Soziale Entropie II

Ich hatte schon einmal über das Phänomen der sozialen Entropie gesprochen oder besser es irgendwie erfunden ((Bisher hat sich keiner beschwert, aber das ganze Konzept ist eh nur ein glorifizierter Name für etwas, das jeder kennt. Das ist aber öfter so, besonders in der Geisteswissenschaft.)) Nachdem ich beim letzten mal eher darüber geredet habe, wie man Kontakte, die man haben möchte, aufrecht erhält, geht es diesmal um die Frage, die ich da am Ende gestellt habe: Welche Menschen sind mir diese Kosten warum wert? und erweiternd: Was bin ich bereit in Kauf zu nehmen um mit diesen Menschen Kontakt zu halten?

Beziehungskreise

Die erste Frage sieht aus, als wäre sie einfach zu beantworten, ist sie aber nicht. Wir existieren ja in einem Geflecht aus Beziehungen und alle Menschen um uns herum auch. Das bedeutet zum einen, dass man in bestimmten Bereichen Beziehungen zu Menschen hat, die man nicht lösen kann und bei denen man die entsprechenden Menschen akzeptieren muss ((Klassisches Beispiel wäre der Beruf, wobei man da ja immer noch die ultima ratio der Kündigung hat. Leider sind auf diese Möglichkeit nur hohe gesellschaftliche Strafen drauf ausgesetzt.)), und es bedeutet auch, dass man über seine Beziehungen automatisch Teil anderer Beziehungsnetzwerke wird. Nimmt man da die Welt der modernen sozialen Netzwerke hinzu, lassen sich wohl mehrere Kreise aufmachen. Zum einen der Kreis derjenigen, die man als enge Beziehungspartner sieht ((Also sowas wie Familie, enge Freunde und Liebespartner.)). Dann gibt es die Menschen mit denen man regelmäßig zu tun hat. Die letzte Gruppe ist die größte: Menschen, mit denen man eigentlich nichts zu tun hat, außer dass sie jemand sind, den jemand anderes kennt, der im Idealfall eine enge Beziehung zu einem hat.

Das bedeutet dann auch, dass man sehr viel Energie investieren muss, um diese ganzen losen Beziehungen zu bewältigen, obwohl sie alle gemeinsam nicht genug sozialen Wert gegenüber auch nur einer engen Beziehung haben. Man beschäftigt sich also immerzu mit den Äußerungen von Menschen, die eigentlich kaum Beschäftigung bedürfen oder keinerlei signifikante Wirkung auf das persönliche Leben haben. Sie nehmen aber viel Zeit und Energie in Anspruch ohne einen Mehrwert zu haben. Es entsteht da eine hohe soziale Entropie, die man immer wieder bewältigen muss. Die Menge an bewegenden „Teilchen“ ist halt sehr hoch.

Modalitäten

Doch auch die Art, wie ein soziales Netzwerk funktioniert hat einen Einfluss darauf, wie groß die Kosten sozialen Kontakts sind. Es gibt zwei große Modelle, nach denen soziale Netzwerke Menschen miteinander verbinden.

  • Das Freundschaftsprinzip wird vor allem von Facebook propagiert. Dies ist generiert immer synchrone Beziehungen zwischen Nutzern. Ich bin dein Freund und du meiner und wir haben den selben Zugang zu allen unseren Daten, Informationen und Posts. Es bedeutet, dass man immer genauso große Mengen an Informationen bekommt, wie man sendet. ((Also, abhängig davon, wer wieviel von sich gibt. Es ist eine relative Angabe. Ungleichgewichte verschlimmern das Problem für den passiveren Partner aber sogar noch.))
  • Das Followerprinzip ist die Basis von twitter und beruht darauf, dass jede Äußerung von vorneherein öffentlich ist, außer sie ist explizit privat. Den öffentlichen Äußerungen kann ich dann folgen, ohne dass für denjenigen, der sie tätigt eine Verpflichtung entsteht auch mir zu folgen.

Für diese Betrachtung ist damit natürlich auch klar, dass ein soziales Netzwerk nach dem Freundschaftsprinzip eine weitaus höhere soziale Entropie aufweist, als eines, das nach dem Followerprinzip funktioniert. Denn man ist den Nachrichten der anderen ausgeliefert und das Beziehungsformat impliziert, dass man sich alles anhören muss, wenn man auch gehört werden will. Das ist beim Followerprinzip nicht der Fall, denn dort besteht keine soziale Verpflichtung Menschen zu folgen, die einem folgen und umgekehrt. Man selektiert also, welchen sozialen Lärm man sich antun möchgte und welchen nicht.

Fazit

Wir haben durch das Internet die Möglichkeit mit Menschen in Kontakt zu bleiben, bei denen wir ansonsten viel investieren müssten, um es zu tun. Die Kosten dafür sind also niedriger geworden, doch die Möglichkeiten, die wir dafür primär benutzen generieren soviel soziale Entropie, dass die Gesamtkosten für unser Leben, Energie und Zeit, am Ende größer sind als zuvor, wo man konzentriert und punktuell miteinander in Kontakt getreten ist. Das tut man im Prinzip immer noch, aber das Getöse an Nebensächlichkeiten ist um ein vielfaches lauter geworden.

Damit bleibt die Frage, was man in Kauf nimmt um mit Menschen in Kontakt zu bleiben und was nicht. Wir haben viele neue Möglichkeiten, aber diese führen nicht immer dazu, dass man besser Kontakt hält. Oft erhöhen sie nur den Lärm im Leben. Es ist also eine gute Idee sich zu überlegen, was man benutzt um mit den anderen zu kommunizieren und wie.

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