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Tell me your story.

Ich mag es durch die Gegend zu laufen und mich aktiv umzusehen. Aktives Umsehen bringt einem nicht nur die eine oder andere Fotoidee und damit etwas für eines meiner Dauerprojekte, sondern auch Impulse zum nachdenken. Eines davon kommt von Menschen, die man so auf der Strasse sieht. Und das können alle möglichen Leute sein: von jungen Müttern, die mit abgehetzt an der Kasse des Supermarkts stehen und mit einem quengelnden Kind über alte Damen in Pelzmänteln, denen das Kleingeld für die Butter fehlt, bis zum genervten Busfahrer, bei allen frage ich mich regelmäßig, was ihre Geschichte ist.

Und eigentlich wäre es ziemlich einfach, sich Zeit zu nehmen und mit diesen Menschen zu reden. Einfach mal hinstellen und interessiert und respektvoll nachfragen. Seine Geschichte zu teilen, macht viele Menschen glücklich, denn sie fühlen sich wertgeschätzt. Doch dafür hat man wenig Zeit. Ich mache das öfter bei meinen Schülern, dass ich mir von denen erzählen lasse, wie ihr Leben so ist. Doch mit Leuten auf der Strasse klappt das nur selten und wenn dann ist mir nicht wichtig, die Geschichte zu personalisieren. Die Geschichte ist wichtig erzählt zu werden, aber wir brauchen nicht die Person für die Geschichte.

Denn die Person ist den Lesern doch eh scheißegal. Sie steht für uns selbst, damit wir uns etwas begreiflich machen können, das uns total fremd ist. Also brauchen wir doch nicht Person, die die Geschichte erlebt hat, da hinzustellen. Die Geschichte spricht für sich und wir sprechen aus der Reaktion auf die Geschichte. Es ist sogar fragwürdig, ob es wirklich ethisch vertretbar ist, immer die Person hervorzuzerren, die eine meist eher bedrückende Geschichte erlebt hat. Vor allem, damit man dann das Thema am Ende eh verallgemeinert und damit klar macht, dass es jeden betreffen kann und bevorzugt etwas ist, worüber man „schon immer mal schreiben wollte“.

Dabei bleibt am Ende die Person und ihre Geschichte auf der Strecke. Aus einem Menschen, der an sich interessant ist mit seiner Geschichte, wurde ein Abziehbild gemacht. Deswegen sind die Geschichten wichtig, aber nicht, wer sie erzählt. Denn die Geschichte lässt uns etwas fremdes erfahren, aber nur wenn sie für sich steht und nicht Mittel für eine Geschichte wird, die jemand anders erzählen wollte.

Der Hölle der impliziten Erwartungen

The thing is, I mean, there’s times when you look at the universe and you think „What about me?“ and you can just feel the universe replying, „Well, what about you?“

Thief of Time -Terry Pratchett

Wer sich für Musik interessiert kennt das Phänomen bestimmt: die Lieblingsband bringt eine neue tonträgersimulierende Sammlung komprimierter Audiodateien heraus ((Für die Retrofans gibt es die auch noch auf einem physischen Speichermedium.)) und man ist furchtbar enttäuscht, weil das total anders klingt oder andere Texte hat und das nicht mehr die Band ist, in die man sich damals verliebt hat. Das gilt natürlich auch für alle anderen Arten von künstlerischer Äußerung. ((Siehe den Aufschrei, den es hierzublog machen würde, wenn ich auf einmal Beautytips geben würde…)) Nun kann man über Geschmack nicht streiten, ((Das ist natürlich auch Quatsch. Man kann, nur ist es halt Zeitverschwendung.)) über die Vermittlung von Geschmacksurteilen dafür sehr wohl. Und da sind Musik-, Kunst- und Literaturfans allesamt von der selben allzu menschlichen Wahrnehmungsstörung geschlagen. Sie denken nämlich alle, dass die Kunsttreibenden sich an implizite Erwartungen halten müssen, die von Konsumentenseite an sie gestellt werden. Dabei sitzen sie zwei klassischen Wahrnehmungsverzerrungen auf, die auf der einen Seite bis zur Banalität normal sind, auf der anderen Seite eine äußerst amüsante Auswirkung auf den Diskurs über Musik haben.

Diese Wahrnehmungsverzerrungen sind zum einen eine Überbewertung der eigenen Befindlichkeit gegenüber dem was der Künstler davon wahrnimmt ((Das wäre übrigens: nix!)) und der Befindlichkeit des Restes der Konsumierenden, und zum anderen die relative wirtschaftliche wie diskursive Macht, die der Einzelne gegenüber dem Künstler hat.
Das Erste ist dabei die Wurzel des Zweiten und tatsächlich eine klassische Wahrnehmungsverzerrung. Der Glaube, dass die eigene Befindlichkeit irgendetwas jenseits der Schaffung des eigenen Unglücks in der Welt bewegt, ist weitverbreitet und stammt daher, dass Menschen gerne die Welt hinter ihren Augen für realer halten, als das was tatsächlich stattfindet. In seinem Aufsatz „This is Water.“ argumentiert David Foster Wallace, dass es ein Zeichen einer geisteswissenschaftlichen Ausbildung ist, dass es ein Zeichen dafür ist, dass man gut an die Gesellschaft angepasst ist, wenn man diese Blockade überwinden und über den Rand des eigenen Hirns hinausblicken kann. ((Er sagt well-adjusted das bedeutet mehr und ich weiß nicht, ob ich ihm recht geben soll. Immerhin ist eine geisteswissenschaftliche Ausbildung nicht der einzige Weg ein anständiger Mensch zu werden.)) In diesem Fall bedeutet es natürlich, dass absolut jeder Hörer der Meinung ist, dass sein Empfinden über die musikalische Entwicklung eines Künstlers Gehör finden sollte, und zwar sofort und unbedingt. Dabei dreht sich dieser Künstler nicht einmal gestört im Schlaf um, wenn man verzweifelt Nadeln in seine Voodoopuppe steckt. Die eigene Befindlichkeit hat also keinen Einfluss auf irgendwas in der Welt, außer dem eigenen Unglück, dass man sich produziert. ((Mir wäre das ja zu blöde.))
Die zweite Verzerrung ist die Fehlwahrnehmung der eigenen medialen und ökonomischen Reichweite, wobei die Überschätzung der eigenen medialen Reichweite das grundlegende Problem ist und viel mit den modernen sozialen Netzwerken zu tun hat. Zwar kann jeder  heutzutage einen shitstorm lostreten, allerdings ändern diese Phänomene selten etwas an dem, was ihr Ziel tut. Im Zweifel verstärken das Ziel sogar das angeprangerte Verhalten, immerhin ist jede Art von Publicity gute Publicity. Dazu bleibt das Ziel meist berühmt, während man selbst ungefähr eine Woche vergessen ist. ((Naja, okay. Du kannst dann immer noch Publizist und Berater werden.)) Der Wirkungsnachweis dieser ganzen Sachen ist halt nicht erbracht, egal ob es negative Amazonbewertungen, fiese Gästebuchein- und Facebookbeiträge oder klassische shitstorms sind. ((Okay, außer man hat die kriminielle Energie der Gamergater… aber dafür reicht es ja zum Glück bei den meisten Menschen nicht.)) Im Zweifel ist die auslösende Person das Arschloch und schnell verschwunden. Das Traurige an der ganzen Sache ist, dass man sich das alles hätte sparen können, wenn man sich selbst nicht so ernst nimmt.

