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In Verteidigung von Heiko Maas

Die Bundesregierung möchte die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Sie haben das angekündigt und es ist auch überhaupt nicht anders zu erwarten, denn die Fraktion, die im zentralen Parlament in diesem Land die einfache Mehrheit hat ist die CDU/CSU. Also Menschen, die schon seit Jahren offen sagen, dass sie für die Sicherheit der Bürger jegliche Art von bürgerlichen Freiheiten opfern möchten. Diese Fraktion wird von den meisten Wahlberechtigten, die zur Wahl gehen, gewählt.

Das Spannende ist, wer jetzt schon seit drei Tagen von der „Netzgemeinde“ Prügel bezieht: Bundesjustizminister Heiko Maas. Und ja, es ist natürlich klar, dass er das Ziel der Empörung ist, hat er doch bisher in seinen Veröffentlichungen immer wieder betont, dass es mit ihm keine Vorratsdatenspeicherung geben wird. ((Nun gut, die gibt es auch nicht. Sie wird Höchstspeicherfrist genannt.)) Herr Maas war damit in einer Linie mit der Rechtsprechung des EUGH und des Bundesverfassungsgerichts. Beide Verfassungsgerichte haben die jeweiligen Richtlinien und Gesetze für nicht verhältnismäßig und nicht erklärt. Herr Maas ist nicht mehr dieser Meinung. Er vertritt jetzt eine Einigung mit dem Innenministerium. Damit ist er ein Verräter und bekommt auf den Sack. Leider vergessen alle, die da Herrn Maas jetzt auf Twitter auseinanderlegen, wie die Verfassungrealität in diesem Land aussieht und was soziale Dynamik von politischen Gremien ist. Fangen wir beim ersteren an:

Exkurs: Wie funktioniert das Bundeskabinett?

Man schaue bitte mal auf dieses Schaubild.

So, die Bundesregierung hängt am Bundeskanzler, derzeit an der Bundeskanzlerin. Diese hat die Richtlinienkompetenz. Sie legt die Richtlinien der Politik fest. Das Bundeskabinett wird von ihr bestellt und vom Bundespräsidenten ernannt. Die Minister sind ihr ausgeliefert. Das wird gerne mal unter Angela Merkel vergessen. Sie hat die Fäden in der Hand und wir wären sehr sehr kurzsichtig, nicht davon auszugehen, dass Angela Merkel auch die Vorratsdatenspeicherung befürwortet hat. Ohne ihre Zustimmung geht das wohl kaum.

Dazu gelten drei wichtige Prinzipien im Kabinett:

Das Ressortprinzip sagt, dass jeder Minister eigenständig für seinen Politikbereich verantwortlich ist. Hierzu sollte man nicht vergessen, dass die Richtlinienkompetenz immer noch gilt. Also ist er zwar verantwortlich, aber seine politische Richtung kann durchaus vorgegeben sein. Es ist also nicht so, dass Herr Maas einfach so seine Meinung geändert hat.

Dazu kommt das Kollegialprinzip, das sagt, dass die Ministerien beim Politikmachen zusammenarbeiten müssen. Das ist hier passiert zwischen dem Innenministerium und dem Justizministerium. Auch diese Zusammenarbeit unterliegt der Richtlinienkompetenz also ist klar, dass Maas maximal bremsen konnte, aber mehr auch nicht. Das ist ja seine Aufgabe. Die Aufgabe des Innenministers ist das Bewachen der Verfassung. Das wird aber seit Schily traditionell mit der Reduzierung der Bürgerrechte gemacht, weil weniger Bürgerrechte einfacher zu schützen sind.

Das letzte Prinzip ist aus meiner Sicht für die Diskussion das Wichtigste: Das Kabinett verabschiedet Gesetze nach dem Mehrheitsprinzip. Das bedeutet, dass alle Minister und die Kanzlerin über einen Gesetzesentwurf oder eine Verordnung abstimmen. Diese Abstimmung ist nicht öffentlich, weil das ja nun wirklich pikant wäre.

Was bedeutet das?

Schauen wir uns mal kurz die Liste der Minister an, kommen wir auf 7 Mitglieder aus der CDU, 3 Mitglieder aus der CSU und 6 Mitglieder aus der SPD. Das bedeutet, dass die SPD selbst im besten Fall schlicht von der CDU/CSU überstimmt wird. Im aktuellen Fall stimmt Sigmar Gabriel, der in der letzten Zeit ein großer Proponent der Vorratsdatenspeicherung war, wahrscheinlich auch noch dafür. Dazu sicher noch etliche andere Minister, die das nicht betrifft. Im schlimmsten Fall hat Herr Maas als einzige Person die Hand gegen diesen Vorschlag gehoben und wird jetzt dafür von der Masse geprügelt.

