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Demokratienormalitätsupdate – Zynikerversion

So, Deutschland versinkt gerade in den Fluten. Das Jahrhunderthochwasser von 2002 ((Das war vielleicht auch etwas früh…)) wird durch das von 2013 abgelöst. Bevor das nächste dann gegen 2022 kommt. Das hilft natürlich andere kleine Probleme zu verdrängen. Da wäre einmal dieser Aufstand in der Türkei. Fangen wir doch mit dem mal an. ((Keine Sorge, ich hab sogar eine Pointe am Ende.))

Also hier kurz die Lage, wie sie sich mir durch die Medien darstellt. Alles begann mit einem Protest gegen die Abholzung hunderter Bäume in einem zentralen Platz. Diese wurde von der Polizei bedroht und entglitt in eine veritable Straßenschlacht, bei der die Polizei nicht nur sämtliche Vorräte an Tränengas verbraucht, sondern auch gleich noch zu schwerer Waffen gegriffen hat. Dabei galt dann erst einmal, dass die Regierung in ihrem Vorgehen komplett kompromisslos vorging und die Bevölkerung in großen Mengen dagegen stand. Die Medien wurden geknebelt, so dass unsere Berichterstattung in Deutschland weitaus detaillierter ist als die in der Türkei selbst. Internet wurde mal kurz abgestellt, es roch schon leicht nach arabischem Frühling. Doch dann hat sich die Situation beruhigt und die türkische Regierung rudert zurück, nachdem mehrere hundert Menschen mitunter sogar schwer verletzt wurden.

Spannend ist hier, dass die Äußerungen der Demonstranten sich schnell von einem einfachen Umweltprotest zu einem Protest gegen die Regierung Erdogan gewandelt hat. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es eigentlich um mehr geht, als die Nachrichtenlage so angehen lässt. Die Reaktion der Regierung auf die Proteste ist auch ein Hinweis, dass es da um mehr geht. Nun gut, aber vielleicht etwas langsamer. Mein Geschichtslehrer meinte immer zu mir, dass es einen Unterschied zwischen Anlass und Ursache für Konflikte gibt. Das scheint hier auch der Fall zu sein. Anlass war sicherlich die Sache mit dem Park, Ursache wohl kaum. Da scheint eher eine grundlegende Missstimmung zwischen der Bevölkerung und der Regierung zu sein. ((Auch hier…)) Das führt natürlich zu Spannungen und ein überreligiöser Hardliner wie Erdogan ((Unvergessen hier auch, dass er gerade bei den als überkonservativ bekannten Türken in Deutschland sehr beliebt ist und auch hier mit eher konservativen Ansichten antrat.)) greift dann gerne schnell zur groben Keule. Dass dies im Lichte dessen, was rund um die Türkei gerade passiert seiner Angst geschuldet sein kann ist verständlich, aber kann leider auch der Beginn einer wunderbaren self-fulfilling prophecy sein. Wir warten mal ab.

Aber die Türkei ist nicht das einzige Land in dem gerade Demonstranten Probleme mit Polizeigewalt hatten. Natürlich kann das nur ein ähnlich demokratisch fragwürdiger Staat sein, wie die Türkei. Oder Deutschland… Wir hatten mal wieder Blockupy Proteste in der Bankenmetropole Frankfurt ((Also, die Banken sind für mich immer noch das atypischste an Frankfurt…)). Das Ziel ist es den Kapitalismus zu attackieren. Der Sinn hiervon ist eine eigene Diskussion wert. ((Will heißen: ich finde das erstmal grundsätzlich unnötig und halte es für eine falsche Strategie für vielleicht sogar den falschen Zweck.)) Eigentlich wäre das mir auch keine Erwähnung wert, hätte die Frankfurter Polizei nicht strukturell und in der Konsequenz die Demonstration durch Gewaltanwendung und Einkesselung in die Medien gebracht. Es wurde von vorneherein unverhältnismäßig rabiat vorgegangen, obwohl dies wohl eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Dafür gab es dann halt auch den entsprechenden Medieneffekt, bei dem die Polizei nicht wirklich gut weggekommen ist, vor allem nicht wenn gleichzeitig das Thema auch international hochschwappt. ((Naja, mittlerweile schwappt ja die Donau hoch. Alles vergessen…)) Doch bedenklich, weil vermeidbar, ist dieses Vorgehen der Polizei schon. Es scheint aber irgendwie auch ein Trend zu werden.

Dieser Trend ist der Grund für die Überschrift, die ich mir gewählt habe. Die Demokratie ist irgendwie in einem schlechten Zustand. Es ist nicht nur Erdogan, der Verachtung für seine Bevölkerung zeigt, auch die Technokraten der EU und die politischen Eliten Deutschlands zeigen in ihren Einstellungen zum Sozialsystem und der Austeritätspolitik in der Eurokrise, dass ihnen die Märkte wichtiger sind als ihre Bevölkerung und dass ein entsprechender Protest gegen diese Märkte ((egal wie blödsinnig er sein mag…)) eine Gefahr darstellt, die groß genug ist, damit man mal draufhaut. Die Entfremdung zwischen den Eliten, die von der Bevölkerung gewählt werden und die eigentlich in deren Sinne handeln sollten, ist ein ständiger Prozess, der zu vielen Fragen führt. ((Unter anderem der, wie eigentlich politische Bildung in diesen Zeiten aussehen muss. Da muss ich auch mal drüber reden…)) Derzeit scheinen die Konfrontationen immer größer zu werden und man kann nur hoffen, dass diese Entfremdung nicht zu einem aufflammenden Extremismus führt, in dem wir alle nur den kurzen ziehen. Es sei den Eliten, egal ob in der Türkei oder in Europa dringend geraten nicht zu vergessen, dass sie am Ende nicht von Märkten und Religionen abhängig sind sondern von Menschen und, dass diese Menschen zumindest das Gefühl haben möchten, dass sie im Mittelpunkt und nicht im Weg der Politik stehen.

