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Warum muss ich das eigentlich machen? – Ein Rant

Wir Lehrkräfte gelten ja eher als die Buhmänner in Bildung und Erziehung und das nicht ganz zu unrecht. Da gibt es zum einen ausbildungsbedingte Mängel, wie fehlende pädagogische oder fachliche  Eignung, soziale Probleme, wie fehlende menschliche Eignung, und die Tatsache, dass wir ein kaltes, blindes und verknöchertes System vertreten, in dem politische Symbole wichtiger sind als pragmatische Entscheidungen. Doch ganz ehrlich, diese Rolle haben wir Lehrer so langsam abgegeben.

Warum?

Deswegen: ((Alle Geschichten haben einen realen Hintergrund, sind aber polemisiert, weil mir dieser ganze Scheiß aufn Sack geht!))

Fangen wir an mit den lieben Eltern an. Anscheinend ist der Leistungsdruck der elterlichen Peergroup so groß, dass Kinder heutzutage Angst haben müssen nach Hause zu kommen. Immerhin gibt es so Eltern, die ihr Kind schonmal mit Hausarrest bedrohen, wenn es mit einer Note schlechter als 3 nach Hause kommt.

Es kann aber auch sein, dass sie denken, dass die 40-Stunden Woche auch führ 12-Jährige gilt. Weswegen diese dann noch eine Stunde Vokabeln abschreiben müssen. Also nachdem sie bis um 16 Uhr Unterricht hatten und dann noch anderthalb Stunden im Bus aufs platte Land unterwegs waren.

Oder aber die Eltern, die am Elternsprechtag Lehrkräfte unter Druck setzen wollen, weil sie meinen, dass man „schlechte Noten“ nur vergibt, weil man das Kind nicht leiden kann, und die das selbe Kind am Vormittag vor der Knie-OP in die Schule schicken, weil „wer stehen kann, kann auch arbeiten“. Also da weiß ich ja gar nicht, wer das Kind mehr nicht leiden kann. Allen ist, gemeinsam, dass ich nicht weiß, was die alle nehmen, aber die aktuelle Dosis ist nicht gut.

Doch auch erwachsene Schüler zeigen mittlerweile ein besorgniserregendes Verhalten. Die Leistungsrhetorik ist mittlerweile so weit, dass Nervenzusammenbrüche vor Lehrkräften normal geworden sind. Irgendwann sitzt immer wieder jemand weinend vor einem, weil die hohen Ziele, die man sich sinnloserweise und in absoluter Abwesenheit eigener Selbsteinschätzung gesteckt hat, jetzt „in Gefahr“ sind.

Eine weitere Spielart davon sind die jungen Menschen, die total verschnupft oder gar mit schlimmeren, meist epidemiologisch bedenklicheren, Krankheiten in die Schule kommen, weil sie ja dringend alles mitkriegen müssen und von den drei Tagen verpassten sofort das Schuljahr oder die Probezeit nicht bestehen. Dass sie dabei irgendwie die halbe Schule anstecken und selbst nichts in die zugestopfte Birne kriegen. ist dabei auch egal.

Ganz der Gegensatz sind dann die Schüler, an die man als Lehrer die ganze Zeit selbst glauben muss, weil selbst nach positiven Ergebnissen nicht an die eigene Leistungsfähigkeit glauben. Wo die Lehrkraft mit den Arbeiten der Schüler diese selbst davon überzeugen muss, dass sie nicht komplett nutzlos sind.

Das kann dann soweit gehen, dass Menschen solche Prüfungsangst haben, dass nur noch der Schulpsychologe hilft und sie regelmäßig in Schweißattacken und nervöses Zittern ausbrechen.

Und jetzt mal echt die Frage: Bei dem Bild, das die Gesellschaft von uns Lehrern hat, warum müssen wir uns darum kümmern? Warum muss ich Leute nach Hause schicken? Warum muss ich Kinder vor ihren Eltern beschützen? Warum muss ich zerstörte Persönlichkeiten flicken?

Als Lehrer macht man das alles. Regelmäßig. Dabei muss man Gesetze beugen, Regeln brechen und ist doch eigentlich die Person, die hier die kältere Rolle spielen soll.

Wie kaputt ist eigentlich diese Gesellschaft, dass diejenigen, die traditionell immer für Härte standen, die eigentlich keine Spezialausbildung für Pädagogik habe, die mit Gesetzen und Regeln eingewickelt sind, die an Beknackheit kaum zu überbieten sind, die sich jeden Tag um mehrere hundert junge Menschen kümmern müssen. Dass diese Personen heute die sind, die für viele der jungen Menschen die Welt retten müssen?

Ohne Schule geht es (leider) auch nicht – eine Replik

Beim Deutschlandradio Kultur findet sich ein Text eines Vaters, der sein Kind nicht zur Schule schickt. Dies ist meine persönliche Antwort als Lehrer und Mensch mit soziologischer Bildung.

Zuerst einmal eine generelle Einleitung zu der Tatsache, dass Jakob nicht in die Schule geht:

Artikel 7, GG

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. ((http://dejure.org/gesetze/GG/7.html))

Warum ist das so in Deutschland? Weil wir eine wehrhafte Demokratie haben und diese haben wir, weil wir einmal erlebt haben, wie gefährlich es ist, wenn der Geist von jungen Menschen vergiftet wird. Es ist richtig, dass dies auch über das Schulsystem stattgefunden hat, aber die Gefahren, denen sich die Demokratie heute ausgesetzt sieht, haben allesamt ihre Wurzel in mangelndem Verständnis der Komplexität der Welt. Nur, wenn ich komplexe Systeme verstehen kann, kann ich auch komplexe Sachverhalte der Moderne beurteilen und mich emanzipieren. Diese Emanzipation ist das Ziel von Bildung und die Chancen dafür sind in einer sozialen Institution für Bildung höher als wenn jeder Mensch seine Kinder selbst bildet. Das Hauptargument hierfür kann man in dem Spruch von Isaac Newton sehen: „We are standing on the shoulders of giants.“ ((Nebenbei auch noch eine kleine Schmähung… er bezog es anscheinend auf einen sehr kleinen Mathematiker…)) Meine Expertise in Sozialkunde und Englisch ist das Ergebnis von organisierter Wissensvermittlung. Ohne das Weitergeben von Wissen in der Masse hätten wir heute nicht die Errungenschaften, die unser Leben so kuschig machen.