Dazu ist Maas ein junger Politiker, der die Stiefel von Gabriel und den anderen abgehangenen SPD Granden lecken muss, damit sie ihn nach seiner Zeit als Minister auch weiterhin für Jobs vorsehen. Er hat also kaum die Wahl als gegenüber den Menschen, die tatsächlich über seinen Broterwerb bestimmen können, Zugeständnisse zu machen.

Dazu vergisst die ganze Netzgemeinde in ihrer Empörung über Maas, dass Innenminister Thomas de Maizière auf der anderen Seite der Verhandlungen gesessen hat. Der wollte garantiert mehr als Maas ihm durchgelassen hat. Er und Angela Merkel bekommen keine Prügel. Warum? Weil sie Heiko Maas vor ein Mikrofon gestellt haben, damit die Netzgemeinde diesen lyncht. „Die SPD hat uns wieder verraten, yadda yadda yadda.“ Genau, ohne die SPD hätten wir eine volle sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung schon lange. Verglichen damit ist das, was Maas da macht ein Erfolg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat nur so lange gegen die Vorratsdatenspeicherung durchgehalten, weil sie selbst eine alte respektierte Politikerin war und schlicht nicht einmal angefangen in die Verhandlung mit dem Innenministerium zu gehen. Das kann Maas alles nicht und das mag einer der Gründe sein, warum Gabriel und Merkel ihn auf diesen Stuhl gesetzt haben. Er muss ihnen dankbar sein. Auch wieder: hierfür ist das noch halbwegs glimpflich abgelaufen.

Im Übrigen kann man Gabriels Sprechen für VDS in den letzten Wochen als strategisches Positionieren sehen, mit dem er sich gegen den Peacetrain, auf dem Maas jetzt ist, abgrenzt. Damit im Zweifel nur dieser gehen muss und die SPD an sich weniger mit dem Thema zu tun hat.

Ihr tretet den Falschen.

Im Abschluss muss ich sagen, dass Heiko Maas wahrscheinlich gar nicht so sehr das Opfer des Volkszorns sein sollte. Die Leute, die da die größeren Entscheidungen getroffen haben, haben ihn vorgeschickt und die Netzgemeinde hat ihnen den Gefallen getan, die vielleicht(!) einzige Person zu lynchen, die auf der Seite ihrer Interessen war. Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Thomas de Maizière haben viel mehr mit diesem Gesetz und dessen Verabschiedung durch das Kabinett zu tun, als das Bauernopfer Maas, das jetzt auf Twitter dumm angemacht wird.

Es wird zu schnell vergessen, dass diese Leute die wahren Bösen in dem Spiel sind und das schon immer offen gesagt haben. Diese Menschen haben es wieder mit Perfektion geschafft durch Nichtbewegen nicht erschossen zu werden.

Die CDU/CSU hat gewonnen: Sie hat ihre Vorratsdatenspeicherung, sie hat die SPD beschädigt und die Netzgemeinde hat mit allen ihren Memes, Tweets und Gehässigkeiten brav mitgespielt.

korrigierender Nachtrag zu der Sache mit dem protestierenden Schüler

In meinem letzten Post habe ich mich ja diesem Vorfall gewidmet, der es mittlerweile auch auf die taz geschafft hat. Dazu habe ich noch einige korrigierende Bemerkungen zu machen. Zum einen sollte man sich folgenden Artikel der Lokalpresse durchlesen. Dieser Artikel bestätigt einige Vermutungen, die mir auch durch Quellen zugetragen worden, die an der Schule direkt anwesend sind.

Schulrechtliches

Also, das mit Art.84 BayEUG ist ein Grund, dass ich Schüler von der Schule schmeißen würde. Ich bin da überhaupt nicht kompromissbereit. Dass Lehrer sich nicht von dem Schüler überwältigen lassen sollten ist okay, wenn er Schüler überwältigt und mit seiner aus meiner Sicht verschrobenen Meinung überwältigen und beeinflussen will, kracht es. Gewaltig.

Hinzu kommt, dass der Schüler hier tatsächlich seien Pflichten verletzt hat. In diesem Alter darf er das Schulgelände nicht verlassen, auch nicht, wenn er krank geschrieben ist. Entweder er ist da oder nicht. Das bedeutet also, dass ein Verweis durch den Direktor allein dafür schon gerechtfertigt ist. Lehrerverweise gelten hierfür als zu schwach.

