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HCH215 Advi Weekly: 25.01.-31.01.2021 angekratzt in den Wechselunterricht

Diese Woche ist vorbei und es gab einen tollen Fotopodcast mit Isabell. Wenn ihr mehr haben wollt: schickt Bilder und kommentiert. Ansonsten bin ich ziemlich angefressen, weswegen die Freunde des Aufregens mal auf ihre Kosten kommen.

Schule und Digitalisierung – Replik auf einen Artikel aus der ZEIT

ich hab ja eigentlich Respekt vor der ZEIT, aber dieses Stückchen Text ist so weltfremd, wie dumm und borniert. Es werden vier „Ursachen für die Bildungsangst“ von Schulen ausgemacht und damit einmal alles über einen Kamm geschert, was geht. Das ist nicht einmal als Meinungsartikel zu ertragen.

Weil jedoch meckern ohne ernsthafte Antwort billig ist, möchte ich dem Text und seinen vier Ursachen antworten:

Die erste Ursache für die Bildungsangst sei die digitale Kluft zwischen den Lehrern. Das ist irgendwie richtig und irgendwie komplett falsch. Zum einen benutzt der digitalferne Kollege nicht das Handy um Urlaubsbilder zu verschicken, er klebt, um im Bild zu bleiben, Bilder in ein Fotoalbum. Da werden Papier, Folien und Tafel benutzt. Die Leute kennen die modernen Technologien, benötigen sie aber für ansprechenden Unterricht nicht. Ich bin Mitglied in einem Hackerspace, benutze Technologie virtuos, habe 2,5 Podcasts und administriere vier WordPressinstallationen, mein Lieblingsmedium in einem Klassenraum ist meine Stimme und eine Tafel mit Kreide. Ich finde Smartboards dumm und unflexibel, weil ich immer einen Beamer einschalten muss. Kreide liegt rum, und es dauert ca. 2 Minuten bis ich eine Struktur an der Wand habe, die ich ansonsten mühsam zusammenklicken muss. Dieses Argument ist also realitätsfern und affig. Medien sollten nie den Unterricht bestimmen, sondern Methoden, Inhalte und Bildungsziele. Dabei ist es in vielen Fächern scheißegal, worauf geschrieben wird.

Die zweite Ursache ist laut dem Autor, dass ein „diskursiver Graben“ aufgerissen wurde. Disruption hier, Entmündigung da. Ich weiß ja nicht, wo der Autor das her hat, aber das habe ich auf keiner Ebene der Diskussion um Digitalisierung gesehen. Das mag bei Anne Will so aussehen, aber das war es dann auch. Jeder Lehrer kennt die Chancen, die digitale Medien für die Mündigmachung der Schüler bieten, genauso wie ihre Grenzen. Der Hype ist genauso bekloppt wie die Ablehnung und ganz ehrlich: wir Lehrer haben für die Scheiße keine Zeit! Wir machen, was funktioniert und nicht was religiös diskutiert wird. Wir haben nämlich tatsächlich was besseres zu tun: die nächsten Generationen auf die Welt vorzubereiten, die bei Ursache drei steht.

Diese Ursache ist die pseudointellektuelle Frage nach der Berechtigung von Schulen, wenn eh alles automatisiert und ersetzt wird. Ich habe hier genug zu granularer Gesellschaft und Automatisierung geschrieben, man lese nach. Die Schlussfolgerung gibt es aber auch zum Mitklöppeln: das eigentümliche Menschliche: Kreativität, soziales Verhalten und Innovation lässt sich eben nicht durch Computer nachbilden. Dieses eigentümliche Menschliche entsteht durch Bildung und diese entsteht in einem Diskurs des eigenen Gehirns mit der Welt. Schulen müssen sich die Frage, was wir Leuten beibringen nur stellen, wenn wir, wie der Autor es implizit aus einer bekloppten Perspektive der Ausbildung auf Bildung sehen. Und nur so: schnelles WLAN hat in diesem Land kaum eine Schule, wenn es aufhört reinzuregnen, kümmern sich die Sachaufwandsträger aber gerne drum.