Doch nun zu den Argumenten, die in diesem Text vom Vater genannt werden.

Unterricht ist eine unglaublich ineffiziente Art der Wissensvermittlung. Kinder lernen von Natur aus, freiwillig, sie saugen Wissen geradezu auf!

Nach welchem Standard ist Unterricht das? Haben wir Vergleiche? Spielt das überhaupt eine Rolle? Für mich gibt es wichtigere Kriterien als Effizienz, zum Beispiel, dass Kinder gesichertes Wissen lernen. Ja, Kinder in Jakobs Alter saugen Wissen geradezu auf, nein, das bleibt nicht so. Dazu kommt, dass sich Jakob die Welt nur in dem Maße erklären und aufnehmen kann, die er im Rahmen seiner Möglichkeiten erhält. Sein Vater gibt ihm nichts zum entdecken jenseits einer Kleinbürgerwelt und das Kind erhält einen weitaus selektierteren Blick auf die Welt als in einer Grundschule. Eine Vielzahl des Wissen, dass er aufsaugen könnte, wird Jakob nie zu Gesicht kriegen, weil er nicht einmal weiß, dass er sich für etwas interessieren kann, dass sein Vater nicht kennt. Der Pluralismus der Welt bleibt ihm fremd. Aus Effizienzgesichtspunkten ist es damit auch fragwürdig, ob Jakob so viel besser dran ist, wenn er ein kleineres Angebot frei lernen kann.

Unterricht der Grundschulen leiden unter zu engen Korsagen und Vorgaben. Das Potenzial der Kinder wird tatsächlich nicht genutzt. Aber es gibt auch sowas wie Montessorischulen, die dieses Argument irgendwie dann entkräften, weil sie das beste beider Welten zu sein versucht.

Mathematik? Sage ich dann – spricht das wirklich für die Schule? Geh auf die Straße und frag irgendwen nach dem Mathestoff der siebten, achten Klasse. Bei den meisten ist kaum etwas übrig, viele können nicht einmal sicher schriftlich dividieren! Die meisten Menschen fragen mich genau deshalb nach Mathematik: Weil ihnen die Schule so große Angst davor eingejagt hat. Und darum soll Schule notwendig sein? Das finde ich absurd. Studien haben gezeigt, dass zwei Jahre nach Schulabschluss 90-95 Prozent des mühsam gelernten Stoffs schon wieder vergessen sind.

Ich sehe hier kein Gegenargument gegen das System Schule. Ich möchte hier darauf hinweisen, dass Mathematik nicht dazu da ist, dass jeder das alles behält. Es ist dazu da abstraktes Denken zu schulen und ja darin versagt der Mathematikunterricht gerne mal. Er versagt, weil Kindern früh der Spaß genommen wird, weil Eltern wie oben diese Klischees reproduzieren und weil jeder denkt, dass Mathematik so schlimm ist. Dazu kommt das Problem, dass moderner Mathematikunterricht gerne weltfremder ist, als er sein müsste. Diese Probleme sind alle erkannt, dass sie nicht gelöst werden ist ein Problem im System, nicht ein Argument gegen das System.

Das mit dem Stoff wird gern erzählt. Dafür, dass dieser Vater das System so nicht befürwortet bedient er sich aber gern derselben Denkwelt. Der grundlegende Fehler, den er hier fröhlich mitmacht, ist, dass Wissen noch einen Wert hat. Es hat immer weniger Wert. Verstehen und Anwenden sind die Werte, die in der modernen Welt zählen und es ist hier wo nicht nur die Schule sondern auch er als Elternteil versagt, wenn man sich auf Wissen konzentriert. Jakob kann übrigens diese Skills auch nicht allein lernen, denn dazu braucht es auch jemanden, der ihm die Anreize zum denken gibt.

Aber es geht ja in der Schule nicht nur um Wissensvermittlung! Schule hat andere Ziele, Sozialisierung, Toleranz, Auseinandersetzung mit anderen!

Ist Schule wirklich ein guter Ort für soziales Lernen? Sie reglementiert Kommunikation streng, die meiste Zeit sind soziale Interaktion und Auseinandersetzung in der Schule ja verboten – man darf nicht einmal miteinander reden, weil das den Unterricht stört! Alles, was für soziales Lernen fruchtbar ist, muss die Schule aufgrund organisatorischer Notwendigkeiten minimieren, Statistiker haben errechnet, dass jedes Kind sich in einer Schulstunde durchschnittlich ungefähr zwanzig bis dreißig Sekunden äußert. Der Frontalunterricht überwiegt nach wie vor bei weitem. Und in einer sozial so sterilen Umgebung soll soziales Lernen funktionieren?

Sozialisation ist nicht soziales Lernen. Soziales Lernen findet in Gruppen trotzdem mehr statt als wenn Jakob den ganzen Morgen allein daheim mit denselben Menschen rumhängt. Der Bolzplatz ist nicht die Schule mit ihren größeren Mengen an verschiedenen Kindern und Jugendlichen. Es sind alles kleine soziale Räume in denen er sich da bewegt. Er sieht keine Unterschichtkinder, keine Armut, keinen Pluralismus.

Zu der Sache mit dem Äußern im Unterricht möchte ich aus meiner Perspektive sagen: dafür gibt es die meistgehasste Sozialform: die Gruppenarbeit. Wir können das gerne mal so machen, dass alle Fächer immer arbeitsteilige Gruppenarbeit mit offenen Fragestellungen machen und dann nur Ergebnispräsentationen. Die Schülerinnen und Schüler kotzen im Strahl, die Eltern laufen Sturm, denn die Arbeitslast erhöht sich enorm. Komischerweise hat da keiner Bock drauf von den Jugendlichen. Frontalunterricht ist eben auch bequem, denn dauerhafte soziale Interaktion ist sehr anstrengend. Deswegen hat Jakob ja auch einen ruhigen Morgen. Und dann ist da noch das kleine Faktum, dass manchmal eine erzählte Geschichte die beste Art der Wissensvermittlung ist.