Der Lärm, der da in den linken Medien gemacht wurde, ist also leicht unbegründet. Allerdings kann man, gerade als bayerische, Schule nur verlieren. Der Beißreflex gegenüber ungerechten Lehrern und fiesen Kultusministerien ist so stark, dass sich die meisten der Beißenden nicht mit Schulrecht auseinandersetzen und Schulen eigentlich nur verlieren können. Das Schulrecht ist im übrigen nicht im geringsten schülerfeindlich, obwohl man es durchaus so einsetzen kann. Und auch das ist hier wirklich nicht passiert. Man hätte den Schüler auch rauswerfen und ihm damit eine komplette Bildungslaufbahn  berauben können. ((Die Wirtschaftsschule gehört zum Berufsschulwesen und bietet einen mittleren Schulabschluss, der einem die letzte realistische Möglichkeit zum Fachabitur oder Abitur ermöglicht.)) Das wollte man explizit vermeiden.

Politisches

Im Zentrum der ganzen Sache stehen für mich zwei Probleme:

  1. Wie soll man mit politisch radikalen Schülern umgehen?
  2. Wie soll man mit dem Wunsch von Polizei und Bundeswehr umgehen bei Berufswahlveranstaltungen als „Arbeitgeber“ aufzutreten?

Die erste Frage hatte ich schon angeschnitten: mit Dialog. Wir haben aber weniger Möglichkeiten auf solche Leute einzuwirken als man denkt. Dazu steigt die Menge an jungen Menschen, die eigentlich gar nicht mehr von ihren verworrenen Pfaden abzulenken sind. Das hier wäre nicht der erste verbrämte links-radikale Schnullermarxist, der Feinde an einer Stelle sieht, an der es keine gibt. Diese Weltsicht in der man nur von Feinden umgeben ist, ist auch in anderen Aktivismusformen verbreitet und immer dazu führt, dass diese Ideologien nicht mehr ernstzunehmen sind. Schule muss diese Leute aber ernst nehmen. Sie ist verpflichtet diese Menschen noch nicht aufzugeben, auch wenn man die Energie nicht verschwenden sollte. Trotzdem gibt es hier Grenzen und die werden in den harten Regeln des Schulrechts erreicht.

Die Bundeswehr und Polizei gelten heute als sehr nachgefragte Berufszweige. Die Unsicherheit, die junge Menschen heutzutage spüren, die Angst die eigene Existenz nicht sichern zu können treibt sie zum Beamtentum als letztem sicheren Platz und die Polizei und Bundeswehr nutzen das. Die Polizei weitaus weniger als die Bundeswehr, deren Bedarf an Soldaten nach dem Wegfall der Wehrpflicht immer schlechter gedeckt werden kann. Im CRE zur Bundeswehr wird schon mit Recht darauf hingewiesen, dass die Werbungsstrategie der Bundeswehr mit Jobchancen und guter Ausbildung irreführend ist für ein Militär. Man bekommt diese Ausbildung, aber im Wüstensand oder irgendwo im Wald und bevor man Ingenieur ist lernt man erst einmal Menschen erschießen, weil dafür haben wir ein Militär. ((Oder zumindest die Reste davon…)) Die Werbung der Bundeswehr ist somit unlauter.

Dazu widerspricht aus meiner persönlichen Sicht der Auftrag an mich den Aufträgen der Bundeswehr und der Polizei. Es ist nicht mein Job gute Soldaten und Polizisten zu bilden sondern mündige Menschen, die selbst entscheiden können, was sie möchten und wo sie in dieser Welt stehen. Wenn sie sich dann aus freiem Willen für einen Dienst in diesen Organisationen entscheiden, dann sei dem so, aber lasse nicht zu, dass diese Organisationen als Arbeitgeber auftreten, dabei sind sie eben keine normalen Arbeitgeber.

Kommentar zu „Schule gibt Verweis für Bundeswehrablehnung“

Twitter spülte mir heute eine mittlerweile depublizierte Meldung der jungen Welt in den Stream. Hierbei geht es um einen jungen Mann, der an einer bayerischen Wirtschaftsschule ein eher ungewöhnliches Erlebnis hatte, nachdem er sich kritisch gegenüber der Bundeswehr positionierte.

Hinweis: Ich schreibe hier das nieder, woran ich mich noch aus dem Artikel erinnern kann. Korrekturen zu Details sind erwünscht, sie machen einen Unterschied in der Bewertung aus.

Ich setze mich erst einmal mit der schulrechtlichen Seite auseinander, bevor ich etwas zum Konflikt sage, der da ausgefochten wird und wie man damit aus meiner Sicht umgehen sollte.