Die vierte Ursache ist eine Verunsicherung. Seien Menschen, die nicht programmieren können bald Analphabeten und braucht es humanistische Bildung, damit man noch Werte hat. Darauf gibt es zwei einfache Antworten: nein und vielleicht. Was man definitiv braucht sind solche plakativen Fragen. Bildung ist eben mehr als Ausbildung, wir brauchen auch weiterhin Leute, die eine überalternde Gesellschaft pflegen, wir brauchen immer noch Leute, die eine Vision der Zukunft haben, die innovativ denken und die kreativ an die Herausforderungen einer Gesellschaft herangehen. Und die Grundlage dafür ist Bildung. Die wenigsten Menschen müssen programmieren können und humanistische Werte zu erziehen ist ihnen zu widersprechen.

Der Autor hat einen armselig verengten Blick darauf, was Schulen leisten sollen und was Bildung ist. Dafür kriegen ich noch ein paar tolle Ratschläge mit: im Saarland lernen Drittklässler programmieren. Nein lernen sie nicht. Wenn das so einfach wäre, wären Programmierer nicht gesucht. Sie lernen Code lesen. Das ist Bildung, keine Ausbildung. Und es bringt keinen Spaß und Weitblick, wenn jemand ein paar Zeilen JAVA kann. Das ist so engstirnig, dass es weh tut.

Dazu wird mir agile management empfohlen, damit ich mal neugierig bin und neues ausprobiere. Das möchte ich dann aber zuerst mit seinen Mittelschicht Bildungsbürgerkindern machen und sehen, wann er mir vor der Tür steht und mir erklärt, dass ich Schule so nicht machen kann. Die Systemfrage wäre hier mal zu stellen, aber was nicht hilft, ist dem hundertsten idiotischen Trend aus der Wirtschaft hinterherzurennen, nur weil das Buzzword so schön ist. Wenn das die Maßgabe für die soziale Institution ist, die Menschen bildet und sozial selektiert, dann ist das vielleicht etwas leichtfertig.

Der kurze Rant am Morgen… (Englischlehreredition)

Liebe Leserschaft!

Erinnert ihr euch noch an die ersten Englischstunden in der 5. Klasse? Habt ihr da auch gelernt, dass ich habe im Sinne von besitzen have got bedeutet? Ja? Gut. Dann erkläre ich mal, warum die Art, wie das Schülern beigebracht wird einfach nur behämmert ist.

Der Fremdsprachunterricht hat ja so die Idee, dass man Leuten Regeln gibt nach denen sie die Sprache lernen, wenn diese Regeln richtig angewendet werden. Das allein ist natürlich Quatsch. Also das mit den Regeln und das mit dem richtig anwenden. Doch, Didaktik macht die Welt einfach, also kann man das akzeptieren.

Doch selbst dann ist es absolut hirnrissig Schülerinnen und Schülern have got einfach so als Regel beizubringen. Warum? Weil es eben nicht bedeutet, dass man etwas hat, sondern dass man etwas in der Vergangenheit bekommen hat und es immernoch besitzt. Das ist inhaltlich dasselbe grammatikalisch, aber eine komplett andere Struktur. Also, am Beispiel:

I have got a pencil case.

I have a pencil case.

Heißt beides, dass ich ein Federmäppchen habe, also besitze. Das eine ist aber das present perfect von to get und das andere ist das simple present von to have. Letzeres wird übrigens mit don’t verneint und nicht als haven’t, weil haven’t nur als Verninung funktioniert, wenn have als Hilfsverb gebraucht wird. Kompliziert genug?

So, present perfect zeigt an, dass etwas in der Vergangenheit passiert ist und einen Einfluss auf die Gegenwart hat. Das funktioniert also für besitzen bei Gegenständen, aber nicht für sowas wie Krankheiten. Da ist das nicht to get sondern to have:

I have had a flu.