Wer wird uns verraten?

Die Telekom möchte in Zukunft den Datenverkehr drosseln. Das ist eklig, aber wird auch erst 2016 kommen. Doch ich möchte hier mal eine kleine Voraussage treffen. Ihr kennt vielleicht dieses schöne Lied von Marc Uwe Kling. Dieser bezieht sich ja unter anderem darauf, dass die kleinen Vorteile der sozialdemokratischen Reformen dem radikalen Kommunismus das Wasser abgegraben haben. Das lag unter anderem daran, dass durch die sozialen Reformen Bismarcks viele Bürger glücklich waren und die Kommunisten ignoriert haben, die noch mehr als die bequeme Sozialversicherung wollten.

Was das mit Drosselkom zu tun hat? Meine Voraussage ist, dass das so kommen wird. Das freie Netz wird sterben, weil die meisten Leuten ihre kurzweilige Bequemlichkeit durch zukaufbare Optionen befriedigen werden und das dann auch tun. Die hehren Ziele der Netzpolitiker interessieren die Facebooknutzer und Youtubeglotzer nicht, wenn denen einfach ihre Bedürfnisse befriedigt werden. Da fallen die Blogger, Podcaster und so weiter schneller runter als wir „Netzneutralität“ sagen können.

Kompetenzkompetenz

Wer es noch nicht mitbekommen hat: es ist Wahlkampf. Deswegen sehen wir mehr abgehalfterte Politiker auf Marktbühnen, die versuchen dasselbe politische Programm mit einem anderen Aufkleber drauf, an möglichst viele Leute zu verteilen.

Dazu gehört dieser pseudoamerikanische Affentanz mit den Kanzlerduellen. Da hat jetzt fnordigerweise Edmund Stoiber den ProSieben Haus- und Hofentertainer Stefan Raab als Moderator für ProSiebenSat1 vorgeschlagen. Dies trifft beim ZDF Chefredakteur Peter Frey auf wenig Gegenliebe. Der behauptet, dass Raab die Kompetenz fehlt, politische Diskussionen zu führen.

Das will ja eigentlich heißen: Stefan Raab hält sich nicht an die Regeln, die die Politjournaille für sich in Berlin gemacht hat. Er ist gefährlich, weil er am nächsten Tag nicht wieder im Dickdarm der politischen sitzen muss. Er könnte am Ende fragen stellen, die Peer Steinbrück und Angela Merkel eigentlich nicht gestellt bekommen könnten. Das wäre ein absolutes Novum gegenüber dem braven, linientreuen und pseudokontroversen Gefrage das jeden Tag in irgendwelchen rundfunkbeitragsverschwendenden Talkshows zelebriert wird.

Ich würde mir das Duell mit Raab vielleicht anschauen, ohne ihn brauche ich es gar nicht zu sehen.

Zukunft erdrosseln

Die Deutsche Telekom hat jetzt mal angekündigt, dass sie ab 2016 Volumengrenzen für ihre, dann nicht mehr passend benannten Flatrates einführt. Mit den neuen Verträgen, die man ab jetzt nur noch abschließen kann, wird einem auch versichert, dass man danach mit 384 kBit/s keinerlei Internet hat. Damit ist der Anschluss funktional kaputt. Wer die Details möchte, dem empfehle ich Netzpolitik.org und LNP062 Zerebrale Flatulenz von Logbuch Netzpolitik. Die Diskussion wird groß im Netz geführt und man darf sich daran beteiligen.

Ich möchte hier aber mal auf eine zweite Dimension hinweisen, warum dies eigentlich so katastrophal ist. Unsere Kanzlerin erzählt gerne vom Zukunftsstandort Deutschland und dass Wissen unser einziger Rohstoff ist. Neben der Tatsache, dass das Bildungssystem nun wirklich der marodeste Bagger für diesen Rohstoff ist, muss dann so eine Entscheidung der Telekom auch einmal unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden.

Meine liebe Arbeitsstätte besitzt zwei Computersäle mit insgesamt um die vierzig Rechner auf denen die Schüler Informatikunterricht erhalten. Diese hängen zusammen mit den Rechnern im Lehrerzimmer an einem internen Netzwerk und über einen Klingeldraht am Telekomnetz hängen. Obwohl wir im Stadtbereich liegen haben wir erstaunliche 6 MBit/s als Vertrag, weil irgendwie kein Netz da ist, wo die Schule liegt. ((Kein Businessvertrag oder so, das können wir uns gar nicht leisten.)) Das bedeutet also, dass über sechzig Lehrkräfte und deren Unterricht an einem Klingeldraht hängen. Der Freistaat Bayern stellt den Schulen übrigens keinerlei digitale Infrastruktur zur Verfügung und die Sachaufwandsträger sind ja sehr oft pleite. Der Ist-Zustand unserer digitalen Infrastruktur ist also irgendwo zwischen vermodert und gerade so benutzbar. Was er definitiv schon mal nicht ist: angemessen dem, was sich die Pädagogik und Didaktik so für die Zukunft ausgedacht hat. Da wird viel von e-learning geredet, moderner Unterricht braucht an sich immer mehr mediale Ressourcen, die es ja auch gibt und eine digitale Verwaltung von Schule und Schulaufgaben wäre ja auch mal großes Kino. ((Wir sind gerade am Planen den Materialienaustausch der Lehrkräfte über dropbox zu regeln, weil wir damit irgendwie im 21. Jahrhundert ankommen könnten.))

