müssen und die Aufmerksamkeit nur dafür generiert wird.

Die Rolle der Plattformen ist dabei besonders perfide, können sie doch den Aufmerksamkeitsstrom und die Werbungsverteilung regulieren. Das wird von Google, Facebook und so weiter schon in großem Umfang getan und das Geweine, das darauf folgt führt dann zum nächsten Problemfeld, das viel mit dem Missverstehen von social media und den sozialen Konstrukten, die da in den entsprechenden Benutzerkreisen gelten, zu tun.

Social Media Marketing-Schwachsinn für 1000

Über den Umgang mit social media gibt es unterschiedliche Ansichten. Die zwei großen Strömungen können grob in die Fraktion der authentisch kommunizierenden Menschen und die Strömung der Social Media Marketing Professionellen unterteilt werden.

Erstere sind relativ einfach abzuhaken. Menschen benutzen social media um mit anderen Menschen authentisch zu kommunizieren. Dabei geht es darum Beziehungen aufrecht zu erhalten und zu gestalten. Sehr oft sind hier auch Beziehungen im echten Leben gemeint. Social Media in diesem Sinne schafft ein Profil der Person, das meist eine hohe Kongruenz mit dem Profil in der realen Welt zu tun hat. Dadurch schaffen sich auch Beziehungen und die Aufmerksamkeitsökonomie ist am stärksten, nämlich durch das Empfehlen von Bekannten, denen die Personen vertrauen. Das ist auch das, was Facebook mit seiner aktuellen Kampagne wieder möchte, bei der private Nachrichten wieder im Feed hochgewichtet werden. Nur diese eigentlich belanglose private und authentische Kommunikation hält nämlich Menschen auf Facebook und damit das Engagement hoch. Die selbe Logik gilt auch für Instagram, wo wir zeitnah sehen werden, dass die ganzen Influencer an der Fakeheit ihrer Kommunikation scheitern werden. Denn das ist die andere Art mit Social Media umzugehen.

Diese besteht aus der Idee, dass es Kommunikationsregeln gibt, die auf jeden Fall Erfolg auf Social Media bedeuten. Und die Grundregel hier ist Vernetzung. ((Ja, da kommen noch mehr Bullshitvokabeln, keine Sorge.)) Deswegen ist es nicht wichtig, dass die Kommunikation authentisch ist, sondern möglichst viel Botschaft mit möglichst vielen Multiplikatoren enthält. Denn wenn ich die Aufmerksamkeit von diesen erhalte, dann gibt das irgendwie mehr Erfolg. Die Logik dahinter ist dieselbe wie oben genannt: ich verwechsele die Leute, die mir Geld geben mit den Leuten, wegen denen mir Geld gegeben wird. Das Problem ist, dass diese Art von Kommunikation vergisst, dass social media das Verbreitungsmedium ist und nicht das Beschaffungsmedium. Ich kann zwar in spezifischen professionellen Kreisen Aufmerksamkeit für mich generieren, aber eigentlich sollte ich direkt mit der Zielgruppe interagieren. Die ganze Social Media Marketing Strategie zielt allerdings darauf ab, möglichst unauthentische und manipulierte Botschaften zu senden, von denen man denkt, dass sie definitiven Erfolg haben. Das stimmt, allerdings nur bei den Kreisen, die denselben Cargo-Culten anhängen.

Wir beten alle mal, damit wieder ein Flugzeug landet.

Obwohl alles, was oben gesagt wurde länglich bekannt ist, und gerade wir Podcastnasen das auch immer wieder beweisen, ((Ja, die Monetarisierung ist noch nicht so gut…)) wird an vielen Stellen der Industrie immer noch der Cargo Cult der gesteuerten Social Media Kommunikation gebetet. Das wird dann auch allen jungen professionellen Anfängern in dem Bereich beigebracht, gern an Unis gelehrt und resultiert darin, dass alle sich gegenseitig vorbeten, dass es gut funktioniert, weil der Rest genauso auf die Gebete handelt, wie man selbst. Allein, die echte Zielgruppe, diese Menschen, die irgendwie die Texte lesen, die Videos schauen und damit die Werbung konsumieren sollen, die werden nicht angesprochen. Stattdessen wird ein autonom arbeitendes System von Medienschaffenden kreiert, für die Chartbeat und Social Media Esoterik einen Erfolg garantieren sollen, den sie nur mit zweifelhaften Daten messen können.

Daran ist besonders interessant, dass es in der PR-Branche eigentlich bekannt ist, wie am besten Engagement hergestellt wird, nämlich durch die oben genannte Authentizität und Relevanz. Allerdings scheint es da auch noch Experten aus dem Bereich der Leute zu geben, die das gerne irgendwie betriebswirtschaftlich plan- und abrechenbar mit Erfolgsgarantie hätten. Also werden werden dämliche Kochrezepte in Gebetskreisen zum social media Erfolg herbeigebetet, die von freischaffenden Priestern geleitet werden, die nix von dem glauben, was sie erzählen, aber gut Rechnungen schreiben. Gerne führt das dann auch noch dazu, das immer mehr Geld auf disfunktionale Interaktion geworfen wird, weil ja die Strategie nicht falsch sein kann, sondern nur die Anstrengung fehlt.

Sei du selbst…

Das ist alles hochgradig amüsant, würde es nicht so viel Geld kosten und gleichzeitig strukturell diejenigen Stimmen unterdrücken, die tatsächlich einen Mehrwert für die Gesellschaft und nicht nur für ein scheiternde Medienwelt haben. Diese anderen Stimmen haben oft keinen schnellen Erfolg, aber dafür meist den nachhaltigeren.

