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Störe meine Kreise nicht…

Im Laufe des Lebens baut man sich immer mehr soziale Beziehungen auf. Das ist vollkommen normal und nachvollziehbar. Diese schließen sich an verschiedene soziale Institutionen an. Zuerst sind da Familienbeziehungen, dann Freundschaften, die mit Schule zu tun haben können, aber auch eben nicht und später Arbeitsbeziehungen.

Der Grad der Freiwilligkeit und des Spielraums, den man bei Gestaltung dieser Beziehungen hat, ist sehr unterschiedliche. Während familiäre Beziehungen nahezu keinen Spielraum zulassen, jenseits dass man jeglichen Kontakt abbricht, Arbeitsbeziehungen eher etwas von zufälligem Schicksal mit sich tragen, kann man seine freundschaftlichen und romantischen Beziehungen sehr frei gestalten. Das bedeutet dann auch in Zeiten des Internets und sozialer Netzwerke, dass man sich ein persönliches Freundschaftsumfeld generieren kann, das im Rahmen der unfreiwilliger entstandenen Beziehungen zu Problemen führen kann. Das ist schon an sich ein Problemfeld und die Interaktion von diesen Beziehungen ist schon schlimm genug.

Es wird aber noch problematischer, wenn man bedenkt, dass die Menge an Menschen, die man im Laufe des Lebens als freundschaftliche Beziehungen akkumuliert, langsam aber stetig ansteigt und an sich aber auch fragmentiert ist. Das fängt damit an, dass diese Menschen unterschiedliche Hintergründe und Werte, aber auch Wertigkeiten haben. Die Frage ist ja, welche Facette des eignen Lebens in diesen Beziehungen reflektiert ist, weil alle Facetten sind nur selten und das meist bei sehr guten Freunden vorhanden. Ansonsten ist es schon die Frage, was man wem erzählt. Dazu hilft es bei der Seelenhygiene, dass man auch immer mal jemanden hat, mit dem man relativ sicher über die anderen Beziehungen reden kann. Das ist an sich sehr wertvoll und wenn jemand mit dem Konzept um die Ecke kommt, dass man ja keine Geheimnisse voreinander haben sollte und jeder alles wissen darf, dann hat sich die Person noch nicht daran verbrannt. Denn absolute Offenheit verdient Vertrauen und dieses ist gerade in der Welt der sozialen Medien noch weniger zu bekommen.

Das bedeutet aber auch, dass man sich überlegen muss, wie das mit den sozialen Kreisen in seinem Leben ist und wie sehr eine Störung dieser Ordnung eine Person stört. Das hängt auch von der persönlichen Einstellung und Entwicklung ab, immerhin wird der Mensch mit steigendem Alter immer konservativer. Es ist also vielleicht wichtig, dass man die eigenen Kreise, die man sich schafft, nicht gestört bekommt. Die Idee, dass man immer mit jedem verbunden sein muss und dass eine Großzahl von Beziehungen einen Selbstwert hat, obwohl die einzelne Beziehung oberflächlich und mit wenig gegenseitigem Wert belegt sind, ist verirrt und führt dazu, dass man gar keine Beziehungen führen kann, die bedeutsam sind. Dazu kommt, dass dieses Verhalten dazu führt, dass andere Menschen auch immer weniger bedeutsame Beziehungen führen können, weil das Netz des Sozialen um sie herum immer mehr entwertet wird. Alle kennen sich, aber keiner will noch etwas Tiefes sagen, denn das Vertrauen, dass in der Trennung sozialer Kreise geschaffen werden kann, geht in der Jagd des verzweifelten Networkings verloren.