Das wird natürlich schwierig, wenn der eigene Job davon abhängt, dass man etwas irgendwie finden muss. Der klassische Aphorismus ist, dass man als Kritiker nichts können muss, außer meckern. Dabei helfen die impliziten Erwartungen, die gerade schon als Basis vielen persönlichen Unglücks analysiert wurden, natürlich sehr und es ist egal ob es die eigenen sind, oder diejenigen die man glaubt bei anderen Menschen auszumachen. Wichtig ist dann noch diese als objektiv darzustellen anstatt als das zu kennzeichnen, was sie sind, nämlich Befindlichkeiten und schon schreibt sich das enttäuschte, wütende oder hochzufriedene Review von allein. Es hat zwar keinen Mehrwert, aber man hat was gesagt und im nächsten Interview mit dem Künstler kann man dann auf die eigene Wahrnehmung als pseudo-objektive Größe referenzieren, als sei relevant. ((Das führt dann zu einem meiner Lieblingsgenres im Musikjournalismus: dem sinnlosen Künstlerinterview, bei dem die Künstlerin sich fragt, über wessen Werk sie da gerade mit dem Journalisten redet.)) Und dann kommt es zu dieser wunderschönen Schieflage, dass die enttäuschten Fans sich von den faselnden Schreiberlingen bestätigt fühlen, weil die auch nur die Befindlichkeiten der ersten spiegeln. Gibt halt mehr Abos als eine kriterienbasierte Beurteilung, die irgendwie Aufgabe hier wäre. Es spricht nichts dagegen eine vergleichende Bewertung abzugeben, aber Geschmacksurteile basierend auf Befindlichkeiten sind wertlos und zeugen maximal von den Wichtigkeitsneurosen der Autoren, als ihrer Fähigkeit künstlerische Tätigkeiten zu beurteilen. Es heisst, dass man sich über Kunst, Literatur und Musik vortrefflich streiten kann, deswegen sollte der eigene Geschmack weniger ins Gewicht fallen als  die Bewertung der künstlerischen Leistung. Da ist schon genug Geschmack drin.
Aber gut, es ist ja zu verstehen, dass es besser wirkt, wenn man Künstlern vorwirft sich in die falsche Richtung zu entwicklen, egal in welche das ist, ((Oder wahlweise Stagnation, die geht auch immer.)) denn da ist Konflikt und der verkauft sich. Für eine Bewertung, die zu einer sinnvollen Einschätzung führt, gibt es halt weniger Klicks als für einen Verriss. Den klicken auch diejenigen öfter an, die ihn für blöd halten.

Und da wird es dann halt auch eklig. Sitzt die einzelne Person noch Wahrnehmungsverzerrungen auf, wird es im medialen Bereich schnell zum wirtschaftlichen Kalkül nicht zu berichten sondern zu polarisieren. Dagegen sein ist besser als es irgendwie schon okay zu finden, egal auf welchen fiktiven Gründen dieses dagegen nun basiert. Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind wirtschaftlich untragbar, machen weniger Spaß und helfen beim Bekämpfen von Minderwertigkeitskomplexen halt mal gar nicht.

Da kann man eigentlich froh sein, wenn man Zeug einfach nur privat doof finden kann.

Freiheit – Gleichheit – Sicherheit

Holger Klein hat in den WRINT Podcasts ((Disclaimer: ich mach da mit. Hört es euch an.)) in letzter Zeit öfter gesagt, dass er eine Verschiebung zur Angst in unserem Verhalten wahrnimmt. Das wiederum brachte mich zum denken und diesem Text.

Einer der großen Widerstreite in der politischen Philosophie ist, welches grundlegende Prinzip für politisches Handeln besser für das Gemeinwohl ist. Die liberalen Denker betonen immer das Prinzip der Freiheit, während sozialistische Denker das Prinzip der Gleichheit betonen. Dazwischen liegen sehr viele Facetten und Möglichkeiten, die erstmal kurz auseinandergelegt werden müssen.

Freiheit

Hach, die Freiheit. Jeder trägt sie im Mund, ein Lieblingswort von Politikern, laut denen sie das Wichtigste ist, was geschützt werden muss. Das klingt auch immer wie eine komplizierte Aufgabe, dabei ist nichts zu tun eigentlich nicht schwer. Denn Menschen sind an sich frei. Wir haben vollständige Handlungs- und Entscheidungsfreiheit bis zur Selbsttötung. ((Ja auch ihr. Falls euch jetzt auffällt, dass ihr sie nicht benutzt: Glückwunsch! Ihr seid ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft.)) Leider kommt uns dann das Soziale in die Quere, denn damit dies funktionieren kann muss die Freiheit der einzelnen Person eingeschränkt werden. Sonst hauen wir uns die ganze Zeit auf die Fresse und so und das ist ja unschön. Also absolute Freiheit ist jetzt irgendwie unerwünscht. So, gemäßigte und geregelte Freiheit ist besser. Das wäre dann auch die Aufgabe von Politik diese herzustellen. Jedenfalls, nachdem was da immer erzählt wird.

Gleichheit

Der Freiheit gegenüber steht die Gleichheit. Freie Menschen sind ungleich, weil sie alle in ihren Anlagen verschieden sind. Will man sie nun gleich machen schränkt man ihre Freiheit ein. Das ist, wie oben schon beschrieben, teilweise nötig, weil in sozialen Gruppen Regeln existieren müssen, damit diese funktionieren und diese behandeln dann (hoffentlich) alle gleich. Möchte man jedoch größtmögliche Gleichheit erreichen, muss die Freiheit der einzelnen Person auch größtmöglich eingeschränkt werden, denn die kleinste Entscheidungsfreiheit macht uns ja ungleich. Das führt dann irgendwie zum Polizeistaat und klappt am Ende eben doch nicht. Gleichheit ist also irgendwie das Gegenteil von Freiheit.

Aber halt! Die Neoliberalen haben da eine Lösung. Es kann Gleichheit und Freiheit geben. Es ist nur eine andere Art von Gleichheit: Chancengleichheit. Hier sind nicht die Menschen gleich, sie haben nur die gleichen Chancen. Es klingt also wie Gleichheit, ist aber eigentlich Freiheit und dazu nicht einmal die gemäßigte Freiheit, die oben erwähnt wird, sondern absolute Freiheit. Weil, es müssen ja nur die Chancen für jeden gleich sein und das lässt sich nominell einfach herstellen, wenn man solche Details wie Erbschaft und Kontinuität von Eigentum ignoriert. Chancengleichheit ist also weder das, was die Freiheitsfans, noch was die Gleichheitsfans möchten. Deswegen ist sie die Art von Gleichheit, die am meisten verkauft wird.

