Watching Bones.

Hachja, man hat ja manchmal wenig zu tun und dann muss man sich unterhalten. Ich habe das in den letzten Wochen mit dem chronologischen durchschauen sämtlicher Staffeln von Bones verbracht, weil ich erstaunlich wenig zu tun habe. Und nachdem ich das wirklich mit so 3-5 Folgen täglich mache, bekomme ich einen guten Überblick über die Mechanismen und Strukturen der Serie. Das wird also mal so eine richtig tolle literaturwissenschaftlich-soziologisch-psychologische Besprechung. ((Ich hab Zeit für sowas und habe es lange nicht mehr getan.))

Ich werde die Charaktere hier nicht vorstellen. Ich empfehle dafür die Charakterseite von TvTropes.

Kriminalistische Fälle und Forensik

Bones ist in der Grundlage eine Kriminalserie und folgt als solche verschiedenen klassischen Dramaturgien, die man für eine Kriminalserie erwarten kann. Am Anfang jeder Folge wird ein möglichst eigenartig verrottete und/oder verstümmelte Leiche geborgen. Dies geschieht meist auch an eher eigenartigen Orten. Die Serie gibt sich dabei große Mühe eine alltägliche menschliche Begegnung darin enden zu lassen, dass Menschen die Leiche entdecken und laut schreien. ((Besondere Erwähnung geht an den kleinen Jungen, auf dessen Bett eine verrottete Leiche aus dem darüberliegenden Stockwerk fällt. Seine Aussage spricht für das Kind in uns:“Cool!“))

Danach folgt eine Reihe von wissenschaftlicher Analyse der Leiche und klassischer Detektivarbeit. Die wissenschaftlich-forensische Analyse beinhaltet jede Menge wissenschaftlicher Terminologie und das eine oder andere eigenartige Experiment, bei dem dann auch so manches schief geht. Am Ende stützt sich die Detektivarbeit komplett auf die forensischen Fakten und Analysen. Die Dramaturgie ist immer gleichartig. Man findet verschiedene Verdächtige und am Ende den Mörder. Dieser wird meist erst durch einen Heureka-Moment der Wissenschaftler gefunden, die ihre Fakten neu bewerten oder im Laufe der Ermittlung neue Fakten herausfinden.

Zu diesem kriminalistischen Hauptplot gibt es einen sozialen Subplot, der sich wahlweise um die Liebesgeschichte der Hauptcharaktere dreht, die schon in der ersten Folge der Serie angelegt wird, oder um verschiedene Probleme der Nebencharaktere. Das Interessante ist hier, dass diese Geschichten eigentlich die Handlung der Serie an sich weitaus mehr treiben als die kriminalistischen Themen. Zwar gibt es manchmal größere Bösewichter in der Serie, aber meist steht das persönliche Drama im Mittelpunkt und wird auch fortgeführt.

Themenkomplexe

Die Serie dreht sich in ihren Themen um verschiedene klassische Streitpunkte, die die Literatur seit Jahrhunderten behandelt. Neben Liebe, Romantik und allerlei Zwischenmenschlichem, steht hier auch die große Dichotomie von Gut und Böse im Mittelpunkt. Das ist aber bei einer Kriminalshow nicht anders zu erwarten. Der Schwerpunkt auf forensischer Anthropologie gibt damit aber noch den Gegensatz von „kalter“ Wissenschaft und „warmer“ Menschlichkeit. Dazu wird gerne noch auf den Kampf der rationalen Wissenschaften gegen esoterische Aberglauben abgehoben.

Gut und Böse

Wie es sich für eine Krimiserie gehört geht es auch immer um Gut und Böse. Wobei gut erst einmal durch die Hauptcharaktere besetzt ist, die auch gerne mal ein moralisches Urteil über die jeweiligen Mörder ((Es gibt nahezu keine andere Art von Straftat, die hier behandelt wird. Immerhin braucht man für den zweiten Teil eine möglichst verfallene Leiche, die die internen Experten des FBI nicht mehr analysieren können.)) fällt. Obwohl gerade der Charakter von Dr. Brennan gern auf die moralischen Ambiguitäten zwischen dem Handeln der Gesetzeshüter und der Mörder hinweist, ist doch immer klar, dass das was sie tun gut und richtig ist.

Dazu wird ein altes Mittel des Krimis benutzt: der Mörder muss klar niedere Motive haben und nach dem existierenden Moralkodex der Gesellschaft schlecht und böse sein, je schlechter und böser desto besser. Dabei wird allerdings gerade bei den Opfern vieles als selbstverständlich oder legitim dargestellt, dass traditionelleren Moralvorstellungen widerspricht. Hierüber entspinnen sich dann lebensphilosophische Diskussionen der Hauptcharaktere. Agent Booth als katholischer Christ argumentiert hier meist gegen die überrationale Dr. Brennan mit Hilfe von diffusen emotional-aufgeladenen Wertvorstellungen, gegen die Sachlogik argumentativ schlecht aussieht. Der Diskurs ist dabei implizit auf der Seite der klassischen Vorstellungen Booths. Ähnlich, wie in vielen anderen Krimiserien ist hier halt wichtig, dass für den Zuschauer am Ende eine heile Welt hergestellt wird. Das muss auch im philosophischen Bereich so sein. Wenn es kein klares Gutes mehr gibt, entzieht sich die Serie schließlich der eigenen Prämisse.