Eine befreundete Mutter hat mir einmal gesagt, als ihr Sohn sich auf die Mittlere Reife vorbereitete, der war vorher nie auf der Schule: Mein Gott, dieser Stoff ist so dürftig, wie schafft die Schule es bloß, die Kinder zehn Jahre lang hinzuhalten, bis sie diese lächerliche Prüfung machen dürfen?

Die Arroganz dieser Aussage lasse ich unkommentiert stehen. Das kann nur jemand sagen, der von der Schichtung, die er gleich lamentiert Vorteile hat. Nebenbei: dann macht doch nen Abi!

Aber diese Kinder sind doch gerade die Verlierer des Schulsystems! Das zeigen alle Studien, seit Jahrzehnten, alle Reformen haben daran kaum etwas geändert: Bildung ist gerade in Deutschland sozial hoch selektiv. Ich finde das auch logisch, denn Schule ist von ihrer Grundstruktur her als Wettrennen um die guten Noten organisiert, und wer vom Elternhaus her mit einem Vorsprung in dieses Rennen einsteigt, der geht auch eher als Sieger daraus hervor. Darum wehren sich ja gerade Eltern aus der Mittelschicht mit Händen und Füßen gegen die Abschaffung von Noten, obwohl längst wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die zum Lernerfolg nichts beitragen.

Soziologisch gesehen, ist Schule ein System gesellschaftlicher Reproduktion – und eine Gesellschaft, die sozial geschichtet ist, wird sich durch diese Institution auch immer als geschichtete reproduzieren. Dass man ausgerechnet die Schule aus Heilmittel dafür anpreist, ist ein Widerspruch in sich!

Hierzu gibt es zwei Sachen zu sagen… erstens soziale Selektion ist ein Problem. Sollten wir deswegen das System abschaffen und alle daheim erziehen? Setzt die Selektion sich da nicht fort? Bullshit!

Und gesellschaftliche Schichtung basiert auf der Ungleichheit der Menschen. Schule kann sie reproduzieren, aber muss es nicht tun. Hieran zu arbeiten ist sinnvoller als die einzige Institution abzuschaffen, die uns die Möglichkeit bietet. Jakob wird soziale Schichtung als Phänomen nicht erfahren, wie es andere Grundschulkinder tun. Er kennt ja nur sein gehegtes Umfeld.

Das Wort „fördern“ kommt aus der Sonderpädagogik, darum heißt es ja „Förderschulen“. Letztlich steckt darin eine seltsame Bevormundung. Früher herrschte das Bild vom wilden Kind vor, das die Pädagogik bändigen musste. Das war autoritär, aber immerhin eine klare Sache.

Dieser Förder-Diskurs hat dazu geführt, dass Kinder eher als hilflose, defizitäre Wesen gesehen werden, wie Autos, die man ständig anschieben muss. Man sagt so gern, die „Förderschulen“ gehören abgeschafft, der Inklusion wegen – ich würde umgekehrt sagen: Dieser bevormundende Gestus der heutigen Schule macht tendenziell alle Schulen zu Förderschulen.

Verräterisch finde ich, dass man in den Leitbildern vieler Schulen heute steht, man wolle die Kinder „fördern und fordern“ – das ist eine Formel aus der Hartz-IV-Debatte über Langzeitarbeitslose! Dieses ganze fürsorgliche Zwangssystem hilft in Wahrheit benachteiligten Kindern überhaupt nicht. Es schreibt die Unmündigkeit, aus der es sie angeblich befreit, eigentlich nur fort.

Das Wort fördern kommt auch aus dem Bergbau. Man kann sich natürlich seine Welt so stricken wie sie will. Wenn wir nicht fördern, haben wir unsere Verantwortung für die Gesellschaft und die jungen Menschen abgegeben. Der Vergleich mit HARTZ-IV ist zynische Hetze und diese Aussage über Förderschulen zeugt von einer nahezu sozialdarwinistischen Idee, dass jeder was kann und beantwortet nicht die Frage, was mit denen ist, die es nicht können.

Kinder sollten mehr Freiheiten haben. Ihnen aber mit diesen Milchmädchenargumenten Unterstützung zu verweigern, weil ihnen dadurch angebliche Freiheit fehlt ist schon eine spannende kognitive Dissonanz. Freiheit kommt durch Emanzipation, ohne die sie keiner nutzen kann. Hier redet der Autor wieder aus einer kuschigen Perspektive desjenigen, dem es besser geht.

Irgendwann landet jedes Gespräch über Schule an diesem Punkt: Freiheit schön und gut, aber später muss man sich arrangieren. Ich finde das schockierend! Angeblich geht es um Bildung, Mündigkeit, Demokratie, aber am Ende sagt fast jeder, mit dem ich spreche, das Gegenteil: lernen, sich unterzuordnen.

Die menschliche Erfahrung ist, dass unsere Freiheit in allen möglichen natürlichen und sozialen Grenzen endet. Sie ist grundlegend, schmerzhaft und bitter. Die Idee, dass jeder so frei wie möglich sein soll, endet an der Nasenspitze des anderen. Der anarchische Kapitalismus, der die Grundlage vielen Leids in dieser Welt ist, argumentiert genauso, wie es hier getan wird. Demokratie bedeutet sich auch dem Willen der Mehrheit unterzuordnen und sie bedeutet auch gegen diesen Willen aktiv zu werden. Die Erfahrung unterlegen zu sein ist der Antrieb für den Drang nach Mündigkeit und Freiheit. Schule versagt nur dann, wenn sie vorgibt, dass das was sie darstellt unveränderlich istDas ist mir bisher nicht untergekommen.