Störe meine Kreise nicht…

Im Laufe des Lebens baut man sich immer mehr soziale Beziehungen auf. Das ist vollkommen normal und nachvollziehbar. Diese schließen sich an verschiedene soziale Institutionen an. Zuerst sind da Familienbeziehungen, dann Freundschaften, die mit Schule zu tun haben können, aber auch eben nicht und später Arbeitsbeziehungen.

Der Grad der Freiwilligkeit und des Spielraums, den man bei Gestaltung dieser Beziehungen hat, ist sehr unterschiedliche. Während familiäre Beziehungen nahezu keinen Spielraum zulassen, jenseits dass man jeglichen Kontakt abbricht, Arbeitsbeziehungen eher etwas von zufälligem Schicksal mit sich tragen, kann man seine freundschaftlichen und romantischen Beziehungen sehr frei gestalten. Das bedeutet dann auch in Zeiten des Internets und sozialer Netzwerke, dass man sich ein persönliches Freundschaftsumfeld generieren kann, das im Rahmen der unfreiwilliger entstandenen Beziehungen zu Problemen führen kann. Das ist schon an sich ein Problemfeld und die Interaktion von diesen Beziehungen ist schon schlimm genug.

Es wird aber noch problematischer, wenn man bedenkt, dass die Menge an Menschen, die man im Laufe des Lebens als freundschaftliche Beziehungen akkumuliert, langsam aber stetig ansteigt und an sich aber auch fragmentiert ist. Das fängt damit an, dass diese Menschen unterschiedliche Hintergründe und Werte, aber auch Wertigkeiten haben. Die Frage ist ja, welche Facette des eignen Lebens in diesen Beziehungen reflektiert ist, weil alle Facetten sind nur selten und das meist bei sehr guten Freunden vorhanden. Ansonsten ist es schon die Frage, was man wem erzählt. Dazu hilft es bei der Seelenhygiene, dass man auch immer mal jemanden hat, mit dem man relativ sicher über die anderen Beziehungen reden kann. Das ist an sich sehr wertvoll und wenn jemand mit dem Konzept um die Ecke kommt, dass man ja keine Geheimnisse voreinander haben sollte und jeder alles wissen darf, dann hat sich die Person noch nicht daran verbrannt. Denn absolute Offenheit verdient Vertrauen und dieses ist gerade in der Welt der sozialen Medien noch weniger zu bekommen.

Das bedeutet aber auch, dass man sich überlegen muss, wie das mit den sozialen Kreisen in seinem Leben ist und wie sehr eine Störung dieser Ordnung eine Person stört. Das hängt auch von der persönlichen Einstellung und Entwicklung ab, immerhin wird der Mensch mit steigendem Alter immer konservativer. Es ist also vielleicht wichtig, dass man die eigenen Kreise, die man sich schafft, nicht gestört bekommt. Die Idee, dass man immer mit jedem verbunden sein muss und dass eine Großzahl von Beziehungen einen Selbstwert hat, obwohl die einzelne Beziehung oberflächlich und mit wenig gegenseitigem Wert belegt sind, ist verirrt und führt dazu, dass man gar keine Beziehungen führen kann, die bedeutsam sind. Dazu kommt, dass dieses Verhalten dazu führt, dass andere Menschen auch immer weniger bedeutsame Beziehungen führen können, weil das Netz des Sozialen um sie herum immer mehr entwertet wird. Alle kennen sich, aber keiner will noch etwas Tiefes sagen, denn das Vertrauen, dass in der Trennung sozialer Kreise geschaffen werden kann, geht in der Jagd des verzweifelten Networkings verloren.

Und so ist es eigentlich zu wünschen, dass die Menschen sich einander annähern, aber auch Freiraum lassen und nicht gegenseitig ihre Kreise stören oder zumindest die Entscheidung, wie das soziale Umfeld der anderen Person aussehen soll und welche Rolle man für diese Person spielt, ihr zu überlassen. Alles andere ist soziale Gewalt, die egal wie gut sie gemeint ist, am Ende zeigt, dass derjenige, der wie bei Archimedes die Kreise stört, am Ende auch derjenige ist, der den Kern der sozialen Interaktion tötet: nämlich das Vertrauen.

Kommunikationsproblematiken

Ich möchte mich mal etwas darüber auslassen, wie Kommunikation in öffentlichen Organisationen so funktioniert, und was man, theoretisch, beachten sollte, wenn man das irgendwie mit Software lösen möchte. Wie immer, keine neuen Erkenntnisse, aber diese vielleicht mal konzise aufgeschrieben.

Kommunikationsformen

Doch wie wird primär kommuniziert heute? Natürlich immer noch face-to-face und das mehr als die Jugend sich so ausdenken kann. Schließlich gibt es ganze Teile der Gesellschaft, die digitalagnostisch sind. Doch für die Teile, die es nicht sind hat sich viel geändert. Es wird mehr geschrieben als geredet und das nicht nur auf Social Networks oder Blogs (qed!), sondern auch in SMS und Messengerservices. Klassische Bilder sind junge Menschen, die im Café gegenüber sitzen und in ihre Telefone starren und sich Nachrichten schicken oder das Pärchen, das sich per SMS auf der Couch streitet. Non-verbale Kommunikation hat zugenommen, sei es Email, Chat oder Microblogging. Die Erklärung hierfür ist zweiseitig: zum Einen kann sie asynchron stattfinden. Man muss nicht mehr zeitgleich mit einer anderen Person an einem Gerät oder an einem Ort sein um kommunizieren zu können. Zum Anderen ist textbasierte Kommunikation viel ambivalenter weil viele der Heuristiken, die Menschen zum Deuten von Aussagen des Gegenübers verwenden, nicht auf Text anwendbar sind. Deswegen gibt es Emoticons und deswegen kann man mit Emoticons so schön lügen.

