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Drei Akkorde und die Wahrheit

Irgendwie muss jeder so seine Position in der Welt finden…

Ich hatte vor einiger Zeit ein Gespräch in dem jemand zu mir sagte:

Ich hab gemerkt, dass ich hier nichts verändern kann, also habe ich mich damit arrangiert.

Die Idee, dass man sich gerade in Berufen wie meinem einrichtet, alles am Arsch vorbei gehen und sich diesen dann auch schön versilbern lässt, ist nicht selten. Immerhin kann man am System eh nichts ändern und es geht ja auch um nichts… außer der Bildung unserer Kinder und Jugendlichen. Aber natürlich man wird langsam müde immer wieder gegen die willfährigen Erfüllungsgehilfen und Problemseher anzutreten, die Chancenaversität für Risikovermeidung halten und bei denen Strukturkonservativismus zur Ideologie und zum Selbstzweck geworden ist. Die Menschen leben in einer Welt, in der das Laufen des Systems gleichgesetzt wird mit seiner Sinnhaftigkeit. Es würde das ja alles nicht geben, wenn es notwendig wäre. Die Systemfrage, darf hier im übrigen nicht gestellt werden, weil nicht nur die Selbstdefinition der Vertreter, sondern auch deren Geldbeutel direkt an diesem hängt. ((Da sein mal angemerkt, dass die modernen Verwaltungen gerne politisch neoliberal-kalte Entscheidungen treffen, zu sich selbst aber mehr als freundlich sind, wenn es darum geht die eigene Leistung finanziell zu würdigen.)) Es zeigt sich also mal wieder, dass niemand bereit ist Sachen zu wissen, wenn ihr Gehaltscheck vom Nichtwissen derselben abhängt.

Das System und seine Vertreter wehren sich also gegen Widerspruch. Vor allem, wenn dieser aus den eigenen Reihen kommt, wird oft mit Erstaunen reagiert. Immerhin wähnt man den Kollegen doch als qua Amt und Aufgabe ideologisch gleichgeschaltet. Und wenn nicht, dann hat meist die Ausbildung versagt. Unbequeme Ideen werden an den Rand gedrängt und das System wehrt sich gegen den Störfaktor. Bevorzugt versucht man der Person, die nicht auf der wahrgenommenen Linie ist klar zu machen, dass mit ihr etwas nicht stimmt, wenn sie nicht diese Ansichten vertritt. Eine Strategie, die gerade bei denjenigen verbreitet ist, die in ihrer angeblichen Offenheit besonders engstirnig sind. ((Sonderekelpunkte gibt es für die Leute, die glauben, dass sie dank irgendeiner pädagogischen oder psychologischen Ausbildung befähigt seien alles neutral und objektiv zu sehen und deswegen den Fehler grundsätzlich immer nur beim Gegenüber zu suchen haben. Diese Art anderen Motive zu unterstellen, die man eigentlich nur bei sich selbst findet, ist nur ekelhaft sondern auch der Anfang von Gehirnwäschen und Gleichschaltung. Die perfide Idee, dass abweichende Meinung ein Indiz für abweichende Persönlichkeit ist, ist gerade unter Menschen im Bildungssystem immer noch zu sehr vorhanden. Weder die moderne Psychologie, noch ein einfacher menschlicher Ethos können diesen Standpunkt noch rechtfertigen.))

Die Frage allerdings ist, was bedeutet das für einen selbst? Das ist schwierig zu sagen. Soll man, wie oben zitiert, sich arrangieren? Vielleicht. Allerdings kann man sich auch einfach nur seine Kämpfe aussuchen und damit mehr Energie für diejenigen haben, die einem wichtig sind. Soll man dauerhaft blockieren und zum enfant terrible werden, mit dem keiner mehr redet? Sicherlich nicht. Man möchte ja am Ende der bessere Mensch sein. Also ist es besser zu warten, bis die andere Seite sich entlarvt in dem sie einem den Dialog unter unbegründeten Vorwürfen kündigt. Dialogbereitschaft unter Nicht-aufgeben der grundlegenden eigenen Position macht in der merkelisierten Welt der Verhandelbarkeit von allem die Gegenseite nahezu kirre. Natürlich ist man erst einmal dem anderen ausgeliefert, weil dieser mehr Spielraum und weniger Prinzipien hat, aber dann hat die Person gegenüber die Räume geöffnet, und man selbst kann in diese auch eintreten und zum eigenen Gunsten verhandeln. Selbst unsere Bundeskanzlerin hat no-gos und sowas tut dann im Zweifel genau diesen Leuten auch weh. Dazu sollte man nie vergessen, dass sich jedes System hacken lässt, wenn man nur seine Regeln kennt…

Wenn man also etwas in einem System verändern möchte, dann hilft es am Ende eben nicht allein, „drei Akkorde und die Wahrheit“ zu haben, wie das der Punk predigt. Natürlich braucht man Haltung, die man aus meiner Sicht dringend besitzen wie die Bereitschaft zum Stellen der Systemfrage immer haben sollte, aber man sollte sich auch überlegen welche Kämpfe man kämpft und mit wem man es da zu tun hat. Wenn man schon für seine Überzeugungen aufsteht, sollte es eine gewisse Gewinnwahrscheinlichkeit geben. Denn sonst ist man heldenhaft für nichts gestorben…

Machen wir 2015 zum Jahr der Empathie!

Ich habe vor ein paar Tagen mit Holgi über das Phänomen PEGIDA geredet. Im Nachgang und vor allem im Lesen des einen oder anderen Kommentars fiel mir auf, dass das grundlegende Problem Empathie zu sein scheint. Empathie nicht nur für diejenigen gegen die PEGIDA demonstrieren sondern auch diejenigen, die da als PEGIDA demonstrieren. Im Zentrum des ganzen Problems steht das Missverstehen der Protestierenden für die Fremden und das Missverstehen der Gesellschaft für den Protest und die Sorgen, die da verbalisiert werden.

Soundso muss man sagen, dass Empathie an vielen Stellen in diesem vergangenen Jahr 2014 eine vermisste Eigenschaft und Einstellung war. Der Netzfeminismus kippte durch mangelnde Empathie jeder Seite in ein verlorenes Thema. Das Wort Putinversteher wurde zum Schimpfwort für Menschen, die eine zweite Sichtweise zur sozial erwünschten Meinung gegenüber Russland einnehmen. Armut als Schicksal empfängt bis heute keine Empathie, genausowenig wie die Flüchtlinge aus Bürgerkriegen und anderen Nöten in Afrika, die auf rostigen Kübeln übers Mittelmeer tuckern und dabei fast ertrinken. Aber selbst an den kleinen Stellen fehlt die Empathie, unter meinen Schülern, unter vielen Mitmenschen, es wird wenig daran gedacht, wie der andere denkt, es wird die eigene Weltsicht als absolut hingenommen. Meinungen können sich unterscheiden, aber man sollte in der Lage sein, die Meinung des anderen nachvollziehen zu können. Das fehlte immer wieder stark.