Ich glaube, darum hängen wir so an der Schulpflicht. Es ist der tief in uns verwurzelte Glaube, dass Menschen Zwang brauchen, es ist Angst vor der Freiheit.
Wir sichern alles ab, versuchen alles zu planen, zu managen, unsere Gesellschaft ist so angstbesetzt und kontrollversessen – und ein Symptom dieser Angst ist Schule. Frei aufwachsende Kinder, dafür hat dieses Land, das angeblich so kinderfreundlich ist, in Wahrheit panische Angst. Selbst wenn ich die Zukunft meines Kindes planen könnte, ich würde es nicht tun, das darf ich gar nicht, das wäre ein Verbrechen! Der große Pädagoge Janusz Korczak hat das einmal als Grundrecht des Kindes formuliert, das „Recht auf den heutigen Tag“. Ich darf die Freiheit meines Kindes keiner Zukunft unterordnen, die ich doch gar nicht kenne!

Schule ist kein Symptom irgendeiner Angst. Sie ist basiert allerdings auf dem Wunsch einen funktionierenden Bürger zu erschaffen, den wir so nicht mehr brauchen. Sie gibt keine Kontrolle mehr, sie gibt keine Garantie mehr. Die schulischen Abschlüsse werden immer mehr entwertet und Noten werden immer unwichtiger in der Wirtschaft. Es ist klar, dass Sozialstatus produziert wird, es ist egal was die Menschen können, die den Zettel am Ende haben. Schule kann gar keine Garantien mehr geben. Die Tatsache, dass der Auto glaubt, dass da das Problem ist, zeigt, dass er sich seit langem nicht mehr in eine Schule begeben hat.

Freiheit bedeutet Ungewissheit, und es ist meine Pflicht, sie auszuhalten, meinem Kind den Raum dieser Ungewissheit offenzuhalten – erst dann kann Bildung entstehen, als aktiver Prozess, der vom Kind ausgeht. Wir kennen viele Familien, die in Deutschland heimlich, illegal ohne Schule leben. Das Recht darauf ist ein Bürgerrecht. Es ist ein Kinderrecht. In den meisten anderen Ländern Europas gibt es dieses Recht.

Bildung ist nach dem unten zitierten Humboldt ein Zuwachs an Fähigkeiten und Wissen, nach dem man die Welt neu verstehen kann. Dies halte ich ohne einen Partner, der einem Anreize gibt unmöglich. Schule mag nicht der beste Ort dafür sein, aber sicher besser als eine x-beliebige Familie. Ein System wegen seiner Fehler zu boykottieren ist nicht die Lösung.

Ich fordere es auch für mich, für meine Kinder – als das, was das Grundgesetz jedem deutschen Bürger garantiert, das Recht auf ein Leben in Selbstbestimmung und Freiheit. Wir haben das Recht auf Bildung in einer geradezu orwellschen Sprachverdrehung in einen paternalistischen Bildungszwang verdreht, der Lernen behindert und Mündigkeit erstickt. Bildung aber, so hat es schon Wilhelm von Humboldt gesagt, und die wunderbare Entwicklung unserer Kinder bestätigt das für mich täglich – Bildung braucht Freiheit.

Na dann, engagieren Sie sich bitte! Und stellen sie sich nicht in ihre kuschige auf dem Wissen der anderen aufgebauten Mittelschichtidylle hin und verweigern sich einem System, das defizitär, aber immerhin noch besser als keines ist. Denn Ihr Glück ist genauso wenig ein Bürgerrecht wie die Armut und die schlechteren Bedingungen der anderen.

Das Schulsystem hat seine Fehler und ich habe hier in diesem Blog genug darüber geschrieben, wo diese Fehler sind. Sie sind allerdings kein Argument gegen das System an sich, sondern dagegen, dass es verkrustet ist und weder die wissenschaftliche Didaktik, noch Pädagogik sich einig ist, wie dieses System aussehen soll. Im Widerstreit zwischen Eltern, Wirtschaft, Verwaltung und unendlich vielen diffusen Erwartungen der Gesellschaft kann dieses System nur scheitern. Schule abzulehnen weil sie fehlerhaft ist, ist genauso blind, wie das Nichtbetreten der Strasse, weil es einen Unfall geben kann.

Eine Frage der Qualität

Die Schulen stehen im 21. Jahrhundert vor großen Herausforderungen. Das liest man zumindest überall und es bemüßigen sich viele Leute an Analysen, Forderungen und ähnlichem. Dazu gehöre ich, der sich schon auf seinen Bierkasten gestellt hat, aber auch die Kultusministerien und Gremien, die diesen angegliedert sind. Im Gegensatz zu mir, hat das bayrische Kultusministerium da natürlich tatsächlich etwas zu sagen und die Entscheidungen und Ideen, die dort entwickelt und getroffen werden, landen dann bei uns Lehrkräften. Eine der aktuell am meisten diskutierten Ideen ist ein Qualitätsmanagement für Schulen. Da mich dies betrifft möchte ich eigentlich nur einmal festhalten, wie dieses strukturiert ist und was mir das am Ende sagt. ((Ja, langweilig, aber das hier ist ja mein Blog.)) Die meisten dieser Informationen findet man auch auf der offiziellen Seite des Projekts. Ich fasse das nur grob zusammen.

Schulqualitätsmanagement – Ein Anfang

Bevor es allerdings wirklich losgeht muss man sich ja erst einmal irgendwie darüber klar werden, was denn eigentlich Schulqualität ist. Die Liste dazu ist so erstaunlich lang, dass es eigentlich gar nicht möglich ist das in einem zu operationalisieren. Die Anforderungen an Schule sind halt so vielschichtig und komplex, dass es auch sehr schwer ist zu sagen, was eine Schule gut macht. ((Vielleicht wäre es auch einfacher sich anzusehen, was eine Schule schlecht macht und das einfach abzustellen und den Rest einfach laufen zu lassen, bis es Probleme gibt.)) Während die Schulverwaltung sehr abstrakte Ziele ansetzt, stört den Lehrer vor allem unwegsame Verwaltung und das eine oder andere pädagogisch-psychologische Problem, dass die Fähigkeiten des einzelnen übersteigt. Dazu kommen noch die Schüler, die klare Vorstellungen haben, wie das so aussehen soll ((Witzigerweise hat das wenig mit „gar keine Schule“ zu tun, und mehr mit freundlichem Umgang, Transparenz und spürbarer Kompetenz.)) und auch die Eltern, die gerne mal dem neurotischen Druck der Gesellschaft erliegen und der Schule nicht vertrauen. ((Leute, ganz ernsthaft: das ist alles nicht ideal, aber wir wissen relativ gut, was wir da tun…)) Am Ende hat aber alles sein Zentrum in den zentralen Schulabläufen, also schlicht Rahmenbedingungen die den Lehrern und der Schulleitung ermöglichen möglichst gut die Wünsche der Eltern, Schüler und Schulverwaltung zu erfüllen.

