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Sondierungen als postmodernes Drama

Stefan Schulz vom Aufwachen Podcast hat sich in Folge 247 gewünscht, dass sich jemand mit literaturwissenschaftlichen oder theaterwissenschaftlichem Hintergrund mit den Sondierungsgesprächen von CDU/CSU, FDP und Grünen zu beschäftigen.

Ich bin jetzt kein Theatermensch, also beschäftige ich mich etwas weniger mit der Inszenierung. Dafür fiel mir eines dieser postmodernen Theaterstücke ein, die ich im Studium allein dafür genossen habe, weil sie ein Publikum komplett kirre machen. ((Das sei bitte nicht mit dieser prätentiösen Scheiße verwechselt, wie man sie z.B bei diesem Trump Theaterstück findet. Dramatische Mittel müssen immer einen Sinn verfolgen, der den Zuschauer transzendieren lässt.)) Ich stelle erst einmal das Stück vor und dann ziehe dann Parallelen.

Synopse: Tom Stoppard – The Real Inspector Hound

Das Stück, das sich auf der einen Seite an den Sherlock Holmes Klassiker The Hound of Baskervilles anlehnt und auf der anderen ein Kommentar über journalistische Theaterkritiker. Zum Bühnenbild gehört die Tribüne, auf der die zwei Kritiker Moon und Birdboot sitzen, die sich ein eher lahmes Whodunnit Stück ansehen. Moon ist eigentlich nur da, weil der Oberkritiker Higgs nicht kann und Birdboot findet die Schauspielerin von Felicity ziemlich nett, obwohl er verheiratet ist. Er scheint hauptsächlich daran interessiert zu sein junge Schauspielerinnen gegen sexuelle Gefallen hochzuschreiben.

Der Plot des Stück-im-Stück ist einfach zusammen gefasst: in einem Herrenhaus am Arsch der Welt liegt ne Leiche rum. ((Übrigens seit Anfang des Stückes, die aber freundlich ignoriert wird, bis sie wichtig wird. Postmoderne FTW!)) Es wird per Holzhammerexposition bekannt gegeben, dass ein Wahnsinniger in den Sümpfen um das Herrenhaus unterwegs ist. Dazu kommt ein doppelbödige Liebesgeschichte, bei der Cynthia, eine der Personen im Stück im Stück, das Interesse zweier männlicher Charaktere geweckt hat, während Birdboot gleichzeitig anfängt sich mehr für ihre Schuspielerin zu entscheiden. Während sich Moon und Birdboot über das eher dröge Stück unterhalten klingelt auf der Bühne das Telefon. Moon geht ran und Birdboots Frau ist dran. Das führt dazu, dass Birdboot auf der Bühne ist, während das Stück wieder losgeht und prompt aus dem Off erschossen wird, nachdem er die Leiche als Oberkritiker Higgs erkennt. Moon wird zum Inspector Hound und dann als der falsche erkannt und auch erschossen. Woraufhin in einer dreifachen Enthüllung herauskommt, dass der Täter der drittrangige Kritiker ist, der Moon, Birdboot und Higgs ausm Weg haben wollte. 

Sondierung als postmodernes Drama

Nun, die aktuellen Sondierungsgespräche sind aus meiner Sicht auf vielen Ebenen ähnlich. Wir haben einmal ein lock-room-mystery bei dem sich keine der Personengruppen gegenseitig trauen können und dazu eine Gruppe der Zuschauer, die Teil des Stücks sind und sich doch gleichzeitig für distanziert halten. Wie in Stoppards Stück geht es eigentlich überhaupt nicht um das angebliche Kriminalstück auf der Bühne, sondern um die Zuschauer, die sich die echte Bühne teilen. Ihre Befindlichkeiten, wie die von Moon und Birdboot, sind am Ende wichtig. Das gilt für die Balkonfotos, wie die politischen Kommentatoren, die sich darüber aufregen, dass Sondierungspapiere vertwittert werden. Wir lernen als Beobachter des gesamten Dramas eigentlich hauptsächlich etwas über die professionellen Zuschauer, die das Geschehen auf der Bühne beurteilen sollen.