Die Tatsache, dass wichtige Kommunikation immer mehr nicht direkt stattfindet, kann damit zusammenhängen, dass man direkte Konsequenzen fürchtet und dass man sich mehr traut, wenn die andere Person nicht im Raum ist. Dazu kommt die Bequemlichkeit aus jeder Situation und aus der Entfernung kommunizieren zu können. Es verbindet die Unverbindlichkeit des Indirekten mit der Bequemlichkeit der zeitlichen und örtlichen Unabhängigkeit.

Synchronizität

Diese Unabhängigkeit führt zu einem weiteren Phänomen, dass moderne Kommunikation schwierig machen kann. Die verbale Kommunikation egal ob face-to-face oder Telefon ist immer synchron, die textbasierte muss es nicht sein. Hier hat man die Wahl von synchronen und asynchronen Modi. Während IRC und klassischer Chat synchron ist, ist E-mail asynchron. Chatnachrichten können nur gelesen werden, wenn man da ist und verlieren mit verstrichener Zeit an Relevanz. Ähnlich verhält es sich mit Tweets, die zwar nachgeschlagen werden können, aber schon nach kurzer Zeit kaum noch eine Antwort wert sind. ((Insbesondere, wenn man bedenkt, dass viele Leute unfähig sind eine Diskussionsansicht zu benutzen.)) E-mail und auch die Postingnetzwerke wie Facebook sind allerdings asynchron. Eine Nachricht wird platziert, ist persistent und kann, sofern sie einem überhaupt angezeigt wird, auch mit Verzögerung beantwortet werden. Diskussionen spannen sich damit über mehrere Tage, solange die Leute das Posting finden. Das hat auch alles seine Verfallsdauer, aber man bekommt tatsächlich mit einem Jahr Abstand auch noch Antworten auf ein Posting.

Spannend sind hier Kommunikationsmethoden die technisch asynchron sind, aber sehr oft als synchron betrachtet werden. Der Klassiker ist SMS, aber natürlich sind es heute SMS-like Messenger wie iMessage, WhatsApp oder Threema, die natürlich Nachrichten vorhalten, aber von den Benutzern meist so benutzt werden, als würden sie eine sofortige Antwort benötigen. Man lässt sich also gerne in eine synchrone Unterhaltung hineinziehen, obwohl es technisch eine asynchrone Unterhaltung ist.

Es schleichen sich aber auch andere Einstellungen zu Kommunikation ein, die von diesen technischen Bedingungen informiert sind. Zum einen gilt synchrone und direkte Kommunikation als immer übergriffiger, zum anderen ist asynchrone Kommunikation immer vorhanden. Da man davon ausgehen kann, dass die Person gegenüber die Nachricht nicht sofort bekommt ((Okay, kann man? Heutzutage bekommt der Gegenüber die Nachricht sofort, aber es wird eben nicht erwartet, dass er antwortet, weil die Nachricht eben vorgehalten wird.)) oder nicht sofort antwortet, lässt einen freier Nachrichten versenden, aber bedeutet auch, dass es keinen Moment mehr gibt in dem man eben nicht mehr kommunizieren kann. Das ist allerdings nur die eine Seite des Problems.

Push vs. Pull Kommunikation

Die andere Seite ist, dass es nicht nur wichtig ist, ob man zeitgleich dasselbe Medium benutzt, sondern auch wie einen Nachrichten aus diesem Medium erreichen. Denn asynchrone Nachrichten werden nahezu synchron wahrgenommen, wenn sie einem per Push dargereicht werden. Push bedeutet hier, dass ich Nachrichten, die wichtig sind ((Oder die Facebook und Co. für wichtig für mich halten…)) automatisch bekomme. Ich hole, also pulle, die Nachrichten bei meinem Emailserver oder sonstwo selbst. Doch was bedeutet das für unsere Kommunikation?

Push scheint ja das Allheilmittel zu sein. Und natürlich hilft die Technologie dabei die eigene Informationsflut zu managen in dem man sich genau aussucht, was denn nun gepusht werden soll. Tut man das nicht, also hat man eben keine technische Medienkompetenz , dann macht Push einen zum Opfer der eigenen Informationssucht. Man wird großflächig genervt und von Nachrichten eingedeckt, von denen man wohl einen Großteil gar nicht empfangen wollte. Weswegen Pull seine Berechtigung hat. Man kann sich hier aussuchen, wann man Nachrichten empfängt und wann nicht und aus welchen Quellen. Auf der anderen Seite ist Pull sinnlos und sogar eine Belastung, wenn es um wichtige Informationen geht, die man zeitkritisch und direkt erfahren will. Gerade im Berufsalltag möchte man Systeme, die verlässlich Informationen verbreiten und zustellen anstatt die zweifelhafte Freude immer wieder auf Verdacht auf Internetseiten oder ähnliches zu blicken. Während Push Stress bedeutet, weil man mit Informationen zu sehr eingedeckt wird, ist Pull stressig, weil man eben gar nicht weiß, dass es eine wichtige Nachricht gibt. ((Die Lösung ist einfach: wenn man mir es nicht pusht, war es anscheinend nicht wichtig.))

