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Warum muss ich das eigentlich machen? – Ein Rant

Wir Lehrkräfte gelten ja eher als die Buhmänner in Bildung und Erziehung und das nicht ganz zu unrecht. Da gibt es zum einen ausbildungsbedingte Mängel, wie fehlende pädagogische oder fachliche  Eignung, soziale Probleme, wie fehlende menschliche Eignung, und die Tatsache, dass wir ein kaltes, blindes und verknöchertes System vertreten, in dem politische Symbole wichtiger sind als pragmatische Entscheidungen. Doch ganz ehrlich, diese Rolle haben wir Lehrer so langsam abgegeben.

Warum?

Deswegen: ((Alle Geschichten haben einen realen Hintergrund, sind aber polemisiert, weil mir dieser ganze Scheiß aufn Sack geht!))

Fangen wir an mit den lieben Eltern an. Anscheinend ist der Leistungsdruck der elterlichen Peergroup so groß, dass Kinder heutzutage Angst haben müssen nach Hause zu kommen. Immerhin gibt es so Eltern, die ihr Kind schonmal mit Hausarrest bedrohen, wenn es mit einer Note schlechter als 3 nach Hause kommt.

Es kann aber auch sein, dass sie denken, dass die 40-Stunden Woche auch führ 12-Jährige gilt. Weswegen diese dann noch eine Stunde Vokabeln abschreiben müssen. Also nachdem sie bis um 16 Uhr Unterricht hatten und dann noch anderthalb Stunden im Bus aufs platte Land unterwegs waren.

Oder aber die Eltern, die am Elternsprechtag Lehrkräfte unter Druck setzen wollen, weil sie meinen, dass man „schlechte Noten“ nur vergibt, weil man das Kind nicht leiden kann, und die das selbe Kind am Vormittag vor der Knie-OP in die Schule schicken, weil „wer stehen kann, kann auch arbeiten“. Also da weiß ich ja gar nicht, wer das Kind mehr nicht leiden kann. Allen ist, gemeinsam, dass ich nicht weiß, was die alle nehmen, aber die aktuelle Dosis ist nicht gut.

Doch auch erwachsene Schüler zeigen mittlerweile ein besorgniserregendes Verhalten. Die Leistungsrhetorik ist mittlerweile so weit, dass Nervenzusammenbrüche vor Lehrkräften normal geworden sind. Irgendwann sitzt immer wieder jemand weinend vor einem, weil die hohen Ziele, die man sich sinnloserweise und in absoluter Abwesenheit eigener Selbsteinschätzung gesteckt hat, jetzt „in Gefahr“ sind.

Eine weitere Spielart davon sind die jungen Menschen, die total verschnupft oder gar mit schlimmeren, meist epidemiologisch bedenklicheren, Krankheiten in die Schule kommen, weil sie ja dringend alles mitkriegen müssen und von den drei Tagen verpassten sofort das Schuljahr oder die Probezeit nicht bestehen. Dass sie dabei irgendwie die halbe Schule anstecken und selbst nichts in die zugestopfte Birne kriegen. ist dabei auch egal.

Ganz der Gegensatz sind dann die Schüler, an die man als Lehrer die ganze Zeit selbst glauben muss, weil selbst nach positiven Ergebnissen nicht an die eigene Leistungsfähigkeit glauben. Wo die Lehrkraft mit den Arbeiten der Schüler diese selbst davon überzeugen muss, dass sie nicht komplett nutzlos sind.

Das kann dann soweit gehen, dass Menschen solche Prüfungsangst haben, dass nur noch der Schulpsychologe hilft und sie regelmäßig in Schweißattacken und nervöses Zittern ausbrechen.

Und jetzt mal echt die Frage: Bei dem Bild, das die Gesellschaft von uns Lehrern hat, warum müssen wir uns darum kümmern? Warum muss ich Leute nach Hause schicken? Warum muss ich Kinder vor ihren Eltern beschützen? Warum muss ich zerstörte Persönlichkeiten flicken?

Als Lehrer macht man das alles. Regelmäßig. Dabei muss man Gesetze beugen, Regeln brechen und ist doch eigentlich die Person, die hier die kältere Rolle spielen soll.