Sicherheit

Spätestens seit dem 11.September 2001 hat sich ein neues Paradigma in diese Diskussion geschlichen. Die Sicherheit ist heutzutage die normative Grundlage von Politik. Dabei ist komplett unklar, was Sicherheit bedeutet. Es scheint sich hierbei auch nicht um einen definierten gesellschaftlichen Wert zu handeln, sondern um ein diffuses Gefühl der Regierten. Sicherheit ist dabei komplett agnostisch gegenüber der Frage von Gleichheit und Freiheit, wobei Freiheit aus einer Sicherheitsperspektive kritisch gesehen werden muss. Immerhin kann Freiheit das Sicherheitsgefühl beschädigen. Die Leute da draußen könnten eigenständig Sachen tun, die technisch gesehen immer gefährlich sind. Gleichzeitig ist aber auch zu wenig Freiheit ein Problem für die Sicherheit, weil dann hat man Revolutionen und sowas und das ist auch unsicher. Letzteres ist aber kein Problem, wenn Sicherheit eine Ideologie ist, die sich in der Gesellschaft durchsetzt, weil dann geben die Menschen ihre Freiheiten freiwillig auf! Und sie bekommen dafür nicht einmal mehr Gleichheit. Sie bleiben schön an der Stelle der sozialen Ungleichheit, wo sie gerade sitzen und sind glücklich darüber, dass sie sicher sind. ((Dann noch etwas Facebook und schon ist alles okay.))

Damit aber Sicherheit überhaupt als gesellschaftlicher Wert und Ideologie funktioniert, braucht es Gefahren und deren Vermittlung. Das bedeutet, dass es die Aufgabe von Sicherheitspolitik ist Unsicherheit dar- und herzustellen und generell allem und jeden einzureden, dass die Welt furchtbar unsicher ist. Nun, ehrlich: das ist sie. Aber dagegen können wir kaum etwas tun, schon gar nicht politisch. Politische Lösungen sind meist soundso Verbote, die nur darin wirken, dass man sich nicht um gesellschaftliche Probleme kümmern muss und die Verantwortung bei den Menschen liegt, die diese Probleme haben. Das Verbieten von allem, was unsicher ist, ist unmöglich. Komplette Kontrolle ist unmöglich, nicht einmal teilweise Kontrolle ist realistisch. Trotzdem kaufen unheimlich viele Menschen diese Sicherheitsideologie. Man möchte nämlich nicht daran erinnert werden, dass ein Schritt auf die Strasse der eigene Tod ist, dass einem das Haus überm Kopf einstürzen kann und so weiter. Sicherheit ist das Pfeifen im Walde und gesellt sich damit zur Biedermeierromantik sinnloser Agitation ohne Wirkung, die unsere aktuelle Gesellschaft auszuzeichnen scheint. Diese ist besonders deutlich wenn die angebliche Sicherheit des Weltbildes oder sogar der Welt bedroht ist. Seien es Fremde, der kleinbürgerliche Wohlstand oder das Paradigma des gesunden täglichen Rindersteaks für 5€, sobald an den sicheren Wahrnehmungen der Welt gewackelt wird, kommt die Reaktion wie ein Vorschlaghammer auf die angeblichen Störenfriede hernieder und die Politik ist Gewehr bei Fuß bereit zu helfen, denn Sicherheit ist wichtiger als Freiheit oder Gleichheit, weil steuerbar.

Und nu?

Am Ende dieser Betrachtung kann eigentlich nur eines stehen: wir brauchen eine Politik, die die Freiheit der/s Einzelnen regelt. Während Gleichheit zu Staatsterrorismus führt, führt der aktuelle Trend zur Sicherheit nicht nur zu diesem, sondern auch noch dazu, dass die Probleme, die eine gleichheitsorientierte Politik totregeln wollen würde, überhaupt nicht mehr verhandelt werden, solange sie das Sicherheitsempfinden der Bürger nicht beeinträchtigen und danach im Sinne der einfachen Lösung meist nur Verboten werden. Politik unter der Ideologie von Sicherheit muss sich um nichts mehr kümmern, wenn sie alles verbietet und hat gleichzeitig die komplette Kontrolle über Menschen, die diese freiwillig aufgegeben haben. Es zeigen sich jetzt schon die ersten Demagogen, die dies ausnutzen wollen und einer von diesen wird mit Sicherheit erfolgreich sein und die Welt erneut in Brand stecken.

Das Gendernarrativ

Es gibt eine Zweiteilung der Wissenschaften in empirische Wissenschaften und das, was man eher als Geisteswissenschaften kennt. Erstere beschäftigen sich mit empirischen ((empirisch: sinnlich erkennbar und erfassbar, messbar)) Erkenntnissen. Dazwischen stehen irgendwo die Sozialwissenschaften, die durchaus empirisch forschen, aber halt auch geisteswissenschaftliche Theoriebildung betreiben.

Die wohl herausragendste Form moderner Geisteswissenschaften, die sich gern auch als Sozialwissenschaft geriert, es aber viel zu oft nicht ist, ist die Genderforschung. Ausgehend von der gesicherten Erkenntnis, dass Frauen gegenüber Männern in unserer Gesellschaft strukturell benachteiligt sind, entwickelte sich eine ganze Forschungsrichtung, die theoriebildend über Strukturen und Formen von Geschlechterungerechtigkeit arbeitet. Im Rahmen dessen fiel dann auf, dass es noch mehr Ungleichheiten in dieser Welt gibt, nämlich nach Abstammung, sozialem Status und so weiter. Das sind jetzt eigentlich keine neuen Erkenntnisse. Was die Genderforschung und angeschlossene Forschungsrichtungen allerdings problematisch macht, ist die Axiomatik, die ihren Ideen anhängt. Doch bevor ich darauf zurückkomme, hier ein Exkurs über Konstrukte.

Exkurs: soziale Konstrukte und Macht

In der Psychologie und Philosophie hat sich seit den späten 90er Jahren die Denkrichtung des Konstruktivismus etabliert. Ausgehend von der Erkenntnis, dass das menschliche Gehirn Realität immer interpretiert und Wissenserwerb durch die Verarbeitung von Reizen entsteht, postulierten verschiedene Schulen der Philosophie, dass die Menschen an sich keinen echten Zugang zur Realität haben, sondern diese immer zu einem bestimmten Grade konstruieren.