 Also, wird dem unbedarften Menschen, der die Sprache neu lernt einfach mal eine grammatikalische Form untergeschoben, die dann erst in der 6. oder 7. Klasse erklärt wird. ((Weil die Zeitformen sind SO schwierig, dass man das nicht einmal mit Sinn und Struktur machen kann.)) Und das führt dann zu lustigen Langzeitkonsequenzen: nämlich, dass dann Schülerinnen und Schüler versuchen aus diesem have got, das da mal ohne Kontext gelernt wurde lustige Formen abzuleiten, oder aber es einfach in Sätze reinballern, in denen past steht oder ähnliches. Und warum? Weil irgendein Vollidiot immer noch der Meinung ist, dass man Kindern einfach Sachen erzählen kann, die das zu lernen haben und das dann schon funktioniert. Anstatt kognitive Inhalte, wie Sprachregeln, kognitiv zu vermitteln und Strukturen klar zu machen, wird hier rumgemauschelt und Fehlerquellen geschaffen, die es gar nicht bräuchte.

Don’t Bullshit Me!

Willkommen zu einer seltenen Episode aus dem Bereich angry rants. Es geht um etwas, das mir im beruflichen, wie persönlichen Alltag gerne mal begegnet und das mich auf die Palme bekommen kann. Es ist eine seltene Gelegenheit, dass das passiert, aber mit der folgenden Technik, ist ein Mindesterfolg garantiert. ((Bitte probiert es nicht aus. Ich bin gut darin euch einfach zu blocken, löschen oder ähnliches.))

Es geht um Bullshitting. Einfach mal Scheiße labern, obwohl man keine Ahnung hat, oder die eigene verzerrte Wahrnehmung einfach mal als gegeben hinnehmen. Meist wird das schlampig ausgeführt und hat vor allem die anmaßende Grundidee, dass man selbst etwas besser versteht, als man es tut. In der Schule begegnet einem das als Lehrer ja ständig. Da stellen sich Schüler hin und labern mal was zusammen, und fragen sich, warum die Leute mit der Kompetenz sie dann auflaufen lassen. Aber auch im privaten Bereich ist das eigentlich unerträglich, Unwissen ist vollkommen okay, wenn auch nicht zwingend sozial anerkannt, ((Das ist übrigens eine Krankheit, dieser Gesellschaft, die Rationalität zu einer Religion gemacht hat. Wenn alles Rationale automatisch gut ist, dann darf man nie unwissend sein. Und das ist in einer immer komplexeren Welt eigentlich unmöglich.)) es wird nur kritisch, wenn man seine komplette Kompetenz auf Bullshitting aufbaut. Dann wird man entweder krimineller Bankmanager oder Straßensänger. ((Ich entschuldige mich bei den Straßenmusikern schon einmal für diesen Vergleich…))

Doch, was noch schäbiger ist, wenn Bullshitting verwendet wird, um soziale Interaktion zu manipulieren und zu steuern. Es wird also Bullshit erzählt unter der Annahme, dass sich dann soziale Beziehungen und Interaktionen weiterhin so verhalten, wie man das möchte. Dann wird halt auch einfach mal was dahingequatscht. Nur hier meist mit emotionalisierten Untertönen, die die Beziehungsebene betonen um die Tatsache, dass auf der Objektebene ein Missverhalten stattgefunden hat. Des Weiteren wird gerne etwas behauptet, dass auf der Objektebene nicht überprüfbar ist. Ich habe schon mehrere Menschen erlebt, die mir erzählt haben, wie sehr sie mich lieben, mögen, schätzen, sonstwas, die dann primär ihre eigene Weltsicht im Sinn hatten und mich ausnutzen oder manipulieren wollten. ((Meine Damen und Herren, DIES ist keine Beziehung. Eine Beziehung ist ein Ort der Aushandlung und des Konseses, aber nicht ein Ort von Machtausübung.)) Sei es um eine zerüttete Beziehung am Leben zu erhalten oder nur den Hals aus der Schlinge ziehen zu wollen, weil man beim Bruch des Konsenses erwischt wurde, es wird halt lieber gebullshittet, wenn schlichtes Lügen oder Unterschlagen nicht reicht.

Da wird dann die empfangende Person schnell zum Opfer der eigenen Wünsche und Vorstellungen, anstatt dem Bullshitter mit möglichst stahlarmierten Stiefeln in den eigennützigen Arsch zu treten. Man bekommt nur Scheiß erzählt, damit man nicht merkt, dass die Person gegenüber einem nicht einmal genug Wert zuweist, dass sie einen Fehler eingesteht oder zumindest versucht den Vertrauensverlust auszugleichen. Aber das Schöne ist ja, dass man ihr glauben will, weil man den Bullshit lieber glaubt als die traurige Wahrheit, die im Zweifel weh tun kann. Und so kommen die Flachpfeifen und Arschlöcher mit ihrem nicht einmal anständig zusammengelogenen Bullshit durch und man selbst fühlt sich danach noch schlechter.