Und so sind es auch bei den Sondierungen die Fragen, die uns Beobachter umtreiben. Was treibt die Kommentatoren an? Warum stehen da jeden Tag Fotografen sinnlos im Regen um Angela Merkels Gesäß an einen Sims gelehnt zu fotografieren? Die wirtschaftliche Verzweiflung und gleichzeitig arrogante Blasiertheit von Moon und Birdboot scheint eine gute Parallele darzustellen. Auch diese sind da, weil sie da sein müssen und ihre Motive haben nichts mit dem Inhalt des Stückes zu tun.

Was sagt uns das über die Protagonisten, die sich unbeobachtet für Beobachter und Bewerter halten? Birdboot, der entscheidet, welche junge Schauspielerin hochgeschrieben wird, je nachdem ob sie sich mit ihm ins Bett legt, scheint eine einfache Parallele zu Boulevardpresse wie aber auch seriöserer Medien zu sein. Die Selbstimportanz der politischen Kommentatoren ohne Einblick ist faszinierend.

Und natürlich: Wer ist der/die wahre Kanzler(in)? und: Welche der Personen in den Sondierungen wird am Ende die Kritiker erschießen? ((Ich tippe da auf Christian Lindner…)) 

Samhain 2017

Es ist wieder Samhain, die Nacht der Toten und der Grenzen… heute ist wieder eine dieser Grenzen. 

Letztes Jahr ging es im Text Neuanfänge und ich sprach darüber, dass Samhain ein Ort der Grenzen und damit ein Symbol des Neuanfangs ist. Auf der anderen Seite gibt es in der Philosophie des Jahreskreises keine wirklichen Enden. Es endet der Zyklus, aber nicht der Kreis. Und deswegen geht es dieses Jahr darum weiterzugehen.

Also, geht weiter auf euren Wegen… und seht euch um, mit wem ihr geht. Nehmt die Menschen in eurer Nähe an die Hand und geht gemeinsam. Die Welt ist dunkel, insbesondere heute Nacht. Tragt eure Lampen gemeinsam und findet eure Wege…

Happy Samhain!

Das mit dem #mealprep…

Wer mir auf Instagram und twitter folgt hat schon bemerkt, dass ich seit Anfang des Schuljahres regelmäßig am Sonntag Fotos von so Essenskisten poste. Das hat für etwas Verwirrung gesorgt, also werde ich das mal kurz erklären.

Vorraussetzungen

Das zentrale Element hier ist ein typischer Schultag. Im Durchschnitt hat man fünf von sechs Stunden und in den offiziellen Pausen spricht man mit der Schülerschaft oder rennt durch die Gegend. Für Lehrer bleiben maximal die Freistunden, so vorhanden, um irgendwas zu essen. Das Angebot in der Schule besteht meist aus belegten Semmeln und Leberkäsbrötchen. Dazu kommt Mittagessen der rustikaleren Art. Das wird alles vom Hausmeisterehepaar zubereitet und ist vollkommen okay. Allerdings aber auch teurer als selbst zu kochen und leider nicht unbedingt gesund.

Ganz konkret sieht das für dieses Jahr so für mich aus: Montags habe ich von 8:45 bis 16 Uhr Unterricht. Dazwischen liegen zwei 15 Minuten und eine 45 Minuten Pause. Der Rest ist reden, Tafel anmalen und so weiter. Donnerstag und Freitag sind jeweils fünf von sechs Stunden verplant. Für diese drei Tage wäre es irgendwie gut etwas zu essen dabei zu haben und wie gesagt, die Optionen in der Schule sind okay, aber weder finanziell noch gesundheitlich zukunftsfähig.

Prepping…

Nerd und Hipster, der ich bin, bin ich auf der Suche einer Lösung über die indiegogo Kampagne von prepd gestolpert. Das ist eine hipsterige Lunchbox mit passenden Containern und einer App, die Rezepte anbietet. Und obwohl man die Container auch anders füllen kann, bin ich immer wieder erstaunt wie die etwas eigenartig anmutenden Kombinationen gut harmonieren. Deswegen habe ich langsam aber sicher auch Lieblingsgerichte. ((Avo and Eggs!!)) Es ist dazu eine Befreiung einfach jeden Tag zu wissen, was man zu essen mit in der Schule hat, was drin ist und so weiter. Alles in allem bin ich bisher sehr glücklich mit dem Konzept, vor allem, weil leckeres Essen immer toll ist. ((Vom Neid der KollegInnen reden wir ma gar nicht..))