Diese Idee wurde auch in den Sozialwissenschaften aufgegriffen und auf soziale Normen und Regeln angewandt. Soziale Strukturen, die den Menschen als absolut vorkommen werden durch Sprache und Verhalten der Gesellschaft konstruiert und für real betrachtet, dabei sind sie nur geistige Konzepte. Ideen, die einmal in der Welt sind bestimmen auf einmal das Handeln ganzer Generationen, für die sie als reale Bedingungen der Welt gelten. Beispiele hierfür ist die Eugenik, aber auch Sozialismus und romantische Liebe ((Ja, das ist sozial konstruiert. Es gibt Menschen auf dieser Welt, die nicht verstehen können, dass man sich ineinander verlieben muss, damit man eine Beziehung eingeht.)). Alles sind Ideen, die wirkmächtig sind und waren, und die erst erdacht werden mussten. Trotzdem binden diese Ideen unser Denken. Es scheint so zu sein, dass das Denken außerhalb etablierter sozialer Konstrukte, je nach Kontext bis zum Ausschluss aus sozialen Gruppen sanktioniert wird. Dazu entstehen diese Konstrukte dadurch, dass Menschen einfach Sachen daherreden können. Das bedeutet, dass wenn man oft genug denselben Schwachhsinn erzählt, dieser ein soziales Konstrukt wird.

Das bedeutet dann, dass die Menschen, die diese Konstrukte erfunden haben oder vertreten, eine automatische Diskurshoheit und damit Macht über andere Menschen haben. Durch die Möglichkeit zu bestimmen, was gesagt werden kann, kann man langfristig sogar bestimmen, was gedacht werden kann oder darf. ((Aber das wusste schon George Orwell.)) 

Genderforschung und Genderkampagne

Die Genderforschung an sich ist erstmal keine schlechte Idee. Ausgehend von empirisch erfassbaren sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern entwickelte sich eine Forschungsrichtung, die versuchte diese zu erfassen und darzustellen. Und dann wurde es geisteswissenschaftlich-esoterisch. Auf einmal wurde alles unter die Genderlampe gehalten und mit Gewalt versucht die auf einmal wahrgenommenen Ungleichheiten auszugleichen. Die Sprache wurde dekonstruiert, weil man dachte, dass dies auch die Gedanken ent-genderisiert. Es wurden neue Begriffe für Sexualität eingeführt, damit es eine Systematik in einem Kontinuum gibt und die Öffentlichkeit verschüttete Häme über dem verzweifelten Versuch mit akademischen Mitteln soziale Ungleichheiten aufzulösen.

Doch es gibt auch das Internet. Diese Möglichkeit für jede Minderheit gehört zu werden. Der schnelle einfache Zugang zum Diskurs, bei dem man dann durch die Eingeschränktheit der Kommunikationsmittel, noch viel einfacher eine Diskurshoheit erlangen kann, als das je zuvor möglich war. Und damit wurde aus der Forderung nach Gleichheit ein Mittel der Oppression. Gender wandelte sich von Forschung an Ungleichheiten hin zu Handlungsanweisungen zur Weltverbesserung. Es wird nicht mehr neutral erforscht, es wird politisch agiert. Theoretische Konzepte, die in den Geisteswissenschaften ungeprüft nebeneinander stehen können und diskutiert werden, werden auf einmal zu Fakten und zu Basis politischer Aussagen. Es wird davon ausgegangen, dass die vielfältigen Perspektiven, die in der Genderforschung existieren und entwickelt werden, alle sofort richtig, wirkmächtig und a priori sinnvoll und gut sind. Solche Nischenideen, wie die Neustrukturierung der Sprache, um Diskriminierung zu eliminieren ((Ein Idee, die nicht nur sprachwissenschaftlich Quatsch ist, sondern auch zeigt, dass ihre Vertreter nicht verstanden haben, dass Menschen Vorschriften zu machen, wie sie zu denken haben, meist nach hinten losgeht.)) oder aber die patronisierende Rücksichtnahme auf jede wahrgenommene Splittergruppe im LGBT Bereich, egal ob die Personen, die da dazugehören, sich überhaupt so sehen, werden verallgemeinert und als best practice in die Welt hinaus geblasen um dann diejenigen zu shitstormen, die Zweifel anmelden. Damit wird aus dem berechtigten und notwendigen sozialen Konstrukt, dass wir Menschen ungeachtet ihres sozialen und biologischen Geschlechtes gleich behandeln sollen, eine Waffenkammer der sozialen Machtausübung. Es geht nicht mehr darum darauf hinzuweisen, dass die Geschlechterdimension wichtig ist und berücksichtigt wird, es geht darum, dass man sie benutzen kann, um unliebsame Aussagen und Personen mundtot zu machen und eine Welt zu generieren, in der Menschen aus vorauseilendem Gehorsam schon nichts mehr sagen.

Dieser Gehorsam ist aber komplett hohl. Und die Idee, dass wir die Welt zu einem besseren und vor allem freieren Ort machen, in dem wir die Meinung durchdrücken, die uns besser erscheint, zeigt nur, dass ein positives Menschenbild zu Terrorismus führt. Das starke Wollen, dass man so etwas gutes wie Geschlechtergerechtigkeit einfach so schafft, in dem man jetzt jeder Person sagt, dass sie es falsch macht und diese dann sofort erleuchtet ist, missachtet das Individuum absolut und lässt nach dessen Widerstand nur noch die Anwendung von Gewalt zu.

Geschlechtergerechtigkeit ist ein wichtiges Thema. Man ist sich nicht einmal einig, wie sie aussehen soll. Doch im Internet ist sie ein Mittel der Oppression geworden, von ihren Vertretern wie von ihren Feinden. 

Hoffnungsvolles Reisen

Im kleinen, aber feinen Anti-Ratgeberbüchlein Anleitung zum Unglücklichsein von Paul Watzlawick gibt es ein Kapitel, das sich mit dem Ankommen beschäftigt. Im Tone des Büchleins warnt Watzlawick davor an irgendeinem Ziel im Leben anzukommen. Denn das Ankommen bedeutet zwar etwas erreicht zu haben, aber auch die Erkenntnis, dass man keinen Sinn und Zweck mehr hat, dem man folgt. Watzlawick zitiert hier George Bernard Shaw, der sich auf Oscar Wilde bezieht, wenn er eine Figur in seinem Wert Man and Superman sagen lässt, dass es zwei Tragödien im Leben gibt: die Nichterfüllung eines Herzenswunsches und dessen Nichterfüllung.