Deswegen rufe ich jetzt hier auf meiner persönlichen Bierkiste dazu auf, dass 2015 das Jahr der Empathie werden soll. Und das ist auch ganz einfach. Egal wie sehr man die Position der anderen Person ablehnt, versucht zu verstehen woher sie kommt. Denn dann kann man zum einen miteinander in Diskurs treten und zum anderen auch erfahren, inwiefern man wirklich allein steht mit seiner Weltsicht und welche strukturellen Probleme hinter den Aussagen des Gegenübers steht. Also lasst uns versuchen 2015 zum Jahr der Empathie zu machen. Das macht das Anpacken vieler Probleme erst möglich.

Von Molchen und Lurchen…

Die Behandlung der Menschen als Molche und Lurche führt dazu, daß sie sich wie Molche und Lurche verhalten. (Th. W. Adorno)

Es gibt ein Phänomen, das mir immer wieder und immer häufiger im Schulalltag begegnet. Es gibt junge Menschen, die da vor einem sitzen und nicht in der Lage sind eigenständig Entscheidungen zu treffen oder aber eigenständig zu handeln. Nun könnte man sagen, dass das damit zusammenhängt, dass die jungen Leute von heute halt keine Interessen mehr haben und soundso total verblödet sind. Das ist aber nicht der Fall. Intelligenz ist generell gaußverteilt und damit sind die meisten Leute auch schlau genug abwägende Entscheidungen zu treffen und eigenständig zu handeln. Die Frage ist also, warum es die Menschen, die sich im Schulsystem befinden nicht tun.

Mangelndes Wissen

Gut, das sollte bei Schülerinnen und Schülern eigentlich keine überraschen und es ist auch kein Problem, wenn die Kinder irgendwie zehn oder auch fünfzehn Jahre alt sind und am Anfang oder auch in der Mitte ihrer Schulerfahrung stehen. Kritisch wird es wenn die Schülerinnen und Schüler nahezu oder schon erwachsen sind. Dann muss man sich die Frage stellen, warum am Ende der Schullaufbahn so wenig Wissen über die Welt hat, dass einem die meisten Konzepte fremd sind. Eigentlich sollte da ja erwartet werden, dass die Leute zum einen umfangreiches Wissen durch Schule und auch Lebenserfahrung durch, nunja, Leben erworben haben.

Ich habe ehrlich gesagt keine belastbare Ahnung, woher dieses Phänomen kommt, aber ich habe ein paar Hinweise entdeckt, die mir plausibel erscheinen. Zum ersten ist Wissen an sich in der Schule eine Massenware, die zu behalten a) schwierig ist und b) strukturell nicht forciert wird. Stattdessen wird das schnelle Auswändiglernen und Wiedergeben belohnt und es wird da auch gern leicht gemacht in dem die Strukturen der Leistungstests vom auswändiggelernten Inhalt meist nicht unterschiedlich sind und keine praxisorientierten Kriterien entsprechen. Ein Beispiel hier wäre das Abfragen von Vokabeln deutsch-englisch nach Listen. Ein Lückentext mit dem Kontextualisierung geübt werden muss ist sinnvoller. Zum zweiten nimmt Schule einen sehr großen Teil des Lebens von Schülerinnen und Schülern ein, ist aber gleichzeitig nicht relevant für die Realität in der sich die Kinder und Jugendlichen befinden. Soziale und technische Neuerungen erreichen die Schule meist mit mindestens zehn bis zwanzig Jahren Verzögerung und Lehrerpläne sowie Schulstrukturen halten nicht dazu an relevante aktuelle Themen und Denkweisen in den Unterricht einfließen zu lassen. Moderne Einflüsse sind das Vorrecht der jungen Lehrergeneration und die wird dafür auch gerne mal belächelt.

Erlernte Hilflosigkeit und Angst

Ein anderes Phänomen findet sich ziemlich nachweisbar. Schülerinnen und Schüler geben ungern Meinungen von sich, da sie glauben, dass die Lehrkraft sie für diese Meinungen bestraft, wenn sie nicht der Meinung der Lehrkraft sind. Dazu fehlt auch, dass da auch das Hintergrundwissen über die Gesellschaft und die Welt fehlen. Also genau das, was man den jungen Menschen beibringen möchte, ist nicht vorhanden und man es zur Basis für einen Test macht, dann sind die Schülerinnen und Schüler aufgeschmissen, weil Wissen schlecht verankert ist und Weltwissen eigentlich nicht stattfindet. Das schafft natürlich Angst, zum einen ist eine Meinung schwer zu bepunkten und damit für den notenorientierten Menschen in der Schule ein Horror, zum anderen benötigt sie eine hohe kognitive Leistung, die normalerweise gar nicht gefordert wird. Da reicht das Auswendiglernen von Inhalten aus. Das kann dann auch gleich anständig vergessen werden. Dementsprechend ist die Hilflosigkeit der Schülerinnen und Schüler groß. Doch sie wird eigentlich nur in den Strukturen der Schulen so erlernt. Es wird mit bester operanter Konditionierung dafür gesorgt, dass eigenständiges Mitdenken kaum eine Rolle spielt. ((Wer jetzt glaubt, dass das an Gymnasien sicher besser ist als an Hauptschulen, hat nur teilweise recht. Es ist besser, aber nicht so sehr wie man sich das denkt.))

Aus den Strukturen des Lernens an Schulen entsteht also erlernte Hilflosigkeit und (Existenz-)ängste, die aus Menschen, die alle Möglichkeiten ihrer Entwicklung erst einmal haben, willfährige Ausführungsroboter, die weder für eine komplexe moderne Welt noch die, darunter liegenden, Anforderungen der Wirtschaft geeignet und generell keine Menschen, die diese Gesellschaft weiter bringen. Dafür aber Leute, die sich scheuen Entscheidungen zu treffen und die es nicht gewohnt sind, diese Entscheidungen auch zu begründen. Dazu werden sie nicht nur nicht gebracht, es wird ihnen sogar aktiv abgewöhnt. Die hierarchische Struktur der Schule führt eben dazu, dass das was die moderne Wirtschaft möchte und ein demokratischer Staat dringend braucht: offene, flexible und entscheidungsfreudige Menschen, eben nicht durch Schule geschaffen, sondern verhindert werden.

Die Geschichte mit dem Strandbuggy

Ich fand diese Geschichte in Double Share aus den Trader Tales von Nathan Lowell. Der Kontext ist, dass der Protagonist der Geschichte von seinen Untergebenen gefragt wird, ob sie in einer anderen Abteilung helfen sollten und dabei kommt die Frage auf, ob es fair ist, wenn man sich extra Arbeit macht und andere davon dann einen Vorteil haben. Das Gedankenexperiment, das dann gegeben wird ist einfach sehr einleuchtend.