Wie kaputt ist eigentlich diese Gesellschaft, dass diejenigen, die traditionell immer für Härte standen, die eigentlich keine Spezialausbildung für Pädagogik habe, die mit Gesetzen und Regeln eingewickelt sind, die an Beknackheit kaum zu überbieten sind, die sich jeden Tag um mehrere hundert junge Menschen kümmern müssen. Dass diese Personen heute die sind, die für viele der jungen Menschen die Welt retten müssen?

Kurioses Bamberg – Die Luther Marter

Auf dem Weg zum Supermarkt laufe ich schon seit mehreren Jahren an einer Stele vorbei, die mir wenig sagte, außer dass sie irgendwas Katholisches ist. Letztens kam ich an ihr vorbei, da stand ein älterer Herr und malte an den Bildern in der Säule herum. Diese Gelegenheit nutzte ich um mal dumm zu fragen, was das eigentlich ist. Und weil Wissen weitergeben Spaß macht, erfahrt ihr jetzt etwas über die Luther Marter.

Also, die Säule sieht so aus:

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Sie steht am Rand der Waizenburger Straße in Bamberg. Sie wurde im Jahre 1551 aufgestellt nachdem die Häcker, die Bamberger Gärtner, den Reformator Martin Luther nicht ihre herrliche katholische Stadt gelassen haben. Luther zog dann weiter Richtung Würzburg und man stellt diese Stele auf.

Die Stele hat drei Heiligenbilder. Auf der Frontseite, die der Straße zugewandt ist findet sich der heilige Hubertus.

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Sein Anspruch hat er unter anderem, weil er einen Hirsch mit einem Kreuz zwischen dem Geweih nicht erlegt hat. Die passende Szene ist auf der Stele zu sehen. Auf der rechten Seite findet sich der heilige Urban.

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Urbanus soll ein Gehilfe von Petrus gewesen sein und später Bischof in Makedonien geworden sein. Nach ihm ist auch die Filialkirche in nahen Wohngebiet benannt.

Auf der linken Seite der Stele ist der heilige Jakobus abgebildet.

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Man kann ihn unter anderem an der Muschel erkennen. Dies zeigt, dass die Straße, an der die Stele steht, Teil des Jakobswegs ist, dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela.

Der ältere Herr, den ich beim Ausbessern der Bilder traf war tatsächlich der Maler und kehrt hin und wieder zu ihnen zurück um Witterungsschäden auszubessern. Er hat die Bilder vor ungefähr zehn Jahren gemalt.

Pekahuna Cooking Crew

Wer schon einmal in Bamberg war, hat wahrscheinlich erfahren, dass die Stadt eher urtypisch fränkisch ist und das auch mit der besten Bestrebung aller möglichen Gruppen in die Zukunft[tm] einzutreten bleiben wird. Das macht die Stadt auf der einen Seite liebenswert auf der anderen lässt es die Auswüchse der Moderne, wenn sie dann mal auftreffen leicht verzweifelt erscheinen.

Zu den Phänomenen, die von dieser Verzweiflung betroffen sind, gehört unter anderem die Welle an Burgerrestaurants, die, nachdem ich von ihr schon vor zwei Jahren aus Berliner Podcasts gehört habe, auch hier aufgeschlagen hat. Der neuste Zuwachs ist das Restaurant der Pekahuna Cooking Crew, das sich mit seinem Platz in der Nähe des Bahnhofs nicht unbedingt die malerischste Ecke der Stadt ausgesucht hat.

Nachdem ich zu Halloween noch hungrig war, zog es mich vorm abendlichen Besuch des Backspace um die Ecke zum Burgeressen. Das Restaurant und das Personal verstrahlt einen leicht-gehobenen Hipsterflair, der von etwas zu lauter HipPop Musik untermalt wird. Natürlich bekommt man die Speisekarte als Kladde und es gibt tausende total fancy Dipsaucen zu den Pommes, die auch stilecht fries genannt werden und diesem Namen dann gerecht wurden.

Als alkoholfreie Getränke gibt es primär Fritz Kola, weil die ist ja in und ich wählte mir die Orangenlimo, die nichts ist, worüber man besonders enthusiastisch werden kann.