Wenn ihr also merkt, dass nichts von dem, was jemand erzählt auch nur im geringsten was mit den Fakten zu tun hat und nur den Zweck hat euch in eine Position zu manipulieren in der ihr eure eigene Anliegen für deren Willen liegen lasst, dann nehmt die stahlarmierten Stiefel und tretet ihnen in den Arsch. Denn mehr haben Bullshitter nicht verdient.

Fremdsprachendidaktik – ein Rant

Das ist der hundertste Eintrag in diesem Blog und ich habe mit Erstaunen festgestellt, dass ich mich noch nie über die eine oder andere Idiosynkrasie der Fremdsprachendidaktik, wie man sie so als Englischlehrer beigebracht bekommt, ausgelassen habe. Dabei rante ich da relativ gern drüber. Falls ihr Kinder im schulpflichtigen Alter habt, dann seid gewarnt: das mag nicht wirklich erbaulich sein.

Didaktische Reduktion

Das Meiste, das mich an der modernen Fremdsprachendidaktik stört hat mittelbar mit den Prämissen zu tun, die sie sich unter anderem von der Pädagogik holt. Diese Prämissen sind aber teilweise eher skeptisch zu sehen. Pädagogik ist zwar heutzutage immer mehr empirischer Natur, aber etliche Idee kommen tatsächlich direkt aus reiner Philosophie oder aber Ideologie. Dazu gibt es ein paar grundlegende Ideen der Didaktik, die ich in ihrer Ausführung für problematisch halte. Allen voran ist die Frage der didaktischen Reduktion. Didaktische Reduktion bedeutet, dass man einen Sachverhalt so reduziert, dass er einfacher zu verstehen ist. Das ist an sich nicht dumm. Schließlich wollen wir Schülerinnen und Schüler „dort abholen, wo sie sind“ und da hilft es nicht, gleich die komplette Komplexität der Welt über ihnen auszukippen.

Doch ist es eigentlich immer nötig Sachverhalte zu vereinfachen, nur weil Kinder oder Jugendliche vor einem sitzen? Bei vielen naturwissenschaftlichen Inhalten bin ich durchaus dieser Meinung, bei Mathematik auch, aber bei Sprachen ist das problematischer. Sprachen sind nämlich sozial vereinbarte Zeichensysteme, die zwar durchaus Regeln besitzen, aber weder müssen diese Regeln konsequent, noch sachlogisch oder überhaupt sinnvoll erklärbar sein. Die infiniten -ing Formen im Englischen lassen sich gut analysieren und klassifizieren, es gibt aber nahezu keine Möglichkeit eine ernsthafte Regel zu entwickeln an denen sich die Schülerinnen und Schüler festhalten können. Denn dafür sind die Regeln eigentlich da. Als Haltegriffe bis man das System internalisiert hat. Und dort ist dann auch gleich das Problem. Es wird auch bei fremdsprachlichen Regeln didaktische Reduktion angewandt, dabei ist das meist kontraproduktiv, da eine Vereinfachung der Regeln zu falschem Sprachverhalten führen kann. Das klassische Beispiel hier sind die Zeitformen. Das System ist eigentlich gut beschrieben und wenn man dieser Beschreibung folgt erstaunlich einfach. Allerdings erfordert es eine gewisse Menge kognitiver Vorleistung um die Regeln dann richtig anzuwenden. Oder wahlweise, es braucht eine didaktische Aufbereitung, damit Kinder im Alter von 11 Jahren (5. Klasse) diese Konzepte verstehen. Teilweise kann man diese schlicht richtig einüben, es hilft aber auch spielerisch heranzugehen. Das klingt ja alles nicht so schlecht, bis man sich anschaut, was stattfindet.