Und so ist es eigentlich zu wünschen, dass die Menschen sich einander annähern, aber auch Freiraum lassen und nicht gegenseitig ihre Kreise stören oder zumindest die Entscheidung, wie das soziale Umfeld der anderen Person aussehen soll und welche Rolle man für diese Person spielt, ihr zu überlassen. Alles andere ist soziale Gewalt, die egal wie gut sie gemeint ist, am Ende zeigt, dass derjenige, der wie bei Archimedes die Kreise stört, am Ende auch derjenige ist, der den Kern der sozialen Interaktion tötet: nämlich das Vertrauen.

Vorsicht vor den guten Menschen…

Nachdem ich mich jetzt schon einmal darüber geäußert habe, dass wir romantische Strömungen in unserer Gesellschaft haben und ich dem Phänomen eher negativ gegenüberstehe, ((Okay, das ist ein reiner Euphemismus. Ich find’s eklig.)) muss ich jetzt auch mal erklären, warum dem so ist. Dazu mache ich hier mal eine kleine philosophische Einteilung auf.

Jedes philosophische System erstellt auch ein Menschenbild. Und diese Menschenbilder zeigen bestimmte Hoffnungen und Annahmen über den Menschen. Das ist schön, aber um das gleich klarzustellen: die sind alle falsch. Oder sie sind alle richtig, sucht es euch aus. Diese Menschenbilder kann man grob in diejenigen unterteilen, die den Menschen positiv und die, die ihn negativ sehen. Ich erkläre das mal an zwei Beispielen.

Thomas Hobbes – Hilfe, wir brauchen einen Diktator

Thomas Hobbes schrieb in seinem Leviathan die erste der politischen Vertragstheorien der Neuzeit. Er plädiert in dem Werk, dass man einen eigenständigen Souverän braucht. Seine Begründung zieht er dabei aus einer Analyse des Menschen im sogenannten Naturzustand dieser fiktive Zustand ist Hobbes‘ Vorstellung für eine ungeregelte menschliche Gesellschaft. Seine Vorstellung ist die einer gewalttätigen unberechenbaren Gesellschaft in der sich der Stärkste jedes Recht nimmt und man in dauerhafter Angst und Unsicherheit lebt. Dafür braucht es dann eben einen regulierenden Staat.

Hobbes ist ein Pessimist und Zyniker. Er erwartet von den Menschen nichts Gutes. Er misstraut ihnen auf Schritt und Tritt und gesteht deswegen einem Gemeinwesen nicht einmal zu, dass es nach der Einsetzung seines Souveräns, des titelgebenden Leviathans, keinen Einfluss mehr auf diesen hat. ((Ob das so eine gute Idee ist, ist eine andere Diskussion.)) Hobbes ist durchgehend skeptisch gegenüber der menschlichen Natur. Das führt allerdings auch dazu, dass er sich für ein politisches System ausspricht, das eigentlich nur das Schlechte im Menschen, das er sieht, reguliert und sich damit zufrieden gibt. Hobbes halt also ein negatives Menschenbild, es führt aber in der Verwirklichung zu einem Staat, der Freiheiten nur einschränkt, damit das Tier in uns die  anderen nicht umbringt. Man sieht hier also, dass ein eher negatives Menschenbild einen zu einer regulierenden Idee über menschliches Zusammenleben führt. Man möchte etwas verbessern, das man als negativ wahr nimmt. Und mehr als diese Verbesserung braucht es meistens nicht. ((Okay, man kann über das Ziel hinausschießen, aber dann landet man automatisch in der anderen Kategorie.))

Karl Marx – Die Hoffnung stirbt zuletzt ((Das tat sie dann ungefähr auf Höhe Stalins.))

