Tell me your story.

Ich mag es durch die Gegend zu laufen und mich aktiv umzusehen. Aktives Umsehen bringt einem nicht nur die eine oder andere Fotoidee und damit etwas für eines meiner Dauerprojekte, sondern auch Impulse zum nachdenken. Eines davon kommt von Menschen, die man so auf der Strasse sieht. Und das können alle möglichen Leute sein: von jungen Müttern, die mit abgehetzt an der Kasse des Supermarkts stehen und mit einem quengelnden Kind über alte Damen in Pelzmänteln, denen das Kleingeld für die Butter fehlt, bis zum genervten Busfahrer, bei allen frage ich mich regelmäßig, was ihre Geschichte ist.

Und eigentlich wäre es ziemlich einfach, sich Zeit zu nehmen und mit diesen Menschen zu reden. Einfach mal hinstellen und interessiert und respektvoll nachfragen. Seine Geschichte zu teilen, macht viele Menschen glücklich, denn sie fühlen sich wertgeschätzt. Doch dafür hat man wenig Zeit. Ich mache das öfter bei meinen Schülern, dass ich mir von denen erzählen lasse, wie ihr Leben so ist. Doch mit Leuten auf der Strasse klappt das nur selten und wenn dann ist mir nicht wichtig, die Geschichte zu personalisieren. Die Geschichte ist wichtig erzählt zu werden, aber wir brauchen nicht die Person für die Geschichte.

Denn die Person ist den Lesern doch eh scheißegal. Sie steht für uns selbst, damit wir uns etwas begreiflich machen können, das uns total fremd ist. Also brauchen wir doch nicht Person, die die Geschichte erlebt hat, da hinzustellen. Die Geschichte spricht für sich und wir sprechen aus der Reaktion auf die Geschichte. Es ist sogar fragwürdig, ob es wirklich ethisch vertretbar ist, immer die Person hervorzuzerren, die eine meist eher bedrückende Geschichte erlebt hat. Vor allem, damit man dann das Thema am Ende eh verallgemeinert und damit klar macht, dass es jeden betreffen kann und bevorzugt etwas ist, worüber man „schon immer mal schreiben wollte“.

Dabei bleibt am Ende die Person und ihre Geschichte auf der Strecke. Aus einem Menschen, der an sich interessant ist mit seiner Geschichte, wurde ein Abziehbild gemacht. Deswegen sind die Geschichten wichtig, aber nicht, wer sie erzählt. Denn die Geschichte lässt uns etwas fremdes erfahren, aber nur wenn sie für sich steht und nicht Mittel für eine Geschichte wird, die jemand anders erzählen wollte.

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