Auswirkungen auf die Kommunikationskultur

Bisher war das ja alles mehr so geschichtlich oder technisch, aber diese ganzen Features haben natürlich einen großen Einfluss darauf, wie wir heutzutage kommunizieren. Zum einen gibt es die offensichtliche Botschaft: es wird weitaus mehr kommuniziert und davon weitaus mehr digital mit textbasierten Medien. Diese dringen durch Asynchronizität und Push immer mehr in unser Leben ein. Dafür haben wir immer mehr Kontrolle darüber, wie wir Informationen konsumieren und wie wir kommunizieren. Diese Kontrolle wird aber besonders von Menschen mit niedriger Medienkompetenz nicht wahrgenommen, so dass man Kommunikation entweder nicht wahrnehmen oder nicht entkommen kann.

Vom freien Medium zum Medium der Unterdrückung

Die social media Welt und daran angehängt die Reste der alten Medien beschäftigen sich seit gestern mit Bildern von amerikanischen Stars, die sich selbst nackt fotografierten und deren Bilder durch ein Datenleck veröffentlicht werden konnten.

Dazu kann man viel sagen und vieles wird gesagt. Zum Beispiel:

  • dass die ja selbst schuld sind Appleprodukte zu benutzen, bei Android wäre das nie passiert (aber natürlich…)
  • dass sie Nutten und Huren sind und nicht anständig (weil wir ja besser sind, vor allem diejenigen, die um das festzustellen erst einmal alle Bilder gesichtet haben) ((Das erinnert mich immer an den Teil der Parteiprogramms der bibeltreuen Christen, wo gefordert wird, dass Pornografie und Prostitution streng überwacht werden. Die Überwacher testen das dann unter Gefahr für ihre Seele sicher unter Schmerzen.))
  • dass die Bilder noch nicht mal was besonderes sind. (Kommt halt immer drauf an für, wen nicht?)
  • dass Frauen zum einen sich nackt fotografieren dürfen und sollten wie sie wollen und zum anderen die Welt an sich, sich bitte den Kommentar verkneift. (Endlich mal eine Aussage mit Hirn…)

Doch ich möchte einen Schritt weiter vorne anfangen. Der Grund, warum diese Fotogeschichte so ein Problem ist, ist dass hier nicht nur Frauen objektifiziert und sozial unterdrückt werden. Das ist ja irgendwie schon Standard in der schönen neuen Welt der social media. Es ist die Tatsache, dass der Kontrollverlust über Daten immer schneller passiert und dass Meinungen immer schneller ausgetauscht werden können. Doch der Umgang mit diesem Phänomen ist mittlerweile auf dem Niveau der Hexenprozesse von Salem angekommen. Unter dem Vorwand der freien Meinungsäußerung und mit der schweigenden und erigierten Masse im Rücken drücken Minderheiten ihre konservativen Wertvorstellungen in die Welt und unterdrücken damit die Freiheit, die uns das Internet und social media geben sollte. Anstatt endlich genug Raum für jede Nische zu haben, wird erfolgreich versucht eine Gleichschaltung ((Jap, das Wort ist Absicht.)) auf puritanische Werte zu erreichen, die selbst für 50er Jahre rückschrittlich erscheinen können. Anstatt also persönliche Freiheit zu generieren, generiert das social Web einen unheimlich engen Korridor sozialer Konstrukte und Erwartungen, denen man dringend entsprechen muss, möchte man nicht am nächsten Tag vom wütenden Mob zum Galgen gebracht werden.

Die Freiheit man selbst zu sein und vor allem die Freiheit dies jenseits von streng geschützter Privatsphäre in den globalen ((Das ist ja auch ein Lacher für sich. Wer denkt, dass das Web nicht komplett an Kulturgrenzen balkanisiert ist, zählt jetzt mal bitte die Websites im Verlauf, die nicht auf com,de,net oder org enden.)) Medien, die einem zur Verfügung stehen, zu tun, ist verschwunden, da immer mehr unseres Lebens vernetzt werden. Doch anstatt nun in der Weite des Netzes den Menschen ihre Frei- und Schutzräume einzuräumen, werden die Inhalte dieser nur noch auf den öffentlichen Marktplätzen vor der geifernden Masse verhandelt, deren Privatsphäre nur vorerst sicher ist, weil sie selbst noch uninteressant ist ((Es ist ja nicht eine Frage, ob du was zu verbergen hast, sondern nur vor wem.)) oder die sich eh schon komplett in der Öffentlichkeit entkleidet.

Das Letztere ist ja die Vision der post-privacy Befürworter. Diese vergessen hierbei immer, dass soziale Dynamiken keine Rücksicht auf die Einzelperson nehmen und damit post-privacy nicht zur ultimativen Freiheit sondern zur ultimativen Uniformität wird. Denn die Masse wird nicht anfangen das Individuum zu respektieren, sie wird das Individuum dazu zwingen sich anzupassen oder es zerstören. Und damit wird aus dem Traum der ultimativen Freiheit im Netz der Albtraum der ultimativen sozialen Unterdrückung aller durch alle. Die ersten Anzeichen hierfür kann man schon gut erkennen. Der Mob auf Facebook und twitter erschlägt jetzt schon regelmäßig die Dissidenten und zerstört Leben, die nicht den fiktiven Anforderungen entsprechen, die gesetzt werden und denen man selbst dann natürlich auch nie genügen könnte.

Der Jahresrückblick 2013

Das Jahr geht zuende und was darf da nicht fehlen, genau der Jahresrückblick. Da es hier im Blog ja eher um das Denken über die Welt geht, wird es der Jahresrückblick der Konzepte.