Marx hat uns eine Vielzahl philosophischer Ideen hinterlassen. Das Ziel seiner Philosophie ist aber der sogenannte wissenschaftliche Kommunismus. In diesem soll es kurz gesagt dann keine Herrschaft mehr geben. Er begründet seine historisch-kritische Theorie auf einer Wirtschaftsanalyse und zieht damit seinen Kommunismus basierend auf wirtschaftlichen Ideen auf. In diesem zukünftigen Kommunismus soll es aber keine Herrschaft mehr geben. ((Lies: Die Produktionsmittel gehören allen.)) Das bedeutet allerdings auch, dass jeder in der kommunistischen Gesellschaft freiwillig arbeiten muss, damit die Welt weiter läuft. In Marx‘ Ideenwelt machen die Menschen das auch, weil sie erkennen, dass es das Beste für sie ist, wenn sie der Gesellschaft dienen. Diese Idee setzte sich dann im realen Sozialismus Osteuropas erstmal auf irgendeine Art fort. Doch stellte man schnell fest, dass es nicht funktionierte. Die Menschen begannen weniger zu Arbeit zu erledigen, weil sie soundso bezahlt wurden. Keiner tat etwas, was er nicht dringend musste und so musste sich der Staat Anreizmodelle einfallen lassen. Die eine Idee waren die Aktivistenorden in der DDR, also ein positiver Stimulus. Die leiern sich nur leider aus. Deswegen setzte man dazu auch noch auf geheimdienstliche Überwachung und Oppression. ((Die wurde auch eingesetzt um Landflucht vorzubeugen. Immerhin brauchte man die Leute und konnte sich auch nicht vorstellen, warum die überhaupt nicht im Sozialismus leben wollen.))

Hier sieht man, dass ein positives Menschenbild das Problem birgt, dass man oppressiv werden muss, wenn die Menschen sich nicht an die Vorstellungen halten, die man selbst von ihnen hat. Man muss sie also zu ihrem Glück zwingen. Das bedeutet dann auch, dass sie dieses Glück verlieren, denn sie sind in einem totalitären Zwangsstaat. Ein positives Menschenbild führt also langfristig zu Überwachung und Staatsterrorismus.

Vorsicht vor den guten Menschen…

Man kann also sehen, dass Ideale über das menschliche Zusammenleben und ein idealistisches Menschenbild immer dazu führen, dass man Menschen, die sich nicht an diese hohen Standards halten, also einfach Menschen sind, zu ihrem eigenen Glück zwingen muss. Das kollidiert dann mit der Welle an Romantik, die da durch die Welt schwappt. Es gibt also sehr viele Menschen, die sich nach einer heilen Welt sehnen und glauben, dass man die dadurch erreichen kann, dass man andere Menschen dazu auffordert sich entsprechend zu verhalten. Gerade soziale Netzwerke sind ein einfacher Weg sozialen Druck auf Menschen aufzubauen, die das persönliche Romantikempfinden stören oder aber sogar daran zweifeln, dass diese Ansicht eine valide auf der Welt ist. Sie haben also ein negatives Menschenbild und das kann man ja nicht haben. Die Welt soll gut und toll sein, wir sollen uns alle lieb haben und die niederen Teile unseres Wesens überwinden oder unterdrücken.

Doch was ist, wenn die anderen das nicht tun? Dann wird Druck aufgebaut, gerne über die emotionale Schiene und über einen diffusen Moralbegriff. ((Beide zutiefst verabscheuungswürdig.)) Dabei werden essentielle Grundlagen des zwischenmenschlichen Umgangs ignoriert und verletzt. Weder wird auf die Eigenständigkeit des anderen, noch auf sein Recht zu einer eigenen Meinung Rücksicht genommen. Man weiß ja schliesslich selbst, was die bessere Welt wäre. Dazu kommt noch, dass dieses Verhalten einen blind gegenüber den meisten Dimensionen einer multivariaten und komplexen Welt macht. Es ist also auch jenseits absoluter Menschenfeindlichkeit als Problemlösungsstrategie für eine soziale Gruppe eine absolute Katastrophe. Denn der Einzelne ist immer blind gegenüber den Änderungen in der Welt und die einzige Hoffnung ist der Diskurs mit den anderen. Wenn man diesen dann unterdrückt, weil es nicht dem kitschig-romantischen Weltvorstellungen entspricht, endet man im Terrorismus der guten Menschen.