Natürlich sind wir enttäuscht, wenn sich unsere Wünsche nicht erfüllen, doch wir sind auch unglücklich, wenn wir sie erfüllt bekommen. Denn dann haben wir ja keinen Herzenswunsch mehr und egal welches Glück man beim Erfüllen des Wunsches empfinden, bald verschwindet diese Freude und wird durch den Tod der Gewohnheit ersetzt. Als ich meine Zulassungsarbeit für das Staatsexamen abgegeben und mit einer zwei bewertet bekommen habe, war ich sehr stolz und glücklich auf sie. Heute, knapp sieben Jahre später, kriege ich primär Augenrollen, wenn ich dieses Geschreibe lesen muss. Ich zeige das, auch regelmäßig mit einem leicht gequälten Gesichtsausdruck meinen Schülerinnen und Schülern als gutes Beispiel und bin doch selbst der Meinung, dass es heute für mich keine Leistung mehr ist. Unsere Ziele sind, wenn wir sie erreicht haben sehr schnell nur noch Grund für einen Kater und neue Ziele. ((Das ist einer der Gründe, warum es hier die Rubrik Projekte gibt… Damit ich Ziele habe, die ich erfüllen will und meinen Fortschritt sehe.))

Doch gibt es auch Herzenswünsche, die keine Ziele, sondern Zustände oder Prozesse sind. Hier bedeutet Ankommen dann meist auch noch, dass die Realisierung ansteht, dass das Ende an das man gekommen ist, gleichzeitig bedeutet, dass dieser Herzenswunsch an sich gescheitert ist. Sei es das erträumte Studium, der tolle Job bei der Traumfirma oder aber die romantische Beziehung, wenn man an deren Ende ankommt ((Und man wird. Selbst lange glückliche Ehen enden. Meist am Grab eines der beiden Partner.)), kann man auf einen glücklichen Prozess zurückblicken, ist aber nur traurig um das Ende und erlebt den Katzenjammer. Dieser ist umso größer je höher die Investition in diesen Prozess oder Zustand gewesen ist. Und nicht immer enden solche Prozesse und Zustände wirklich, sondern scheitern leise und laufen formal weiter, allein schon, weil die Beteiligten nicht möchten, dass sie scheitern. Deswegen werden untragbare Arbeitnehmer nur schwerfällig gefeuert, Teams langsam aufgelöst und tote Beziehungen zu Zombies.

Und von innen sagen die Beteiligten dann, dass noch Hoffnung haben, dass sie dem Arbeitnehmer noch vertrauen und dass die Tatsache, dass sie ihren Partner seit einem halben Jahr nicht gesehen haben nicht bedeutet, dass sich beide nicht himmelhoch lieben. Man reist also hoffnungsvoll weiter, obwohl die Endstation schon erreicht wurde und der Bus nun auf einen steilen Abgrund zurollt, auf den aufzuschlagen man sich hätte sparen können, wenn man an der Endstation ausgestiegen wäre. Aber dann ist die manchmal nicht gut beleuchtet oder man hat sich gerade umgedreht um die Kinder aufm Rücksitz zu versorgen, bevor der Partner einen verlässt oder man hat mit Gewalt die Augen zusammengekniffen, um das Wort „End“ nicht am Schild zu sehen.

Und so reist man hoffnungsvoll weiter, bis man nur noch zurückblicken und im Katzenjammer hoffen, dass man nicht so lange hoffnungsvoll gereist ist, dass die Gesamtstrecke aus mehr Selbsttäuschung als aus schöner Landschaft bestanden hat.

Gerechtigkeit, Fairness und Freiheit

Ich sah mich letztens den mündlichen Gruppenprüfungen gegenüber und diskutierte dann mit Isa darüber, inwiefern das Auslosen von Gruppen besser ist als die Entscheidung, wer mit wem in eine Gruppe gehen sollte. Während die eigene Entscheidung der Schülerinnen und Schüler mehr Freiheit bedeutet war ich der Meinung, das ein Los entscheiden soll, weil dies fairer ist. Im Laufe der ganzen Diskussion habe ich mir noch einmal Gedanken über die zentralen Konzepte und deren Eigenschaften und Wertigkeit gemacht.

Freiheit

Freiheit wird gerne als ein grundlegendes menschliches Recht dargestellt, dabei ist Freiheit ein sehr zweischneidiges Schwert. Natürlich möchten möglichst viele Menschen möglichst frei entscheiden können, was sie tun, was sie betrifft und wie sie ihr Leben gestalten. Doch Freiheit an sich ist erst einmal komplett amoralisch. In einer sozialen Gruppe Freiheit als Hauptwert anzunehmen bedeutet die  totale Auflösung dieser Gemeinschaft, denn die Freiheit des Individuums endet an der eines anderen. Wenn immer davon geredet wird, dass unsere Freiheit beschützt werden muss, in dem mehr Regeln für das Gemeinwesen eingeführt werden, dann ist die Freiheit als Wert schon tot. Sie ist an sich wertvoll, zählt sie doch zu den menschlichen Grundbedürfnissen, aber als hauptsächlicher Wert eines Gemeinwesens ist sie schwierig, denn Menschen sind nicht gleich und ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten sind nicht gleich verteilt. Das bedeutet dann, dass größtmögliche Freiheit automatisch auch keinerlei Gleichheit garantiert und das könnte für den sozialen Frieden problematisch sein. Also braucht es auch noch andere Prinzipien.

Gerechtigkeit

Gerechtigkeit schein da das erste Prinzip zu sein, dass vielen Menschen zuerst einfällt um zu entscheiden, wieviel Freiheit wir zulassen. Es ist auch das Wort, das sofort im Mund geführt wird, wenn es um Strafverfahren und Bestrafung anderer und der Nicht-Bestrafung von einem selbst geht. Gerechtigkeit ist eine sehr persönliche Sache. Sie hängt direkt mit unseren persönlichen Einstellungen zur Welt zusammen. Wir empfinden Gerechtigkeit unterschiedlich und halten sie gerne für absolut, aber das stimmt nicht. Schon Aristoteles unterschied verschiedene Arten von Gerechtigkeit, die davon abhängen, ob man eine soziale Hierarchie annimmt oder nicht. Allein die Wikipedia hat zum Thema Gerechtigkeit eine lange Liste von verschiedenen Auffassungen was Gerechtigkeit ist. Das Problem ist also, dass Gerechtigkeit nicht wirklich definiert ist und damit natürlich auch schwierig als ein verpflichtendes Kriterium für die Erlangung sozialen Friedens und größtmöglicher Freiheit gesehen werden kann. Denn diejenigen, die Vorteile von viel Freiheit haben finden das viel gerechter als diejenigen die Vorteile von weniger Freiheit haben und andersherum. Gerechtigkeit existiert also nicht, wir bilden uns nur ein, dass die Welt gerecht ist, solange wir nicht negativ betroffen sind. Trotzdem müssen wir versuchen einen Modus zu finden, wie man Ungleichheiten zwischen Menschen ausgleicht.