Gegeben ist, dass jemand ein Wagen mieten muss, um zu seinem Hotel am Strand zu kommen. Diese Person bezahlt den Wagen und zwar vollständig, weil sie ihn ja benutzen will. Was ist nun, wenn eine zweite, ihr bekannte Person auch zum Strand möchte? Die zweite Person mag vielleicht anbieten sich an den Spritkosten zu beteiligen oder ähnliches. Man wird sich sicher einig, denn man will ja zum Strand. Ist das fair? Sicher. Ist es auch fair, wenn die andere Person nichts dazuzahlt? Müssen tut sie nämlich nicht. Es sieht zwar so aus, als wäre es besonders großzügig, wenn man die andere Person mitnimmt, aber man hat den Strandbuggy eh schon bezahlt und die Fahrt mit mehr Leuten ist nicht nur umweltfreundlicher sondern hat im Zweifel sogar einen Mehrwert für sich. Wenn jemand die Spritkosten mitträgt, ist das schön, aber man fährt eh in die selbe Richtung.

Der Jahresrückblick 2013

Das Jahr geht zuende und was darf da nicht fehlen, genau der Jahresrückblick. Da es hier im Blog ja eher um das Denken über die Welt geht, wird es der Jahresrückblick der Konzepte.

Schock oder Sicherheit

Die Welt war 2013 im Schock. Also mit Welt meine ich natürliche die westliche Welt ((Der Rest hat seine Verwandten unter eingestürzten Nähereien, in zerstörten Städten und den Überresten von Kriegsgebieten gesucht, versucht etwas zu essen zu haben oder schlicht zu überleben.)) und Schock war in manchen Bereichen der Gesellschaft eher so das Pokerface, das die endgültige Sicherheit ausdrückt, das unsere Bürgerrechte oder auch Menschenrechte den Herrschenden und vor allem ihren nahezu autonomen Untergebenen scheißegal sind. Hier dann natürlich besonders, wenn es sich um Herrschende anderer Staaten handelt. Erst war die Bevölkerung schockiert, dass sie jenseits der freiwilligen Herausgabe aller Daten an Facebook und Google diese in Kopie auch noch einmal bei der NSA abgeben, dann war die Regierung schockiert, dass sie wie ein Bürger behandelt wird.

Stasis

Es bleibt 2013 auch vieles, wie es war. Die Bevölkerung hat ihr Interesse an Stasis eindeutig in verschiedenen Wahlen Ausdruck verliehen und die Regierung ist dem mit dem neuen Koalitionsvertrag nachgekommen. Die SPD hat uns mal wieder verraten und die Verachtung der Regierenden für die Bevölkerung ist genauso groß wie vorher und wir dürfen erwarten, dass keinerlei der immanenten Probleme gelöst oder aber auch nur erkannt werden. Damit bleibt dann auch die Erwartung, dass die Politikerverdrossenheit weiter mit dem revolutionären Potenzial steigt. Blieb also alles beim Alten.

Empörung

Gerade im Internet, aber auch in den Mainstreammedien, hat die Tendenz zur Empörung zugenommen. Die sozialen Medien haben sich als Ort der Empörung (twitter) und als Quelle der Empörung (Facebook) etabliert. Die extremen alternativen Positionen haben sich alle fröhlich eingemauert und sind für Argumente nicht mehr zugänglich. Der gesellschaftliche Fortschritt wird dem Aufregen über die Position des jeweils anderen geopfert. Denn die Welt hinter meinen Augen ist wichtiger als das Schicksal der Welt auf deren Existenz wir uns geeinigt haben.

Tidbits

Hier noch die kleinen und großen Fakten, die man für 2013 nicht vergessen sollte.

  • Die Menschheit hat ihr Potenzial nicht ausgeschöpft.
  • Politischer Protest wird Mainstream.
  • Es hören mehr Menschen bei Omniakonzerten auch auf die Ansagen.
  • Russland ist definitiv keine Demokratie mehr.
  • Die USA haben noch die Wahl, ob sie wieder eine werden.
  • Deutschland ist verzweifelt, dass das Grundgesetz eine Abschaffung der Demokratie verbietet.
  • Shopping Queen ist die Sendung des Jahres.
  • Auch im deutschen Fernsehen wird jetzt gebacken.
  • Markus Lanz macht immer noch Wetten Dass?!
  • Die Presselandschaft ist trotz Leistungsschutzrecht am Sterben.
  • Im Pazifik schwimmt immer noch ein Floß aus Plastikmüll.
  • Fukushima schmilzt immer noch vor sich hin.

Für eine bessere Welt!

Nachdem es hier bisher ja darum ging die Romantik in dieser Welt darzustellen und zu dekonstruieren und aufzuzeigen, warum sie eine schlechte Idee ist, muss sich ja dann die Frage danach gestellt werden, wie wir diese Gesellschaft weiterbekommen, wenn es durch romantische Verklärung und den daraus resultierenden Zwang nicht wirklich möglich ist. Wie kann also eine Einstellung zur Welt aussehen, die positive Effekte hat, aber nicht dogmatisch oder unterdrückend ist oder in ihren Resultaten wird.

Egal um welche Facette des Sozialen oder Politischen es sich handelt, wenn man eine positive Veränderung möchte, dann braucht es mehrere Komponenten. Ein paar davon sind eher trocken, ein paar sind hier natürlich von meiner persönlichen Philosophie geprägt. ((Die schreibe ich irgendwann mal auf. Oder auch nicht…)) Also fangen wir mal vorne an.

Fakten

Es klingt jetzt irgendwie banal, wird aber in der medienverseuchten Postmoderne immer wichtiger, dass man wirklich die Fakten überprüft, soweit man es kann und sich auch bewusst ist, wenn man es nicht kann. Dazu sollte man gegenüber allen Quellen einen gewissen Grundsatzskeptizismus hegen und noch einmal mehr gegenüber welchen, die man nicht überprüfen kann und die offensichtlich eine Agenda haben. ((Beispiel: Das Innenministerium und die Terrorabwehr.)) Dazu sollten man immer versuchen alle Fakten zu haben oder sich wiederum bewusst sein, dass man diese eben nicht hat. Bevor man sich mit einem Problem beschäftigt muss man Fakten über dieses Problem haben, sonst wird es nur Gequatsche oder postmoderner Werteeinheitsbrei, bei dem man sich wahlweise aufgrund religiöser Tendenzen die Gurgeln rausreißt oder sich bestätigt, dass ja der andere genauso viel recht hat und man ja total tolerant ist. ((Also so tut, als würde man sich nicht gegenseitig die Gurgeln rausreißen wollen.))