Fazit

Wie die Überschrift sagt: misstraut Menschen, die nur das Gute wollen. Sie sind die Diktatoren von morgen. Sie haben nicht mehr Ahnung, wie die Welt läuft als man selbst und sie haben im Zweifel keine Skrupel ihre Interessen mit sozialer oder sogar körperlicher Gewalt durchzusetzen, denn sie nehmen für sich in Anspruch das richtige und Gute zu tun. Aus einem positiven Menschenbild folgt nämlich immer Terrorismus, ob in sozialen Netzwerken oder an der Spitze von Staaten ist hierbei vollkommen egal.

Soziale Entropie II

Ich hatte schon einmal über das Phänomen der sozialen Entropie gesprochen oder besser es irgendwie erfunden ((Bisher hat sich keiner beschwert, aber das ganze Konzept ist eh nur ein glorifizierter Name für etwas, das jeder kennt. Das ist aber öfter so, besonders in der Geisteswissenschaft.)) Nachdem ich beim letzten mal eher darüber geredet habe, wie man Kontakte, die man haben möchte, aufrecht erhält, geht es diesmal um die Frage, die ich da am Ende gestellt habe: Welche Menschen sind mir diese Kosten warum wert? und erweiternd: Was bin ich bereit in Kauf zu nehmen um mit diesen Menschen Kontakt zu halten?

Beziehungskreise

Die erste Frage sieht aus, als wäre sie einfach zu beantworten, ist sie aber nicht. Wir existieren ja in einem Geflecht aus Beziehungen und alle Menschen um uns herum auch. Das bedeutet zum einen, dass man in bestimmten Bereichen Beziehungen zu Menschen hat, die man nicht lösen kann und bei denen man die entsprechenden Menschen akzeptieren muss ((Klassisches Beispiel wäre der Beruf, wobei man da ja immer noch die ultima ratio der Kündigung hat. Leider sind auf diese Möglichkeit nur hohe gesellschaftliche Strafen drauf ausgesetzt.)), und es bedeutet auch, dass man über seine Beziehungen automatisch Teil anderer Beziehungsnetzwerke wird. Nimmt man da die Welt der modernen sozialen Netzwerke hinzu, lassen sich wohl mehrere Kreise aufmachen. Zum einen der Kreis derjenigen, die man als enge Beziehungspartner sieht ((Also sowas wie Familie, enge Freunde und Liebespartner.)). Dann gibt es die Menschen mit denen man regelmäßig zu tun hat. Die letzte Gruppe ist die größte: Menschen, mit denen man eigentlich nichts zu tun hat, außer dass sie jemand sind, den jemand anderes kennt, der im Idealfall eine enge Beziehung zu einem hat.

Das bedeutet dann auch, dass man sehr viel Energie investieren muss, um diese ganzen losen Beziehungen zu bewältigen, obwohl sie alle gemeinsam nicht genug sozialen Wert gegenüber auch nur einer engen Beziehung haben. Man beschäftigt sich also immerzu mit den Äußerungen von Menschen, die eigentlich kaum Beschäftigung bedürfen oder keinerlei signifikante Wirkung auf das persönliche Leben haben. Sie nehmen aber viel Zeit und Energie in Anspruch ohne einen Mehrwert zu haben. Es entsteht da eine hohe soziale Entropie, die man immer wieder bewältigen muss. Die Menge an bewegenden „Teilchen“ ist halt sehr hoch.

Modalitäten

Doch auch die Art, wie ein soziales Netzwerk funktioniert hat einen Einfluss darauf, wie groß die Kosten sozialen Kontakts sind. Es gibt zwei große Modelle, nach denen soziale Netzwerke Menschen miteinander verbinden.