Fairness

Auf die Frage, wie man Ungleichheiten ausgleicht, haben verschiedene Philosophien unterschiedliche Antworten. Die links-marxistische Antwort besteht darin, dass die Gesellschaft an sich zu einer mit mehr Gleichheit umgeformt wird und Ungleichheiten aktiv ausgeglichen werden. Das führt leider am Ende zu Oppression, denn Menschen sind inherent ungleich. Die konservative-rechte Meinung ist, dass das mit der Ungleichheit gut so ist, weil das zeigt wer die besseren Menschen sind. Die liberale Seite stellt sich auf eine mehr oder minder radikale Position von Chancengleichheit. Nach ihr sollen diejenigen, die gute Fähigkeiten besitzen möglichst weit kommen. Was mit denen wird, die nicht so viel Glück haben, steht auf einem anderen Blatt und hier muss die Gesellschaft im Bildungssystem und der Sozialstaat dafür sorgen, dass es einen Ausgleich gibt und dieser ist am Besten mit Wort Fairness  umschrieben. Ungleichheiten sind für Menschen erträglich, solange sie das Gefühl haben, dass sie grundlegend gleich also fair behandelt werden. Das kann man am einfachsten erreichen in dem man es halt einfach tut und das bedeutet zumeist klare sachbezogene Kriterien zu generieren und anzulegen und zufallsgenerierte Auswahlen zu bevorzugen. Denn nur, wenn niemand einen nachvollziehbaren Vor- oder Nachteil hat, und eine Entscheidung transparent ist, wird sie akzeptiert. Dann sieht sie der oder die Einzelne immer noch nicht als gerecht und es kann immer noch die Freiheit einschränken, aber es führt am Ende zu einem Konsens in dem man leben kann.

Wir erleben unsere Welt zu oft als ungerecht und wir erleben, dass wir in unserer natürlichen Freiheit eingeschränkt werden. Das ist der Hauptgrund, warum wir eine soziale Institution von Fairness haben müssen. Die Welt ist an sich unfair, also sollten wir wenigstens manchmal dafür sorgen, dass sie es sein kann.

Don’t Bullshit Me!

Willkommen zu einer seltenen Episode aus dem Bereich angry rants. Es geht um etwas, das mir im beruflichen, wie persönlichen Alltag gerne mal begegnet und das mich auf die Palme bekommen kann. Es ist eine seltene Gelegenheit, dass das passiert, aber mit der folgenden Technik, ist ein Mindesterfolg garantiert. ((Bitte probiert es nicht aus. Ich bin gut darin euch einfach zu blocken, löschen oder ähnliches.))

Es geht um Bullshitting. Einfach mal Scheiße labern, obwohl man keine Ahnung hat, oder die eigene verzerrte Wahrnehmung einfach mal als gegeben hinnehmen. Meist wird das schlampig ausgeführt und hat vor allem die anmaßende Grundidee, dass man selbst etwas besser versteht, als man es tut. In der Schule begegnet einem das als Lehrer ja ständig. Da stellen sich Schüler hin und labern mal was zusammen, und fragen sich, warum die Leute mit der Kompetenz sie dann auflaufen lassen. Aber auch im privaten Bereich ist das eigentlich unerträglich, Unwissen ist vollkommen okay, wenn auch nicht zwingend sozial anerkannt, ((Das ist übrigens eine Krankheit, dieser Gesellschaft, die Rationalität zu einer Religion gemacht hat. Wenn alles Rationale automatisch gut ist, dann darf man nie unwissend sein. Und das ist in einer immer komplexeren Welt eigentlich unmöglich.)) es wird nur kritisch, wenn man seine komplette Kompetenz auf Bullshitting aufbaut. Dann wird man entweder krimineller Bankmanager oder Straßensänger. ((Ich entschuldige mich bei den Straßenmusikern schon einmal für diesen Vergleich…))

Doch, was noch schäbiger ist, wenn Bullshitting verwendet wird, um soziale Interaktion zu manipulieren und zu steuern. Es wird also Bullshit erzählt unter der Annahme, dass sich dann soziale Beziehungen und Interaktionen weiterhin so verhalten, wie man das möchte. Dann wird halt auch einfach mal was dahingequatscht. Nur hier meist mit emotionalisierten Untertönen, die die Beziehungsebene betonen um die Tatsache, dass auf der Objektebene ein Missverhalten stattgefunden hat. Des Weiteren wird gerne etwas behauptet, dass auf der Objektebene nicht überprüfbar ist. Ich habe schon mehrere Menschen erlebt, die mir erzählt haben, wie sehr sie mich lieben, mögen, schätzen, sonstwas, die dann primär ihre eigene Weltsicht im Sinn hatten und mich ausnutzen oder manipulieren wollten. ((Meine Damen und Herren, DIES ist keine Beziehung. Eine Beziehung ist ein Ort der Aushandlung und des Konseses, aber nicht ein Ort von Machtausübung.)) Sei es um eine zerüttete Beziehung am Leben zu erhalten oder nur den Hals aus der Schlinge ziehen zu wollen, weil man beim Bruch des Konsenses erwischt wurde, es wird halt lieber gebullshittet, wenn schlichtes Lügen oder Unterschlagen nicht reicht.

Da wird dann die empfangende Person schnell zum Opfer der eigenen Wünsche und Vorstellungen, anstatt dem Bullshitter mit möglichst stahlarmierten Stiefeln in den eigennützigen Arsch zu treten. Man bekommt nur Scheiß erzählt, damit man nicht merkt, dass die Person gegenüber einem nicht einmal genug Wert zuweist, dass sie einen Fehler eingesteht oder zumindest versucht den Vertrauensverlust auszugleichen. Aber das Schöne ist ja, dass man ihr glauben will, weil man den Bullshit lieber glaubt als die traurige Wahrheit, die im Zweifel weh tun kann. Und so kommen die Flachpfeifen und Arschlöcher mit ihrem nicht einmal anständig zusammengelogenen Bullshit durch und man selbst fühlt sich danach noch schlechter.

Wenn ihr also merkt, dass nichts von dem, was jemand erzählt auch nur im geringsten was mit den Fakten zu tun hat und nur den Zweck hat euch in eine Position zu manipulieren in der ihr eure eigene Anliegen für deren Willen liegen lasst, dann nehmt die stahlarmierten Stiefel und tretet ihnen in den Arsch. Denn mehr haben Bullshitter nicht verdient.

korrigierender Nachtrag zu der Sache mit dem protestierenden Schüler

In meinem letzten Post habe ich mich ja diesem Vorfall gewidmet, der es mittlerweile auch auf die taz geschafft hat. Dazu habe ich noch einige korrigierende Bemerkungen zu machen. Zum einen sollte man sich folgenden Artikel der Lokalpresse durchlesen. Dieser Artikel bestätigt einige Vermutungen, die mir auch durch Quellen zugetragen worden, die an der Schule direkt anwesend sind.

Schulrechtliches

Also, das mit Art.84 BayEUG ist ein Grund, dass ich Schüler von der Schule schmeißen würde. Ich bin da überhaupt nicht kompromissbereit. Dass Lehrer sich nicht von dem Schüler überwältigen lassen sollten ist okay, wenn er Schüler überwältigt und mit seiner aus meiner Sicht verschrobenen Meinung überwältigen und beeinflussen will, kracht es. Gewaltig.