Konsistenz

Ist das mit den Fakten geregelt, muss man diese bewerten. Das kann man eigentlich nach jeder Philosophie machen und das ist auch legitim, allerdings sollte man tatsächlich eine konsistente Argumentation aufbauen und sich die Frage stellen, ob das, was man da erzählt überhaupt noch mit den Fakten und vor allem mit dem restlichen Weltbild, was man so gerade zur Bewertung verwenden will, übereinstimmt. Egal, worum es geht, es wird nicht besser, wenn man sich selbst lieber und den anderen ein Märchen erzählt, das man dringend glauben will, aber das eben nicht stimmt. Gerade persönliche kognitive Dissonanz führt oft dazu, dass man eben die falsche Entscheidung trifft, weil man nicht einsieht, dass die eigenen Wünsche eine größere Rolle spielen, als man glaubt. Das ist alles okay, aber Konsistenz bedeutet eben eine Ehrlichkeit gegenüber der Sache und sich selbst und ohne diese wird das mit dem Weltretten nichts. Denn auf Lügen kann keine Strategie aufbauen, die dann belastbar die Welt verbessern kann.

Respekt

Doch, jenseits des eigenen Kopfes gibt es auch noch andere Köpfe und nur weil man Ordnung und eine Perspektive in seinem eigenen Schädel hat, heißt das noch nicht, dass das was man da denkt auch den anderen Leuten einleuchtet. Die Wahrscheinlichkeit, dass es mindestens eine Person gibt, die es genau anders sieht als man selbst. Diese und auch der Rest der Menschen benötigt eines: Respekt. Man muss den Standpunkt anderer Menschen nicht nachvollziehen können, obwohl das definitiv sehr hilft, aber man sollte ihn immer respektieren. Dabei ist die respektloseste Handlung gegenüber einem intellektuellen Gegner ihn mit eigenen Kampfbegriffen zu überziehen und a priori zu stereotypisieren. Respekt ist hier eine der wichtigsten Komponenten. Wir können nur zu einer möglichst idealen Einigung über ein Problem kommen, wenn sich jeder respektiert fühlt, denn nur dann kann man auch davon ausgehen, dass der Konsens zwischen allen Parteien tragfähig ist. Gegenseitige Vorwürfe und Zwang führen dazu, dass das beste Konzept zur Weltrettung nicht angewendet wird, weil die Mauer des Sozialen dazwischen steht. Wollen wir hier Probleme lösen, dann hilft es nicht die Menschen, die andere Ideen über die Lösung haben von vorneherein gegen uns und unsere Position aufzubringen.

Klare und einfache Sprache

Wenn man möchte, dass die ideale Weltrettungsidee, die wir auf Fakten hrausgefunden haben, konsistent begründen können und die von allen anderen als valide respektiert wird, auch irgendwie eine Wirkung bekommt, dann muss man sie so verpacken, dass sie jeder Depp und sein Bruder und im Zweifel dessen Hundesitterin versteht. Also kann man nicht irgendwelchen hochgestochenen überdefinierten Wissenschaftsdiskursen ankommen. ((Jedes Mal, wenn jemand auf twitter von einem wichtigen Diskurs redet, tötet Gott ein Kätzchen aus Frust darüber, dass irgendwelche Sesselfurzer angeblich tolle Gedanken im Lehnstuhl haben, aber anstatt zu handeln lieber quatschen.)) Es muss klar und einfach auch an den letzten Mann und die letzte Frau gebracht werden. Dabei geht es dann auch wieder um Respekt gegenüber dem jeweils anderen Menschen. Denn wenn ich ihn respektiere, dann ist er mir eine Erklärung wert, die er auch versteht.

In diesen Bereich gehört auch das Vermeiden von Diskussionsskripten und ähnlichen rhetorischen Tricks. Zum einen sind wir hier wieder beim Respekt angekommen, zum anderen bedeutet das Verwenden solcher Tricks, dass das mit den Fakten und der Konsistenz nicht stattgefunden hat. Wenn ich nämlich meinen Punkt anständig machen kann, dann brauche ich keine rhetorischen Tricks. ((Mit dem Gedanken mal ’ne Rede von irgendeinem Großpolitiker außer Gysi und Ströbele schauen. Die beiden glauben 100% was sie da erzählen.))

Eine Subkategorie dieser Skripte muss ich hier auch noch erwähnen. ((Weil mir davon besonders schlecht wird.)) Gerne wird versucht mit Hilfe emotionaler Wendungen Argumente zu gewinnen. Die Bochumer Arbeitsgruppe für sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung hat in ihrem famosen Arbeitspapier 5 einige Varianten dieser Struktur dargestellt:

Der um den anderen besorgte Menschenfreund

  • „Wie kannst du nur mit diesen Gedanken glücklich sein?“
  • „Wie kannst du überhaupt mit diesen Gedanken leben?“
  • „Da mußt du doch mit verzweifeln!“
  • „Das du überhaupt noch ruhig schlafen kannst!“
  • „Du bist ein armes Schwein, wenn du solche Gedanken hast!“

Erklärung: Wie in anderen Skripten wird hier personalisiert, gleichzeitig dabei aber großes Verständnis für A gezeigt. B erscheint geradezu menschenfreundlich. B unterstellt mit seinem/ihrem Skript der anderen Person Gefühle, die diese eigentlich haben müßte (wenn er/sie nur ehrlich wäre und es zugeben würde etc.). A’s Gedanken sind nicht vereinbar mit einem stimmigen und zufriedenen Leben. B macht mit seinem/ihrem Skript auch klar, daß A als Person nicht ganz okay ist, bzw. nicht ganz okay sein kann, da sie solche Gedanken vertritt.

Konsequenzen: B stellt Distanz her, indem er/sie nicht das Thema behandelt, nicht auf das Argument von A ein- geht, sondern, scheinbar außenstehend, die Person in ihrem So-Sein und in ihrer Welt betrachtet. B erscheint als externer Psycho-Päda-Therapie-Gucker bzw. als durchaus einfühlender Menschen- freund, der sich eben augenscheinlich Sorgen um A macht. B wirkt nicht so, als würde er/sie A angreifen.