Schulrechtliches

Der 17-jährige Schüler gab an, dass er als Mitglied der Organisation VVN-BdA während der Berufsbildungstage der Schule einen von dieser Organisation betreuten Infostand gegen die da auch anwesende Bundeswehr mitorganisiert und in der Pause besucht hat. Als er dann wieder auf das Schulgelände wollte, wurde er von den drei Hausmeistern des Schulzentrums ((Es sind eigentlich zwei Schulen in einem Haus…)) aufgehalten und verdächtigt, Sticker mit politischen Inhalten geholt zu haben um diese im Schulhaus anzubringen. Sie wollten ihn und seinen Rucksack durchsuchen und nachdem er das verweigerte wurde die Polizei geholt, die allerdings keinen Grund sah aktiv zu werden.

Hierzu sind erst einmal mehrere Sachen zu sagen. Die grundlegende Frage ist, ob der Schüler überhaupt das Schulgelände hätte verlassen dürfen. Dies ist nämlich minderjährigen Schülern nicht immer erlaubt. Die Regelung trifft aber die Schule. Die Durchsuchung ist allerdings auch widerrechtlich, denn dazu haben Hausmeister natürlich keine Befugnis. Nicht einmal Schuldirektoren haben das so ohne weiteres. Allerdings haben beide Hausrecht in der Schule und können somit den Schüler vor die Tür setzen. Das Anbringen und Verteilen von politischer Propaganda in Schulen ist tatsächlich strafbar, genauso wie es Sachbeschädigung an sich auch ist. Dem sollte man sich fügen, sonst begeht man Hausfriedensbruch.

Der Schüler wurde dann am nächsten Tag ins Direktorat gebeten und bekam erklärt, dass sich die Lehrer von ihm in „Diskussionen überwältigt fühlten“ und er deswegen einen verschärften Verweis erhält und gefälligst nicht mehr solche linken Ideen verbreiten soll. Der Verweis sei wie eine Androhung der Schulentlassung zu werten und er kommt nur deshalb nicht vor den Disziplinarausschuss weil seine Mutter auch schon da Schülerin war. Der Schüler wurde im Laufe dieser Unterhaltung vom Direktor wie auch den Hausmeistern noch einmal unter Druck gesetzt.

Also, da sind ein paar schöne Sachen drin. Denn was die Schule da macht ist ein alter Trick, aber leider schön justiziabel. Also, ein verschärfter Verweis ist eine Ordnungsmaßnahme und eigentlich Verweis, den der Direktor unterschreibt. Er ist aber mitnichten eine Androhung der Schulentlassung. Diese kann nämlich Laut Art. 86 BayEUG nur die Lehrerkonferenz aussprechen und diese ist erst nach einer Ankündigung mit Wochenfrist entscheidungsfähig und wird meist zuvor durch den Disziplinarausschuss vertreten, beide sind hier nicht eingeschritten. Der Schüler wird also mit Chimären bedroht. Ordnungsmaßnahmen wie Verweise bauen auch nicht aufeinander auf, also ist der Verweis einfach nur ein Zettel, den der Direktor unterschrieben hat. Aber man kann es ja mal probieren. Der Schüler berichtete, dass auch die Noten in Sport eingebrochen seien. Das ist scheißegal, die sind nicht relevant für irgendetwas auch nicht sein Bewerbungszeugnis. Spannend ist übrigens auch, was auf dem Verweis als Begründung stand. Schülern steht zwar Meinungsfreiheit (Art. 56 BayEUG) zu, allerdings nicht, wenn sie als politische Werbung gesehen werden kann (Art.85 BayEUG). Ich denke nicht, dass es bei dem Verhalten des Schülers um letzteres gehandelt haben kann. Es wirkt eher so, als wollte man einen Störenfried loswerden und bedrängen.

Der Schüler berichtete dann noch, dass auch die Klassenleiterin ihm Redeverbot erteilt hätte im Unterricht wie in den Pausen, weil er seine Schüler argumentativ überwältige und indoktriniere.

Generell halte ich es für ein Armutszeugnis, wenn Lehrer Angst haben von Schülern argumentativ überwältigt zu werden. Falls es einem dennoch passiert hat man genug Autorität des Amtes um den Schüler doch niederzuknüppeln. Aber ehrlich: man sollte in der Lage sein, einem kleinen Linken die Butter vom Brot zu nehmen. Bei anderen Schülern sieht das etwas anders aus. Dort sollte die Schule im Zweifel schützend eingreifen, aber das geht wohl am besten in dem man das Problem im Unterricht thematisiert und nicht in dem man Zettel ausstellt.