Hinzu kommt, dass der Schüler hier tatsächlich seien Pflichten verletzt hat. In diesem Alter darf er das Schulgelände nicht verlassen, auch nicht, wenn er krank geschrieben ist. Entweder er ist da oder nicht. Das bedeutet also, dass ein Verweis durch den Direktor allein dafür schon gerechtfertigt ist. Lehrerverweise gelten hierfür als zu schwach.

Der Lärm, der da in den linken Medien gemacht wurde, ist also leicht unbegründet. Allerdings kann man, gerade als bayerische, Schule nur verlieren. Der Beißreflex gegenüber ungerechten Lehrern und fiesen Kultusministerien ist so stark, dass sich die meisten der Beißenden nicht mit Schulrecht auseinandersetzen und Schulen eigentlich nur verlieren können. Das Schulrecht ist im übrigen nicht im geringsten schülerfeindlich, obwohl man es durchaus so einsetzen kann. Und auch das ist hier wirklich nicht passiert. Man hätte den Schüler auch rauswerfen und ihm damit eine komplette Bildungslaufbahn  berauben können. ((Die Wirtschaftsschule gehört zum Berufsschulwesen und bietet einen mittleren Schulabschluss, der einem die letzte realistische Möglichkeit zum Fachabitur oder Abitur ermöglicht.)) Das wollte man explizit vermeiden.

Politisches

Im Zentrum der ganzen Sache stehen für mich zwei Probleme:

  1. Wie soll man mit politisch radikalen Schülern umgehen?
  2. Wie soll man mit dem Wunsch von Polizei und Bundeswehr umgehen bei Berufswahlveranstaltungen als „Arbeitgeber“ aufzutreten?

Die erste Frage hatte ich schon angeschnitten: mit Dialog. Wir haben aber weniger Möglichkeiten auf solche Leute einzuwirken als man denkt. Dazu steigt die Menge an jungen Menschen, die eigentlich gar nicht mehr von ihren verworrenen Pfaden abzulenken sind. Das hier wäre nicht der erste verbrämte links-radikale Schnullermarxist, der Feinde an einer Stelle sieht, an der es keine gibt. Diese Weltsicht in der man nur von Feinden umgeben ist, ist auch in anderen Aktivismusformen verbreitet und immer dazu führt, dass diese Ideologien nicht mehr ernstzunehmen sind. Schule muss diese Leute aber ernst nehmen. Sie ist verpflichtet diese Menschen noch nicht aufzugeben, auch wenn man die Energie nicht verschwenden sollte. Trotzdem gibt es hier Grenzen und die werden in den harten Regeln des Schulrechts erreicht.

Die Bundeswehr und Polizei gelten heute als sehr nachgefragte Berufszweige. Die Unsicherheit, die junge Menschen heutzutage spüren, die Angst die eigene Existenz nicht sichern zu können treibt sie zum Beamtentum als letztem sicheren Platz und die Polizei und Bundeswehr nutzen das. Die Polizei weitaus weniger als die Bundeswehr, deren Bedarf an Soldaten nach dem Wegfall der Wehrpflicht immer schlechter gedeckt werden kann. Im CRE zur Bundeswehr wird schon mit Recht darauf hingewiesen, dass die Werbungsstrategie der Bundeswehr mit Jobchancen und guter Ausbildung irreführend ist für ein Militär. Man bekommt diese Ausbildung, aber im Wüstensand oder irgendwo im Wald und bevor man Ingenieur ist lernt man erst einmal Menschen erschießen, weil dafür haben wir ein Militär. ((Oder zumindest die Reste davon…)) Die Werbung der Bundeswehr ist somit unlauter.

Dazu widerspricht aus meiner persönlichen Sicht der Auftrag an mich den Aufträgen der Bundeswehr und der Polizei. Es ist nicht mein Job gute Soldaten und Polizisten zu bilden sondern mündige Menschen, die selbst entscheiden können, was sie möchten und wo sie in dieser Welt stehen. Wenn sie sich dann aus freiem Willen für einen Dienst in diesen Organisationen entscheiden, dann sei dem so, aber lasse nicht zu, dass diese Organisationen als Arbeitgeber auftreten, dabei sind sie eben keine normalen Arbeitgeber.

Kommentar zu „Schule gibt Verweis für Bundeswehrablehnung“

Twitter spülte mir heute eine mittlerweile depublizierte Meldung der jungen Welt in den Stream. Hierbei geht es um einen jungen Mann, der an einer bayerischen Wirtschaftsschule ein eher ungewöhnliches Erlebnis hatte, nachdem er sich kritisch gegenüber der Bundeswehr positionierte.

Hinweis: Ich schreibe hier das nieder, woran ich mich noch aus dem Artikel erinnern kann. Korrekturen zu Details sind erwünscht, sie machen einen Unterschied in der Bewertung aus.

Ich setze mich erst einmal mit der schulrechtlichen Seite auseinander, bevor ich etwas zum Konflikt sage, der da ausgefochten wird und wie man damit aus meiner Sicht umgehen sollte.

Schulrechtliches

Der 17-jährige Schüler gab an, dass er als Mitglied der Organisation VVN-BdA während der Berufsbildungstage der Schule einen von dieser Organisation betreuten Infostand gegen die da auch anwesende Bundeswehr mitorganisiert und in der Pause besucht hat. Als er dann wieder auf das Schulgelände wollte, wurde er von den drei Hausmeistern des Schulzentrums ((Es sind eigentlich zwei Schulen in einem Haus…)) aufgehalten und verdächtigt, Sticker mit politischen Inhalten geholt zu haben um diese im Schulhaus anzubringen. Sie wollten ihn und seinen Rucksack durchsuchen und nachdem er das verweigerte wurde die Polizei geholt, die allerdings keinen Grund sah aktiv zu werden.

Hierzu sind erst einmal mehrere Sachen zu sagen. Die grundlegende Frage ist, ob der Schüler überhaupt das Schulgelände hätte verlassen dürfen. Dies ist nämlich minderjährigen Schülern nicht immer erlaubt. Die Regelung trifft aber die Schule. Die Durchsuchung ist allerdings auch widerrechtlich, denn dazu haben Hausmeister natürlich keine Befugnis. Nicht einmal Schuldirektoren haben das so ohne weiteres. Allerdings haben beide Hausrecht in der Schule und können somit den Schüler vor die Tür setzen. Das Anbringen und Verteilen von politischer Propaganda in Schulen ist tatsächlich strafbar, genauso wie es Sachbeschädigung an sich auch ist. Dem sollte man sich fügen, sonst begeht man Hausfriedensbruch.

Der Schüler wurde dann am nächsten Tag ins Direktorat gebeten und bekam erklärt, dass sich die Lehrer von ihm in „Diskussionen überwältigt fühlten“ und er deswegen einen verschärften Verweis erhält und gefälligst nicht mehr solche linken Ideen verbreiten soll. Der Verweis sei wie eine Androhung der Schulentlassung zu werten und er kommt nur deshalb nicht vor den Disziplinarausschuss weil seine Mutter auch schon da Schülerin war. Der Schüler wurde im Laufe dieser Unterhaltung vom Direktor wie auch den Hausmeistern noch einmal unter Druck gesetzt.