Coping: Ehrenwerte Copingstrategien scheinen rar zu sein, da A als beratene Person die Haltung von B nicht verändern und auch die Meinung von B nicht entkräften kann. A sollte auf jeden Fall versuchen, die von B vorgenommene Entmündigung zu thematisieren. „Bitte beschäftige dich doch mit meinen Argumenten und nicht mit meiner Psyche!“ „Um meinen psychischen Zustand kümmere ich mich schon, daß brauchst du nicht!“ Eine weitere mögliche Offensive ist: „Du, ich bin ja wohl das beste Beispiel dafür, daß man mit diesen Gedanken wunderbar leben und glücklich sein kann!“

Das letzte Coping gefällt mir besonders gut. Das ist mir schon öfter passiert und ich kann da dann auch nur sagen, dass man hier eigentlich noch mehr mit absurder Intervention draufhauen kann. Ein zweites Beispiel ist mir auch noch wichtig:

eigene Gefühle einbringen

  • „Du ich fühle jetzt, wie ich dir gar nicht mehr zuhören möchte.“
  • „Du ich bin sehr traurig, wenn du so etwas sagst.“
  • „Wissen Sie, das macht mich sehr betroffen, wenn Sie hier einfach sagen, daß…“
  • Auch die Kombination ist möglich: „Du, das macht mich sehr betroffen, wenn ich mir vorstelle, wie du unter deinen Gedanken leiden mußt!“

Erklärung: Es lassen sich zwei Vorgehensweisen unterscheiden:

B bringt eigene Gefühle ein, indem er/sie sich auf den Inhalt oder die Art und Weise des von A Gesagten bezieht.

Eigene Gefühle einbringen und auf den Inhalt beziehen: B gibt zu erkennen, daß der Inhalt von A’s Argument ihn/sie betroffen macht. Gleichzeitig drückt B aus, daß er/sie emotional beteiligt ist und deswegen auch wesentlich authentischer mit dem inhaltlichen Thema umgehen kann (siehe Beispiele 2 und 3)

Eigene Gefühle einbringen und auf die Art und Weise des von A Gesagten beziehen: B versucht durch Einbringen seiner/ihrer Gefühle zu zeigen, daß in Wirklichkeit in der Diskussion etwas schief läuft: so könne dies Thema nicht angemessen behandelt werden, sonst hätten sich ja seine/ihre Gefühle als authentisch-eigentliche Instanz nicht von selbst gemeldet (siehe Beispiel 1)! Sehr wichtig ist natürlich das kulturell definierte Hintergrundstereotyp, daß Gefühle viel wesentli- chere und zuverlässigere Indikatoren für die angemessene Bearbeitung und die richtige Bewertung von Themen sind, als irgendwelcher kopflastiger Schnickschnack.

Auf den Inhalt bezogen ergeben sich folgende Konsequenzen: Da Gefühle das wesentlichere sind, kann B offensichtlich mit dem derzeitigen Inhalt angemessener umgehen als A. Somit erscheint B authentischer, A dagegen hoffnungslos verkopft. Auf die Art und Weise bezogen erreicht B durch das Einbringen seiner/ihrer Gefühle, daß A sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, offensichtlich unnormal und unangemessen mit dem Thema umzugehen.

Coping dürfte sehr, sehr schwierig sein. Natürlich läßt sich auf die Struktur verweisen. Des weiteren steht A vor der Alternative, ob er/sie bei dieser Gefühlseinbringung mitmachen will oder nicht. „Was macht dich denn so traurig?“ „Was stört dich denn genau?“ „O. K., sprechen wir über unsere Gefühle, aber dann sollten wir zum Thema zurückkehren.“

Diese Art des Argumentierens ist, wenn man sich die erste Regel anschaut, die ich dort oben formuliert habe, schon schwierig. Schliesslich soll es um Fakten gehen und diese Art von Kommunikation wischt die Fakten weg. Allerdings ist sie gerade bei den romantischen Vertretern der Weltveränderer sehr beliebt, denn diese fühlen sich meist emotional von einem Problem betroffen. Diese tragen sie dann gerne in den Diskurs und erpressen den Gegenüber emotional mit solchen Skripten. Das führt dann zu einem sozialen Terrorismus durch Menschen, die es nur gut meinen.

Fazit

Wenn wir die Welt verändern wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass diejenigen, die anderer Meinung sind überzeugt werden, aber nicht überwältigt. Denn nur, wenn Menschen sich selbst von einem Standpunkt überzeugt haben, werden sie ihn im Zweifel auch vertreten. Das bedeutet, dass jegliche Art von Zwang kontraproduktiv ist. Die Art wie viele wichtige und moderne Diskurse innerhalb, aber auch außerhalb, des Netzes geführt werden ist also eigentlich der Mittelpunkt der Frage, wie wir eine bessere ((lies: den moralischen und politischen Vorstellungen des Vertreters besser entsprechende)) Welt bekommen. In dem wir die Sache und die Freiheit des Einzelnen ernst nehmen, aber nicht uns selbst und unsere Mission.

Vorsicht vor den guten Menschen…

Nachdem ich mich jetzt schon einmal darüber geäußert habe, dass wir romantische Strömungen in unserer Gesellschaft haben und ich dem Phänomen eher negativ gegenüberstehe, ((Okay, das ist ein reiner Euphemismus. Ich find’s eklig.)) muss ich jetzt auch mal erklären, warum dem so ist. Dazu mache ich hier mal eine kleine philosophische Einteilung auf.

Jedes philosophische System erstellt auch ein Menschenbild. Und diese Menschenbilder zeigen bestimmte Hoffnungen und Annahmen über den Menschen. Das ist schön, aber um das gleich klarzustellen: die sind alle falsch. Oder sie sind alle richtig, sucht es euch aus. Diese Menschenbilder kann man grob in diejenigen unterteilen, die den Menschen positiv und die, die ihn negativ sehen. Ich erkläre das mal an zwei Beispielen.

Thomas Hobbes – Hilfe, wir brauchen einen Diktator

Thomas Hobbes schrieb in seinem Leviathan die erste der politischen Vertragstheorien der Neuzeit. Er plädiert in dem Werk, dass man einen eigenständigen Souverän braucht. Seine Begründung zieht er dabei aus einer Analyse des Menschen im sogenannten Naturzustand dieser fiktive Zustand ist Hobbes‘ Vorstellung für eine ungeregelte menschliche Gesellschaft. Seine Vorstellung ist die einer gewalttätigen unberechenbaren Gesellschaft in der sich der Stärkste jedes Recht nimmt und man in dauerhafter Angst und Unsicherheit lebt. Dafür braucht es dann eben einen regulierenden Staat.

Hobbes ist ein Pessimist und Zyniker. Er erwartet von den Menschen nichts Gutes. Er misstraut ihnen auf Schritt und Tritt und gesteht deswegen einem Gemeinwesen nicht einmal zu, dass es nach der Einsetzung seines Souveräns, des titelgebenden Leviathans, keinen Einfluss mehr auf diesen hat. ((Ob das so eine gute Idee ist, ist eine andere Diskussion.)) Hobbes ist durchgehend skeptisch gegenüber der menschlichen Natur. Das führt allerdings auch dazu, dass er sich für ein politisches System ausspricht, das eigentlich nur das Schlechte im Menschen, das er sieht, reguliert und sich damit zufrieden gibt. Hobbes halt also ein negatives Menschenbild, es führt aber in der Verwirklichung zu einem Staat, der Freiheiten nur einschränkt, damit das Tier in uns die  anderen nicht umbringt. Man sieht hier also, dass ein eher negatives Menschenbild einen zu einer regulierenden Idee über menschliches Zusammenleben führt. Man möchte etwas verbessern, das man als negativ wahr nimmt. Und mehr als diese Verbesserung braucht es meistens nicht. ((Okay, man kann über das Ziel hinausschießen, aber dann landet man automatisch in der anderen Kategorie.))