Übergänge

Übergänge

Die Straßenbeleuchtung hat noch halb die Augen geschlossen
Ein blaues Blinken fliegt durch die Dunkelheit des Parks
Das orangene Licht wirft willkürliche Schatten an den Hauswänden entlang
In der S-Bahn legt sich ein müder Kopf auf eine müde Schulter
Der Geruch der durchtanzten Nacht mischt sich mit frischem Kaffee To Go

Das Blinken wird zum Hund
Das Licht führt nach Hause
Der Ofen offenbart warme Brötchen
Eine Tür öffnet sich, eine andere schließt sich.

Wir sind hier
Aus der Welt, in der Welt
Im Nirgendwo des Morgens

WMDEDGT – Versuch

Die Vrouwelin hat ihren ersten WMDEDGT ((Was machst du eigentlich den ganzen Tag?)) Eintrag veröffentlicht und weil ich manchmal ein Herdentier bin, mache ich zumindest heute mal mit. Ich verspreche nicht, dass das irgendwie dauerhaft wird…

Die Woche ist ja an sich schon etwas wonky und fürn Arsch, weil der Feiertag mir den Rhythmus raubte. Heute war dann alles irgendwie normal, aber etwas früh. Nach dem Aufstehen habe ich festgestellt, dass die aktuelle Stimmung etwas MBSR brauchen könnte.

Also, wie aktuell üblich gegen halb sechs ausm Bett gefallen, den morgenmuffeligen Hund in die windig-laue Herbstnacht herausgeführt und dann sollte es eigentlich Frühstück geben. Ich war aber total neben der Mütze und zu hungrig und bin zum Bäcker gefahren, um da zu frühstücken.

Kurz vor sieben in der Schule aufgeschlagen und einen schönen großen Stapel Arbeitsanweisungen für das neue Sozialkundethemengebiet kopiert, noch mit dem jungen Kollegen verabredet, wo wir die Klassenfotos machen und dann ab in den Unterrichtsalltag. Bis zur 5. Stunde dreimal das selbe Spiel, dazwischen endlich alle Termine für große Leistungsnachweise eingetragen und etwas mit Kollegen geredet. Dazu den Kuchen der vergeburtstagten Kollegin gemampft.

Statt die ausgefallene sechste Stunde zu nutzen, sie mit ner Kollegin verquatscht, dann zum Schreibwarenladen, auf Schulrechnung Zeug für den Workshop morgen gekauft, wieder schlecht gegessen und heim zum Hund.

Jetzt kommt der coole Teil: nix ist schöner als mit Flocke im Sturm über Wiese zu latschen, dann noch mit meiner Mutter telefoniert, während ich abspannen wollte und jetzt Ehrenamt.

Später: mit wunderbaren Menschen telefonieren…

Das Care Prinzip

Ich sitze gerade auf einer Parkbank unter den Linden in Berlin und genieße einen Tabletoppodcast während der berliner Morgenverkehr um mich herum versucht mich mit Feinstaub und Stickoxiden zu vergiften. In ungefähr zwei Stunden habe ich den ersten Termin meiner Fortbildung bei der bayrischen Botschaft in Berlin und bis dahin kann ich ja mal etwas aufschreiben, dass für mich mittlerweile sehr selbstverständlich ist, aber vielleicht mal erzählt werden sollte.

Die Konsequenz des Sozialen

Wir sind alle in einer Welt miteinander und haben mehr oder minder direkt miteinander zu tun. Sei es mittelbar wie bei den gerade aufkommenden Wahlen, oder unmittelbar, weil wir miteinander Lebenszeit und -räume teilen. Und wir haben dabei eine Wahl, die David Foster Wallace in seiner Rede „This is Water“ folgenderweise beschreibt:

The really important kind of freedom involves attention and awareness and discipline, and being able truly to care about other people and to sacrifice for them over and over in a myriad petty, unsexy way every day. That is real freedom.

Wir können uns also aussuchen, ob wir für andere Menschen etwas empfinden und ob wir für andere Menschen Sorge tragen. Nachdem im sozialen Raum jede Handlung einen Gegeneffekt hat und dieser sehr oft reziprok ist, gibt es rational gut Gründe sich um andere Menschen zu kümmern. Das haben wir als Gesellschaft in der Größe allerdings professionalisiert und deswegen entsteht der Anschein, dass wir selbst uns wenig kümmern müssen. Meine These ist, dass care – also die Idee, dass eine Person sich um jemanden sorgt und passend handelt -, ein wichtiges Prinzip ist, dem man sich verschreiben sollte. ((Ja, das ist eine Empfehlung. Und so selbstlos ist die nicht.))