Also, da sind ein paar schöne Sachen drin. Denn was die Schule da macht ist ein alter Trick, aber leider schön justiziabel. Also, ein verschärfter Verweis ist eine Ordnungsmaßnahme und eigentlich Verweis, den der Direktor unterschreibt. Er ist aber mitnichten eine Androhung der Schulentlassung. Diese kann nämlich Laut Art. 86 BayEUG nur die Lehrerkonferenz aussprechen und diese ist erst nach einer Ankündigung mit Wochenfrist entscheidungsfähig und wird meist zuvor durch den Disziplinarausschuss vertreten, beide sind hier nicht eingeschritten. Der Schüler wird also mit Chimären bedroht. Ordnungsmaßnahmen wie Verweise bauen auch nicht aufeinander auf, also ist der Verweis einfach nur ein Zettel, den der Direktor unterschrieben hat. Aber man kann es ja mal probieren. Der Schüler berichtete, dass auch die Noten in Sport eingebrochen seien. Das ist scheißegal, die sind nicht relevant für irgendetwas auch nicht sein Bewerbungszeugnis. Spannend ist übrigens auch, was auf dem Verweis als Begründung stand. Schülern steht zwar Meinungsfreiheit (Art. 56 BayEUG) zu, allerdings nicht, wenn sie als politische Werbung gesehen werden kann (Art.85 BayEUG). Ich denke nicht, dass es bei dem Verhalten des Schülers um letzteres gehandelt haben kann. Es wirkt eher so, als wollte man einen Störenfried loswerden und bedrängen.

Der Schüler berichtete dann noch, dass auch die Klassenleiterin ihm Redeverbot erteilt hätte im Unterricht wie in den Pausen, weil er seine Schüler argumentativ überwältige und indoktriniere.

Generell halte ich es für ein Armutszeugnis, wenn Lehrer Angst haben von Schülern argumentativ überwältigt zu werden. Falls es einem dennoch passiert hat man genug Autorität des Amtes um den Schüler doch niederzuknüppeln. Aber ehrlich: man sollte in der Lage sein, einem kleinen Linken die Butter vom Brot zu nehmen. Bei anderen Schülern sieht das etwas anders aus. Dort sollte die Schule im Zweifel schützend eingreifen, aber das geht wohl am besten in dem man das Problem im Unterricht thematisiert und nicht in dem man Zettel ausstellt.

Der politische Konflikt

Und da sind wir auch bei der letzten Teil. Der Konflikt, der hier dahinter steht, ist auch eine Betrachtung wert. Da gibt es auf der einen Seite eine Bundeswehr, die um Soldaten werben muss und das schon seit Jahr und Tag mit dem Verbrechen hochwertiger Berufsausbildung und dem gleichzeitigen Verschweigen der Tatsache macht, dass man bei dieser erschossen werden kann und Leute erschießt. Auf der anderen Seite gibt es eine Gruppe von Menschen im politisch linken Spektrum, die die Bundeswehr als eines der größten Übel der Welt sehen, weil Armeen schießen und sind böse. In diesem Bereich gibt es auch viele junge Menschen, die sich mit linker Ideologie vollpumpen und pseudophilosophische Parolen daherquatschen ohne den Überbau ihrer Philosophie tatsächlich zu kennen und erfasst zu haben. Diese Schüler kenne ich auch, sie rennen meist in ein scharfes Messer, wenn sie das erste Mal versuchen mit mir über Sachen zu diskutieren, die sie eigentlich nicht verstehen, sondern nur auswendig gelernt haben. Diese jungen Leute sind auch Fans von Aktionismus und ihre verschrobene Weltsicht muss man auffangen und im Diskurs zum Denken anregen. Das Mundtotmachen von Menschen mit radikaleren Ansichten ist kontraproduktiv. Diese fühlen sich schon unterdrückt, da hilft es nicht, wenn man das bestätigt, schon gar nicht, wenn man sich nicht einmal grenzwertig an das geltende Recht dabei hält.

Blogstöckchen

Jetzt kriege ich schon Kettenbriefe… dieser ist von moepern und weil ich gerade Zeit habe und noch etwas verprokrastinieren will, mache ich das gleich.

Wie lang waren deine Haare, als du 17 warst?

Ca. 16 mm… Jedenfalls hatte ich sie mir damals immer auf die Länge schneiden lassen. Es gibt da ein furchtbares Führerscheinfoto von, das ich immer gern zeige, da ich heutzutage eher so um 30cm+ Haarlänge habe.

Wann (Alter) und warum hast du dich entschieden, das zu studieren, was du studiert hast?

Das fragt mich ansonsten immer keiner. Ich bin mit 18, wie damals noch üblich zum Zivildienst gegangen und hatte vorher keine richtige Idee, was es werden soll. Während des Zivildienstes habe ich dann festgestellt, dass ich anscheinend an jeden Patienten irgendwann herangekommen bin. Selbst an den, der mich locker ein-zwei Monate total scheiße fand. Deswegen habe ich mich entschlossen Lehramt zu studieren und es ist erstaunlich, aber ich schaffe es heute noch an Leute ranzukommen, bei denen der Rest eher mit den Schultern zuckt. Ich hatte damals auch Schulpsychologie auf dem Zettel und bin sehr froh das nicht studiert zu haben. Ich denke nicht, dass ich diesen Job lange hätte machen können.

Bist du Arbeiterkind, Akademikerkind, Mixed oder was anderes?

Ich bin das, was man ein Arbeiterkind nennen kann. Da ich aus dem Osten dieses schönen Landes komme, war ich also Mitten im Durchschnitt.

Hat das Auswirkungen auf dein Benehmen anderen gegenüber oder bist du “Habituschamäleon”?

Ja hat es, aber mehr in der Art, dass ich mich in meinem eigenen Habitus unwohl fühle, obwohl ich ihn eigentlich gut ausfülle. Dazu ist dieser Lehrerhabitus sehr eng, wenn man ihn ernst nimmt. Ich habe eher ein Problem damit, dass ich bestimmte Sachen tun kann und sie nicht tue, obwohl ich wahlweise das Recht oder den Anspruch dazu habe. Ich fühle immer, dass das nicht gerecht ist, obwohl ich einen Vorteil davon hab.

Republica oder CCC? Oder beides? Oder keines?

Definitiv der Chaos Communication Congress. Die re:publica liegt nicht nur zeitlich absolut unmöglich für mich, sie ist auch zu hipsterig, damit ich mich da wohlfühle. Der C3 wiederum ist eher mein Ding. Mein Hackerspace fährt schon seit Jahren hin und vielleicht(!) werde ich dieses Jahr auch da sein.