Karl Marx – Die Hoffnung stirbt zuletzt ((Das tat sie dann ungefähr auf Höhe Stalins.))

Marx hat uns eine Vielzahl philosophischer Ideen hinterlassen. Das Ziel seiner Philosophie ist aber der sogenannte wissenschaftliche Kommunismus. In diesem soll es kurz gesagt dann keine Herrschaft mehr geben. Er begründet seine historisch-kritische Theorie auf einer Wirtschaftsanalyse und zieht damit seinen Kommunismus basierend auf wirtschaftlichen Ideen auf. In diesem zukünftigen Kommunismus soll es aber keine Herrschaft mehr geben. ((Lies: Die Produktionsmittel gehören allen.)) Das bedeutet allerdings auch, dass jeder in der kommunistischen Gesellschaft freiwillig arbeiten muss, damit die Welt weiter läuft. In Marx‘ Ideenwelt machen die Menschen das auch, weil sie erkennen, dass es das Beste für sie ist, wenn sie der Gesellschaft dienen. Diese Idee setzte sich dann im realen Sozialismus Osteuropas erstmal auf irgendeine Art fort. Doch stellte man schnell fest, dass es nicht funktionierte. Die Menschen begannen weniger zu Arbeit zu erledigen, weil sie soundso bezahlt wurden. Keiner tat etwas, was er nicht dringend musste und so musste sich der Staat Anreizmodelle einfallen lassen. Die eine Idee waren die Aktivistenorden in der DDR, also ein positiver Stimulus. Die leiern sich nur leider aus. Deswegen setzte man dazu auch noch auf geheimdienstliche Überwachung und Oppression. ((Die wurde auch eingesetzt um Landflucht vorzubeugen. Immerhin brauchte man die Leute und konnte sich auch nicht vorstellen, warum die überhaupt nicht im Sozialismus leben wollen.))

Hier sieht man, dass ein positives Menschenbild das Problem birgt, dass man oppressiv werden muss, wenn die Menschen sich nicht an die Vorstellungen halten, die man selbst von ihnen hat. Man muss sie also zu ihrem Glück zwingen. Das bedeutet dann auch, dass sie dieses Glück verlieren, denn sie sind in einem totalitären Zwangsstaat. Ein positives Menschenbild führt also langfristig zu Überwachung und Staatsterrorismus.

Vorsicht vor den guten Menschen…

Man kann also sehen, dass Ideale über das menschliche Zusammenleben und ein idealistisches Menschenbild immer dazu führen, dass man Menschen, die sich nicht an diese hohen Standards halten, also einfach Menschen sind, zu ihrem eigenen Glück zwingen muss. Das kollidiert dann mit der Welle an Romantik, die da durch die Welt schwappt. Es gibt also sehr viele Menschen, die sich nach einer heilen Welt sehnen und glauben, dass man die dadurch erreichen kann, dass man andere Menschen dazu auffordert sich entsprechend zu verhalten. Gerade soziale Netzwerke sind ein einfacher Weg sozialen Druck auf Menschen aufzubauen, die das persönliche Romantikempfinden stören oder aber sogar daran zweifeln, dass diese Ansicht eine valide auf der Welt ist. Sie haben also ein negatives Menschenbild und das kann man ja nicht haben. Die Welt soll gut und toll sein, wir sollen uns alle lieb haben und die niederen Teile unseres Wesens überwinden oder unterdrücken.

Doch was ist, wenn die anderen das nicht tun? Dann wird Druck aufgebaut, gerne über die emotionale Schiene und über einen diffusen Moralbegriff. ((Beide zutiefst verabscheuungswürdig.)) Dabei werden essentielle Grundlagen des zwischenmenschlichen Umgangs ignoriert und verletzt. Weder wird auf die Eigenständigkeit des anderen, noch auf sein Recht zu einer eigenen Meinung Rücksicht genommen. Man weiß ja schliesslich selbst, was die bessere Welt wäre. Dazu kommt noch, dass dieses Verhalten einen blind gegenüber den meisten Dimensionen einer multivariaten und komplexen Welt macht. Es ist also auch jenseits absoluter Menschenfeindlichkeit als Problemlösungsstrategie für eine soziale Gruppe eine absolute Katastrophe. Denn der Einzelne ist immer blind gegenüber den Änderungen in der Welt und die einzige Hoffnung ist der Diskurs mit den anderen. Wenn man diesen dann unterdrückt, weil es nicht dem kitschig-romantischen Weltvorstellungen entspricht, endet man im Terrorismus der guten Menschen.

Fazit

Wie die Überschrift sagt: misstraut Menschen, die nur das Gute wollen. Sie sind die Diktatoren von morgen. Sie haben nicht mehr Ahnung, wie die Welt läuft als man selbst und sie haben im Zweifel keine Skrupel ihre Interessen mit sozialer oder sogar körperlicher Gewalt durchzusetzen, denn sie nehmen für sich in Anspruch das richtige und Gute zu tun. Aus einem positiven Menschenbild folgt nämlich immer Terrorismus, ob in sozialen Netzwerken oder an der Spitze von Staaten ist hierbei vollkommen egal.

Discounterleid

Ich kann durchaus verstehen, dass es in dieser Wirtschaft und Welt einen logischen Platz für Discountsupermärkte gibt. Doch ich habe da meine Probleme mit. Es gibt hier so einen großen Discounter bekannten Namens in den ich manchmal mit Freunden gehe und bei dem es mittlerweile legendär ist, dass es mir nach dem Besuch nicht wirklich psychisch gut geht. Das ist leider kein Witz und ich klinge sicher wie ein arrogantes Arschloch mit tierischen first-world problems, aber man möge mir bitte zuhören, bevor man mich shitstormed oder ähnliches. ((Hey, ehrlich? Ich kenne die Zugriffszahlen hier. Den Shitstorm möchte ich sehen… Und wo ihr dabei seid, flattrt mich doch gleich.))