Moderne Kälte

Ein Hauptgrund ist, dass die moderne arbeitsteilige Gesellschaft gut dafür sorgen kann, dass organisch gewachsene Solidarität nicht mehr stattfindet. Wir sind immer weiter verteilt und bekommen sehr gerne eingeredet, dass wir nur für uns sind. Das erste ist wahr, das zweite totaler Quark. Es ist einfach zu glauben, dass man allein in der Welt ist, aber das ist objektiv nicht wahr und subjektiv eine Katastrophe. Die Kälte des sozialen Raums, die viele Menschen heutzutage erleben ist also nur teilweise eine Funktion der differenzierten Gesellschaft, wie es schon bei Durkheim in der Abhandlung zum Selbstmord beschrieben wurde, und ansonsten eine Funktion verschiedener sozialer Konstrukte, die ich als schädlich bezeichnen würde. Die Konsequenzen für die einzelne Person sind aber eher so unangenehm bis gefährlich. Viele Menschen haben unzureichende Supportnetzwerke, die im Zweifel auch aus anderen Leuten bestehen, die glauben, dass ihre Interessen der ultimative Maßstab für ihr Handeln ist und haben dazu beigebracht bekommen, dass um Hilfe fragen ein Zeichen von Schwäche ist, dass soundso nicht beantwortet wird.

Das ist alles tragisch. Es führt zu Konkurrenzhetze, Nervenzusammenbrüchen, Burnouts und vor allem vielen Therapiestunden, die sich die Gesellschaft sparen könnte, wenn wir füreinander da sind. Wertschätzung, Hilfe und vor allem die Überzeugung, dass der und die jeweils andere unsere Aufmerksamkeit und Zuwendung wert sind, wie wir sie selbst wert sind, sind alles etwas verloren gegangene Ideen. Sie waren in den Zeiten der engen, kleineren sozialen Gemeinschaften, die aufeinander angewiesen waren häufiger, genauso wie die Strafen für Missachtung gemeinschaftlicher Regeln härter waren. 

So… Care!

Es ist aber leider ein Fehlschluss zu glauben, dass nur weil unsere sozialen Kontakte sich nun über Kontinente erstrecken können, wir nicht füreinander da sein sollten. Die selben Medien, die uns diese Lebensstile ermöglichen, sind dann auch diejenigen, die wir dafür nutzen können uns weiterhin um Menschen zu kümmern und ihnen zu zeigen, dass sie für uns wichtig und damit nicht allein sind. Im  Umkehrschluss können wir selbst auch erfahren, dass wir selbst nicht allein sind. Die soziale Kohäsion der Gesellschaft ist wichtiger als wir glauben. Sie beruht darauf, dass Menschen füreinander und miteinander die Welt gestalten. Differenzen dürfen sind dabei normal und wichtig, aber sie sollten und können nicht der Anlass dafür sein, dass die Person gegenüber unserer grundlegenden Aufmerksamkeit nicht wert ist und dass wir Menschen, die uns wichtig sind, vergessen. Denn wir wollen auch nicht vergessen werden und brauchen manchmal Care…

Ich bin wahlmüde…

Ihr habt die Überschrift gesehen, ich bin wahlmüde. Jetzt werden sich einige denken: „Aber du bist doch Sozilehrer!“ oder „Aber du bist doch immer so laut, was Politik angeht.“ Ja, bin ich und ich bin müde. Weil es dafür aber Gründe gibt und weil die wiederum viel mit der Welt da draußen zu tun haben, werde ich diese mal formulieren.

Scheiße, ist das langweilig.

Es ist so schon nervig dem Brimborium der Wahlen zu folgen. Mit Angela Merkel, die Einlullen als Politikmodus etabliert hat, und Martin Schulz, der als Person die Intensität eines weichen Kekses besitzt, hat das alles nun die anregende Wirkung einer Schlaftablette. Langweilige Menschen reden über langweilige Sachen und über sich selbst. Ist es nicht toll… also der Entertainmentwert ist so niedrig wie noch nie.

Nicht die Zielgruppe.

Ich bin anscheinend nicht die Zielgruppe dieser Wahl. Also so mit Mitte 30, gutem Einkommen, hoher Steuerlast und der Option eine Familie zu gründen, bin ich schon mal uninteressant. Aber weder meine FreundInnen mit Familie, meine FreundInnen in der Ausbildung, meine FreundInnen in der Wirtschaft noch irgendwer anders, nichtmal meine Eltern sind irgendwie die Zielgruppe dieser Wahl. Anscheinend soll hier die potente Gruppe der reichen Ausländerfeinde irgendwie Thema sein. Angesprochen fühle ich mich gerade so von einer Partei und die kompletten Themen berühren meine Realität nicht.

Selbstreferenzielles Mediengeblubber und abwehrendes AfD Gepushe

Die klassischen Medien scheinen mir auch komplett disjunkt von meiner Wirklichkeit zu sein. Ich weiß ja nicht worüber die reden, aber relevant für mich ist es nicht. Die Social Media Welt ist hingegen voller passiv-aggressiver Scheiße, die eine diffuse Angst vor der AfD verbreitet und gleichzeitig das beste tut, diese Partei immer wieder zu erwähnen. Anstatt endlich aufzuhören gegen die reden und stattdessen positive Botschaften zu senden. Wie wenig negative Botschaften bringen, kann Hillary Clinton erzählen. Sie machen nur die eigenen Reihen hysterisch, wenn das selbstaufgebaute „Böse“ dann doch im Bundestag sitzt. Konstruktiv wäre ja schön, positiv wäre auch schön. Bei der Hysterie möchte ich am liebsten allen Dildos schenken. ((Wer das nicht versteht: Dildos waren das „Heilmittel“ gegen Hysterie im Viktorianismus.)) Und bitte dabei nicht über die AfD reden, sondern darüber, was wir für eine Welt haben wollen. Und das immer wieder…

Und das macht mich unendlich müde. Ich muss mich ab Dienstag wieder vor SchülerInnen stellen und eine meine Hauptaufgaben ist es jungen Menschen, Ausbildung und Perspektive zu bieten. Und das nicht in dem ich mich einfach nur hinstelle und weine, wie schlimm die Welt ist. Denn ich habe es hier mit echten Menschen in einem direkten sozialen Verhältnis zu tun. Was ich da tu, hat weitaus mehr Konsequenzen als das Wahlkreuzchen und weitaus mehr Relevanz als dieser Blogeintrag oder ein verfickter agitierter Tweet. Es geht mir sowas von an die Löffel, dass ich mir diese selbstreferenzielle Scheiße von irgendwelchen Labertaschen anschauen muss, deren einziger Beitrag eine Tweetkette ist. Wenn ihr was bewegen wollt, dann nicht passiv-aggressiv von der Tastatur aus.

Absolutes Missverständnis des Wahlsystems und der Wahlen allenthalben

Es gibt da einen Politikunterricht zu. Hört ihn euch bitte an. Wahlen sind wichtig und der Mittelpunkt einer Demokratie. Es geht hier darum, das Gremium zu bestellen, dass die Regeln für unsere Gesellschaft festlegt. Wenn ihr der Meinung seid, dass das ein Sandkasten sein sollte, dann halte ich euch nicht auf, weil das meine politikphilosophische Überzeugung ist. Aber es macht mich auch müde zu sehen, wie die Diskurse über die Wahl von dem wegdriften, worüber wir reden sollten. Zwei Wochen vor dem Wahltermin überlegen, ob eine Satirepartei nicht eine tolle Gegenveranstaltung zu irgendwelchen abgehalfterten Rechtspopulisten im Parlament wäre, zeigt, dass wir anscheinend keine Probleme haben, die dringend gelöst werden müssen. Dem Sozialstaat geht’s ja blendend, die Leute sind alle glücklich und es regnet Zimtschnecken.

Dazu gehören auch die unsäglichen Wahlempfehlungen. Also Empfehlungen, dass ich wählen gehen soll und dann bitte nur die etablierten Parteien, weil wir ja die AfD verhindern müssen. Was für ein Bullshit. Die Menschen haben die Freiheit wählen zu gehen, und das ist gut so. Genauso wie sie die Freiheit haben, zu wählen was sie wollen, nach ihren eigenen Prinzipien. Wer empfiehlt, dass jemand etablierte Parteien wählen soll, um eine andere Partei zu verhindern hat damit den Traum des rechten Einheitsstaats auch erfüllt. Aus Angst seine persönliche Freiheiten einschränken ist nicht freiheitlich und der Traum der Rechtspopulisten.

Realität statt Fiktion

Ich bin also müde, dass ein Großteil dieser Wahl, die am Ende ein Parlament und mittelbar eine Regierung wählt, die über unsere Zukunft die nächsten vier Jahre entscheiden, anhand von Fiktionen diskutiert wird. Weder Satiriker noch nicht-satisfaktionsfähige Rechtspopulisten sind eine Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Eine Wahlbevölkerung, die komplett nicht mehr miteinander spricht, die schon in ihren Medien, und damit auch Realitätsfiktionen, gespalten ist und in der jeder glaubt, dass die Welt untergeht, wenn sie sich nicht genau nach den eigenen Vorstellungen entwickelt, die wiederum ist eine Gefahr für die komplette Gesellschaft.

Und weil ich zu der Gruppe gehöre, die versucht die Risse in dieser Bevölkerung zu überbrücken, bin ich müde… denn einfacher ist das nicht geworden…

Jung? Aber sicher!

Wir reden ja regelmäßig, aber letztens hat die Vrouwelin mal wieder in das Netz geschrieben und zwar über aktuelle Jugend. Die trieb uns schon im letzten Podcast um, und Vrouwel geht es um den ganzen Jugendpessimismus, der durch die Gesellschaft schwappt. Die Jugend sei narzisstisch, dumm und verdorben und alles sei ganz schlimm.

Vrouwel weißt schon darauf hin, dass das alles Quatsch und nicht sonderlich neu ist und Christoph meckert zurecht an einem komplett bekloppten Generationenbegriff herum. Ich möchte hier aus der Lehrerperspektive auch etwas dazu geben. Immerhin darf ich mir das öfter ansehen.

Und der Begriff, der für mich derzeit zentral ist, wenn ich über die jungen Erwachsenen nachdenke, die da vor mir sitzen, ist Sicherheit. Sie ist eines der wichtigsten Themen, die immer wieder, auch im Englischunterricht auftauchen. Dabei geht es zum einen darum, wie sich die Schülerinnen und Schüler am besten für eine finanziell und beruflich sichere Zukunft in Stellung bringen können, zum anderen sehr oft um das Gefühl von Sicherheit im schulischen Alltag.

Die finanzielle und berufliche Sicherheit ist wahrscheinlich das offensichtlichste Thema. Dabei werden mir immer wieder die Vorstellungen vermittelt, dass ein sicherer Job besser ist als ein gut bezahlter und dass gute Noten dafür zentral sind, einen solchen Job zu bekommen. Beides ist leider nicht ganz richtig und letzteres hat direkt mit dem Sicherheitsgefühl zu tun. Es hat sich mittlerweile als Erkenntnis durchgesetzt, dass wir in unsicheren Zeiten leben. Die aktuelle Shell-Jugendstudie ((unter anderem zu finden in diesem tollen Text von Stefan Schulz)) sagt, dass es für junge Menschen zentral ist, einen sicheren Job zu haben. Das hat direkt miteinander zu tun. Und weil Regeln sicher sind und die meisten sicheren Jobs viel mit staatlicher Regulation und der alten Welt der sinnlosen Zertifikate zu tun hat. Dabei liegt eine erfolgreiche und sichere berufliche Zukunft eben nicht in irgendwelchen Zertifikaten und Verbeamtungen, sondern in der Fähigkeit, etwas zur Welt beitragen zu können. Dabei braucht es also eine inhaltliche und kognitive Ausstattung, die das Gegenteil davon ist, was an Schulen hinlänglich gute Noten beschert. ((Darüber müssen wir eh mal reden…)) Dabei wird Schule eigentlich nur noch „Spiel“ verstanden. Ich habe dieses Jahr wieder erleben müssen, dass erstaunlich viele Schülerinnen und Schüler glauben, dass das Erfüllen fester Regeln am ehesten zu einem Schulerfolg führt. Das ging soweit, dass es direkt zu Feindseligkeiten gegenüber Lehrkräften führt, wenn die sich nicht an die geheimen Regeln halten. Dabei scheint es wieder um Sicherheit zu gehen. Die Sicherheit, verlässlich gute Noten produzieren zu können, die Sicherheit daheim gut dazustehen und die Sicherheit, dass aus einem etwas wird, weil ja die Noten gut sind.