So, dann kommt die Telekom daher und will Volumenverträge machen. Wir sind also in der Situation keinerlei staatliche Infrastruktur zu besitzen, mit denen Schulen ihrem Bildungsauftrag nachkommen können oder ihre Verwaltung effizient gestalten können und nun kommt der staatsfinanzierte Telelkommunikationsanbieter daher und kloppt uns irgendwann die Leitung zu. Weil wir natürlich immer in der zweiten Hälfte des Monats theoretischen Informatikunterricht machen. Ist ja kein Netz mehr da und Videos im Geschichtsunterricht oder sowas gehen natürlich auch nicht. Wahrscheinlich wird dann das Datenkontigent für Lehrkräfte eingeführt, so wie beim Kopieren, damit auch die Bits bis zum Ende des Monats reichen.

Das ist das eigentliche Problem. Unsere Schulverwaltungen werden Drosselkom nie kommen sehen. Es kümmert sich niemand in den oberen Etagen um die datentechnische Ausstattung von Schulen, egal welcher Schulart und wenn dann nur als Gequatsche um angebliche moderne Schule, die man mit dem was da investiert und dann auch missverwaltet wird auch nicht bekommen kann. Da wird 2016 irgendwann wer dastehen und weinen, dass das ja total unfair ist und so nicht geht, inklusive niederbayrisch-schimpfendem Kultusminister. Passieren wird nichts. Netzpolitik wird immer mehr zur Bürgerrechtspolitik, aber jetzt muss sie auch zur Bildungspolitik werden. Wenn wir hier der Zukunftsstandort sein wollen, den unsere Politiker immer versprechen, dann brauchen wir eigentlich Glasfaser in jeder Schule und Support und zwar zentral und anständig bezahlt. Das was wir haben und das was uns die Telekom hier verspricht ist nichts weiter als der totale Rückwurf in eine Bildung aus dem 19. Jahrhundert. Es geht hier also eben nicht nur um Netzneutralität, sondern auch um unser bestehen als bildungsabhängige Industrienation.

Ist das jetzt eigentlich schade?

Unsere Großpolitik hadert ja seit Ewigkeiten mit der Linken. ((Die ist ja so böse linksextrem und wird schon seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet. Das heißt im Klartext: sie sagt die ganze Zeit Dinge, die nicht dem Großkonsens der Restpolitik entsprechen. Ist ja auch furchtbar, wenn jemand eine grundlegend andere Sicht auf Dinge hat und dann mit Tatsachen argumentiert.)) Das zieht sich bis in die Finanzierung der Jugendorganisationen. Gerade unter der aktuellen Familienministerin Christina Schröder gab es schon seit längerem Bestrebungen gerade den antifaschistischen und damit eher linken Projekten und Organisationen die staatliche Förderung zu entziehen. ((Achtung! Link geht zur Jungle World. Das ist ja nicht jedem seine Sache.))

Besonders hat es der armen Frau Schröder die Jugendorganisation der Linken, die Linksjugend Solid, angetan. Deswegen ging sie mit ihrem Ministerium vor dem Berlin-Brandenburger Verwaltungsgericht in den Kampf mit der Linksjugend. Den hat sie heute so schallend verloren, dass sogar in Frage steht, ob die anderen Parteijugenden überhaupt gefördert werden dürfen. Nunja, und da sind wir bei der Frage, die sich mir das stellt: ist das jetzt eigentlich schade?

Immerhin kann von keiner parteilich finanzierten Organisation ((Nur so, ein Großteil der politischen Erwachsenenbildung kommt von Parteienstiftungen oder kommerziellen Anbietern. Die haben sicher alle keine Agenda.)) eine reine ideologiefreie Inhaltsauswahl oder eine sachbasierte Analyse erwartet werden. Das ist ja schon staatsbezahlt relativ schwer zu bewerkstelligen. Also ist da so die Frage, ob eine Verteilung der Finanzen auf neutralere Träger, die eben nicht direkt an den Parteien hängen, aber dafür die Bevölkerung breiter abbilden, besser ist. Schließlich sind die Jugendorganisationen die Kaderschmieden der Parteien und Teil deren Elitenbildung. Das bedeutet, dass sie aus der Sicht der politischen Bildung, die die Mündigkeit des Bürgers im Blick hat, nicht unbedingt ideal sind. Stattdessen sollte dies ansetzen, nachdem die Jugendlichen mal eine neutralere Politiksicht gezeigt bekommen haben.

Aber dafür bräuchten wir ja ma eine politische Bildung, die nicht fünf Minuten vorm Abi stattfindet!

Argumentationshilfen für politische Diskussionen

Ich holte gerade meine Mutter ab und da saßen etliche ältere Herren und diskutierten über Politik und die Welt. Das taten sie natürlich auf die beste Stammtischmanier, die man sich vorstellen kann. Die klassische Idee ist, dass diese Leute ja alle dumm sind und man sich das am Besten nicht antut. Ich denke aber, dass das genauso intelligente Menschen sind, wie das jeder von sich annimmt. Also kann man mit denen auch reden. Das tat ich dann irgendwann mal und siehe da. Die sind nicht dumm, die sind nur nicht informiert und folgen dir locker, wenn du ihnen eine klare Argumentationslinie gibt.

In diesem Sinne habe ich mir gedacht, dass ich doch ein paar der Standards nochmal aufschreibe und die jeweilige Copingstrategie ausführe.