Warum ist das mit dem Discountsupermarkt so ein Problem? Weil hier etliche Sachen, die mich an unserer Welt stören geballt aufeinander treffen, und das in einer Atmosphäre, die an sich schon furchtbar ist. Discountsupermärkte sind ein Sinnbild für die Unmenschlichkeit dieser unserer Welt. Große, künstlich beleuchtete Räume voller Produkte, die aufgrund ihrer Preise schon eine moralisch zweifelhafte Herkunft haben, aufgereiht in engen Gängen, die einen riesigen Überfluss zeigen, den wir nicht brauchen und durch die unterbezahlte Bedienstete, die mit etlichen der Besucher das Schicksal teilen, möglichst preiswerte Produkte kaufen zu müssen, um ihr Überleben zu sichern. Wir haben also den billigen Überfluss für den unsere Welt und die produzierenden Menschen belastet und ausgebeutet werden, der dann an Menschen verkauft wird, die von jemandem anders genauso weit ausgebeutet werden, dass sie sich dieses Zeug kaufen müssen. ((Jaja, auch für ein paar Menschen, die glauben ihren Reichtum durch einen Einkauf hier zu sichern. Es gibt halt auch Arschlöcher in der Welt.))

Und so ist es also, dass der Discountsupermarkt mir nicht nur die Sinne schwummrig macht, weil er wie ein heller Sarg aus Konsum wirkt, er ist auch alles, was an dieser Welt schlecht ist. Der massenhafte Konsum einer aufs Wachsen fixierten Wirtschaft auf Kosten der Menschen und der Natur. Hier ist alles so billig, dass man sich fragt, wie es überhaupt hergestellt werden kann und die Menschen, die hier arbeiten wirken zu oft so, als hätte man ihnen ihr Potenzial mit ihrem Blut ausgesaugt. Und ich fühle oft, wie meine Lebensenergie von diesen Läden aufgesaugt wird.

Freiheit und Gleichheit

Wir leben in einer Welt in der verschiedene Dichotomien ((Ja, es wird hier jetzt Fremdwörter geben. Das hier ist ziemlich ernst gemeint.)) verschwunden sind, die noch vor 20 Jahren allgemeingültig waren. Eine der größten ist sicherlich die zwischen Kommunismus und Kapitalismus. ((Ihr merkt, keine Links. Ich erklär die beiden Sachen eh hier.)) Dieser Unterschied endete zumindest für die „westliche Welt“ mit den friedlichen Revolutionen der 90er Jahre. Seitdem herrscht eigentlich nur noch der Kapitalismus und mit ihm das Paradigma der liberalen Ideen. „Untergegangen“ sind der Kommunismus und damit das Paradigma der Gleichheit. ((Gregor Gysi meinte schon in den 90ern, dass der Kapitalismus übrig geblieben ist und nicht gesiegt hat. Er hat da übrigens recht.))

Liberalismus

Diese beiden Werte, Freiheit und Gleichheit, stehen sich eigentlich schon mindestens seit Beginn der Industrialisierung gegenüber. Die entsprechenden Philosophien beruhen auf einem eher protestantisch-christlichen und auf einem atheistisch-materialistischen Weltbild. Die liberalen Gedanken drehen sich schon immer um die Frage des Eigentums. Angefangen mit John Locke stand immer die Frage im Mittelpunkt, wie man das eigene Eigentum im gesetzeslosen Naturzustand schützen kann. Das Eigentum erwirbt man in dem man seine eigene Arbeitskraft mit der von Gott gegeben Natur vermischt. Damit sehen wir auch schon, dass hier Freiheit wirklich bedeutet, dass jeder tun und lassen kann, was er will. Gleichheit kommt maximal als grundlegende Chancengleichheit vor. Das bedeutet, dass jeder sich so weit entwickeln kann, wie er kann. ((Oder im protestantischen Sinne: wie Gott es für ihn oder sie vorgesehen hat.)) Wer wenig kann, kann halt auch wenig erreichen. Diese Chancengleichheit bedeutet auch, dass die grundlegende Gerechtigkeit in einer liberalen Gesellschaft darauf beruht, dass jedem das zukommt, was er qua seiner Anlagen verdient.

Da gibt es natürlich auch ein paar Probleme aus denen dann die entsprechende politische Philosophie erwächst. Denn wenn ich in einer Welt lebe, in der ich viel Wohlstand anhäufen kann, in dem ich mein Potenzial voll ausnutze, dann habe ich eigentlich nur eine Sorge: dass die Freiheit der anderen so weit geht, dass sie es mir wegnehmen können. Und das ist der einzige Grund, warum wir laut den liberalen Theorien einen Staat brauchen. ((Okay, Locke entwirft dann die erste Verfassung, die eine Demokratie vorsieht und ist da relativ spannend, aber bis dahin ist das halt die Basis des Liberalen.)) Das findet dann seine extreme Form im Liberalismus von John Rawls und in den Theorien des Libertarismus, bei denen Staaten ganz klar nur dafür da sind, eine grundlegende Notversorgung des Einzelnen vorzunehmen ((Und teilweise nicht einmal das…)) und ansonsten gar nicht in die Wirtschaft oder die Gesellschaft einzugreifen. ((Große Proponentin hier ist Ayn Rand.))

Der Liberalismus ist also die Philosophie der Freiheit. Dabei sind wir alle so frei, dass sich im Zweifel auch niemand darum kümmert, wenn wir in Not sind. Dies ist der Freiheitsbegriff, den zum Beispiel die FDP anhängt. Freiheit als Prinzip des Politischen bedeutet, dass der Einzelne viel erreichen kann, aber halt auch frei ist daran zugrunde zu gehen. Sie ist nicht wirklich freundlich, wie auch liberale Ideen des Sozialsstaates nicht freundlich sind. Sie gehen immer davon aus, dass der Einzelne selbst an seinem Schicksal schuld ist, weil er ist ja frei daran etwas zu ändern. Und wenn es Drittfaktoren gibt, dann hat man halt Pech gehabt und soll das Beste daraus machen. Auch dann hängt es nur an dir.

Kommunismus/Sozialismus

Ganz anders sieht es da bei den politischen Philosophien aus, die auf Gleichheit aus sind. Diese Ideen kommen auch aus einer Betrachtung von Wirtschaft und vor allem, was die Wirtschaft mit Menschen macht. Während also der Liberalismus sich mit der Frage beschäftigt, wie man den einzelnen in der Wirtschaft beschützen kann, fragt sich der Kommunismus wie man den ihn davor beschützen kann, dass er im Kapitalismus seine Menschlichkeit verliert. Karl Marx sagt an der Stelle, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt und wenn man in der Industrie arbeitet, dann wird man zu einer Art Maschine, die immer nur wirtschaftliche produziert und zwar zum Wohle anderer. Es geht Marx also irgendwie um die Frage, was der Kapitalismus mit denen macht, die im Kapitalismus keine Macht haben. Also diejenigen, die nach der Logik des Liberalismus soundso nichts Höheres verdient haben. ((Der vergisst da übrigens, dass jeder von uns seine Chancengleichheit von seinen Vorfahren vererbt bekommt.))