Dazu benötigt man Strukturen und auch einen klaren Plan der Verbesserung. Das soll dann das Qualitätsmanagement machen. Dafür muss dieses Managementsystem aber auch bestimmte Anforderungen erfüllen. Es muss schlank, flexibel, transparent und dabei auch dokumentierbar sein. Diese Aufgabe versucht man derzeit in meinem Bereich mit dem QMBS ((Qualitätsmangement an beruflichen Schulen)) zu lösen. Das ist das System, das ich hier jetzt erst einmal darstellen möchte. ((Allein schon, weil ich es endlich mal in Ruhe kapieren will.))

Grundlegende Ideen von QMBS

Das System besteht im Endeffekt aus vier Komplexen, die sich um ein zentrales schulisches Qualitätsverständnis drehen. Das Qualitätsverständnis ist individuell für jede Schule festlegbar und gilt als Ausgangspunkt für alle anderen Aktivitäten der Schulqualitätssicherung. Das macht dieses Verständnis jetzt nicht einfacher zu erreichen und die Chance, dass dieses Qualitätsverständnis suboptimal definiert wird ist durchaus vorhanden. Schließlich sind Lehrer Experten für ihre Fächer und Unterricht, aber nicht für Prozessanalyse, schon gar nicht der eigenen Prozesse.

Der erste Komplex, der sich an das Qualitätsverständnis anschließt ist eine interne Evaluation der schulischen Prozesse. Ohne Daten darüber, wie die Schule läuft, können wir ja eigentlich keinerlei Aussagen treffen oder Maßnahmen ergreifen. Dazu braucht es dann also eine standardisierte und reliable Datenerhebung. ((Wie man das in einer Schule anstellt, wenn eigentlich das gesamte Personal keine Bildungsforscher sind, gute Frage… Man wird dabei anscheinend unterstützt.))

Um dann irgendwie die Maßnahmen umzusetzen und auch eine Kontrolle der Umsetzung zu haben, ist dann auch noch eine externe Evaluation vorgesehen. Dabei kommen dann halt Leute vorbei, schauen sich alles an und bereichern die Schule mit ihrer Kompetenz ((Oder wenigstens einem Stapel Papier…)). Das ist vor allem das Mittel der Schulverwaltung um sicher zu gehen, dass hier nach Vorgaben und Ideen gearbeitet wird, die akzeptiert und sinnvoll sind.

Das gibt es dann auch noch einmal auf der persönlichen Ebene. Aus der Idee, dass sich der Einzelne immer verbessern kann, entsteht das Indivualfeedback für Lehrer. Hierbei sollen sich die Lehrer gegenseitig beobachten und unterstützen. Vorgegeben ist da nur, dass man das als Lehrer so einmal im Jahr machen sollte.

Zuletzt muss die ganze Qualitätssicherung natürlich auch noch organisiert werden. Das geschieht im Beriech Prozessteuerung. Hier gibt es dann eine Lenkungsgruppe, die die Schulleitung dabei unterstützen soll, dass da die Qualität gemanagt wird. Da geht es natürlich auch um Beteiligung, aber halt auch Verwaltung.

Dies stellt jetzt erst einmal die grobe Struktur dar, doch da kann man natürlich auch mal ins Detail gehen.

Schulisches Qualitätsverständnis

Das SQV ((Ja, Akronyme sind immer toll!)) steht „in der Mitte allen schulischen Qualitätshandelns“. Es wird sich von der Schule selbst gegeben in einem Prozess, der irgendwie nach Demokratie aussieht. Dabei wird die Lehrerschaft gefragt, wie sie das so sieht und dann werden daraus Leitsätze gebildet nach dem Qualität an der Schule so begriffen wird. Die Schulgemeinschaft soll also für sich klären, was Schulqualität ist und daraus dann Ziele und Aufgaben ableiten.

Das ist auf der einen Seite sehr nett und sicherlich der einzige Weg, wie man überhaupt Schulqualität umsetzen kann, es ist aber auch problematisch, da hier am Ende ein Kompromiss getroffen werden muss. Da bestimmte Personen in einer Schule sämtliche Abläufe wahlweise torpedieren oder zumindest erschweren können, haben diese den Vorteil der bestimmenden Minderheit. Das bedeutet dann leider nicht, dass deren Ideen zur Schulqualität tatsächlich die für die Schule geeignetsten sind. Da hier alles demokratisch läuft, kann es zu Blockaden oder aber zu Manipulationen kommen, die die Legitimität des gesamten Prozesses gefährden. Das gesamte System hängt aber am Qualitätsverständnis und hier wird es dann schon schwieriger.

Interne Evaluation

Eine Schule intern zu evaluieren ist, mit gegebenen Mitteln, eigentlich ganz einfach. Man baut einen Fragebogen, bei dem sich der empirische Sozialforscher nicht gleich durch Lachen oder Suizid aus der Welt entfernt, und schmeisst diesen den Schülern und Lehrern entgegen. Dann setzt man sich hin, oder lässt jemanden hinsetzen, und macht dann Datenanalyse. Ein paar hübsche Tortendiagramme ((Tortendiagramme sind übrigens das Comic Sans des Statistikers…)) später hat man grundlegende Informationen über die Schule gesammelt. Das ist durchgehend sinnvoll und praktikabel. Das einzige Manko ist dann die Frage, welche Problemfelder eigentlich überhaupt analysiert werden und das fällt auf das Qualitätsverständnis zurück.