Der politische Konflikt

Und da sind wir auch bei der letzten Teil. Der Konflikt, der hier dahinter steht, ist auch eine Betrachtung wert. Da gibt es auf der einen Seite eine Bundeswehr, die um Soldaten werben muss und das schon seit Jahr und Tag mit dem Verbrechen hochwertiger Berufsausbildung und dem gleichzeitigen Verschweigen der Tatsache macht, dass man bei dieser erschossen werden kann und Leute erschießt. Auf der anderen Seite gibt es eine Gruppe von Menschen im politisch linken Spektrum, die die Bundeswehr als eines der größten Übel der Welt sehen, weil Armeen schießen und sind böse. In diesem Bereich gibt es auch viele junge Menschen, die sich mit linker Ideologie vollpumpen und pseudophilosophische Parolen daherquatschen ohne den Überbau ihrer Philosophie tatsächlich zu kennen und erfasst zu haben. Diese Schüler kenne ich auch, sie rennen meist in ein scharfes Messer, wenn sie das erste Mal versuchen mit mir über Sachen zu diskutieren, die sie eigentlich nicht verstehen, sondern nur auswendig gelernt haben. Diese jungen Leute sind auch Fans von Aktionismus und ihre verschrobene Weltsicht muss man auffangen und im Diskurs zum Denken anregen. Das Mundtotmachen von Menschen mit radikaleren Ansichten ist kontraproduktiv. Diese fühlen sich schon unterdrückt, da hilft es nicht, wenn man das bestätigt, schon gar nicht, wenn man sich nicht einmal grenzwertig an das geltende Recht dabei hält.

Normalitätsupdate 13.01.2015

Seit dem 1.1.2015…

Der Jahresrückblick 2013

Das Jahr geht zuende und was darf da nicht fehlen, genau der Jahresrückblick. Da es hier im Blog ja eher um das Denken über die Welt geht, wird es der Jahresrückblick der Konzepte.

Schock oder Sicherheit

Die Welt war 2013 im Schock. Also mit Welt meine ich natürliche die westliche Welt ((Der Rest hat seine Verwandten unter eingestürzten Nähereien, in zerstörten Städten und den Überresten von Kriegsgebieten gesucht, versucht etwas zu essen zu haben oder schlicht zu überleben.)) und Schock war in manchen Bereichen der Gesellschaft eher so das Pokerface, das die endgültige Sicherheit ausdrückt, das unsere Bürgerrechte oder auch Menschenrechte den Herrschenden und vor allem ihren nahezu autonomen Untergebenen scheißegal sind. Hier dann natürlich besonders, wenn es sich um Herrschende anderer Staaten handelt. Erst war die Bevölkerung schockiert, dass sie jenseits der freiwilligen Herausgabe aller Daten an Facebook und Google diese in Kopie auch noch einmal bei der NSA abgeben, dann war die Regierung schockiert, dass sie wie ein Bürger behandelt wird.

Stasis

Es bleibt 2013 auch vieles, wie es war. Die Bevölkerung hat ihr Interesse an Stasis eindeutig in verschiedenen Wahlen Ausdruck verliehen und die Regierung ist dem mit dem neuen Koalitionsvertrag nachgekommen. Die SPD hat uns mal wieder verraten und die Verachtung der Regierenden für die Bevölkerung ist genauso groß wie vorher und wir dürfen erwarten, dass keinerlei der immanenten Probleme gelöst oder aber auch nur erkannt werden. Damit bleibt dann auch die Erwartung, dass die Politikerverdrossenheit weiter mit dem revolutionären Potenzial steigt. Blieb also alles beim Alten.

Empörung

Gerade im Internet, aber auch in den Mainstreammedien, hat die Tendenz zur Empörung zugenommen. Die sozialen Medien haben sich als Ort der Empörung (twitter) und als Quelle der Empörung (Facebook) etabliert. Die extremen alternativen Positionen haben sich alle fröhlich eingemauert und sind für Argumente nicht mehr zugänglich. Der gesellschaftliche Fortschritt wird dem Aufregen über die Position des jeweils anderen geopfert. Denn die Welt hinter meinen Augen ist wichtiger als das Schicksal der Welt auf deren Existenz wir uns geeinigt haben.

Tidbits

Hier noch die kleinen und großen Fakten, die man für 2013 nicht vergessen sollte.