  • Das Freundschaftsprinzip wird vor allem von Facebook propagiert. Dies ist generiert immer synchrone Beziehungen zwischen Nutzern. Ich bin dein Freund und du meiner und wir haben den selben Zugang zu allen unseren Daten, Informationen und Posts. Es bedeutet, dass man immer genauso große Mengen an Informationen bekommt, wie man sendet. ((Also, abhängig davon, wer wieviel von sich gibt. Es ist eine relative Angabe. Ungleichgewichte verschlimmern das Problem für den passiveren Partner aber sogar noch.))
  • Das Followerprinzip ist die Basis von twitter und beruht darauf, dass jede Äußerung von vorneherein öffentlich ist, außer sie ist explizit privat. Den öffentlichen Äußerungen kann ich dann folgen, ohne dass für denjenigen, der sie tätigt eine Verpflichtung entsteht auch mir zu folgen.

Für diese Betrachtung ist damit natürlich auch klar, dass ein soziales Netzwerk nach dem Freundschaftsprinzip eine weitaus höhere soziale Entropie aufweist, als eines, das nach dem Followerprinzip funktioniert. Denn man ist den Nachrichten der anderen ausgeliefert und das Beziehungsformat impliziert, dass man sich alles anhören muss, wenn man auch gehört werden will. Das ist beim Followerprinzip nicht der Fall, denn dort besteht keine soziale Verpflichtung Menschen zu folgen, die einem folgen und umgekehrt. Man selektiert also, welchen sozialen Lärm man sich antun möchgte und welchen nicht.

Fazit

Wir haben durch das Internet die Möglichkeit mit Menschen in Kontakt zu bleiben, bei denen wir ansonsten viel investieren müssten, um es zu tun. Die Kosten dafür sind also niedriger geworden, doch die Möglichkeiten, die wir dafür primär benutzen generieren soviel soziale Entropie, dass die Gesamtkosten für unser Leben, Energie und Zeit, am Ende größer sind als zuvor, wo man konzentriert und punktuell miteinander in Kontakt getreten ist. Das tut man im Prinzip immer noch, aber das Getöse an Nebensächlichkeiten ist um ein vielfaches lauter geworden.

Damit bleibt die Frage, was man in Kauf nimmt um mit Menschen in Kontakt zu bleiben und was nicht. Wir haben viele neue Möglichkeiten, aber diese führen nicht immer dazu, dass man besser Kontakt hält. Oft erhöhen sie nur den Lärm im Leben. Es ist also eine gute Idee sich zu überlegen, was man benutzt um mit den anderen zu kommunizieren und wie.

Die Kunst gehen zu können…

Wir Menschen sind soziale Wesen und als solche abhängig von Beziehungen ((Beziehungen sind hier als breit definiert also sprich alle Arten zwischen Menschen.)), doch Beziehungen sind auch der Beginn allen Leids in vielen Fällen. Denn vieles kann schief gehen. Ich kann mich an jemandem aufreiben, der eher soziopathisch ist, ich kann in sozialen Umständen sein, die mich ausbeuten oder mir schlicht und ergreifend von der Persönlichkeit her nicht liegen oder sogar offen schaden. Doch man ist oder wird so sehr an diese Beziehungen gebunden, dass man sie weiter aufrecht erhält. Gründe können vieles sein, meine Einbildung, die Psychopathologie des anderen, soziale Zwänge oder finanzielle Zwänge. Ist die Beziehung schädlich genug, geht man da schnell an seine Grenze und das kann dann auch gern ma in den Bereich gehen in dem man in geschlossenen Anstalten oder zumindest auf der einen oder anderen Couch landet. ((Oder aber auch nicht, weil man ist ja nicht verrückt!))