Seine Analyse ist dann halt auch die, dass es diesen Menschen, die im Kapitalismus unten stehen, eigentlich mehr hilft sich zu kollektivieren. Denn das einzige, was die Massen für sich als Vorteil haben ist die Tatsache, dass sie die Massen sind. Es können halt sehr viele Menschen an kleinen Positionen die Welt stürzen. Das ist auch schön und gut, allerdings muss dann verhindert werden, dass wieder eine Ungerechtigkeit auf der Basis von Chancengleichheit entsteht. Da diese auf dem Konzept der Freiheit beruht, muss also ein anderes Konzept her und dieses ist Gleichheit. Gleichheit ist die Gerechtigkeit, die jedem dasselbe gibt, unabhängig davon, was er kann. ((Also das Gegenteil von Freiheit.)) Aus der Sicht der Kommunisten ist diese Gleichheit dann halt auch die ultimative Freiheit, weil wenn alle gleich sind, sind alle gleich frei und können nicht vom anderen unterdrückt werden. ((Hat nicht funktioniert… Wenige waren gleicher als der Rest.))

Allerdings ist das dann auch nicht so romantisch. Schliesslich bedeutet Gleichheit für alle auch, dass ein Staat diese Gleichheit immer gewähren muss. Da wir von Natur aus unterschiedliche Eigenschaften haben, führt dies zu einem Szenario in dem man die Menschen mit hohem Potenzial bremsen muss und die mit weniger Potenzial ewig anschiebt. Letzteres ist für eine Volkswirtschaft problematisch und ersteres führt im Zweifel zu Staatsterrorismus. Da gerade dieser Staatsterrorismus das Bild des Kommunismus prägt, ist es natürlich nicht verwunderlich, dass Gleichheitsphilosophien eher verpönt sind.

Abwägungen

Wenn man sich das jetzt so ansieht, dann stellt man fest, dass man eigentlich in keiner dieser Welten leben will und derzeit in einer davon lebt. Wir leben in der liberal-libertären Welt der Chancengleichheit in der der Staat sich immer weiter zurückzieht und der wirtschaftliche Erfolg alles ist. Das führt halt dann auch dazu, dass wir wieder Entwicklungen zu einem modernen Proletariat haben. ((Nur diesmal wird diesem sogar noch erzählt, dass es an seiner Lage selbst schuld ist und die Leute glauben das.)) Also müssen wir zu einer größeren Gleichheitskomponente in der Politik zurück. Die Politik muss halt mehr langfristige Ungleichheiten ausgleichen, damit zum einen irgendwie der Frieden bewahrt wird ((Nicht vergessen: Marx sagt die proletarische Revolution voraus, wenn die Proletarier zu prekär leben.)) und zum anderen der Staatsauftrag ((Fürsorge für die Bevölkerung.)) zumindest grundlegend erfüllt wird.

Das Perfide ist nun, dass heutzutage jeder sich für einen Kapitalisten hält und es zu einen Mem geworden ist, das sich die anderen nicht genug anstrengen und man sich selbst nur genug anstrengen muss, damit es klappt. Dem ist aber gerade bei einem Blick in die Bildungssoziologie nicht so. Solange Menschen aus Gründen der Sozialstruktur von Bildungsmöglichkeiten abgehalten werden, solange braucht man diesen Käse gar nicht glauben. Trotzdem wird es immer wieder getan. Wir glauben, dass wir nur mehr Freiheit brauchen, damit wir besser dran sind, aber die meisten wären eigentlich besser dran, wenn sie weniger Freiheit und mehr Staatseingriff hätten.

Wahrscheinlichkeiten

Eine spannende Sache, die Menschen in meinem näheren Umfeld des öfteren beeindruckt, ist die Fähigkeit bestimmte soziale Begebenheiten, gerade zwischen Menschen mit einer gewissen Sicherheit vorauszusagen. Das ist jetzt kein Alleinstellungsmerkmal. Gerade in den sozialen Berufen findet sich diese Fähigkeit des öfteren. Ich möchte aber mal ein bisschen erklären, wie das funktioniert. ((Also, wie es theoretisch funktioniert. Normalerweise hat man meist so ein intuitives vorahnungsähnliches Gefühl. Also ich jedenfalls.))

Bevor wir in die zwischenmenschliche Sache einsteigen, muss ich etwas über Wahrscheinlichkeiten erklären. Wenn wir einen sechsseitigen Würfel vier mal werfen, ist jeder Wurf an sich gleichverteilt. Das bedeutet, dass das Ergebnis 3,5,6,1 genauso wahrscheinlich ist wie 6,6,6,6. Doch dies entspricht nicht der menschlichen Intuition. Wir würden das zweite Szenario für unwahrscheinlicher halten. Deswegen gibt es auch keine multiple choice Tests, bei denen nachfolgend immer dieselbe Antwort richtig ist. Das macht nämlich die Probanden fertig, die denken, dass das doch gar nicht sein kann. ((Vertraut mir da… ich hab das ma aus Versehen bei einer Schulaufgabe gemacht. Die haben leichte Schweißausbrüche gehabt…))

Diese mathematische Wahrscheinlichkeit gibt es in menschlichen Beziehungen und Handlungen noch viel weniger, denn hier gibt es immer Abhängigkeiten. Zu den Faktoren von denen die Wahrscheinlichkeiten abhängen gehören: soziale Konstruktionen, Sozialisationsfaktoren, demographsiche Voraussetzungen und emotionale Komponenten. ((Okay, ja das ist, wenn man weit genug weg steht, fast alles dasselbe.)) Gehen wir das mal kurz durch.

Also Sozialisationsfaktoren sind vom Prinzip her solche Sachen wie ethnischer Background, religiöse Ansichten und ähnliche Sachen, die dem Menschen früh genug mitgegeben werden, ohne dass er sich groß dagegen wehren kann. Aus diesen erwachsen einige, aber nicht alle, soziale Konstruktionen. Bei diesen geht es um die verschiedenen sozialen Mythen, die in unserer Gesellschaft existieren und auch um die Frage, wie derjenige und diejenige sich zu diesen Konstrukten verhält. Zu diesen Konstrukten kommen, die mit den Sozialisationsfaktoren verbundenen, demographischen Voraussetzungen, die im Laufe des Lebens aus denselben erwachsen. Die emotionalen Komponenten sind dann schlicht die Metaebene dessen im Bereich der Gefühle. Hier werden die ganzen anderen Faktoren auch emotional gespielt und wahlweise überhöht oder gemindert.

So, wenn wir also das alles über eine Person wissen, ((Oder es gut genug raten können.)) dann ist es relativ einfach vorauszusagen, wie diese Person sich in bestimmten sozialen Interaktionsszenarien am wahrscheinlichsten verhält. Daraus lassen sich dann anhand von abstrakten Situationen sogar Voraussagen über den Ausgang einer sozialen Interaktion zwischen zwei gegebenen Menschen machen. Das aber immer nur mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten.