Das Gendernarrativ

Es gibt eine Zweiteilung der Wissenschaften in empirische Wissenschaften und das, was man eher als Geisteswissenschaften kennt. Erstere beschäftigen sich mit empirischen ((empirisch: sinnlich erkennbar und erfassbar, messbar)) Erkenntnissen. Dazwischen stehen irgendwo die Sozialwissenschaften, die durchaus empirisch forschen, aber halt auch geisteswissenschaftliche Theoriebildung betreiben.

Die wohl herausragendste Form moderner Geisteswissenschaften, die sich gern auch als Sozialwissenschaft geriert, es aber viel zu oft nicht ist, ist die Genderforschung. Ausgehend von der gesicherten Erkenntnis, dass Frauen gegenüber Männern in unserer Gesellschaft strukturell benachteiligt sind, entwickelte sich eine ganze Forschungsrichtung, die theoriebildend über Strukturen und Formen von Geschlechterungerechtigkeit arbeitet. Im Rahmen dessen fiel dann auf, dass es noch mehr Ungleichheiten in dieser Welt gibt, nämlich nach Abstammung, sozialem Status und so weiter. Das sind jetzt eigentlich keine neuen Erkenntnisse. Was die Genderforschung und angeschlossene Forschungsrichtungen allerdings problematisch macht, ist die Axiomatik, die ihren Ideen anhängt. Doch bevor ich darauf zurückkomme, hier ein Exkurs über Konstrukte.

Exkurs: soziale Konstrukte und Macht

In der Psychologie und Philosophie hat sich seit den späten 90er Jahren die Denkrichtung des Konstruktivismus etabliert. Ausgehend von der Erkenntnis, dass das menschliche Gehirn Realität immer interpretiert und Wissenserwerb durch die Verarbeitung von Reizen entsteht, postulierten verschiedene Schulen der Philosophie, dass die Menschen an sich keinen echten Zugang zur Realität haben, sondern diese immer zu einem bestimmten Grade konstruieren.

Diese Idee wurde auch in den Sozialwissenschaften aufgegriffen und auf soziale Normen und Regeln angewandt. Soziale Strukturen, die den Menschen als absolut vorkommen werden durch Sprache und Verhalten der Gesellschaft konstruiert und für real betrachtet, dabei sind sie nur geistige Konzepte. Ideen, die einmal in der Welt sind bestimmen auf einmal das Handeln ganzer Generationen, für die sie als reale Bedingungen der Welt gelten. Beispiele hierfür ist die Eugenik, aber auch Sozialismus und romantische Liebe ((Ja, das ist sozial konstruiert. Es gibt Menschen auf dieser Welt, die nicht verstehen können, dass man sich ineinander verlieben muss, damit man eine Beziehung eingeht.)). Alles sind Ideen, die wirkmächtig sind und waren, und die erst erdacht werden mussten. Trotzdem binden diese Ideen unser Denken. Es scheint so zu sein, dass das Denken außerhalb etablierter sozialer Konstrukte, je nach Kontext bis zum Ausschluss aus sozialen Gruppen sanktioniert wird. Dazu entstehen diese Konstrukte dadurch, dass Menschen einfach Sachen daherreden können. Das bedeutet, dass wenn man oft genug denselben Schwachhsinn erzählt, dieser ein soziales Konstrukt wird.

Das bedeutet dann, dass die Menschen, die diese Konstrukte erfunden haben oder vertreten, eine automatische Diskurshoheit und damit Macht über andere Menschen haben. Durch die Möglichkeit zu bestimmen, was gesagt werden kann, kann man langfristig sogar bestimmen, was gedacht werden kann oder darf. ((Aber das wusste schon George Orwell.)) 

Genderforschung und Genderkampagne

Die Genderforschung an sich ist erstmal keine schlechte Idee. Ausgehend von empirisch erfassbaren sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern entwickelte sich eine Forschungsrichtung, die versuchte diese zu erfassen und darzustellen. Und dann wurde es geisteswissenschaftlich-esoterisch. Auf einmal wurde alles unter die Genderlampe gehalten und mit Gewalt versucht die auf einmal wahrgenommenen Ungleichheiten auszugleichen. Die Sprache wurde dekonstruiert, weil man dachte, dass dies auch die Gedanken ent-genderisiert. Es wurden neue Begriffe für Sexualität eingeführt, damit es eine Systematik in einem Kontinuum gibt und die Öffentlichkeit verschüttete Häme über dem verzweifelten Versuch mit akademischen Mitteln soziale Ungleichheiten aufzulösen.

Doch es gibt auch das Internet. Diese Möglichkeit für jede Minderheit gehört zu werden. Der schnelle einfache Zugang zum Diskurs, bei dem man dann durch die Eingeschränktheit der Kommunikationsmittel, noch viel einfacher eine Diskurshoheit erlangen kann, als das je zuvor möglich war. Und damit wurde aus der Forderung nach Gleichheit ein Mittel der Oppression. Gender wandelte sich von Forschung an Ungleichheiten hin zu Handlungsanweisungen zur Weltverbesserung. Es wird nicht mehr neutral erforscht, es wird politisch agiert. Theoretische Konzepte, die in den Geisteswissenschaften ungeprüft nebeneinander stehen können und diskutiert werden, werden auf einmal zu Fakten und zu Basis politischer Aussagen. Es wird davon ausgegangen, dass die vielfältigen Perspektiven, die in der Genderforschung existieren und entwickelt werden, alle sofort richtig, wirkmächtig und a priori sinnvoll und gut sind. Solche Nischenideen, wie die Neustrukturierung der Sprache, um Diskriminierung zu eliminieren ((Ein Idee, die nicht nur sprachwissenschaftlich Quatsch ist, sondern auch zeigt, dass ihre Vertreter nicht verstanden haben, dass Menschen Vorschriften zu machen, wie sie zu denken haben, meist nach hinten losgeht.)) oder aber die patronisierende Rücksichtnahme auf jede wahrgenommene Splittergruppe im LGBT Bereich, egal ob die Personen, die da dazugehören, sich überhaupt so sehen, werden verallgemeinert und als best practice in die Welt hinaus geblasen um dann diejenigen zu shitstormen, die Zweifel anmelden. Damit wird aus dem berechtigten und notwendigen sozialen Konstrukt, dass wir Menschen ungeachtet ihres sozialen und biologischen Geschlechtes gleich behandeln sollen, eine Waffenkammer der sozialen Machtausübung. Es geht nicht mehr darum darauf hinzuweisen, dass die Geschlechterdimension wichtig ist und berücksichtigt wird, es geht darum, dass man sie benutzen kann, um unliebsame Aussagen und Personen mundtot zu machen und eine Welt zu generieren, in der Menschen aus vorauseilendem Gehorsam schon nichts mehr sagen.

Dieser Gehorsam ist aber komplett hohl. Und die Idee, dass wir die Welt zu einem besseren und vor allem freieren Ort machen, in dem wir die Meinung durchdrücken, die uns besser erscheint, zeigt nur, dass ein positives Menschenbild zu Terrorismus führt. Das starke Wollen, dass man so etwas gutes wie Geschlechtergerechtigkeit einfach so schafft, in dem man jetzt jeder Person sagt, dass sie es falsch macht und diese dann sofort erleuchtet ist, missachtet das Individuum absolut und lässt nach dessen Widerstand nur noch die Anwendung von Gewalt zu.

Geschlechtergerechtigkeit ist ein wichtiges Thema. Man ist sich nicht einmal einig, wie sie aussehen soll. Doch im Internet ist sie ein Mittel der Oppression geworden, von ihren Vertretern wie von ihren Feinden. 

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