Dabei ist das alles falschestmöglich. Sicherheit ist eine schlechte Strategie in einer inhärent unsicheren Welt. Stattdessen braucht es Flexibilität und zwar nicht als neoliberales Schlagwort sondern als Grundprinzip der eigenen Ausstattung. Dafür benötigen die jungen Menschen aber Dinge, die ihnen nicht gegeben werden und die sie gefühlt auch nicht möchten: eine eigenständige Identität, eine echte Kompetenz in der Wissensbeschaffung, Auswertung und Interpretation und eine emotionale Stärke, die sie Unsicherheit aushalten lässt. Das alles müsste die Schule und die Eltern ihnen geben, stattdessen bekommen die Jugend Regeln und Ängste serviert und muss sich dann anhören, dass sie zu wenig Mut hat, zu wenig Intelligenz und immer verhätschelt werden muss.

Self-fulfilling prophecies sind halt toll…

Podcasts und Monetarisierung

Ich verfolge die Entwicklung der Podcastingwelt aus persönlichem Interesse und persönlicher Involvierung. ((Meine Podcasts sind hoffentlich bekannt, ansonsten: Seitenleiste.)) Die deutsche Podcastwelt ist ja nach Podlove, Auphonic und Ultraschall technisch auf einem Niveau, dass es auch Amateuren möglich ist, auf ziemlich hohem Produktionsniveau Sendungen in den digitalen Äther zu senden. Gleichzeitig wird in den USA der Podcastboom ausgerufen und Deutschland bekommt Podcastlabel. Podcasting ist also aus der Nische draußen, in der sie die Podcaster gern verorten. Dazu wird immer mehr über die Monetarisierung gesprochen. Das ist für mich kein Thema, weil ich einen gut bezahlten Day-Job habe und die Kosten von Podcasts nicht ins Gewicht fallen. Dazu verwurste ich ja in den Podcasts hauptsächlich Dinge, für die ich schon in diesem Day-Job gut bezahlt werde. Weil mich das alles nicht betrifft und ich da trotzdem eine Meinung habe, gehe ich mal die verschiedenen Optionen ernsthafter Monetarisierung von Podcasts durch.

Werbung

Der Klassiker der Monetarisierung und der Standardmodus in den USA. Hört man da so Podcasts wird man regelmäßig mit selbstvorgelesenen Werbetexten erschlagen, meist mit nem Couponcode versehen, damit die Firma, die den Auftrag gibt auch etwas nachvollziehen kann, ob die Werbung Wirkung zeigt. Immerhin lassen sich weder Downloadzahlen noch Hörerzahlen anständig messen und verfizieren. Obwohl sich das jetzt dank einer Initiative von Apple verändern soll. Dort wird es dann genauer Analytics geben, die vielen werbegestützten Podcasts Schwierigkeiten machen werden. Denn dann werden die Werbeunternehmen erstmal Zahlen sehen wollen, bevor sie investieren. Und da ist das Problem. Podcasts zählen als eine der attraktivsten Werbeträger derzeit. Vor allem in den USA, wo die Podcaster auch noch selbst die Werbung sprechen, gibt es eine hohe Identifikation mit dem Produkt. Es ist sowas wie Native Advertising, das meist nicht einmal durch Jingles getrennt ist.

Soweit der Status quo. doch was bedeutet das für die Podcasterinnen und Podcaster? Nun zum einen ändert sich hier, wie auch bei einigen anderen Beispielen die folgen, wer eigentlich der „Kunde“ oder die „Zielgruppe“ des Podcasts ist. Das wechselt nämlich von den Hörenden zu den Werbetreibenden. Es geht nicht mehr darum, etwas anzubieten, dass dann eine interessierte Hörerschaft findet, sondern etwas anzubieten, dass möglichst viele Hörerinnen und Hörer hat und möglichst gut vermarktbar ist. Dazu mischt sich der Werbetreibende dann gerne mal in die Gestaltung der Sendung ein und hat natürlich jedes Recht, weil er das Geld gibt. Die Abhängigkeiten ändern sich also. Dazu ist es schwierig, Werbung zu machen und dann zum Beispiel über Produkte zu reden, die von Konkurrenzfirmen sind oder aber wie bei den Schulsprechern sich mit Themen zu beschäftigen, die werbefrei sein müssen.

Amazon Affiliate

Eine Sonderform hier ist, dass Menschen in Podcasts über Produkte sprechen, aber dafür nicht bezahlt werden und stattdessen einen Prozentanteil von Amazon bekommen können, wenn HörerInnen über einen bestimmten Link den Einkauf machen. Das ist komplett problemfrei, aber dafür auch keine sichere Einnahmequelle. Dazu ist Amazon auch mal eklig, wenn es darum geht, wer affiliate sein darf.