Deswegen wäre es ja eigentlich gut, wenn man diese Beziehungen dann auch verlässt, aber das ist wie gesagt schwer. Vor allem bei Beziehungen, die einen hohen sozialen oder emotionalen Wert für uns zu haben. Doch es sind dann meist auch diese aus denen man gehen muss. Zu gehen ist deswegen wichtig und eine Kunst, die man beherrschen sollte. Auch, wenn es bedeutet, dass man soziale Verluste eingeht, sollte einem das eigene Seelenheil wichtiger sein als eine Beziehung, der man im Zweifel soundso zuviel Wert beimisst. Man reisst sich vielleicht das Herz raus, aber das ist ein kurzfristiger Schmerz gegenüber dauerhaftem Leiden.

Also, die Kunst ist es gehen zu können. Ihr könnt nahezu jede Beziehung in eurem Leben beenden, außer vielleicht den Job ((Ja, weil der ernährt einen…)), aber den kann man immerhin wechseln.

Argumentationshilfen für politische Diskussionen

Ich holte gerade meine Mutter ab und da saßen etliche ältere Herren und diskutierten über Politik und die Welt. Das taten sie natürlich auf die beste Stammtischmanier, die man sich vorstellen kann. Die klassische Idee ist, dass diese Leute ja alle dumm sind und man sich das am Besten nicht antut. Ich denke aber, dass das genauso intelligente Menschen sind, wie das jeder von sich annimmt. Also kann man mit denen auch reden. Das tat ich dann irgendwann mal und siehe da. Die sind nicht dumm, die sind nur nicht informiert und folgen dir locker, wenn du ihnen eine klare Argumentationslinie gibt.

In diesem Sinne habe ich mir gedacht, dass ich doch ein paar der Standards nochmal aufschreibe und die jeweilige Copingstrategie ausführe.

1. „Ausländer“

Das erste Argument, was in diesem Themenbereich kommt ist natürlich die Frage, was denn überhaupt ein Ausländer ist. Meistens wird hier eine pseudobiologische Definition herangenommen, nämlich die, dass man deutsche Eltern gehabt hat. Das ist zwar von alters her die Basis der deutschen Staatsbürgerschaft, allerdings ist ein Deutscher nunmal einfach die Person, die einen deutschen Pass hat. Legt man das an, dann lassen sich viele dieser Diskussionen ganz anders gestalten. Unter anderem diejenige darüber, dass Ausländer bevorzugt werdenDenn wenn erst einmal klar ist, dass diese „Ausländer“ Deutsche sind, dann ist auch klar, dass diese dieselbe Unterstützung bekommen wie wir.

Da sind wir dann auch bei einem zweiten Thema, dass in diesem Zusammenhang gerne kommt, nämlich dass Deutsche mit Migrationshintergrund krimineller wären als echte Deutsche ((oder so…)). Dazu muss man dann in die Sozialstruktur schauen und stellt fest, dass es gar nicht am Migrationshintergrund an sich liegt, dass die Kriminalität da höher ist. Zum einen ist das ein klassischer Fall der Unterreportage von Straftaten Deutscher, weil auch die Presse hier unbewusst voreingenommen ist. Dann gehören die Menschen mit Migrationshintergrund zu großen Teilen zu den unteren Statusgruppen dieser Gesellschaft und diese neigen allein aufgrund ihrer prekären Situation zu mehr Kriminalität. Es ist also nicht so sehr die Eigenschaft als Migrant, sondern eher die als Mitglied der unteren Statusgruppen.

2. „die da oben“

Da ist es schwierig zu argumentieren, denn unsere politischen Eliten sind tatsächlich eher so mau. Trotzdem ist unreflektiertes Schimpfen auf die Obrigkeit natürlich ein Klassiker. Man sollte hier vielleicht eine Argumentationslinie verwenden, die betont, dass die Eliten unfähig sind und manchmal korrupt anstatt durchweg böse. Dummheit ist meist die bessere Erklärung.