  • Die Menschheit hat ihr Potenzial nicht ausgeschöpft.
  • Politischer Protest wird Mainstream.
  • Es hören mehr Menschen bei Omniakonzerten auch auf die Ansagen.
  • Russland ist definitiv keine Demokratie mehr.
  • Die USA haben noch die Wahl, ob sie wieder eine werden.
  • Deutschland ist verzweifelt, dass das Grundgesetz eine Abschaffung der Demokratie verbietet.
  • Shopping Queen ist die Sendung des Jahres.
  • Auch im deutschen Fernsehen wird jetzt gebacken.
  • Markus Lanz macht immer noch Wetten Dass?!
  • Die Presselandschaft ist trotz Leistungsschutzrecht am Sterben.
  • Im Pazifik schwimmt immer noch ein Floß aus Plastikmüll.
  • Fukushima schmilzt immer noch vor sich hin.

Emailkrypto für Anfänger

Nach PRISM ist es mal wieder im Fokus: die Tatsache, dass wir von Geheimdiensten abgehört werden. ((Und zwar nicht nur amerikanischen, sondern auch unseren eigenen.))

Das ergibt viel Diskussionen, Empörung und so weiter, aber eigentlich zeigt es nur auf ein Problem: wir schützen uns noch nicht genug davor. Klar, jetzt mögen die Post-privacy Advokaten wieder sagen, dass man sich damit einem erzwungenem Privatismus ergibt.

Doch wie kann man sich schützen? SSL ist keine ernsthafte Lösung. ((Die Staaten haben alle ein root-Zertifikat. Schaut lieber nicht in die Liste in eurem Browser.)) Also, nehmen wir halt PGP. Das ist relativ einfach einzurichten und schützt euch (vorerst) dank Ende-zu-Ende Verschlüsselung vor Schnüffeleien. Es ist eigentlich relativ einfach einzurichten.

Der Standard für Windowskisten ((Für Mac frage man mich mal in den Kommentaren. Linuxuser sind Linuxuser und wissen, was sie da zu tun haben.)) ist sich einen Mozilla Thunderbird zu installieren und diesen mit GPG und dem Add-On Enigmail dazu zu bringen Emails verschlüsseln und entschlüsseln zu können. Dann generiert man sich seinen Schlüssel für die jeweilige Emailadresse und schmeisst diese auf den Schlüsselserver und los geht es. Leider gibt es immer (noch) zuwenige Anwender dieser einfachen Technik, aber dank der erneuten Aufmerksamkeit für dieses Thema hoffe ich, dass wenigstens einige von euch dies auszuprobieren.

Demokratienormalitätsupdate – Zynikerversion

So, Deutschland versinkt gerade in den Fluten. Das Jahrhunderthochwasser von 2002 ((Das war vielleicht auch etwas früh…)) wird durch das von 2013 abgelöst. Bevor das nächste dann gegen 2022 kommt. Das hilft natürlich andere kleine Probleme zu verdrängen. Da wäre einmal dieser Aufstand in der Türkei. Fangen wir doch mit dem mal an. ((Keine Sorge, ich hab sogar eine Pointe am Ende.))

Also hier kurz die Lage, wie sie sich mir durch die Medien darstellt. Alles begann mit einem Protest gegen die Abholzung hunderter Bäume in einem zentralen Platz. Diese wurde von der Polizei bedroht und entglitt in eine veritable Straßenschlacht, bei der die Polizei nicht nur sämtliche Vorräte an Tränengas verbraucht, sondern auch gleich noch zu schwerer Waffen gegriffen hat. Dabei galt dann erst einmal, dass die Regierung in ihrem Vorgehen komplett kompromisslos vorging und die Bevölkerung in großen Mengen dagegen stand. Die Medien wurden geknebelt, so dass unsere Berichterstattung in Deutschland weitaus detaillierter ist als die in der Türkei selbst. Internet wurde mal kurz abgestellt, es roch schon leicht nach arabischem Frühling. Doch dann hat sich die Situation beruhigt und die türkische Regierung rudert zurück, nachdem mehrere hundert Menschen mitunter sogar schwer verletzt wurden.

Spannend ist hier, dass die Äußerungen der Demonstranten sich schnell von einem einfachen Umweltprotest zu einem Protest gegen die Regierung Erdogan gewandelt hat. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es eigentlich um mehr geht, als die Nachrichtenlage so angehen lässt. Die Reaktion der Regierung auf die Proteste ist auch ein Hinweis, dass es da um mehr geht. Nun gut, aber vielleicht etwas langsamer. Mein Geschichtslehrer meinte immer zu mir, dass es einen Unterschied zwischen Anlass und Ursache für Konflikte gibt. Das scheint hier auch der Fall zu sein. Anlass war sicherlich die Sache mit dem Park, Ursache wohl kaum. Da scheint eher eine grundlegende Missstimmung zwischen der Bevölkerung und der Regierung zu sein. ((Auch hier…)) Das führt natürlich zu Spannungen und ein überreligiöser Hardliner wie Erdogan ((Unvergessen hier auch, dass er gerade bei den als überkonservativ bekannten Türken in Deutschland sehr beliebt ist und auch hier mit eher konservativen Ansichten antrat.)) greift dann gerne schnell zur groben Keule. Dass dies im Lichte dessen, was rund um die Türkei gerade passiert seiner Angst geschuldet sein kann ist verständlich, aber kann leider auch der Beginn einer wunderbaren self-fulfilling prophecy sein. Wir warten mal ab.