Denn was stattfindet, ist das Angeben von festen Regeln (zu diesem Teil komme ich gleich noch einmal), dann eine mehr oder minder kurze Übungseinlage und dann wird weitergegangen zum nächsten Thema. Zusammenhänge zwischen den Zeitformen werden nicht gegeben, es gibt keine Systematik und die Regeln werden meist so angegeben, dass es den Lernenden so erscheint, als seien diese Formen alle separat zu betrachten, was sie eben nicht sind. Das zieht sich dann über mehrere Jahre, dabei kann man das System in 45 Minuten erklären und wenn man es didaktisiert sicherlich in einem Schuljahr strukturiert an das Kind bringen, so dass es gesichert weiß, was es tut und sogar das Prinzip verstanden hat. Anstatt Regeln einfach nur aufzustellen, werden diese dann auch verständlich und können so sogar für mehr Motivation und Mündigkeit der Sprecher sorgen. Das ist ja gewollt.

Didaktische Reduktion wird also auf Sachen angewendet, die man besser nicht reduziert und stattdessen mit Zeit und Feedback kognitiviert und einübt.

Induktive Grammatik

Ich habe oben schon gesagt, dass die Regeln den Kindern vorgestellt werden und diese die dann einüben. Leider stimmt das nicht ganz. Derzeit ist ein Trend in der Fachdidaktik Englisch, den Lehrern zu sagen, dass man Grammatik induktiv unterrichtet. Induktion bedeutet, dass man vom Beispiel auf eine allgemeine Regel schließt, während Deduktion das Anwenden allgemeiner Regeln auf ein Beispiel bedeutet. Beim Sprachenlernen geht beides eigentlich kaum. Zwar kann ich Regeln deskriptiv festlegen, aber diese treffen dann nie hundertprozentig zu und man hat Ausnahmen über Ausnahmen. Das bedeutet Deduktion ist nur begrenzt möglich und je fremder die Sprache, desto weniger ((Nunja, es gibt darunter noch Regeln, denen nahezu alle Sprachen gehorchen zu scheinen, aber diese sind auch nicht perfekt. Wer sich für diese Idee interessiert schaue sich die generative Transformationsgrammatik an.)). (Wir haben da mit Englisch noch Glück.) Induktion ist aber komplett unmöglich. Denn Sprache ist ein willkürliches Zeichensystem und was sich andere Leute mit ihren Zeichen gedacht haben, sagt uns meist nichts. Das ist der Grund, warum wir nicht automatisch Kyrillisch lesen können.

Doch Grammatik soll im Unterricht induktiv unterrichtet werden. Die Idee dahinter ist, dass man herausgefunden hat, dass eigene Erkenntnisse Wissen besser verankern. Das ist auch richtig und sollte bei Naturwissenschaften mehr verwendet werden. Bei Sprachen ist es eher eigenartig. Woher sollen die Lernenden wissen, was sich die englische Sprachgeschichte dabei gedacht hat? Das wissen nicht einmal die Sprachwissenschaftler. Es wird hier also das Unmögliche gefordert: nämlich, dass Kinder die richtigen Regeln weissagen. Spannenderweise funktioniert es dann immer. Dafür gibt es aber einen eher zynischen Grund: die Schülerinnen und Schüler lernen früh, dass sie besser mal im Grammatikkapitel vorher lesen, worum es geht. Ansonsten raten sie fröhlich rum, sind unpräzise und es endet dabei, dass die Lehrkraft frustriert die Regeln an die Tafel klatscht. Eine Handlung mit der man das Thema auch hätte beginnen können anstatt 30 Minuten Rätselraten zu spielen, bei dem die Schülerinnen und Schüler eigentlich keine Chance haben. Da kann man sich auch hinstellen und fragen: „What is the difference between a raven and writing desk?“

Dazu ist diese Vorgehensweise menschlich fragwürdig. Unseren Schülerinnen und Schülern wird ein krankhafter Leistungsgeist und teilweise panische Angst vor mündlichen Noten eingeredet, um ihnen dann Aufgaben vorzulegen, die sie realistisch nicht erfüllen können ohne zu betrügen oder Glück zu haben. Erwachsene, wie ich sie unterrichtet haben im Übrigen keinerlei Verständnis für diese Ratespiele, weil sie erkennen, dass man da keine Lösung finden kann. Trotzdem wird einem immer wieder diese didaktische Fehlentwicklung in die Hand gedrückt. Sie wird genauso weitergetragen, wie die Übergeneralisierung der Handlungsorientierung in alle Fächer hinein. Es wird dabei nicht vom Menschen und vom Inhalt sondern vom Prinzip her gedacht. Was an einer Stelle modern und damit offiziell gut ist, muss an jeder Stelle modern und gut sein.

Einsprachigkeit im Unterricht

Dabei steht einem das alte oft genug im Weg. Einsprachigkeit ist die Maxime im Fremdsprachenunterricht. Die Idee, die Schüler nur der Zielsprache auszusetzen ist super. Schließlich lernt man Sprache da am besten. Leider kommt hier jetzt das große Aber.

ABER: Es ist komplett behämmert dies zu fordern, wenn man vier 45-minütige Einheiten die Woche hat. Denn das bringt rein gar nichts, außer dass die Schülerinnen und Schüler dauerhaft weder die Einsprachigkeit ernst nehmen noch einen Erfolg davon haben. Es gibt auch keine Emulation der Lehrkraft, weil die Lernenden schnell erkennen, dass dies eine reine Scharade ist. Die Idee, dass ich 45 Minuten lang einen Engländer spiele, um dann  die nächste Nase auf deutsch dafür anzumotzen, dass sie ihr Handy wegpacken soll, ist komplett hirnrissig. Wenn es einsprachige Projekttage oder generelle Immersion gäbe, wäre ich sofort dabei. Das ist nämlich sinnvoll und macht die Fremdsprache relevant und nicht den Unterricht zu einem Theaterstück mit einem englischsprechenden didaktisierenden Schauspieler, der einem dann, wie oben erklärt, unbeantwortbare Fragen stellt.

Einsprachigkeit ist dazu durch die knappen Zeitpläne schlicht unpraktikabel möchte man seine sprachtheoretischen Inhalte vermitteln oder, wie es mir oft geht, Menschen vor sich, denen man die komplexen Sachverhalte, die man ihnen vermitteln sollte, in der Fremdsprache nicht verstehen würden. Natürlich haben wir teilweise sehr viel Zeit ((Das ist der Segen der Vorklasse: wir bestätigen als Ausnahme mit 10 Stunden die Woche die Regel des zeitlich knappen Unterrichts.)) aber selbst dann kann man nicht alle Sachverhalte in der Fremdsprache abhandeln, denn man möchte auch am Ende, dass die Botschaft ankommt. Manchmal sind deutsche Regeln der Anfang englischen Sprechens. Denn nicht einmal 280 Stunden im Jahr reichen hier wirklich.

Auf der Bühne – und Abgang

Und so wirkt Englischunterricht oft wie Theater. Wir spielen Engländer, wir tun so, als könnte man sprachliche Features einfach so erraten oder erfühlen und wir tun so als wären die Regeln, die da erraten werden so schwer, dass wir sie nicht in ihrer Tiefe lehren können. ((Merkt ihr was? Das ist mir vorher nicht mal aufgefallen, wie schizophren das ist.)) Und dann schreiben wir denen allen C1 oder gar C2 auf die Zeugnisse und fragen uns, warum das keiner ernst nimmt.

Own your own content…

In seinem Überraschungsvortrag auf der re:publica 2012 plädiert Sascha Lobo dafür, dass wir wieder mehr eigene Blogs aufzubauen und mehr des Contents wirklich auf eigener Infrastruktur anzubieten. Dem folgend habe auch ich ja mehrere Blogs und bin besonders stolz, dass meine Freundin Isa nun auch ihre Bildergalerie online hat. ((Gehostet auf Teilen meines Webspaces und mit Verlaub einem sehr schönen Portfoliotheme.))

Doch warum sollten wir eigentlich unseren Content selbst hosten?