Dazu sollte man immer auf die Filterbubble achten in der auch die politischen Eliten leben. Die merken meist durch Lobbying und ähnliches nicht, welche Probleme die Menschen da draußen im Lande haben. Das ist teilweise auch gut, aber man sollte es den Leuten ins Gedächtnis rufen und sie darauf hinweisen, dass mangelnde Beteiligung definitiv nichts im Bereich Bürgerrepräsentation erreicht.

3. falsche Annahmen

Das ist etwas seltener, aber mir auch schon öfter untergekommen. Dabei geht es meist um solche Sachen wie Beamte zahlen keine Steuern ((tun sie, sie zahlen keine Sozialabgaben)), Ostdeutsche müssen keinen Solidaritätszuschlag zahlen ((natürlich müssen sie das)), in Hamburg leben die armen Leute ja auch in der Innenstadt ((so gehört letztens, äh nein?)). Hier sollte man möglichst mit Überzeugung erklären, wie die Sachlage tatsächlich ist.

Soundso basieren die meisten Stammtischargumente auf Wissensmangel, den man bei respektvollem Umgang durchaus ausräumen kann.

4. Bleib sachlich und lasse dich nicht auf Ideologie ein

Man sollte immer argumentativ bei der Sachlage bleiben und sich weder auf persönliche Angriffe noch auf Nebenkriegschauplätze einlassen. Das ist schwerer als man denkt. Dazu ist es von Vorteil, dass die Leute weniger über einen wissen. ((Das kriegt man zwar nicht immer hin, aber es hilft.)) Es hilft natürlich auch klassische Diskussionsskripte, die man kennen sollte. Ad hominem Strategien einfach abperlen lassen, immer zurück auf das Thema, immer Relevanz für den Gegenüber herstellen, damit der sich das vorstellen kann und selbst keine Vorwürfe erheben. Dann wird einem sogar zugehört.

5. früher war alles besser

War es das wirklich? Da würde ich einfach mal nachfragen und einen Vergleich heranziehen. Meist war früher nur anders, nicht besser. Darauf kann man an der Stelle immer abheben und es funktioniert auch.

So, wenn euch noch etwas einfällt, dann kommentiert hier mal und ich baue das noch ein.

Sozialkosten

Also das mit dem Internet ist ja eigentlich schon eine gute Sache. Wir lernen neue Menschen kennen und wir haben einen besseren Kontakt zu denen, die da draußen sind. Doch eigentlich nutzen wir diese Mittel doch kaum. Und das mag daran liegen, dass wir einer sozialen Entropie unterliegen, die dazu führt, dass wir bestimmte Menschen weniger wahrnehmen, obwohl wir ihnen sofort einen bestimmten positiven Wert für unser Leben zuweisen würden.

Soziale Entropie? ((Habe ich gerade als Begriff erfunden.))

Entropie an sich bedeutet, dass sich Teilchen in einem System immer weiter ungeordnet verteilen, wenn diesem System keine Energie mehr zugeführt wird. Das trifft auch auf soziale Beziehungen zu. Die Menge an Energie, die man für das Aufrechterhalten einer sozialen Beziehung benötigt hängt von der räumlichen Nähe der Personen und vom Informationsfluss zwischen ihnen ab. Je weiter also die Person im Raum und in der Informationsvermittlung von einem entfernt ist, desto weniger Kontakt hat man mit ihr und desto weniger spielt man eine Rolle für ihr Leben. Spielt für einem die Person an sich eine sehr große Rolle für einen, dann kann man diese realen und sozialen Distanzen besser überbrücken als wenn er das nicht tut. Allerdings ist es vollkommen normal, dass wir versuchen die Komplexität unseren Soziallebens bestmöglich zu reduzieren, weswegen Menschen, die uns nahe stehen und öfter begegnen wichtiger werden als diejenigen, die dies eben nicht tun.