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Ich entschied mich nach etlichem Überlegen für den BBQ Burger, der mit 14€ das teuerste Angebot auf der Karte ist und eine Portion Chilli Cheese Fries entschieden. Die kamen dann auch und der Burger ist schon mal ein Garant für Maulsperre, aber sehr lecker angemacht.

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Man kann den Burger dann nach dem Aufheben nicht mehr hinlegen, was dazu führte, dass ich die Chili Cheese Fries dann einzeln essen musste. Das war aber auch besser so. Die sind nämlich fast eine Mahlzeit für sich und ziemlich scharf.

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Die Fries haben, genauso wie Burger und Limo, gut geschmeckt. Allerdings sind die Preise, trotz der guten Qualität für Bamberg schon eher hoch. In einer Stadt in der man problemlos ein Schäuferla mit einem halben Liter lokales Bier für um die 10€ erhalten kann, wird es problematisch, wenn diese Art von Restaurant nicht mehr neu und ungewöhnlich ist. Die meisten Burgerbratereien sind zwar qualitativ einfacher, aber auch preiswerter. Das Vertrauen in die Kunden für High-End Edelburger würde ich langfristig nicht teilen. Das Essen ist sein Geld wert, aber ich weiß nicht, wie oft Leute dafür bereit sind öfter zu zahlen und ob das preiswerte Mittags- und Mitnahmegeschäft hier hilft.

Das wird die Zeit zeigen. Ich werde auf jeden Fall nochmal bei der Pekahuna Cooking Crew essen.

Der Sinn und Unsinn von Kritik

Als Lehrer ist man hauptberuflich Kritiker und das wird einem auch gerne mal vorgeworfen. Wir Lehrer sind unangenehme Zeitgenossen, die immer alles besser wissen oder klugscheißen müssen und sich für schlauer halten als alle anderen Menschen.

Nun mag es das geben, aber für mich gesprochen erlaube ich mir im professionellen Umfeld Kritik und Urteil, und das nur in Bereichen in denen ich mich auszukennen glaube. ((Und in denen in den ich nur gesundes Halbwissen habrei ode, formuliere ich meine Annahmen auch meist so.)) Das ist einer der Gründe, warum mich verbessernde Kommentare unter Folgen des WRINT Politikunterrichts nicht stören sondern freuen. Ich gehe gar nicht davon aus, dass ich jedes Detail, was ich so erzähle richtig weiß. Das Miteinander im Wissen schaffen macht nicht nur mehr Spaß, es ist auch effektiver.

Doch es gibt auch Bereiche in denen ich von meinem Wissen und meinen Fähigkeiten überzeugt bin. Die großen sind die englische Sprache und Politik und Gesellschaft im Überblick ((Seht ihr, da ist schon eine Einschränkung drin!)) gefolgt von Psychologie, Soziologie und Pädagogik. In diesen Bereichen erlaube ich es mir andere Leute zu kritisieren. Das hat auch etwas mit dem Job zu tun. Es gehört dazu, dass man als Lehrer kritisiert, was allerdings auch bedeutet, dass man auch lernt, wie man kritisiert und warum.

Fangen wir mit dem warum an. Die landläufige Ansicht ist, dass Kritik gleichbedeutend mit Meinungsäußerung ist. Das ist sie aber nicht, Kritik hat den Zweck eine Verbesserung der Zustände zu erreichen in dem eine alternative Sichtweise geboten wird. Diese sollte fundiert sein und eine Begründung beinhalten, die sachbezogen, zielgerichtet und folgerichtig ist. Als Lehrer ist das einfach, weil man da den Wissensvorsprung hat, aber selbst als solcher sollte man aufpassen, was das Ziel der eigenen Kritik ist. Hilft es der Person, die ich kritisiere oder ist es sinnfrei oder verschlimmert es das Problem sogar? Eine ziellose Kritik verringert die eigene Glaubwürdigkeit und kann im Zweifel dazu führen, dass die Person gegenüber sich fragt, warum man sie aufbringt. Dann ist es keine Kritik mehr, sondern ein Angriff. Man braucht also immer ein Ziel.

Dazu macht hier der Ton die Musik. Kritik, die sachlich oder sogar wohlwollend (ohne herablassend zu sein) vorgetragen wird, funktioniert ziemlich gut. Sie ist das, was die Leute immer mit konstruktiv bezeichnen. Es ist ja nicht so, als wären alle Menschen bornierte Deppen, die fehlerbelastet durch das Leben gehen wollen. Doch was sie auch nicht möchten ist, als solche hingestellt zu werden. Stattdessen möchten die meisten Menschen ernst genommen werden ((auch und besonders Kinder!)) und deswegen hilft es Kritik freundlich und vorsichtig vorzutragen. Das Geschreie und die Besserwisserei, die sich oft als Kritik zu tarnen versucht ist eben keine mehr sondern eine Anschuldigung, die das oben genannte Ziel von Kritik schlicht unerreichbar macht. Wenn die Absicht ist die Welt zu einem besseren Ort zu machen, Wissen und Erfahrung zu teilen und Aufmerksamkeit für Probleme zu generieren, dann spielt nicht nur der relevante Inhalt sondern auch die Art, wie er an die Frau gebracht wird, eine Rolle.

Kritik ist also nichts, was mit Schildern oder durch Schreien geäußert wird. Kritik ist etwas, dass in seinem Inhalt und seiner Form die Person, die man kritisiert respektieren muss.

Projekte – Urbanicon

Auch dieses Jahr findet wieder die Urbanicon statt. Das war letztes Jahr schon ein Projekt und ist es auch dieses Jahr. Der Versuch, eine kleine Eintagesrollenspielcon in Bamberg zu etablieren geht also in die zweite, und vielleicht letzte, Runde. Letztes Jahr war es eher kuschelig und wenig besucht und wenn sich dieses Jahr keine Besserung einstellt, dann werden wir das wohl lassen.

Die Con findet am 24.10.2015 im Gemeindezentrum St. Urban am Babenbergerring statt. Weitere Infos findet man bei Easy-Con.

Rezension – Phoebe Gloeckner – Diary of a Teenage Girl

Im Urlaub fand ich in einem Comicladen eines dieser Bücher, das man einfach mal so mitnimmt. Diesmal war es Diary of a Teenage Girl von Phoebe Gloeckner. Das Buch wird wohl zeitnah in den Kinos erscheinen und ist etwas älter.

Das Buch ist das bebilderte Tagebuch von Minni Goetze (gesprochen: „Getz“), die im Alter von 15 Jahren im San Francisco der späten 70er Jahre wohnt und direkt am Anfang des Buches ihre Jungfräulichkeit an den eher schleimigen Freund ihrer Mutter. Ab da folgt der Leser Minnie durch ihre Tagebucheinträge und ungefähr ein Jahr ihres Lebens, das sie mit Angst, Unsicherheit, anfangendem Erwachsensein und Abscheu gegenüber den echten Erwachsenen verbringt. Dabei schwankt sie von absolut zufälligem Verhalten und Assoziieren, meist auch in passenden Bildern zu Kommentaren über die Welt, die in ihrer Zerstreutheit auch pointiert sind. Dazwischen hat sie die ganze Zeit Sex mit Männern und Teenagern, die absolut schlecht für sie sind, zerstreitet sich mit ihren Freunden und kommt wieder zusammen, nimmt Drogen, trinkt Alkohol und das meiste davon unter Aufsicht oder Betreiben von Erwachsenen, von denen der ihr leicht selbstzentrierter Ziehvater Pascal der einzige zu sein scheint, der sich ernsthaft für Minnie interessiert, die den Egozentrismus ihrer Umgebung spiegelt. Dieser bricht erst am Ende des Buches, wenn ihre Mutter das Tagebuch entdeckt und damit auch herausfindet, dass Minnie regelmäßig mit ihrem Freund Monroe schläft, der ansonsten nur durch Alkoholismus und Ponzi-Scheme ähnlichen Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln auffällt. Ihre Mutter scheint das auch nur zu stören, weil Monroe auch mit ihr schläft und ihr damit untreu wird.

Das ganze Buch liest sich wie ein Horrorroman für Jugensozialarbeiter und zeigt wie gefährlich die Welt in den 70er Jahren war, als sich Erwachsene primär um sich selbst gekümmert haben und nicht die ganze Zeit panisch um ihre Kinder. Minnies Reise zur eigenen Mündigkeit ist eine Strasse voller ungeschütztem Sex, Drogen und mangelnder Fürsorge. Trotzdem kommt sie am Ende an einer Stelle an, von der sie in ein Leben starten kann, dass eine tiefere Bedeutung für sie hat. Damit ist Diary of a Teenage Girl ein Bildungsroman der Moderne, der durch die Zeichnungen und Gedichte wächst, die zwischen die Tagebucheinträge gestreut sind. Der Modus des fiktiven Tagebuchs bringt den Lesenden der Hauptfigur intim nahe, aber lässt einen auch immer Distanz gewinnen. Minnie scheint keine verlässliche Erzählerin zu sein, und damit schwebt das Buch in einer spannenden Ungewissheit.

Diary of a Teenage Girl scheint in amerikanischen Literaturkursen angekommen zu sein, und ich sehe warum dies der Fall ist. Man kann schön (sinnlos) an diesem Buch heruminterpretieren, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu hängen. Allen anderen ist das Buch empfohlen, wenn sie sich auf eine persönliche Geschichte einlassen können ohne sofort in tausend Empörungen und Definitionen zu denken. Es ist ein anderes Leben, dass man erleben kann und das ist alles was Literatur leisten kann.

Der Hölle der impliziten Erwartungen

The thing is, I mean, there’s times when you look at the universe and you think „What about me?“ and you can just feel the universe replying, „Well, what about you?“

Thief of Time -Terry Pratchett

Wer sich für Musik interessiert kennt das Phänomen bestimmt: die Lieblingsband bringt eine neue tonträgersimulierende Sammlung komprimierter Audiodateien heraus ((Für die Retrofans gibt es die auch noch auf einem physischen Speichermedium.)) und man ist furchtbar enttäuscht, weil das total anders klingt oder andere Texte hat und das nicht mehr die Band ist, in die man sich damals verliebt hat. Das gilt natürlich auch für alle anderen Arten von künstlerischer Äußerung. ((Siehe den Aufschrei, den es hierzublog machen würde, wenn ich auf einmal Beautytips geben würde…)) Nun kann man über Geschmack nicht streiten, ((Das ist natürlich auch Quatsch. Man kann, nur ist es halt Zeitverschwendung.)) über die Vermittlung von Geschmacksurteilen dafür sehr wohl. Und da sind Musik-, Kunst- und Literaturfans allesamt von der selben allzu menschlichen Wahrnehmungsstörung geschlagen. Sie denken nämlich alle, dass die Kunsttreibenden sich an implizite Erwartungen halten müssen, die von Konsumentenseite an sie gestellt werden. Dabei sitzen sie zwei klassischen Wahrnehmungsverzerrungen auf, die auf der einen Seite bis zur Banalität normal sind, auf der anderen Seite eine äußerst amüsante Auswirkung auf den Diskurs über Musik haben.

Diese Wahrnehmungsverzerrungen sind zum einen eine Überbewertung der eigenen Befindlichkeit gegenüber dem was der Künstler davon wahrnimmt ((Das wäre übrigens: nix!)) und der Befindlichkeit des Restes der Konsumierenden, und zum anderen die relative wirtschaftliche wie diskursive Macht, die der Einzelne gegenüber dem Künstler hat.
Das Erste ist dabei die Wurzel des Zweiten und tatsächlich eine klassische Wahrnehmungsverzerrung. Der Glaube, dass die eigene Befindlichkeit irgendetwas jenseits der Schaffung des eigenen Unglücks in der Welt bewegt, ist weitverbreitet und stammt daher, dass Menschen gerne die Welt hinter ihren Augen für realer halten, als das was tatsächlich stattfindet. In seinem Aufsatz „This is Water.“ argumentiert David Foster Wallace, dass es ein Zeichen einer geisteswissenschaftlichen Ausbildung ist, dass es ein Zeichen dafür ist, dass man gut an die Gesellschaft angepasst ist, wenn man diese Blockade überwinden und über den Rand des eigenen Hirns hinausblicken kann. ((Er sagt well-adjusted das bedeutet mehr und ich weiß nicht, ob ich ihm recht geben soll. Immerhin ist eine geisteswissenschaftliche Ausbildung nicht der einzige Weg ein anständiger Mensch zu werden.)) In diesem Fall bedeutet es natürlich, dass absolut jeder Hörer der Meinung ist, dass sein Empfinden über die musikalische Entwicklung eines Künstlers Gehör finden sollte, und zwar sofort und unbedingt. Dabei dreht sich dieser Künstler nicht einmal gestört im Schlaf um, wenn man verzweifelt Nadeln in seine Voodoopuppe steckt. Die eigene Befindlichkeit hat also keinen Einfluss auf irgendwas in der Welt, außer dem eigenen Unglück, dass man sich produziert. ((Mir wäre das ja zu blöde.))
Die zweite Verzerrung ist die Fehlwahrnehmung der eigenen medialen und ökonomischen Reichweite, wobei die Überschätzung der eigenen medialen Reichweite das grundlegende Problem ist und viel mit den modernen sozialen Netzwerken zu tun hat. Zwar kann jeder  heutzutage einen shitstorm lostreten, allerdings ändern diese Phänomene selten etwas an dem, was ihr Ziel tut. Im Zweifel verstärken das Ziel sogar das angeprangerte Verhalten, immerhin ist jede Art von Publicity gute Publicity. Dazu bleibt das Ziel meist berühmt, während man selbst ungefähr eine Woche vergessen ist. ((Naja, okay. Du kannst dann immer noch Publizist und Berater werden.)) Der Wirkungsnachweis dieser ganzen Sachen ist halt nicht erbracht, egal ob es negative Amazonbewertungen, fiese Gästebuchein- und Facebookbeiträge oder klassische shitstorms sind. ((Okay, außer man hat die kriminielle Energie der Gamergater… aber dafür reicht es ja zum Glück bei den meisten Menschen nicht.)) Im Zweifel ist die auslösende Person das Arschloch und schnell verschwunden. Das Traurige an der ganzen Sache ist, dass man sich das alles hätte sparen können, wenn man sich selbst nicht so ernst nimmt.

Das wird natürlich schwierig, wenn der eigene Job davon abhängt, dass man etwas irgendwie finden muss. Der klassische Aphorismus ist, dass man als Kritiker nichts können muss, außer meckern. Dabei helfen die impliziten Erwartungen, die gerade schon als Basis vielen persönlichen Unglücks analysiert wurden, natürlich sehr und es ist egal ob es die eigenen sind, oder diejenigen die man glaubt bei anderen Menschen auszumachen. Wichtig ist dann noch diese als objektiv darzustellen anstatt als das zu kennzeichnen, was sie sind, nämlich Befindlichkeiten und schon schreibt sich das enttäuschte, wütende oder hochzufriedene Review von allein. Es hat zwar keinen Mehrwert, aber man hat was gesagt und im nächsten Interview mit dem Künstler kann man dann auf die eigene Wahrnehmung als pseudo-objektive Größe referenzieren, als sei relevant. ((Das führt dann zu einem meiner Lieblingsgenres im Musikjournalismus: dem sinnlosen Künstlerinterview, bei dem die Künstlerin sich fragt, über wessen Werk sie da gerade mit dem Journalisten redet.)) Und dann kommt es zu dieser wunderschönen Schieflage, dass die enttäuschten Fans sich von den faselnden Schreiberlingen bestätigt fühlen, weil die auch nur die Befindlichkeiten der ersten spiegeln. Gibt halt mehr Abos als eine kriterienbasierte Beurteilung, die irgendwie Aufgabe hier wäre. Es spricht nichts dagegen eine vergleichende Bewertung abzugeben, aber Geschmacksurteile basierend auf Befindlichkeiten sind wertlos und zeugen maximal von den Wichtigkeitsneurosen der Autoren, als ihrer Fähigkeit künstlerische Tätigkeiten zu beurteilen. Es heisst, dass man sich über Kunst, Literatur und Musik vortrefflich streiten kann, deswegen sollte der eigene Geschmack weniger ins Gewicht fallen als  die Bewertung der künstlerischen Leistung. Da ist schon genug Geschmack drin.
Aber gut, es ist ja zu verstehen, dass es besser wirkt, wenn man Künstlern vorwirft sich in die falsche Richtung zu entwicklen, egal in welche das ist, ((Oder wahlweise Stagnation, die geht auch immer.)) denn da ist Konflikt und der verkauft sich. Für eine Bewertung, die zu einer sinnvollen Einschätzung führt, gibt es halt weniger Klicks als für einen Verriss. Den klicken auch diejenigen öfter an, die ihn für blöd halten.