1. „Ausländer“

Das erste Argument, was in diesem Themenbereich kommt ist natürlich die Frage, was denn überhaupt ein Ausländer ist. Meistens wird hier eine pseudobiologische Definition herangenommen, nämlich die, dass man deutsche Eltern gehabt hat. Das ist zwar von alters her die Basis der deutschen Staatsbürgerschaft, allerdings ist ein Deutscher nunmal einfach die Person, die einen deutschen Pass hat. Legt man das an, dann lassen sich viele dieser Diskussionen ganz anders gestalten. Unter anderem diejenige darüber, dass Ausländer bevorzugt werdenDenn wenn erst einmal klar ist, dass diese „Ausländer“ Deutsche sind, dann ist auch klar, dass diese dieselbe Unterstützung bekommen wie wir.

Da sind wir dann auch bei einem zweiten Thema, dass in diesem Zusammenhang gerne kommt, nämlich dass Deutsche mit Migrationshintergrund krimineller wären als echte Deutsche ((oder so…)). Dazu muss man dann in die Sozialstruktur schauen und stellt fest, dass es gar nicht am Migrationshintergrund an sich liegt, dass die Kriminalität da höher ist. Zum einen ist das ein klassischer Fall der Unterreportage von Straftaten Deutscher, weil auch die Presse hier unbewusst voreingenommen ist. Dann gehören die Menschen mit Migrationshintergrund zu großen Teilen zu den unteren Statusgruppen dieser Gesellschaft und diese neigen allein aufgrund ihrer prekären Situation zu mehr Kriminalität. Es ist also nicht so sehr die Eigenschaft als Migrant, sondern eher die als Mitglied der unteren Statusgruppen.

2. „die da oben“

Da ist es schwierig zu argumentieren, denn unsere politischen Eliten sind tatsächlich eher so mau. Trotzdem ist unreflektiertes Schimpfen auf die Obrigkeit natürlich ein Klassiker. Man sollte hier vielleicht eine Argumentationslinie verwenden, die betont, dass die Eliten unfähig sind und manchmal korrupt anstatt durchweg böse. Dummheit ist meist die bessere Erklärung.

Dazu sollte man immer auf die Filterbubble achten in der auch die politischen Eliten leben. Die merken meist durch Lobbying und ähnliches nicht, welche Probleme die Menschen da draußen im Lande haben. Das ist teilweise auch gut, aber man sollte es den Leuten ins Gedächtnis rufen und sie darauf hinweisen, dass mangelnde Beteiligung definitiv nichts im Bereich Bürgerrepräsentation erreicht.

3. falsche Annahmen

Das ist etwas seltener, aber mir auch schon öfter untergekommen. Dabei geht es meist um solche Sachen wie Beamte zahlen keine Steuern ((tun sie, sie zahlen keine Sozialabgaben)), Ostdeutsche müssen keinen Solidaritätszuschlag zahlen ((natürlich müssen sie das)), in Hamburg leben die armen Leute ja auch in der Innenstadt ((so gehört letztens, äh nein?)). Hier sollte man möglichst mit Überzeugung erklären, wie die Sachlage tatsächlich ist.

Soundso basieren die meisten Stammtischargumente auf Wissensmangel, den man bei respektvollem Umgang durchaus ausräumen kann.

4. Bleib sachlich und lasse dich nicht auf Ideologie ein

Man sollte immer argumentativ bei der Sachlage bleiben und sich weder auf persönliche Angriffe noch auf Nebenkriegschauplätze einlassen. Das ist schwerer als man denkt. Dazu ist es von Vorteil, dass die Leute weniger über einen wissen. ((Das kriegt man zwar nicht immer hin, aber es hilft.)) Es hilft natürlich auch klassische Diskussionsskripte, die man kennen sollte. Ad hominem Strategien einfach abperlen lassen, immer zurück auf das Thema, immer Relevanz für den Gegenüber herstellen, damit der sich das vorstellen kann und selbst keine Vorwürfe erheben. Dann wird einem sogar zugehört.

5. früher war alles besser

War es das wirklich? Da würde ich einfach mal nachfragen und einen Vergleich heranziehen. Meist war früher nur anders, nicht besser. Darauf kann man an der Stelle immer abheben und es funktioniert auch.

So, wenn euch noch etwas einfällt, dann kommentiert hier mal und ich baue das noch ein.

Own your own content…

In seinem Überraschungsvortrag auf der re:publica 2012 plädiert Sascha Lobo dafür, dass wir wieder mehr eigene Blogs aufzubauen und mehr des Contents wirklich auf eigener Infrastruktur anzubieten. Dem folgend habe auch ich ja mehrere Blogs und bin besonders stolz, dass meine Freundin Isa nun auch ihre Bildergalerie online hat. ((Gehostet auf Teilen meines Webspaces und mit Verlaub einem sehr schönen Portfoliotheme.))

Doch warum sollten wir eigentlich unseren Content selbst hosten?

Also Sascha sagt es ja eigentlich auch ganz gut in dem Vortrag, aber schauen wir doch mal in die Nutzungsbedingungen von Facebook, dem Internetservice, den die meisten für einen Ersatz eines eigenen Blogs oder aber, was noch kritischer ist, als Promotiontool für sich halten. ((Nur so, allein die Tatsache, dass ich dort nicht anständig Kommentare moderieren und im Zweifel nichts gegen Trollerei unternehmen kann, macht es eklig.)) Da steht dann:

Für Inhalte wie Fotos und Videos, die unter die Rechte an geistigem Eigentum (sog. „IP-Inhalte“) fallen, erteilst du uns durch deine Privatsphäre- undAnwendungseinstellungen die folgende Erlaubnis: Du gibst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz zur Nutzung jeglicher IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest („IP-Lizenz“). Diese IP-Lizenz endet, wenn du deine IP-Inhalte oder dein Konto löschst, außer deine Inhalte wurden mit anderen Nutzern geteilt und diese haben die Inhalte nicht gelöscht.

