Romantische Selbstreproduktion

Wir denken gerne mal, dass wir gebunden sind. Das Soziale umarmt uns immer wieder und erzählt uns, wie unser Leben zu sein hat. Die Narrative der postmodernen Pseudoleistungsgesellschaft sind erdrückend: sei flexibel, sei modern, sei preiswert und du wirst belohnt werden. Die Welt wird begriffen als rein rationale Angelegenheit in der unser Tun als Akteure einer Wirtschaft in der Mitte stehen. Diese Welt wird also von den Mythen und Märchen des finalen Kapitalismus bestimmt. Das heißt, dass viele Menschen sich diesen angeblichen Zwangslogiken ergeben haben. Das ist auch der Fall, wenn es sich um die irgendwelche „Alternativkulturen“ handelt. Diese haben meist einen romantischen Ursprung und ziehen ihre Energie aus dem selben abscheulichen Menschenbild, dass uns vorgesetzt wird. Diese romantische Verklärung ist also nur die Betäubungspille für diejenigen, die sich unwohl mit dieser kalten Welt der Ausbeutung fühlen. Da wird man dann eingelullt in die Wärme des romantischen Gequatsches, in ein wohliges Gefühl des angeblichen Verständnisses, dass aber seine Prämisse und sein Ziel der Gegenwehr aus den selben unmenschlichen Prinzipien unserer Gesellschaft zieht. Würden wir diese Prinzipien tatsächlich ändern, dann würde auch die Romantik sterben.

Und mit ihr würden die vielen salbungsvollen Floskeln sterben, die wir uns erzählen um darüber hinweg zu täuschen, dass wir eigentlich nichts gegen diese Welt unternehmen wollen. „Genieße dein Leben, denn der harte Teil kommt noch!“, „Wir müssen uns mehr den Gefühlen widmen und uns wieder zur Natur zurückkehren.“ und „Erfülle deine Träume, weil später kannst du es nicht mehr.“ Das ist alles der romantische Backlash, der auf der Annahme beruht, dass der finale Kapitalismus das einzige Paradigma ist. Also auf der Annahme, dass wir nur rationale Wesen in einer kapitalistischen Welt werden und nur das werden können. Dagegen kann man sich fein wenden, aber das Prinzip ändert man damit nicht, man verfestigt es. Man blickt verklärt zurück oder sagt sich, dass die Zukunft schlecht wird, weil man die Idee nicht in Frage stellt.

Und so ist das romantische Geschwafel selbstproduzierend, weil es die selbe Welt braucht, über die es lamentiert anstatt sich gegen diese Welt zu wenden. Doch wenn es diese Welt nicht mehr gibt, wenn es, Eris befürchte, sogar eine gute Welt wird, über die man sich kaum beschweren kann, dann sitzen die ganzen verschnieften Romantiker da und haben auch ihren Lebenszweck verloren. Das geht nicht, also bleibt alles beim Alten, denn wenn sich die Dinge, über die wir weinen ändern, dann macht uns das selbst im größten Vorteil unglücklich und das muss verhindert werden.

2 Gedanken zu „Romantische Selbstreproduktion

  1. Janosch

    vielleicht brauchen wir die „romantik“ ja noch ein wenig um den menschen vor seiner eigenen rationalität zu schützen.
    und wie das so mit glaube ist werde ich das hier nicht weiter begründen sondern für sich so stehen lassen
    schöner blog übrigens sehr interessant hab mich gerade sicher 2 stunden drin verloren.
    liebste grüße

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    1. advi Beitragsautor

      Das Problem der Romantik war schon immer, dass sie eine rein intellektuelle Gegenreaktion auf Rationalität war. Beim ersten Aufkommen im 18. Jahrhundert waren es primär Gedanken der Weltflucht, die die Romantik und damit auch die Verklärung der Vergangenheit begründeten. Das ist sehr problematisch, weil diese Sicht sich sehr gut eignet um gegenüber der rational begründeten Welt wie ein Kaninchen vor der Schlange zu stehen. Man muss mit der Rationalität arbeiten, nicht Absinth saufen und heulend daneben stehen. Die Intelligentia muss relevant bleiben in ihrem Handeln in der Welt und sich nicht in ewiges Geweine verkriechen. Man kann Konzepte nicht töten, aber man kann sie modifizieren.

      Glauben ist ja das Verweigern des Eingeständnisses, dass man etwas nicht weiß. 😉

      Man dankt, man dankt.

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