Eine interne Evaluation der Abläufe kann eigentlich nur hilfreich sein, solange sie professionell durchgeführt ist. Das ist dann auch der einzige Punkt an dem dies in der Schulrealität gerne mal scheitern kann. Aber hierfür gäbe es sicher Hilfe, weswegen dies eigentlich etwas ist, was man machen kann und wahrscheinlich auch sollte.

Externe Evaluation

Das wird bei externen Prozessen noch einfacher. Eigentlich kann man sich der externen Evaluation einfach ergeben und im Behördensystem muss man das halt schlicht einfach tun. Damit wird es aber auch erst problematisch, da hier eigentlich Werte von außen an die Schule herangetragen werden, die wiederum nicht mit dem schulischen Qualitätsverständnis übereinstimmen müssen und dank der Breite der pädagogischen Welt auch gerne komplett im Widerspruch zum Qualitätsverständnis stehen können. Das führt entweder zur Entwertung des externen Feedbacks oder aber zu zusätzlichem Konformitätsdruck auf die Schule. Beide Szenarien sind nicht sonderlich hilfreich. Hier hängt sich das Problem wieder am Qualitätsverständnis der Schulen auf.

Generell ist zu sagen, dass eine externe Evaluation mit klaren und transparenten Anforderungen und Regeln sicherlich sinnvoll sein kann, wenn diese dann Rücksicht auf die schulinternen Vorstellungen von Qualität nimmt.

Individualfeedback

Der nächste Bestandteil ist das individuelle Feedback für jeden Lehrer. Dies wird generell als freiwilliges Angebot formuliert. Es wird davon ausgegangen, dass Lehrer Feedback wünschen und sich fortbilden wollen. Dazu gibt es dann individuelles Feedback, dass sich die Lehrkraft selbst aussuchen kann. Zwar wird in allen Texten betont, dass dieser Prozess unabhängig von etwaigen Beurteilungsszenarien ist, aber man darf es dem dauerkontrollierten Beamten nicht übel nehmen, wenn er da skeptisch ist. Die Akzeptanz solcher Methoden hilft sicherlich die Qualität an Schulen zu verbessern, doch die Beurteilungs- und Kontrollpraxis in staatlichen Schulen kann dafür sorgen, dass sie wenig Akzeptanz erfahren werden, da man gelernt hat Feedback und Kontrolle wahlweise zu ignorieren oder zu fürchten. ((Ich weiß nicht, was davon schlimmer ist.))

Bei einer entsprechenden Schulkultur ist Individualfeedback sicherlich eine gute Idee und hilfreich. Diese Schulkultur herzustellen ist ähnlich komplex wie das entsprechende Qualitätsverständnis herbeizuzaubern.

Prozesssteuerung

Der letzte Bestandteil ist dann auch der wichtigste, denn ohne eine entsprechende Organisation ist ein Management nicht möglich. Mit diesem Teil beschäftigt sich die Prozesssteuerung. Wie der Namensbestandteil Steuerung schon angibt, geht es hier nicht um einen demokratischen Prozess, sondern die Aufgabe obliegt der Schulleitung und einer Lenkungsgruppe ((Die Begrifflichkeiten sind klasse, oder?)). Diese Gruppe soll Qualitätsmassnahmen entwickeln, kontrollieren und dokumentieren.

Abhängigkeiten sollen natürlich nicht gegeben sein, aber sie sind am Ende informell natürlich da. Damit kann befürchtet werden, dass die Menschen, die den Prozess lenken sich durch den Prozess verändern müssen oder zumindest ihre Umstände verändert sehen. Das ist dann natürlich für diese Menschen ein Problem und im Endeffekt ein Grund, dass die Organisatoren des Qualitätsmanagements eigentlich nur viel Papier, aber keine Ergebnisse abliefern.

Und nun?

Nun, die Idee einer irgendwie gearteten Sicherung von Schulqualtität ist an sich nicht schlecht, wenn die grundlegenden Fragen geklärt sind. Diese Fragen sind:

  • Was ist denn Schulqualität?
  • Wie ist sie operationalisiert?
  • Welche Relevanz hat sie für die Betroffenen?

Diese Fragen werden durch QMBS nur wenig beantwortet, weil es eigentlich später ansetzt. Im Mittelpunkt steht halt ein Qualitätsverständnis, das schwammiger nicht sein kann und auch schwieriger nicht vereinbart werden kann. Da die Alternative, nämlich global vorgegebene Qualitätsstandards als schlechter gesehen werden, ist dies ein saurer Apfel, in den man beißen muss, will man Schulqualität herstellen. Der primäre Kritikpunkt, der mir hier auffällt ist, dass das Qualitätsverständnis positiv formuliert wird. Es ist viel einfacher zu sagen, was man nicht haben will, als immer positiv etwas zu formulieren. Meist bleiben diese Formulierungen auch leer.

Während interne Evaluation und Individualfeedback absolut sinnvolle Ideen sind, können sie am Ende an veralteten Vorstellungen in der Lehrerschaft scheitern. Aber sie werden sicherlich in Zukunft zu sinnvollen Standards werden. ((Dass die erst jetzt die Idee haben, dass das vielleicht sinnvoll wäre, sagt mehr über unsere Schulverwaltung, als man wissen möchte.)) Die externe Evaluation spielt hier eine untergeordnete Rolle, weil QMBS es sie nur insofern betrifft, dass man dafür sorgt, dass man zu ihr kompatibel ist. ((Egal wie hirnrissig die Kriterien dann sind.))

Die Prozessteuerung ist am Ende das Sorgenkind dieses Konzepts. Sie macht eigentlich alles schlecht, was man sich hier erhofft. Sie ist weniger flexibel und hat eine Chance viel Filz und wenig Inhalte zu produzieren. Dies scheint mir die eigentliche Achillesferse dieses Systems zu sein. Es wird viel Geld und Zeit in etwas investiert, dass eigentlich Schule schlanker und effizienter machen sollte. Die Anfangsinvestition an Zeit und mentaler Arbeit ist hoch und verspricht keinerlei Ergebnisse oder auch nur Ergebnisansätze.

Dementsprechend ist mein Bild vom QMBS das einer guten Idee, die nicht gut umgesetzt ist. Es ist gut gemeint aber im Detail nicht gut gemacht.