Schock oder Sicherheit

Die Welt war 2013 im Schock. Also mit Welt meine ich natürliche die westliche Welt ((Der Rest hat seine Verwandten unter eingestürzten Nähereien, in zerstörten Städten und den Überresten von Kriegsgebieten gesucht, versucht etwas zu essen zu haben oder schlicht zu überleben.)) und Schock war in manchen Bereichen der Gesellschaft eher so das Pokerface, das die endgültige Sicherheit ausdrückt, das unsere Bürgerrechte oder auch Menschenrechte den Herrschenden und vor allem ihren nahezu autonomen Untergebenen scheißegal sind. Hier dann natürlich besonders, wenn es sich um Herrschende anderer Staaten handelt. Erst war die Bevölkerung schockiert, dass sie jenseits der freiwilligen Herausgabe aller Daten an Facebook und Google diese in Kopie auch noch einmal bei der NSA abgeben, dann war die Regierung schockiert, dass sie wie ein Bürger behandelt wird.

Stasis

Es bleibt 2013 auch vieles, wie es war. Die Bevölkerung hat ihr Interesse an Stasis eindeutig in verschiedenen Wahlen Ausdruck verliehen und die Regierung ist dem mit dem neuen Koalitionsvertrag nachgekommen. Die SPD hat uns mal wieder verraten und die Verachtung der Regierenden für die Bevölkerung ist genauso groß wie vorher und wir dürfen erwarten, dass keinerlei der immanenten Probleme gelöst oder aber auch nur erkannt werden. Damit bleibt dann auch die Erwartung, dass die Politikerverdrossenheit weiter mit dem revolutionären Potenzial steigt. Blieb also alles beim Alten.

Empörung

Gerade im Internet, aber auch in den Mainstreammedien, hat die Tendenz zur Empörung zugenommen. Die sozialen Medien haben sich als Ort der Empörung (twitter) und als Quelle der Empörung (Facebook) etabliert. Die extremen alternativen Positionen haben sich alle fröhlich eingemauert und sind für Argumente nicht mehr zugänglich. Der gesellschaftliche Fortschritt wird dem Aufregen über die Position des jeweils anderen geopfert. Denn die Welt hinter meinen Augen ist wichtiger als das Schicksal der Welt auf deren Existenz wir uns geeinigt haben.

Tidbits

Hier noch die kleinen und großen Fakten, die man für 2013 nicht vergessen sollte.

  • Die Menschheit hat ihr Potenzial nicht ausgeschöpft.
  • Politischer Protest wird Mainstream.
  • Es hören mehr Menschen bei Omniakonzerten auch auf die Ansagen.
  • Russland ist definitiv keine Demokratie mehr.
  • Die USA haben noch die Wahl, ob sie wieder eine werden.
  • Deutschland ist verzweifelt, dass das Grundgesetz eine Abschaffung der Demokratie verbietet.
  • Shopping Queen ist die Sendung des Jahres.
  • Auch im deutschen Fernsehen wird jetzt gebacken.
  • Markus Lanz macht immer noch Wetten Dass?!
  • Die Presselandschaft ist trotz Leistungsschutzrecht am Sterben.
  • Im Pazifik schwimmt immer noch ein Floß aus Plastikmüll.
  • Fukushima schmilzt immer noch vor sich hin.

Vorsicht vor den guten Menschen…

Nachdem ich mich jetzt schon einmal darüber geäußert habe, dass wir romantische Strömungen in unserer Gesellschaft haben und ich dem Phänomen eher negativ gegenüberstehe, ((Okay, das ist ein reiner Euphemismus. Ich find’s eklig.)) muss ich jetzt auch mal erklären, warum dem so ist. Dazu mache ich hier mal eine kleine philosophische Einteilung auf.

Jedes philosophische System erstellt auch ein Menschenbild. Und diese Menschenbilder zeigen bestimmte Hoffnungen und Annahmen über den Menschen. Das ist schön, aber um das gleich klarzustellen: die sind alle falsch. Oder sie sind alle richtig, sucht es euch aus. Diese Menschenbilder kann man grob in diejenigen unterteilen, die den Menschen positiv und die, die ihn negativ sehen. Ich erkläre das mal an zwei Beispielen.

Thomas Hobbes – Hilfe, wir brauchen einen Diktator

Thomas Hobbes schrieb in seinem Leviathan die erste der politischen Vertragstheorien der Neuzeit. Er plädiert in dem Werk, dass man einen eigenständigen Souverän braucht. Seine Begründung zieht er dabei aus einer Analyse des Menschen im sogenannten Naturzustand dieser fiktive Zustand ist Hobbes‘ Vorstellung für eine ungeregelte menschliche Gesellschaft. Seine Vorstellung ist die einer gewalttätigen unberechenbaren Gesellschaft in der sich der Stärkste jedes Recht nimmt und man in dauerhafter Angst und Unsicherheit lebt. Dafür braucht es dann eben einen regulierenden Staat.