Ein Beispiel wäre, dass ich nahezu keinen Kontakt zu den meisten meiner ehemaligen Schüler habe. Man verbringt ein Jahr in mehr oder minder großer Nähe und entwickelt dort auch eine (professionalisierte) soziale Beziehung, aber diese bricht sofort ab, wenn es keinen Grund mehr für diese Beziehung gibt. Gleichzeitig zieht sie aber auch sehr viel Aufmerksamkeit auf sich. In einem gegebenen Schuljahr sind mir meine Schüler manchmal näher als so manche Person, zu der ich tatsächlich tiefere soziale Bindungen habe.

Was kann man dagegen tun?

Nunja, wer der Erklärung mit der Entropie oben gefolgt ist, dem wird klar sein, dass man wohl Energie in das System investieren muss. Doch das ist gar nicht der erste Schritt. Dieser benötigt zwar auch Energie, ist aber auch schwieriger, weil er auch spontan aus der Person heraus entstehen muss. Denn sich zu erinnern, wer wie viel Wert für einen hat und, dass dieser Wert nicht der Qualität der sozialen Bindung entspricht, muss aus dir heraus kommen. Dann muss man tatsächlich Energie investieren. Man muss den Kontakt wieder auffrischen und versuchen zu halten. Da man selbst aber in seiner eigenen Welt und der andere in seiner Welt lebt, braucht man immer wieder Energie am besten beider Seiten, um die Bindung in irgendeiner Art aufrecht zu erhalten. Es ist aber anstrengend, denn man hat ja irgendwie doch so sein eigenes Leben. ((Also meines ist immer eng genug, dass ich am Ende eines Tages nicht weiß, was ich alles getan habe und mich zu jeder Art von Extraaktivität fast per Planung zwingen muss.)) Und dann schaut man in sein modernes Leben ((Und da bin ich eigentlich jemand mit einem Job, der sehr bürgerlich und strukturiert schein. Das ist leider nicht wahr.)) und merkt, dass man so wenig gefühlte Zeit und Möglichkeit hat.

Dumme Ratschläge

Ein Ratschlag ist ja eigentlich immer ein Schlag. ((Woher das kommt? Wenn du kochst und dann sagt jemand: „Nimm doch lieber Sahne zu Soße.“ heißt das auch: „Du bist zu blöd Soße zu kochen.“)) Aber was kann man trotzdem tun? Hier meine Gedanken:

  • Bei allem Scheiß, der Facebook und andere social networks sind, helfen sie uns doch in einem einfachen Benutzerinterface mit Menschen Kontakt zu halten. Leider belästigt einen Facebook und die anderen gerne mit jeder Menge Scheiß. Es geht da ja auch nicht um Kontakpflege sondern um das erstellen eines eigenen Raums für sich selbst. Trotzdem kann man es verwenden.
  • Kalender helfen bei Geburtstagen und die sind so das mindeste auf was man achten sollte, wenn einem da was wert ist. Warum weiß ich nicht, aber es ist so ne Tradition. ((An sich ist es ja soundso eigenartig, dass wir uns dazu gratulieren, dass unsere Mütter Schmerzen und Stress gehabt haben, während wir auf die Welt gepurzelt sind und geschrien haben.))
  • Notizen machen und zuhören bei den kleinen Gesprächen, die man dann führt. Wenn man dem anderen das Gefühl gibt, dass er wahrgenommen wird, dann ist das die halbe Miete.
  • Im Notfall da sein. Jeder hat so seine Skills und ich vertrete ja eh die Meinung, dass wenn jeder jedem seine Fähigkeiten anbietet, wir alle einen Vorteil haben. ((Die Idee der Konkurrenz als Motor des Fortschritts ist behämmert.)) Gerade Menschen, die einem etwas wert sind, sollte man immer seine Hilfe ((Im Rahmen des Möglichen…)) versichern.

Ich denke damit lässt sich die soziale Entropie abbauen, aber die Kosten an Energie sind hoch. Es bleibt die finale Frage an der Sache: Welche Menschen sind mir diese Kosten warum wert?

Die müsst ihr selbst beantworten.