Diese Aussage, gerade dem Teil mit den „anderen Nutzern“ erlaubt Facebook gar nichts der Inhalte zu löschen. Natürlich hat man da immer noch sein Urheberrecht aber man hat auch einen weltweit agierenden nichtzahlenden Großlizenznehmer, der die größte Verwertungslizenz hat, die man sich so vorstellen will. Das macht das Verbreiten der eigenen Werke gegen Geld doch etwas schwieriger. Vor allem, weil sich Facebook da die Übertragbarkeit der Lizenz zusichern läßt. Das heißt, ich kann mir von Facebook eine Lizenz für sagen wir mal eure Bilder geben lassen und gebe denen Geld dafür und dann darf ich diese Bilder als Werbetreibender verwenden und ihr als Urheber bekommt dafür… öhm nix?

Ja, aber Facebook hat angeblich ja auch Reichweite und ist wichtig für die Verbreitung im Netz. Nun dazu gibt es keinerlei Studien, die irgendwie zeigen, dass mir Facebook etwas für meine Verbreitung hilft. Nachdem es ein geschlossenes System ist, das dazu wohl auch noch stark nach Sprachen und Ländern unterteilt ist, ist es fragwürdig, wie viel Reichweite ich habe, selbst, wenn ich mein schlechtes Schulenglisch benutze. Deviantart oder ähnliche Seiten, die tatsächlich einen Feed an neuen Sachen anbieten oder aber eine Sortierung nach Genre bieten sind für Künstler sicherlich ein besseres Pflaster. Aber auch hier ist natürlich die Reichweite eher geringer und vor allem unter Leuten, die sich für Künstler halten oder sogar welche sind. Man kann vielleicht mal einen Job abgreifen, aber ansonsten ist das auch eher so selbstbefruchtend und voller gegenseitiger Selbstwertschätzung für Sachen, die eigentlich jenseits der Betroffenen kaum jemand interessiert. ((Wie im ganzen Internet das eigentlich das Fall ist. Das ist halt die riesige Selbstbefruchtung der Nichtigkeit. Ja, auch ihr liebe Internetpolitiker und -feministen. Entweder man ist in eurem Diskurs oder er findet nicht statt.))

Deswegen ist es aber wiederum wichtig, dass möglichst viele Leute eigenständige Seiten haben. Wir brauchen keine Selbstbefruchtung, wir brauchen dezentrale Verlinkbarkeit und Syndication. RSS und Links sind die Technologien des Web, nicht Klicki-Bunti und Schaltflächen. Wir sollten produzieren und nicht das Produkt sein. Der Content sollte uns gehören, wenn wir ihn produzieren und wir sollten bestimmen, wo und wie unsere Diskurse stattfinden. Ich hab kein Problem mit Syndication und der Verbreitung meiner Links in soziale Netzwerke. Ich hab ein riesiges Problem mit der Idee, dass ich auf dem Platz eines privaten Unternehmens meinen Content ((Egal wie lächerlich unwichtig der ist…)) anbiete und auf dieses Unternehmen angewiesen bin. Das ist übrigens auch eine Erfahrung, die der Radiomoderator Jürgen Domian letztens machen musste.

Solange wir nicht zumindest die Infrastruktur unserer Seiten beherrschen ((und selbst das ist nicht genug…)) solange gilt, dass wir über unseren Content und unsere Message die Kontrolle noch schneller verlieren werden, als wir es eh schon tun. Es gilt halt:

The internet is not a public sphere.
It is a private sphere that tolerates public speech.
— Clay Shirky

Marktherrschaft?

Italien hat gewählt, und zwar Beppe Grillo mit 25%. Das hatte keiner vorausgesehen, weil irgendwie die politische Klasse glaubte, dass gerade die italienische Bevölkerung bei den ganzen Austeritätsmaßnahmen fröhlich mitmacht, weil diese ja aus deren Sicht alternativlos sind. Nun hat Grillo gewonnen. Mit Forderungen nach Grundeinkommen, einem kleineren Parlament aber auch mit der Forderung einer Abstimmung, ob man die EU verlassen sollte, steht er irgendwo zwischen Populismus ((Das scheint ja seit Berlusconi auch irgendwie so ein Standard geworden zu sein.)) und Forderungen, die eigentlich nicht so blöd sind. Die Regierungsbildung in Italien ist immer nicht einfach und wird auch diesmal nicht einfach. Das ist nicht neu und wird wie immer irgendwie klappen.