Hobbes ist ein Pessimist und Zyniker. Er erwartet von den Menschen nichts Gutes. Er misstraut ihnen auf Schritt und Tritt und gesteht deswegen einem Gemeinwesen nicht einmal zu, dass es nach der Einsetzung seines Souveräns, des titelgebenden Leviathans, keinen Einfluss mehr auf diesen hat. ((Ob das so eine gute Idee ist, ist eine andere Diskussion.)) Hobbes ist durchgehend skeptisch gegenüber der menschlichen Natur. Das führt allerdings auch dazu, dass er sich für ein politisches System ausspricht, das eigentlich nur das Schlechte im Menschen, das er sieht, reguliert und sich damit zufrieden gibt. Hobbes halt also ein negatives Menschenbild, es führt aber in der Verwirklichung zu einem Staat, der Freiheiten nur einschränkt, damit das Tier in uns die  anderen nicht umbringt. Man sieht hier also, dass ein eher negatives Menschenbild einen zu einer regulierenden Idee über menschliches Zusammenleben führt. Man möchte etwas verbessern, das man als negativ wahr nimmt. Und mehr als diese Verbesserung braucht es meistens nicht. ((Okay, man kann über das Ziel hinausschießen, aber dann landet man automatisch in der anderen Kategorie.))

Karl Marx – Die Hoffnung stirbt zuletzt ((Das tat sie dann ungefähr auf Höhe Stalins.))

Marx hat uns eine Vielzahl philosophischer Ideen hinterlassen. Das Ziel seiner Philosophie ist aber der sogenannte wissenschaftliche Kommunismus. In diesem soll es kurz gesagt dann keine Herrschaft mehr geben. Er begründet seine historisch-kritische Theorie auf einer Wirtschaftsanalyse und zieht damit seinen Kommunismus basierend auf wirtschaftlichen Ideen auf. In diesem zukünftigen Kommunismus soll es aber keine Herrschaft mehr geben. ((Lies: Die Produktionsmittel gehören allen.)) Das bedeutet allerdings auch, dass jeder in der kommunistischen Gesellschaft freiwillig arbeiten muss, damit die Welt weiter läuft. In Marx‘ Ideenwelt machen die Menschen das auch, weil sie erkennen, dass es das Beste für sie ist, wenn sie der Gesellschaft dienen. Diese Idee setzte sich dann im realen Sozialismus Osteuropas erstmal auf irgendeine Art fort. Doch stellte man schnell fest, dass es nicht funktionierte. Die Menschen begannen weniger zu Arbeit zu erledigen, weil sie soundso bezahlt wurden. Keiner tat etwas, was er nicht dringend musste und so musste sich der Staat Anreizmodelle einfallen lassen. Die eine Idee waren die Aktivistenorden in der DDR, also ein positiver Stimulus. Die leiern sich nur leider aus. Deswegen setzte man dazu auch noch auf geheimdienstliche Überwachung und Oppression. ((Die wurde auch eingesetzt um Landflucht vorzubeugen. Immerhin brauchte man die Leute und konnte sich auch nicht vorstellen, warum die überhaupt nicht im Sozialismus leben wollen.))

Hier sieht man, dass ein positives Menschenbild das Problem birgt, dass man oppressiv werden muss, wenn die Menschen sich nicht an die Vorstellungen halten, die man selbst von ihnen hat. Man muss sie also zu ihrem Glück zwingen. Das bedeutet dann auch, dass sie dieses Glück verlieren, denn sie sind in einem totalitären Zwangsstaat. Ein positives Menschenbild führt also langfristig zu Überwachung und Staatsterrorismus.

Vorsicht vor den guten Menschen…

Man kann also sehen, dass Ideale über das menschliche Zusammenleben und ein idealistisches Menschenbild immer dazu führen, dass man Menschen, die sich nicht an diese hohen Standards halten, also einfach Menschen sind, zu ihrem eigenen Glück zwingen muss. Das kollidiert dann mit der Welle an Romantik, die da durch die Welt schwappt. Es gibt also sehr viele Menschen, die sich nach einer heilen Welt sehnen und glauben, dass man die dadurch erreichen kann, dass man andere Menschen dazu auffordert sich entsprechend zu verhalten. Gerade soziale Netzwerke sind ein einfacher Weg sozialen Druck auf Menschen aufzubauen, die das persönliche Romantikempfinden stören oder aber sogar daran zweifeln, dass diese Ansicht eine valide auf der Welt ist. Sie haben also ein negatives Menschenbild und das kann man ja nicht haben. Die Welt soll gut und toll sein, wir sollen uns alle lieb haben und die niederen Teile unseres Wesens überwinden oder unterdrücken.

Doch was ist, wenn die anderen das nicht tun? Dann wird Druck aufgebaut, gerne über die emotionale Schiene und über einen diffusen Moralbegriff. ((Beide zutiefst verabscheuungswürdig.)) Dabei werden essentielle Grundlagen des zwischenmenschlichen Umgangs ignoriert und verletzt. Weder wird auf die Eigenständigkeit des anderen, noch auf sein Recht zu einer eigenen Meinung Rücksicht genommen. Man weiß ja schliesslich selbst, was die bessere Welt wäre. Dazu kommt noch, dass dieses Verhalten einen blind gegenüber den meisten Dimensionen einer multivariaten und komplexen Welt macht. Es ist also auch jenseits absoluter Menschenfeindlichkeit als Problemlösungsstrategie für eine soziale Gruppe eine absolute Katastrophe. Denn der Einzelne ist immer blind gegenüber den Änderungen in der Welt und die einzige Hoffnung ist der Diskurs mit den anderen. Wenn man diesen dann unterdrückt, weil es nicht dem kitschig-romantischen Weltvorstellungen entspricht, endet man im Terrorismus der guten Menschen.

Fazit

Wie die Überschrift sagt: misstraut Menschen, die nur das Gute wollen. Sie sind die Diktatoren von morgen. Sie haben nicht mehr Ahnung, wie die Welt läuft als man selbst und sie haben im Zweifel keine Skrupel ihre Interessen mit sozialer oder sogar körperlicher Gewalt durchzusetzen, denn sie nehmen für sich in Anspruch das richtige und Gute zu tun. Aus einem positiven Menschenbild folgt nämlich immer Terrorismus, ob in sozialen Netzwerken oder an der Spitze von Staaten ist hierbei vollkommen egal.