Who are you?

‚Who are YOU?‘ said the Caterpillar.
This was not an encouraging opening for a conversation. Alice replied, rather shyly, ‚I—I hardly know, sir, just at present—at least I know who I WAS when I got up this morning, but I think I must have been changed several times since then.‘
‚What do you mean by that?‘ said the Caterpillar sternly. ‚Explain yourself!‘
‚I can’t explain MYSELF, I’m afraid, sir‘ said Alice, ‚because I’m not myself, you see.‘
‚I don’t see,‘ said the Caterpillar.
‚I’m afraid I can’t put it more clearly,‘ Alice replied very politely, ‚for I can’t understand it myself to begin with; and being so many different sizes in a day is very confusing.‘
‚It isn’t,‘ said the Caterpillar.
‚Well, perhaps you haven’t found it so yet,‘ said Alice; ‚but when you have to turn into a chrysalis—you will some day, you know—and then after that into a butterfly, I should think you’ll feel it a little queer, won’t you?‘
‚Not a bit,‘ said the Caterpillar.
‚Well, perhaps your feelings may be different,‘ said Alice; ‚all I know is, it would feel very queer to ME.‘
‚You!‘ said the Caterpillar contemptuously. ‚Who are YOU?‘

Alice’s Adventures in Wonderland by Lewis Carroll

Ich habe das ja schon öfter erlebt. Menschen, die so furchtbar unauthentisch sind, dass man sich fragt, wie sie die kognitive Dissonanz aushalten. Erst kürzlich fiel mir wieder eine Schülerin auf, die schon den anderen Schülern dadurch aufgefallen ist, dass sie besonders oft und übermäßig in tiefem amerikanischen Akzent Englisch im Alltag spricht. Natürlich war sie schon in den „States“ und das ist alles total toll. ((Äh, nein. Die USA sind beim besten Willen nicht der beste Ort zum Leben. Selbst wenn man ein Auskommen hat, ist das Land unangenehmer als die meisten vergleichbaren Länder der westlichen Welt.)) Das hat die junge Dame gratis, die spannende Frage für mich ist: warum trägt sie das so vor sich her? Welche romantische Idee verbindet sie damit, oder welches Trauma hat sie hier? Was bringt einen dazu möglichst fix die eigene Sozialisation wegzuwerfen, und sich eine fremde anzueignen.

Eine Erklärung könnte sein, dass man etwas sein möchte. Das Phänomen, dass das Individuum übersteigert wurde ist ja immer noch in der Gesellschaft verhaftet. Das egozentrische Ich, das als komplett eigenständig und einzigartig verstanden wird, ist für viele die einzige Rettung die persönliche Relevanz für die Welt anzuerkennen. Es geht also darum, dass man sich sagt, dass man jemand ist, damit man jemand ist. Anstatt jemand zu sein, erzählt man sich, dass man jemand ist. Die Menschen, die jemand sind, haben nämlich genug damit zu tun, dieser zu sein. Das Phänomen anderen sagen zu müssen, wer und wie man ist, zeigt dann auch auf, woran es für viele Menschen krankt: eine positive Eigendefinition. Weniger quatschen und mehr soziale Bestärkung in dem was man ist.

Kann vor der Postmoderne der Vorwurf erhoben werden, dass die Gesellschaft in den Einzelnen hineinregiert und ihm vorschreibt wie seine Identität zu strukturieren sei ((Ist ja teilweise immer noch so. Lehrer sollen auf eine bestimmte Art sein, sexuelle Orientierungen sind eine riesige Debatte, politische Orientierungen waren es immer und die Frage wo sozial bedingte psychische Störungen anfangen rundet das dann ab.)) müssen wir nach der Postmoderne den Vorwurf erheben, dass das Konstrukt des Individuums zu weitaus mehr Problemen führt. Die Individuen müssen sich nun immer sagen, dass sie welche sind. Das geht dann soweit, dass ganze Fernsehsendungen und Medienformate um diese Konstruktion der Person aufgebaut sind. Dort wird dann die Darstellung im Privaten übernommen und in ihrer entlarvenden Wirkung deutlich.

Es wird oft über den Verlust des Individuums geweint, wenn über neue Medien gesprochen wird. Die Frage muss eher sein, ob die neuen Medien nicht nur dabei helfen das Individuum als die Fata Morgana zu zeigen, die sie ist.

Schulvisionen

Wenn man Menschen wie Molche und Lurche behandelt, dann werden sie sich auch so verhalten.—– Theodor W. Adorno

Ich habe schon öfter darüber geredet, wie ich mir das Schulsystem idealerweise vorstelle und warum das so aussehen soll. Das ist nicht der Weisheit letzter Schluss, aber vielleicht eine Diskussionsbasis.

Weg mit Schulstunden

Die Schulstunde ist ein Relikt aus einer Zeit, in der man glaubte, dass rhythmische Arbeit sinnvoll ist. Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft mit flexiblen Arbeitszeiten, also was soll das noch? Dazu sollte Schule ein Ort sein, in dem man sich frei mit Informationen und Wissen beschäftigen kann. Die frontale Schulstunde ist blödsinnige Zeitverschwendung in einer Welt in der nahezu jegliches Wissen über das Netz oder zumindest Zugang zu Büchern erhalten werden kann. Dazu kommt, dass die Didaktiker seit Jahren davon erzählen, dass man explorativ lernen soll, induktiv und handlungsorientiert. So, warum also Schulstunden? In 45 Minuten kann man doch eigentlich keine sinnvollen Zusammenhänge erforschen lassen, die Schüler an Informationen  ihr Wissen selber bilden oder sie was herstellen lassen. Also weg mit dem Blödsinn, nebenbei kann ich mich dabei um weitaus mehr Leute mit mehr Aufmerksamkeit kümmern. Warum?

Projektorientierte schülerzentrierte Aufgaben und Betreuung

Die Antwort auf die Cliffhangerfrage ist einfach, dass man Schülern mehr Freiheit im Erforschen der Welt geben sollte und sich als Lehrer mehr darauf verlegen sollte Probleme und Fragen der Schüler zu lösen. Der Lehrer ist nicht mehr der vorbereitende Mensch, der sagt was, wie, wo gelernt wird, sondern derjenige, der Format und Inhalt mit den Schülern abstimmt und sie berät. Daraus ergeben sich dann schon die nächsten Forderungen.