Doch das Spannende ist, dass sich in den Medien primär die Diskussion auf die Eurokrise kapriziert. Es geht hier gar nicht darum, dass die italienische Bevölkerung sich ein neues Parlament und damit eine neue Regierung gegeben hat. Es geht um die Märkte und die Krise. Die neue Regierung gefährdet den achso tollen Kurs der marktkonformen Politiker, für die der Erfolg der Wirtschaft gleichbedeutend mit guter Politik und Wohlstand ist. ((Stimmt übrigens nicht…))

Aber sind die denn nicht scheißegal? Die Bevölkerung wählt das Parlament, nicht die Märkte. Die Märkte existieren nicht. Sie sind irgendwelche Banker und Analysten, die nur ihren eigenen Vorteil sehen. Das ist aber nicht die Aufgabe von Politik. Politik ist ein Problemlösungsinstrument für eine Gesellschaft, nicht der Steigbügelhalter für eine Wirtschaftsideologie. Doch das scheinen die deutschen Medien nicht respektieren zu können. So ergeht sich der Kommentar der Tagesschau in marktkonformer Rhetorik davon, dass „die demokratische Willensbildung […] mit den Zwängen der Eurorettung“ kollidiert. Da kollidiert nichts, denn es gibt keine Zwänge der Eurorettung. Es gibt mehrere Modelle wie man die Staatsschulden und damit die Währung stabilisieren kann. ((Eine erfolgreiche hat Island gezeigt: man lässt Banken platzen und sorgt für einen guten Wohlfahrtsstaat, damit die Leute weiterkonsumieren können. Ideen wie ALG II sind eigentlich das großflächige Abwürgen von indirekten Transferleistungen an die Wirtschaft. Der werden dann trotzdem noch Steuern geschenkt.)) Austerität ist nun bei weitem nicht die Einzige, aber die Einzige, die unsere politische Eliten für sinnvoll halten. ((Da habe ich noch nicht herausgefunden, ob es deren Missachtung des Bürger ist oder einfach nur Dummheit.)) Doch so wird es dargestellt und die Italiener sind jetzt daran schuld, dass wir alle in den Abgrund stürzen, weil sie sich nicht mehr kaputtsparen lassen wollen. Sie sprengen die EU ((Also der Präsident des europäischen Parlaments sah das irgendwie entspannter trotz dem angestrengten Nachgefrage aus Köln.)) und halten die Rettung auf, die schon seit etlichen Jahren nicht kommt. Nun gut, die Krise spürt irgendwie auch keiner mehr. Wenn die Situation für die Bevölkerung soundso schon prekär ist, spielt es keine Rolle mehr warum. Dank unserer Medien wissen aber wenigstens wer schuld ist: der Italiener.

Hierzu empfehle ich auch diesen Artikel von den Nachdenkseiten.

Self-fullfilling prophecy anyone?

In einem ihrer letzten Posts hat Andrea über Amazon und deren Behandlung der eigenen Mitarbeiter geschrieben. In den Kommentaren entstand dann die Idee mal über unsere Arbeitswelt  und deren Auswüchse zu schreiben.

Die Frage die bei der Unterhaltung zentral war inwiefern man überhaupt eine Möglichkeit hat, solche Jobs abzulehnen, wie sie einem Amazon da anbietet. Und eigentlich ist die Antwort relativ einfach: viele Menschen können es sich eben nicht aussuchen, ob sie diesen Job ablehnen. Allerdings ist die Erklärung, warum das so ist, etwas komplexer und zeigt das große Missverständnis, dass eigentlich mit der neoliberalen kapitalistischen Idee einhergeht.

Kapitalistisches Wirtschaften bedeutet erst einmal, dass versucht wird mit möglichst geringen Kosten den höchsten Gewinn aus dem Umsatz zu erzielen. Das ist auch okay so. Allerdings lässt sich dies mit zwei Methoden erreichen: Kostenreduktion und Preismaximierung. Nun ist Preismaximierung schwierig, aber Kostenreduktion einfacher. Schaut man sich die Kosten, die ein Unternehmen so hat an, stellt man fest, dass der größte Posten die Angestellten und Arbeiter sind. Ein Großteil der Personalkosten sind dann wiederum die sogenannten Lohnnebenkosten. Diese sind neben dem eigentlich Gehalt so niedrig wie möglich zu halten, um einen hohen Gewinn zu erreichen. Da die Lohnnebenkosten vom Gehalt abhängen, sollte dieses auch niedrigstmöglich sein.

Das wäre alles kein Problem, würde diesem Prozess die soziale Marktwirtschaft sinnvoll entgegen stehen. Das tut sie aber seit einigen Jahren nicht mehr. Seit der Agenda 2010 wurde sukzessive dafür gesorgt, dass Arbeit in Deutschland preiswerter wird. Durch die neuen 400€ und Mini-Jobs konnten immer mehr Menschen angestellt werden. ((Das Ziel waren ja sinkende Arbeitslosenzahlen.)) Diese verdienen aber immer weniger Geld und zahlen auch immer weniger in die Sozialversicherungen ein. Doch natürlich möchten viele Menschen eigentlich nicht für so wenig Geld arbeiten, also muss es auch noch einen Zwangsmechanismus geben.

Diesen Zwangsmechanismus findet man im ALG II. War es bis dahin so, dass Arbeitslosigkeit etwas war, das den Staat in seine Fürsorgerolle brachte, galt sie nun als selbstverschuldete Belastung des Gemeinwesens. Deswegen sollte nur das mindeste für diese Menschen ausgegeben werden und es herrschte seitdem der Wahlspruch fördern und fordern vor. Unter diesem zynischen Mantel war es den Arbeitsämtern ((Seitdem Arbeitsagenturen. Man hatte Klienten, die über sich frei bestimmen, keine Staatsabhängigen, die Hilfe eines Amtes brauchen.)) erlaubt Menschen mit ihrer Existenz zu bedrohen. Nimmt man heute als Arbeitssuchender ((Noch ein Euphemismus.)) keinen zumutbaren ((Zumutbar bedeutet hier: jeder angebotene)) Job an, so wird einem das wenige Geld, das man überhaupt noch bekommt gekürzt. Schließlich gibt man sich ja keine Mühe. Und so landen viele Menschen bei Amazon und ähnlichen Buden um zu unmöglichen Bedingungen und Löhnen ohne eine Wahl zu arbeiten.