Soziale Entropie II

Ich hatte schon einmal über das Phänomen der sozialen Entropie gesprochen oder besser es irgendwie erfunden ((Bisher hat sich keiner beschwert, aber das ganze Konzept ist eh nur ein glorifizierter Name für etwas, das jeder kennt. Das ist aber öfter so, besonders in der Geisteswissenschaft.)) Nachdem ich beim letzten mal eher darüber geredet habe, wie man Kontakte, die man haben möchte, aufrecht erhält, geht es diesmal um die Frage, die ich da am Ende gestellt habe: Welche Menschen sind mir diese Kosten warum wert? und erweiternd: Was bin ich bereit in Kauf zu nehmen um mit diesen Menschen Kontakt zu halten?

Beziehungskreise

Die erste Frage sieht aus, als wäre sie einfach zu beantworten, ist sie aber nicht. Wir existieren ja in einem Geflecht aus Beziehungen und alle Menschen um uns herum auch. Das bedeutet zum einen, dass man in bestimmten Bereichen Beziehungen zu Menschen hat, die man nicht lösen kann und bei denen man die entsprechenden Menschen akzeptieren muss ((Klassisches Beispiel wäre der Beruf, wobei man da ja immer noch die ultima ratio der Kündigung hat. Leider sind auf diese Möglichkeit nur hohe gesellschaftliche Strafen drauf ausgesetzt.)), und es bedeutet auch, dass man über seine Beziehungen automatisch Teil anderer Beziehungsnetzwerke wird. Nimmt man da die Welt der modernen sozialen Netzwerke hinzu, lassen sich wohl mehrere Kreise aufmachen. Zum einen der Kreis derjenigen, die man als enge Beziehungspartner sieht ((Also sowas wie Familie, enge Freunde und Liebespartner.)). Dann gibt es die Menschen mit denen man regelmäßig zu tun hat. Die letzte Gruppe ist die größte: Menschen, mit denen man eigentlich nichts zu tun hat, außer dass sie jemand sind, den jemand anderes kennt, der im Idealfall eine enge Beziehung zu einem hat.

Das bedeutet dann auch, dass man sehr viel Energie investieren muss, um diese ganzen losen Beziehungen zu bewältigen, obwohl sie alle gemeinsam nicht genug sozialen Wert gegenüber auch nur einer engen Beziehung haben. Man beschäftigt sich also immerzu mit den Äußerungen von Menschen, die eigentlich kaum Beschäftigung bedürfen oder keinerlei signifikante Wirkung auf das persönliche Leben haben. Sie nehmen aber viel Zeit und Energie in Anspruch ohne einen Mehrwert zu haben. Es entsteht da eine hohe soziale Entropie, die man immer wieder bewältigen muss. Die Menge an bewegenden „Teilchen“ ist halt sehr hoch.

Modalitäten

Doch auch die Art, wie ein soziales Netzwerk funktioniert hat einen Einfluss darauf, wie groß die Kosten sozialen Kontakts sind. Es gibt zwei große Modelle, nach denen soziale Netzwerke Menschen miteinander verbinden.

  • Das Freundschaftsprinzip wird vor allem von Facebook propagiert. Dies ist generiert immer synchrone Beziehungen zwischen Nutzern. Ich bin dein Freund und du meiner und wir haben den selben Zugang zu allen unseren Daten, Informationen und Posts. Es bedeutet, dass man immer genauso große Mengen an Informationen bekommt, wie man sendet. ((Also, abhängig davon, wer wieviel von sich gibt. Es ist eine relative Angabe. Ungleichgewichte verschlimmern das Problem für den passiveren Partner aber sogar noch.))
  • Das Followerprinzip ist die Basis von twitter und beruht darauf, dass jede Äußerung von vorneherein öffentlich ist, außer sie ist explizit privat. Den öffentlichen Äußerungen kann ich dann folgen, ohne dass für denjenigen, der sie tätigt eine Verpflichtung entsteht auch mir zu folgen.

Für diese Betrachtung ist damit natürlich auch klar, dass ein soziales Netzwerk nach dem Freundschaftsprinzip eine weitaus höhere soziale Entropie aufweist, als eines, das nach dem Followerprinzip funktioniert. Denn man ist den Nachrichten der anderen ausgeliefert und das Beziehungsformat impliziert, dass man sich alles anhören muss, wenn man auch gehört werden will. Das ist beim Followerprinzip nicht der Fall, denn dort besteht keine soziale Verpflichtung Menschen zu folgen, die einem folgen und umgekehrt. Man selektiert also, welchen sozialen Lärm man sich antun möchgte und welchen nicht.

Fazit

Wir haben durch das Internet die Möglichkeit mit Menschen in Kontakt zu bleiben, bei denen wir ansonsten viel investieren müssten, um es zu tun. Die Kosten dafür sind also niedriger geworden, doch die Möglichkeiten, die wir dafür primär benutzen generieren soviel soziale Entropie, dass die Gesamtkosten für unser Leben, Energie und Zeit, am Ende größer sind als zuvor, wo man konzentriert und punktuell miteinander in Kontakt getreten ist. Das tut man im Prinzip immer noch, aber das Getöse an Nebensächlichkeiten ist um ein vielfaches lauter geworden.

Damit bleibt die Frage, was man in Kauf nimmt um mit Menschen in Kontakt zu bleiben und was nicht. Wir haben viele neue Möglichkeiten, aber diese führen nicht immer dazu, dass man besser Kontakt hält. Oft erhöhen sie nur den Lärm im Leben. Es ist also eine gute Idee sich zu überlegen, was man benutzt um mit den anderen zu kommunizieren und wie.

Own your own content…

In seinem Überraschungsvortrag auf der re:publica 2012 plädiert Sascha Lobo dafür, dass wir wieder mehr eigene Blogs aufzubauen und mehr des Contents wirklich auf eigener Infrastruktur anzubieten. Dem folgend habe auch ich ja mehrere Blogs und bin besonders stolz, dass meine Freundin Isa nun auch ihre Bildergalerie online hat. ((Gehostet auf Teilen meines Webspaces und mit Verlaub einem sehr schönen Portfoliotheme.))

Doch warum sollten wir eigentlich unseren Content selbst hosten?

Also Sascha sagt es ja eigentlich auch ganz gut in dem Vortrag, aber schauen wir doch mal in die Nutzungsbedingungen von Facebook, dem Internetservice, den die meisten für einen Ersatz eines eigenen Blogs oder aber, was noch kritischer ist, als Promotiontool für sich halten. ((Nur so, allein die Tatsache, dass ich dort nicht anständig Kommentare moderieren und im Zweifel nichts gegen Trollerei unternehmen kann, macht es eklig.)) Da steht dann:

Für Inhalte wie Fotos und Videos, die unter die Rechte an geistigem Eigentum (sog. „IP-Inhalte“) fallen, erteilst du uns durch deine Privatsphäre- undAnwendungseinstellungen die folgende Erlaubnis: Du gibst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz zur Nutzung jeglicher IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest („IP-Lizenz“). Diese IP-Lizenz endet, wenn du deine IP-Inhalte oder dein Konto löschst, außer deine Inhalte wurden mit anderen Nutzern geteilt und diese haben die Inhalte nicht gelöscht.

Diese Aussage, gerade dem Teil mit den „anderen Nutzern“ erlaubt Facebook gar nichts der Inhalte zu löschen. Natürlich hat man da immer noch sein Urheberrecht aber man hat auch einen weltweit agierenden nichtzahlenden Großlizenznehmer, der die größte Verwertungslizenz hat, die man sich so vorstellen will. Das macht das Verbreiten der eigenen Werke gegen Geld doch etwas schwieriger. Vor allem, weil sich Facebook da die Übertragbarkeit der Lizenz zusichern läßt. Das heißt, ich kann mir von Facebook eine Lizenz für sagen wir mal eure Bilder geben lassen und gebe denen Geld dafür und dann darf ich diese Bilder als Werbetreibender verwenden und ihr als Urheber bekommt dafür… öhm nix?

Ja, aber Facebook hat angeblich ja auch Reichweite und ist wichtig für die Verbreitung im Netz. Nun dazu gibt es keinerlei Studien, die irgendwie zeigen, dass mir Facebook etwas für meine Verbreitung hilft. Nachdem es ein geschlossenes System ist, das dazu wohl auch noch stark nach Sprachen und Ländern unterteilt ist, ist es fragwürdig, wie viel Reichweite ich habe, selbst, wenn ich mein schlechtes Schulenglisch benutze. Deviantart oder ähnliche Seiten, die tatsächlich einen Feed an neuen Sachen anbieten oder aber eine Sortierung nach Genre bieten sind für Künstler sicherlich ein besseres Pflaster. Aber auch hier ist natürlich die Reichweite eher geringer und vor allem unter Leuten, die sich für Künstler halten oder sogar welche sind. Man kann vielleicht mal einen Job abgreifen, aber ansonsten ist das auch eher so selbstbefruchtend und voller gegenseitiger Selbstwertschätzung für Sachen, die eigentlich jenseits der Betroffenen kaum jemand interessiert. ((Wie im ganzen Internet das eigentlich das Fall ist. Das ist halt die riesige Selbstbefruchtung der Nichtigkeit. Ja, auch ihr liebe Internetpolitiker und -feministen. Entweder man ist in eurem Diskurs oder er findet nicht statt.))

Deswegen ist es aber wiederum wichtig, dass möglichst viele Leute eigenständige Seiten haben. Wir brauchen keine Selbstbefruchtung, wir brauchen dezentrale Verlinkbarkeit und Syndication. RSS und Links sind die Technologien des Web, nicht Klicki-Bunti und Schaltflächen. Wir sollten produzieren und nicht das Produkt sein. Der Content sollte uns gehören, wenn wir ihn produzieren und wir sollten bestimmen, wo und wie unsere Diskurse stattfinden. Ich hab kein Problem mit Syndication und der Verbreitung meiner Links in soziale Netzwerke. Ich hab ein riesiges Problem mit der Idee, dass ich auf dem Platz eines privaten Unternehmens meinen Content ((Egal wie lächerlich unwichtig der ist…)) anbiete und auf dieses Unternehmen angewiesen bin. Das ist übrigens auch eine Erfahrung, die der Radiomoderator Jürgen Domian letztens machen musste.

Solange wir nicht zumindest die Infrastruktur unserer Seiten beherrschen ((und selbst das ist nicht genug…)) solange gilt, dass wir über unseren Content und unsere Message die Kontrolle noch schneller verlieren werden, als wir es eh schon tun. Es gilt halt:

The internet is not a public sphere.
It is a private sphere that tolerates public speech.
— Clay Shirky