Ich will ein Büro! Mit Couch!

Die Schule voller Klassenräume ist ein Raum in dem kreatives Lernen schwer möglich ist. Sie ist primär eine Präsentationsbühne für die Lehrkraft und kein Raum zum kollaborativen Arbeiten. Wir brauchen Schulen mit offenen Plätzen, weiten Räumen, schnellem WLAN, Einzelarbeitsplätzen und Konferenzräumen und damit auch mit Büros für die Lehrkräfte. Da gehört dann neben einem Arbeitsplatz auch eine Couch, eine Tafel und sowas rein, denn die Schüler sollen auch die Möglichkeit haben, jederzeit als Gruppe oder allein die Lehrkraft aufzusuchen und um Hilfe zu bitten. Je weniger desto besser, aber es ist viel effektiver Menschen bei ihren Problemen zu helfen als ihnen zu sagen, was sie wie zu denken oder zu bearbeiten haben. Dabei können wir dann sogar mehr Schüler in der gegebenen Zeit intensiver betreuen. Damit das dann auch erzieherisch klappt, brauchen wir dazu auch:

Mehr Sozialarbeiter und Erzieher

Denn ernsthaft, wir Lehrer sind Experten im Inhalte vermitteln, wir sind nicht unbedingt perfekt geschult für das Erzieherische und wir haben eine andere Autorität als ein Sozialarbeiter hat. Wir haben hoheitliche Aufgaben und Befugnisse, aber wir sind auch andere Leute als diejenigen, die dir zuhören und mit denen du über deine privaten Probleme redest. Damit beschäftigt sich implizit auch die nächste Forderung, aber gerade die intellektuelle Seite bei der Lehrerschaft ist glaube ich sehr glücklich, eher intellektuell zu sein. Doch uns steht noch eine andere Problematik im Weg, die den Lehrer in seiner neuen Aufgabe als Berater und Mentor einschränkt.

Zentrale kompetenzorientierte Leistungstests

Eines der größten Probleme, die man systembedingt als Lehrkraft hat, ist, dass die Leistungsmessung in der selben Hand wie die Leistungsvermittlung liegt. Dazu kommt, dass einem nicht vorgeschrieben wird, welche Kompetenzen der Schüler erlernen soll, sondern welche Spiegelstriche einer Liste mit Informationen man ihnen ins Hirn prügeln soll. Das ist eine Weisheit der modernen Pädagogik und Didaktik, die da beide Recht haben. Um aber die oben genannte Freiheit in der Betreuung der Schüler zu haben, sollte die eigentliche Leistungsmessung nicht mehr von der selben Person durchgeführt werden, die auch den Unterricht gestaltet. Da kann man ansonsten weder überprüfen, ob die Leistungsvermittlung effektiv und zielgerichtet ist und man öffnet Manipulationen Tür und Tor. Das ist einer der Hauptgründe, warum Schulzeugnisse eigentlich kaum das Papier wert sind auf dem sie stehen und als institutionalisiertes kulturelles Kapital auch immer weniger ernst genommen werden.

Wären die entsprechenden Tests standardisiert und von einer dritten Partei durchgeführt, dann könnte man garantieren, dass ein erreichtes Level auch eine Wert hat. Konsequenterweise kann man anhand der erreichten Niveaustufen eines Schülers diesen besser betreuen und fördern als ihn dumm eine Jahrgangsstufe wiederholen zu lassen. Anhand dieser Kompetenzstufen kann dann auch eine sinnvolle Selektion für die Universität oder Wirtschaft stattfinden. Diese wird auch den individuellen Stärken und Schwächen des Einzelnen mehr gerecht als diese eindimensionale Bewertung, die wir da jetzt so haben und bei der nicht einmal die Skala passt. Das braucht man halt in nachvollziehbar und definiert und evaluierbar.

Fazit

Wir müssen unser Schulsystem auf den Kopf stellen. Es darf nicht mehr um Inhalte sondern um Kompetenzen gehen. Diese müssen vom Schulpersonal schülerbezogen und frei an den Mann gebracht werden und sich an den Realitäten der modernen Arbeitswelt orientieren. Dabei sollte am Ende ein Abschluss stehen, der eine ernsthafte Aussage über die Kompetenzen des Einzelnen gibt und der Möglichkeiten aufzeigt anstatt Rätsel aufzugeben. Das Schulsystem muss die Gesellschaft in ihrer Vielfältigkeit und ihrem Reichtum repräsentieren und fördern, anstatt sie zu spalten und zu uniformieren.

Wenn Bildung unser Rohstoff ist, dann hätte ich gerne eine moderne Mine und keinen von vermoderten Holzbalken gestützen Stollen.

Symbolpolitik und Symptombekämpfung….

Der CDU-Experte ((Zu Experten empfehle ich den Vortrag von maha und Kai Biermann auf dem 29C3,)) Spahn fordert, dass Eltern deren Kinder sich ins Koma saufen doch bitte 100€ Selbstbeteiligung zahlen sollen, damit sie mehr Verantwortung für ihre Sprösslinge übernehmen.

Herrn Spahn wird dafür der Preis für Symbolpolitik und dummen Aktionismus unter komplettem Ignorieren von Kausalitäten für den heutigen Tag zugestanden. Dieser ständig wechselnde Wanderpokal für aktionistisches Geschwafel verdient sich Spahn nicht nur für seine komplette Ignoranz gegenüber den Realitäten von jugendlichem Alkoholmissbrauchs und dessen Zusammenhang mit dem sozialen Status der Kinder wie Eltern, sondern auch für das absolut geniale Timing seines Vorstoßes. Schließlich feiert sich ja heute die Schwesterpartei damit, dass sie das größte politische Biersaufen Deutschlands veranstaltet. Wir gratulieren ihm dazu zum Finden der letzten unbekannten Lösung des Problems Jugendalkoholismus, die komplett nutzlos ist.