Und da wird es dann halt auch eklig. Sitzt die einzelne Person noch Wahrnehmungsverzerrungen auf, wird es im medialen Bereich schnell zum wirtschaftlichen Kalkül nicht zu berichten sondern zu polarisieren. Dagegen sein ist besser als es irgendwie schon okay zu finden, egal auf welchen fiktiven Gründen dieses dagegen nun basiert. Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind wirtschaftlich untragbar, machen weniger Spaß und helfen beim Bekämpfen von Minderwertigkeitskomplexen halt mal gar nicht.

Da kann man eigentlich froh sein, wenn man Zeug einfach nur privat doof finden kann.

Auf der Suche nach Zerstörung…

Okay. Das hier ist mal was ganz anderes als meine normalen Einträge. Das hier ist leichte Literaturwissenschaft. Ich habe euch gewarnt und hoffe, dass ich wenigstens irgendwie einen Cut einbauen kann, weil das wird lang.

1. Auf der Suche nach Zerstörung

Wir sind alle auf der Suche nach etwas. Manche suchen Erfüllung, andere suchen ihr Glück und dann gibt es diejenigen, die ihre eigene Zerstörung suchen. Manchmal ist es Menschen gar nicht bewusst, was sie suchen, denn unser Gehirn ist in der Lage die eigentlichen Ziele unseres Handelns vor uns selbst zu verstecken ((Obwohl wir uns relativ sicher sind, dass unser Bewusstsein unser Handeln steuert, sagen neurowissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Bewusstsein auch nur Handeln, das vom Gehirn angeregt wird nachrationalisiert.)). Der Mensch weiß also manchmal gar nicht, warum er etwas tut und ob das Ziel, das er zu verfolgen scheint, auch dem entspricht, was er unbewusst zu erreichen sucht. Dies trifft besonders für Menschen zu, die nicht ganz bei Sinnen oder anders ausgedrückt im Delirium sind.

Als ich vor knapp sieben Jahren das erste Mal Neil Gaimans Sandman gelesen habe, hat mich besonders das siebte Buch der Collected Library Brief Lives fasziniert. Es ist ein Roadmovie an dessen Ende der Hauptcharakter Dream ((Der Sandman in Sandman.)) die Schlüsselhandlung begeht, die zu Ende seiner Existenz am Ende der Comicserie führt. Damals war mir noch nicht klar, dass man dieses Buch als komplette Allegorie lesen kann. Ein Gedanke, den ich hier am Beispiel einer anderen Geschichte aus dem Sandman Band Endless Nights formulieren möchte. Weiterlesen

Störe meine Kreise nicht…

Im Laufe des Lebens baut man sich immer mehr soziale Beziehungen auf. Das ist vollkommen normal und nachvollziehbar. Diese schließen sich an verschiedene soziale Institutionen an. Zuerst sind da Familienbeziehungen, dann Freundschaften, die mit Schule zu tun haben können, aber auch eben nicht und später Arbeitsbeziehungen.

Der Grad der Freiwilligkeit und des Spielraums, den man bei Gestaltung dieser Beziehungen hat, ist sehr unterschiedliche. Während familiäre Beziehungen nahezu keinen Spielraum zulassen, jenseits dass man jeglichen Kontakt abbricht, Arbeitsbeziehungen eher etwas von zufälligem Schicksal mit sich tragen, kann man seine freundschaftlichen und romantischen Beziehungen sehr frei gestalten. Das bedeutet dann auch in Zeiten des Internets und sozialer Netzwerke, dass man sich ein persönliches Freundschaftsumfeld generieren kann, das im Rahmen der unfreiwilliger entstandenen Beziehungen zu Problemen führen kann. Das ist schon an sich ein Problemfeld und die Interaktion von diesen Beziehungen ist schon schlimm genug.