Doch da beißt sich die Katze auch in den Schwanz. Denn diese unterbezahlten Menschen haben auch kein Geld mehr, das sie verkonsumieren können. Damit müssen die Produkte des täglichen Bedarfs ((Pferdefleischskandale anyone?)) natürlich auch billiger werden und damit auch die Personalkosten weiter sinken. Solange bis das ganze am Boden landet und die marxsche Revolution doch noch kommt.

DIe Empörung, die es da bei vielen Menschen gab, wie schlimm das mit Amazon ist, ist eigentlich heuchlerisch, denn es ist auch der Neid und die Bequemlichkeit derer, die alles möglichst billig für den eigenen Gewinn haben wollen, der dazu führt, dass am sie selbst auch nichts mehr verdienen und haben.

Sexismus und sexuelle Gewalt

Seit Rainer Brüderle vom stern wegen anzüglicher Bemerkungen in die Pfanne gehauen wurde, entspinnt sich unter dem Hashtag #aufschrei und in jede Menge Blogs und Fernsehtalkshows eine wilde Diskussion über alles was damit zu tun hat, dass die Menschheit als Gesamtgruppe die Geschlechterdichotomie als eine Grenze wahrnimmt an der Macht ((Damit auch klar ist, welcher Machtbegriff gemeint ist: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eignen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ – Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, §16, 1984, Mohr, Tübingen)) generiert und ausgeübt werden kann. Doch hier werden etliche, unterschiedliche Konzepte durcheinander geworfen, die man getrennt und differenziert betrachten muss. Diese Konzepte haben zwar Berührungspunkte, doch sind sie halt dann auch mal so unterschiedliche Phänomene, dass man sie getrennt betrachten muss. Die Situation wird dann noch vertrackter, wenn man sich ansieht wie welche Gruppen in diesen Diskussionen wie handeln. Doch eines nach dem anderen.

Sexismus ((Die Wikipedia sagt es ganz gut. Ich kann alle drei Versionen verstehen, stehe aber aus persönlicher Geschichte der soziologischen am nahsten.))

Aristoteles hat den Menschen schon zoon politikon bezeichnet, wir sind soziale Tiere und dabei brauchen wir immer Strukturen, denn das Gehirn ist ein strukturbildender Mechanismus. Diese Fähigkeit ist gut dokumentiert und der Ursprung vieler Unbillen. Wir sehen halt gerne Dinge, die nicht da sind und ignorieren gerne Dinge, die da sind. So ist das auch bei den Geschlechtern. Wir sehen einen Unterschied und glauben dann, dass dieser Unterschied eine tiefere Bedeutung haben muss, als die Tatsache, dass Reproduktion halt unterschiedlich aufgeteilt ist. Im Endeffekt muss man sagen, dass diese Aufteilung zwar Konsequenzen für die Organisation moderner Gesellschaft haben muss, aber diese Konsequenzen eben rein organisatorischer Natur sind. Sie verbindet erst einmal keinerlei Zuschreibungen zu den Trägern der verschiedenen Geschlechter.

Die Zuschreibungen sind nämlich dann der Sexismus. Und wir schreiben die ganze Zeit zu… egal ob es Männer oder Frauen sind, wir sind Objekt von gesellschaftlichen Narrativen, die wir selbst tragen und die uns Eigenschaften zuschreiben wollen, um die Komplexität der Welt zu reduzieren. Es ist also ein natürlicher Vorgang des Gehirns, der uns hier im Weg steht.

Wie werden in der westlichen Welt ((Und zwar genau nur da… wir haben keine einheitliche Weltkultur, falls das hier immer mal gern vergessen wird.)) nun Geschlechterunterschiede in ein Narrativ gebettet? Was ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen, wie er so allgemein gesehen werden kann? ((Nein, das ist nicht erschöpfend und erhebt nicht einmal im Geringsten einen Anspruch auf allgemeine Korrektheit.))

Männer Frauen

Der Grund, warum es diese Aufspaltung gibt, liegt in dem wie verschiedene Eigenschaften generell in der westlichen Gesellschaft bewertet werden. Seit der Industrialisierung ist Rationalität im Sinne des zweckrationalen und nutzenoptimierenden Gewinnstrebens. Die Maxime hier ist also das kalte Abwägen von Kosten gegenüber Nutzen. Dies wird als primäre Eigenschaft den Männern zugeschrieben. Da Männer traditionell immer die Eigenschaften besitzen, die für die Gesellschaft als wichtiger angesehen werden. Das ist übrigens auch der Grund, warum heutzutage die Farbe für die Männlichkeit blau ist, die Farbe mit der generell Kühle und damit Rationalität assoziiert wird.  Rot ist heute die weibliche Farbe, da diese ja mit Emotionalität und Gefühl assoziiert wird. ((Spannend ist hier, dass rot früher die Farbe der Fürsten war, weil sie eben Macht und Gewalt ausdrückt. Seit dem der Kapitalismus aber das Paradigma bestimmt hat sich genau das umgedreht.))

Dementsprechend werden Männer und Frauen in der Gesellschaft eingeordnet. Interessanterweise wird ein emotionaler Aspekt nämlich der der Übermäßigkeit auch dem Mann zugeordnet. Männer dürfen sich immer noch alles nehmen, obwohl dies dem Narrativ des Rationalismus widerspricht. Hier hilft aber, dass Gewinnstreben auch eine primäre Maxime des Kapitalismus ist.

Sexismus ist also die Ordnung der Gesellschaft in oben und unten durch Geschlechterzuschreibungen. Da aber alle Eigenschaften von Menschen in der Gesellschaft gleichverteilt sind, ist diese Ordnung, ähnlich wie nahezu alle anderen Ordnungen durch Zuschreibung totaler Käse. Trotzdem existiert Sexismus als Ordnungs- und Gewaltmechanismus. Schließlich gibt es überall, wo eine Unterteilung in der Gesellschaft ist, auch automatisch Machtmechanismen, die ausgenutzt werden können.

Deswegen ist es bei der aktuellen Diskussion um Sexismus auch sehr wichtig, dass Frauen die führende Rolle in der Diskussion einnehmen. Deswegen muss auch den Feminsten hier einmal gesagt werden, dass die Idee, dass Männer Partei für Frauen ergreifen genau derselbe Sexismus ist, der schon besteht. Hier stellen sich wieder Männer beschützend für Frauen und fordern für diese Gerechtigkeit ohne dabei mal mitzuschneiden, dass genau dieses Verhalten zutiefst sexistisch ist. Hier ist es angeraten mal den Mund zu halten.

Doch nun wieder zurück zum Ursprung dieses Posts. Der Unterscheidung zwischen Sexismus und sexueller Gewalt.

Sexuelle Gewalt

Gewalt ist ein schädigender, verändernder äußerer Einfluss auf einen Menschen. ((Siehe Wikipedia.)) Sexuelle Gewalt zielt damit immer darauf ab, dass man auf der sexuellen Ebene in einen Menschen eingreift. Nachdem dieser Bereich als besonders sensibel gilt, ist sexuelle Gewalt eine eigene Kategorie an Gewalthandlung. Sie ist halt ein Eingriff in das, was wir als unseren nahen privaten Raum begreifen, meist in unseren Körper und seine Unversehrtheit.

Sexuelle Gewalt findet immer wieder statt und betrifft auch alle Arten von Menschen. Das Phänomen wird aber sehr oft mit Sexismus verknüpft, weil primär sexuelle Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft thematisiert wird. Sexuelle Gewalt gegen Kinder hat einen besonders stark sanktionierten Status, während sexuelle Gewalt gegen Männer in der öffentlichen Wahrnehmung nicht existiert, aber auch wenn man mich da jetzt schlagen mag, eigentlich erwartbar existieren muss.

Es ist logisch einen Zusammenhang zwischen Sexismus und sexueller Gewalt zu sehen und dieser ist auch vorhanden. Gerade der Übergang von sexistischen Äußerungen zu verbaler sexueller Gewalt ist fließend und hängt stark von der Sozialisation der Person gegenüber der das stattfindet. ((Was im Endeffekt heißen soll, dass eine entsprechende Sensibilisierung junger Frauen und Mädchen dazu führt, dass sexuelle Gewalt schon im Ansatz wahrgenommen und gekontert wird. Und eine entsprechende Sensibilisierung der jungen Männer und Jungs dazu führt, dass diese eine höhere Hemmschwelle haben solche Handlungen durchzuführen.)) Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass Sexismus strukturelle Macht und sexuelle Gewalt ausgeübte Macht ist. Beide stehen an dieser Stelle in einem direkten Zusammenhang und dieser kann auch nachgewiesen werden. ((Spannenderweise ist die Tatsache, dass sexuelle Gewalt gegen Männer nicht wahrgenommen wird, die Kehrseite des Sexismus. Da Männer ja als diejenigen gelten, die die Kontrolle haben, ist sexuelle Gewalt gegen sie ein komplett abwegiger Gedanke.))

Sexismus ist aber eben auch nicht die ganze Erklärung, gerade wenn es um sehr körperliche und triebhafte Übergriffe geht, ist braucht es wahrscheinlich noch mehr als eine Einstellung in der Gesellschaft, egal wie stark diese ist. Physische Gewaltanwendung benötigt auch eine Enthemmung beim Anwender. Die ist zwar durch Sexismus besser selbstlegitimierbar, aber es braucht eine ernsthafte Triebstörung physisch sexuelle Gewalt auszuüben. Der Schritt scheint kleiner, da verbale sexuelle Gewalt doch sehr gehäuft auftritt und anerkannt ist, aber er ist vorhanden und er ist halt auch der Schritt vom „Gewöhnlichen“ ins Pathologische. Generell scheitern Menschen hier an der Tatsache, dass wir als Wesen durchgehend triebhaft sind und sie aus verschiedensten Gründen nicht die entsprechende Kontrolle über sich haben. Drogen sind eine beliebte Erklärung, mangelnde Erziehung zur Selbstkontrolle in dieser Richtung wohl aber die strukturell auffälligste, die dann auch wieder auf Sexismus zurückschliessen kann.

Fazit

Sexismus und sexuelle Gewalt sind zwei Probleme in unserer Welt, die zusammenhängen, aber eben auch klare Unterschiede aufweisen. Sexuelle Übergriffe können teilweise mit Sexismus erklärt werden, werden aber auch in einer nicht-sexistischen Welt existieren. Diese nicht-sexistische Welt ist allerdings etwas, das durchaus erreichbar ist. Wir sind zwar darauf gepolt, dass wir Unterschiede zur Strukturierung unserer Welt benutzen, allerdings sind wir auch fähig uns gegen diesen Mechanismus in uns zu wehren. Das gilt für Hautfarben und das gilt auch für das Geschlecht, weswegen die -ismen dieser Zeit überwindbar sind. Das Tier in uns können wir leider nie vollständig beherrschen, weswegen sexuelle Gewalt immer existieren wird, wie auch Gewalt immer existieren wird. Wir können nur daran arbeiten sie möglichst durch Aufklärung und Erziehung zu minimieren.