Aber die Türkei ist nicht das einzige Land in dem gerade Demonstranten Probleme mit Polizeigewalt hatten. Natürlich kann das nur ein ähnlich demokratisch fragwürdiger Staat sein, wie die Türkei. Oder Deutschland… Wir hatten mal wieder Blockupy Proteste in der Bankenmetropole Frankfurt ((Also, die Banken sind für mich immer noch das atypischste an Frankfurt…)). Das Ziel ist es den Kapitalismus zu attackieren. Der Sinn hiervon ist eine eigene Diskussion wert. ((Will heißen: ich finde das erstmal grundsätzlich unnötig und halte es für eine falsche Strategie für vielleicht sogar den falschen Zweck.)) Eigentlich wäre das mir auch keine Erwähnung wert, hätte die Frankfurter Polizei nicht strukturell und in der Konsequenz die Demonstration durch Gewaltanwendung und Einkesselung in die Medien gebracht. Es wurde von vorneherein unverhältnismäßig rabiat vorgegangen, obwohl dies wohl eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Dafür gab es dann halt auch den entsprechenden Medieneffekt, bei dem die Polizei nicht wirklich gut weggekommen ist, vor allem nicht wenn gleichzeitig das Thema auch international hochschwappt. ((Naja, mittlerweile schwappt ja die Donau hoch. Alles vergessen…)) Doch bedenklich, weil vermeidbar, ist dieses Vorgehen der Polizei schon. Es scheint aber irgendwie auch ein Trend zu werden.

Dieser Trend ist der Grund für die Überschrift, die ich mir gewählt habe. Die Demokratie ist irgendwie in einem schlechten Zustand. Es ist nicht nur Erdogan, der Verachtung für seine Bevölkerung zeigt, auch die Technokraten der EU und die politischen Eliten Deutschlands zeigen in ihren Einstellungen zum Sozialsystem und der Austeritätspolitik in der Eurokrise, dass ihnen die Märkte wichtiger sind als ihre Bevölkerung und dass ein entsprechender Protest gegen diese Märkte ((egal wie blödsinnig er sein mag…)) eine Gefahr darstellt, die groß genug ist, damit man mal draufhaut. Die Entfremdung zwischen den Eliten, die von der Bevölkerung gewählt werden und die eigentlich in deren Sinne handeln sollten, ist ein ständiger Prozess, der zu vielen Fragen führt. ((Unter anderem der, wie eigentlich politische Bildung in diesen Zeiten aussehen muss. Da muss ich auch mal drüber reden…)) Derzeit scheinen die Konfrontationen immer größer zu werden und man kann nur hoffen, dass diese Entfremdung nicht zu einem aufflammenden Extremismus führt, in dem wir alle nur den kurzen ziehen. Es sei den Eliten, egal ob in der Türkei oder in Europa dringend geraten nicht zu vergessen, dass sie am Ende nicht von Märkten und Religionen abhängig sind sondern von Menschen und, dass diese Menschen zumindest das Gefühl haben möchten, dass sie im Mittelpunkt und nicht im Weg der Politik stehen.

Man ist kein Schamane, man wird einer…

Ich habe gestern in einer langen Autofahrt den aktuellen Soziopod über den Rücktritt des Papstes gehört und möchte mich mit einem kleinen Beitrag anschliessen.

Im Podcast wird Bezug darauf genommen, dass Benedikt der XVI. in die Kirche hereingewachsen ist, aber keinerlei religiöses Erwachungserlebnis hatte. Doch dieses scheint für einen Papst also einen Oberpriester eher notwendig zu sein, jedenfalls in der öffentlichen Erwartung, die wir an einen Papst stellen. Und Benedikt XVI. meinte auch, dass er kein Papst werden wollte, vielleicht weil er ein guter Theologe ist, aber halt auch jemand der keine komplette innere Überzeugung hat. Er ist halt ein intellektueller Christ, kein emotionaler wie sein Vorgänger und das mag durchaus ein Grund sein, warum er von dem Amt zurücktritt.

Und dieses Phänomen findet sich immer wieder. In den schamanistischen Traditionen wird auch immer davon geredet, dass der Schamane zum Schamanen wird, wenn er eine schwere persönliche Krise durchlebt hat. Sei es eine schwere Krankheit oder aber eine psychische oder soziale Krise. Dies gilt dann auch Initiationsritus, eine Änderung, die ihm eine tiefere Einsicht oder eine andere Ansicht der Welt gibt. Das ist vergleichbar mit den Erweckungsgeschichten aus dem Christentum, in dem viele Heilige ihre Stellung durch Schmerzen, Leiden und Krisenüberwindung bekommen haben. Das zieht sich bis ins Märtyrertum.

Am Ende mögen wir von diesem Papst mitnehmen, dass nicht jeder für ein Amt geeignet ist, das so hoch emotional und spirituell aufgeladen ist.

Es geht um Glaubwürdigkeit…

Annette Schavan ist in Schwierigkeiten. Nicht nur, weil Angela Merkel ihr schon vor einiger Zeit das vollste Vertrauen ausgesprochen hat und das ja eigentlich automatisch den langfristigen politischen Tod bedeutet.

Ihr wurde vom Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ihr Doktortitel aberkannt. Im offiziellen Statement ist davon die Rede, dass ein wichtiger Punkt, der dagegen spricht, ihr den Titel zu belassen „das öffentliche Interesse am Schutz der Redlichkeit wissenschaftlichen Qualifikationserwerbs“ ist.

Dieser Punkt scheint mir auch am wichtigsten. Es gibt sehr viele Akademiker in Deutschland, die viel Zeit und Energie in ihre Promotionen und Habilitationen aber auch die einfachen Studienabschlüsse investiert haben. Es wäre ein Schlag in deren Gesicht, wenn eine Arbeit mit schweren Fehlern Bestand hat. Der Wissenschaftsbetrieb benötigt halt Glaubwürdigkeit, sonst brauchen wir gar kein Geld mehr in Wissenschaft investieren und können das Feld auch den Scharlatanen, Esoterikern und Kreationisten öffnen. Wenn Bildung unsere wichtigste Ressource ist, dann müssen wir genau diese auch schützen, wie wir andere Ressourcen schützen, auch und besonders davor, dass sie von innen weiterhin entwertet wird. Die Intellektuellenfeindlichkeit, die sich in der Gesellschaft hält, wird sich nach diesem Skandal sicher nicht abschwächen.

Dazu haben wir auch ein Vermittlungsproblem? Wie soll ich als Lehrer einem Schüler erklären, dass er durch sein Abitur fällt, wenn er Plagiat betreibt, aber eine unserer äußerst öffentlichen Politiker und dazu die Bildungsministerin eben keine Konsequenzen von diesem Fehlverhalten hat? Dies würde halte eben besagte Redlichkeit des wissenschaftlichen Qualifikationserwerb stark beschädigen und somit ist diese Entscheidung des Fakultätsrats dann wohl auch zu begrüßen. Es ist übrigens genau diese Redlichkeit, die Schavan selbst im Fall zu Guttenberg selbst eingeklagt hat. Dies fällt ihr nun doppelt auf die Füße, denn sie muss sich nun mit denselben Maßstäben messen lassen, die sie damals an Karl-Theodor angelegt hat, sonst ist ihre Glaubwürdigkeit umso mehr beschädigt.

Wohlgemerkt bedeutet dieses Fehlverhalten nicht, dass Frau Schavan dringend zurücktreten muss, denn ein Doktortitel ist keine Vorraussetzung für ein Ministeramt. Da reicht eine Ernennung durch den Bundespräsidenten. Doch ein Geschmäckle hat es eben gerade schon, dass es sich hier um die wohl bekannteste Bildungs- und Wissenschaftspolitikerin Deutschlands handelt. Musste zu Guttenberg seinen Posten als Verteidigungsminister räumen, so wäre es vielleicht sogar zwingend notwendig, dass sie ihren auch räumt. Doch Schavan hat hier einen Vorteil, sie hat sich nie in dem Umfang medial gewehrt, in dem das zu Guttenberg gemacht hat. Ihr Nachteil wiederum ist eben die Glaubwürdigkeit. Kann jemand, der Wissenschaft nicht hoch genug schätzt um eine entsprechende Arbeit abzulegen und damit das akademische Silberbesteck klaut wirklich das Ministerium repräsentieren, dass eben diese Wissenschaft zum Zentralthema hat? Technisch sicherlich, politisch eher nicht.