Es wird aber noch problematischer, wenn man bedenkt, dass die Menge an Menschen, die man im Laufe des Lebens als freundschaftliche Beziehungen akkumuliert, langsam aber stetig ansteigt und an sich aber auch fragmentiert ist. Das fängt damit an, dass diese Menschen unterschiedliche Hintergründe und Werte, aber auch Wertigkeiten haben. Die Frage ist ja, welche Facette des eignen Lebens in diesen Beziehungen reflektiert ist, weil alle Facetten sind nur selten und das meist bei sehr guten Freunden vorhanden. Ansonsten ist es schon die Frage, was man wem erzählt. Dazu hilft es bei der Seelenhygiene, dass man auch immer mal jemanden hat, mit dem man relativ sicher über die anderen Beziehungen reden kann. Das ist an sich sehr wertvoll und wenn jemand mit dem Konzept um die Ecke kommt, dass man ja keine Geheimnisse voreinander haben sollte und jeder alles wissen darf, dann hat sich die Person noch nicht daran verbrannt. Denn absolute Offenheit verdient Vertrauen und dieses ist gerade in der Welt der sozialen Medien noch weniger zu bekommen.

Das bedeutet aber auch, dass man sich überlegen muss, wie das mit den sozialen Kreisen in seinem Leben ist und wie sehr eine Störung dieser Ordnung eine Person stört. Das hängt auch von der persönlichen Einstellung und Entwicklung ab, immerhin wird der Mensch mit steigendem Alter immer konservativer. Es ist also vielleicht wichtig, dass man die eigenen Kreise, die man sich schafft, nicht gestört bekommt. Die Idee, dass man immer mit jedem verbunden sein muss und dass eine Großzahl von Beziehungen einen Selbstwert hat, obwohl die einzelne Beziehung oberflächlich und mit wenig gegenseitigem Wert belegt sind, ist verirrt und führt dazu, dass man gar keine Beziehungen führen kann, die bedeutsam sind. Dazu kommt, dass dieses Verhalten dazu führt, dass andere Menschen auch immer weniger bedeutsame Beziehungen führen können, weil das Netz des Sozialen um sie herum immer mehr entwertet wird. Alle kennen sich, aber keiner will noch etwas Tiefes sagen, denn das Vertrauen, dass in der Trennung sozialer Kreise geschaffen werden kann, geht in der Jagd des verzweifelten Networkings verloren.

Und so ist es eigentlich zu wünschen, dass die Menschen sich einander annähern, aber auch Freiraum lassen und nicht gegenseitig ihre Kreise stören oder zumindest die Entscheidung, wie das soziale Umfeld der anderen Person aussehen soll und welche Rolle man für diese Person spielt, ihr zu überlassen. Alles andere ist soziale Gewalt, die egal wie gut sie gemeint ist, am Ende zeigt, dass derjenige, der wie bei Archimedes die Kreise stört, am Ende auch derjenige ist, der den Kern der sozialen Interaktion tötet: nämlich das Vertrauen.

[USA Trip] Roundup und Bilder

So, der Urlaub ist jetzt schon drei Wochen rum, aber ich bin endlich[™] dazu gekommen alle Fotos zu sichten und zu bearbeiten. Leider habe ich mir in New York richtig schön den Sensor verdreckt und deswegen sehr viele Bilder nicht benutzen können, aber es sind doch etliche schöne Sachen dabei herausgekommen.

Wenn man sich das ansehen will klicke man einfach auf diesen Link:

USA 2015

Alles in allem waren die USA eine spannende Erfahrung, die meinen Verdacht, dass es ein fremderes Land ist, als wir Europäer denken, erfüllt hat. Es gibt hier kein „besser“ oder „schlechter“ sondern nur ein „anders“. Und „anders“ ist immer gut.