Spendenplattformen

Der aktuelle heiße Scheiß, wenn es nicht Werbung sein soll, sind Spendenplattformen. Ganz vorn dabei sind Patreon und in Deutschland Steady. ((Keine Links…)) Die Idee ist relativ einfach: die Plattformen aggregieren zahlungswillige NutzerInnen und nehmen eine kleine anteilige Gebühr für diesen „Service“. Dabei wird gerne so getan, als wären die Podcasts Eigentum der Plattformen. Die größte Kritik an diesen Spendenplattformen ist, dass niemand so richtig weiß, warum da eigentlich doppelt und dreifach Steuern und Kommission bezahlt werden soll, wenn es doch auch einfacher geht. Hier ist vielleicht noch ein Satz zu Flattr zu sagen: Flattr ist eine tolle Idee, die tot ist.

Direktspenden

Mit Direktspenden nämlich. ((Juhu, Fragmente!)) Es gibt SEPA und das kostet heute nichts mehr, ist zuverlässig, steuerabziehbar und nachverfolgbar. Dazu kostet es jenseits Umsatzsteuer für die Gewerbetreibenden nichts. Die zweite Möglichkeit, von der ich auch Gebrauch mache sind Amazon Wunschlisten. Hier wird in Sachmitteln gespendet, was einen Überraschungseffekt hat, aber im Zweifel für Freiberufler kompliziert sein kann. Dazu bleiben bei direkten Spenden die Hörenden weiterhin die Gruppe, die angesprochen wird.

Plattformen und Auftragsarbeiten

Die letzte Möglichkeit ist nur für Leute, die schon ordentlich Erfolg haben. Wobei zwischen diesen beiden Möglichkeiten auch Unterschiede bestehen. Sind Auftragsarbeiten generell eine faire Sache, weil sie schlicht ein Angebot sind, für das von vorneherein bezahlt wird und auch offen kommuniziert wird, dass es sich um ein solches Angebot handelt, ist das bei Plattformen schon schwieriger. Podcasts sind an sich etwas, das direkt im Web existieren kann und somit frei zugänglich ist. Kommen jedoch die Spotifys und Audibles dieser Welt an und bieten in ihren Ökosystemen wieder exklusiv Sendungen an, führt das dauerhaft zu Fragmentierungen, die zu vermeiden eigentlich im Interesse aller Beteiligten außer den Plattformen ist. Nicht einmal die Podcastenden haben davon so richtig Vorteile, außer, dass sie bezahlt werden.

Fazit

Am Ende ist die Frage, wer der Kunde des Podcastenden ist. Ist es der/die Hörende oder aber Menschen, die da Werbung machen. Ist der/die Hörende der Kunde, dann stellt sich nur die Frage, wie das Geld, dass da bereit ist gezahlt zu werden, am einfachsten und beständigsten zu den Produzenten von Podcasts kommt. Dabei zeigt sich dann, dass die klassischen Methoden wahrscheinlich die für alle Seiten effektivsten sind. Das Podcastökosystem wächst gerade, aber vielleicht sollte es die Fehler der anderen Webangebote vermeiden. Wir hatten AOL, wir haben Facebook und Adblocker en masse. Das brauchen wir alles für ein gesundes Ökosystem nicht, wenn genug Menschen schlicht einen Dauerauftrag ausfüllen.

Weil das was bringt.

In Talkshows sitzen Politiker
und bewerfen sich mit Anklagen
zu Themen, die niemand interessieren

Weil das was bringt.

Auf Facebook träumen die Vergessenen
von alter Glorie und einer einfacheren Welt
in der sie immer noch vergessen sind

Weil das was bringt.

In Schulen sitzen junge Menschen
in Reihen und lernen, dass
Zahlen auf Zetteln Leben bestimmen

Weil das was bringt.

Auf twitter gießt jede(r) über jede(m)
Häme aus, der nicht der selben Meinung ist.

Weil das was bringt?

Vor irgendeinem Haus stehen
Menschen mit Schildern und skandieren Parolen.

Weil das was bringt?

im nirgendwo wechselt
eine übermüdete Pflegekraft
einen Katheter.

Weil das was bringt.

Auf einer Couch sitzen zwei Menschen
umarmt und sprechen
über sich und ihre Welt.

Weil das was bringt.