Also Sascha sagt es ja eigentlich auch ganz gut in dem Vortrag, aber schauen wir doch mal in die Nutzungsbedingungen von Facebook, dem Internetservice, den die meisten für einen Ersatz eines eigenen Blogs oder aber, was noch kritischer ist, als Promotiontool für sich halten. ((Nur so, allein die Tatsache, dass ich dort nicht anständig Kommentare moderieren und im Zweifel nichts gegen Trollerei unternehmen kann, macht es eklig.)) Da steht dann:

Für Inhalte wie Fotos und Videos, die unter die Rechte an geistigem Eigentum (sog. „IP-Inhalte“) fallen, erteilst du uns durch deine Privatsphäre- undAnwendungseinstellungen die folgende Erlaubnis: Du gibst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz zur Nutzung jeglicher IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest („IP-Lizenz“). Diese IP-Lizenz endet, wenn du deine IP-Inhalte oder dein Konto löschst, außer deine Inhalte wurden mit anderen Nutzern geteilt und diese haben die Inhalte nicht gelöscht.

Diese Aussage, gerade dem Teil mit den „anderen Nutzern“ erlaubt Facebook gar nichts der Inhalte zu löschen. Natürlich hat man da immer noch sein Urheberrecht aber man hat auch einen weltweit agierenden nichtzahlenden Großlizenznehmer, der die größte Verwertungslizenz hat, die man sich so vorstellen will. Das macht das Verbreiten der eigenen Werke gegen Geld doch etwas schwieriger. Vor allem, weil sich Facebook da die Übertragbarkeit der Lizenz zusichern läßt. Das heißt, ich kann mir von Facebook eine Lizenz für sagen wir mal eure Bilder geben lassen und gebe denen Geld dafür und dann darf ich diese Bilder als Werbetreibender verwenden und ihr als Urheber bekommt dafür… öhm nix?

Ja, aber Facebook hat angeblich ja auch Reichweite und ist wichtig für die Verbreitung im Netz. Nun dazu gibt es keinerlei Studien, die irgendwie zeigen, dass mir Facebook etwas für meine Verbreitung hilft. Nachdem es ein geschlossenes System ist, das dazu wohl auch noch stark nach Sprachen und Ländern unterteilt ist, ist es fragwürdig, wie viel Reichweite ich habe, selbst, wenn ich mein schlechtes Schulenglisch benutze. Deviantart oder ähnliche Seiten, die tatsächlich einen Feed an neuen Sachen anbieten oder aber eine Sortierung nach Genre bieten sind für Künstler sicherlich ein besseres Pflaster. Aber auch hier ist natürlich die Reichweite eher geringer und vor allem unter Leuten, die sich für Künstler halten oder sogar welche sind. Man kann vielleicht mal einen Job abgreifen, aber ansonsten ist das auch eher so selbstbefruchtend und voller gegenseitiger Selbstwertschätzung für Sachen, die eigentlich jenseits der Betroffenen kaum jemand interessiert. ((Wie im ganzen Internet das eigentlich das Fall ist. Das ist halt die riesige Selbstbefruchtung der Nichtigkeit. Ja, auch ihr liebe Internetpolitiker und -feministen. Entweder man ist in eurem Diskurs oder er findet nicht statt.))

Deswegen ist es aber wiederum wichtig, dass möglichst viele Leute eigenständige Seiten haben. Wir brauchen keine Selbstbefruchtung, wir brauchen dezentrale Verlinkbarkeit und Syndication. RSS und Links sind die Technologien des Web, nicht Klicki-Bunti und Schaltflächen. Wir sollten produzieren und nicht das Produkt sein. Der Content sollte uns gehören, wenn wir ihn produzieren und wir sollten bestimmen, wo und wie unsere Diskurse stattfinden. Ich hab kein Problem mit Syndication und der Verbreitung meiner Links in soziale Netzwerke. Ich hab ein riesiges Problem mit der Idee, dass ich auf dem Platz eines privaten Unternehmens meinen Content ((Egal wie lächerlich unwichtig der ist…)) anbiete und auf dieses Unternehmen angewiesen bin. Das ist übrigens auch eine Erfahrung, die der Radiomoderator Jürgen Domian letztens machen musste.

Solange wir nicht zumindest die Infrastruktur unserer Seiten beherrschen ((und selbst das ist nicht genug…)) solange gilt, dass wir über unseren Content und unsere Message die Kontrolle noch schneller verlieren werden, als wir es eh schon tun. Es gilt halt:

The internet is not a public sphere.
It is a private sphere that tolerates public speech.
— Clay Shirky