Empirik und Gefühl

Die abstrakte Diskussion von Gut und Böse findet, wie erwähnt, ihre Ausprägung in Diskussionen über das Fühlen und das empirische Vorgehen der beiden Hauptcharaktere. Booth ist der intuitiv-fühlende, der sich bei seinen Verhören auf die Zeugen und Täter nahezu automatisch einstellt, während Brennan immer einen scharfen analytischen Blick auf die Umgebung hat. Diese beiden Welten treffen immer wieder aufeinander. Die übertrieben buchgelehrte Brennan ist zwar sehr belesen in menschlicher Interaktion, hat aber kein Gespür dafür. Booth stellt sich dümmer als er ist und kann Menschen lesen. Trotzdem weist er den Fähigkeiten seiner Squints immer einen sehr hohen Wert zu. Am Ende versorgen sie ihn mit sämtlichen Fakten, damit er Leute überhaupt verhören kann. Die empirische Forschung ist also die Basis für jeglichen Erfolg, wird aber immer wieder durch eine Betonung der Gefühle und ihrer Wichtigkeit konterkariert. Emotionale Momente werden gerne dramatisch aufgewertet und obwohl der Erfolg des empirischen Arbeitens immer gezeigt wird, sind es doch die emotionalen Momente, die den Zuschauer mitnehmen. Es wird zwar empirische Wissenschaft als gut und toll gezeigt, aber es sie ist immer Vehikel für emotionale Momente zwischen den Hauptcharakteren oder den Angehörigen der Opfer.

Rationalismus und das Übernatürliche

Die empirische Wissenschaft ist auch ein Teil des nächsten Komplexes. Die Sendung nimmt regelmäßig auch sehr eigenartige Geschehenisse als Thema auf. Diese werden dann gerne mal von den Nicht-wissenschaftlern im Team als magisch oder okkult angesehen, bevor sie doch komplett rational erklärt werden. Die Serie ist dabei relativ klar und kompromisslos. Trotzdem kann man sich aus dramaturgischen Gründen nicht komplett von mystischen Themen fernhalten. So gibt es da eine Kartenlegerin, die erstaunlich oft die Wahrheit sagt. Obwohl natürlich Brennan als Avatar der Logik hier sehr skeptisch ist und nach einer rationalen Erklärung sucht, wird ihr schlicht keine gegeben und sie akzeptiert nach dem ersten Erfolg schlicht, dass die Dame weissagen kann.

Ähnlich fallen Unterhaltungen zwischen Booth und Brennan aus, wenn es um Religion geht. Sie hat perfekt sinnvolle anthropologische Erklärungsmodelle für religiöses Verhalten und lässt sich doch immer von Booth zu Handlungen hinreissen, die einem romantisch-religiösen Motiv voller tradierter Werte entspricht. Dabei ist wieder wichtig, dass sie „normal“ und menschlicher wird, wenn sie dies öfter tut, obwohl Rationalität an sich keinerlei Wert hat, ausser für Menschen, die irrigerweise glauben, dass sie das Gegenteil von Emotionalität ist.

Besonders interessant ist hier die Episode mit dem „Finder“, der eigentlich nichts weiteres als intuitive Psychologie benutzt um Menschen und Gegenstände zu finden. Es wird des öfteren so getan, als sei dies eine übernatürliche Fähigkeit, dabei wird auch gezeigt, dass es eben keine solche ist, über die der „Finder“ verfügt. Auch hier wird Brennans Skeptizismus dadurch besiegt, dass man ihr ein emotional wichtiges Stück ihrer Jugend wiederfinden lässt. Damit wird dann für Brennan die Übernatürlichkeit nicht erklärt, aber trotzdem gerechtfertigt.

Charakterentwicklung

Die Serie lebt sehr stark von der Charakterentwicklung. Dies liegt unter anderem darin, dass nach der ersten Staffel das Grundprinzip des kriminalistischen Teils ausgeschöpft ist: grausiger Leichenfund, Ermittlung und Analyse der Leichenteile, Verhör eins, finden neuer Informationen, Verhör zwei und Festnahme.

Deswegen stehen die Entwicklungen der Charaktere im Mittelpunkt. Besonders die beiden Hauptcharaktere Booth und Brennan zeigen seit der ersten Folge eine sexuell-romantische Anziehung, die einen größeren Teil der Serie ungelöst dahinwabert und damit immer wieder neue Motive für das weitere Ansehen der Serie besorgt. Man schaut Bones also nicht wegen des Krimifaktors sondern wegen der Charakterentwicklung zwischen den Hauptcharakteren, die sich übrigens dann in Staffel 7 endlich bekommen. ((Danach habe ich nicht mehr weiter gesehen, weil irgendwie war dann der Reiz der Serie echt weg.))

Dazu kommen die Nebencharaktere, die gerade in späteren Folgen immer vielfältiger werden und tatsächlich sehr viel Tiefe entwickeln. Sei es die Beziehung zwischen Slime-and-Bug Guy Hodgins und Künstlerin Angela, oder die einzelnen Macken der verschiedenen Interns ((Mein persönlicher Favorit ist der depressive Fisher, der sich dann auch aus seiner Depression herausarbeitet.)) es gibt viele Charaktere, die sich sogar nachvollziehbar entwickeln. Dazu reagieren die Charaktere auch realistisch aufeinander, obwohl gerade Dr. Brennan teilweise karikaturenhaft überzeichnet wirkt, wenn sie komplett popkulturneutral und immer verstaubt anthropologisch-analytisch ist. Sie entwickelt sich aber auch weiter zu einem Menschen, der emotionale Erwägungen zumindest schätzt, wenn sie sie auch nicht immer ernst nimmt.

So ergibt sich auch, dass ein Schwerpunkt der Serie auch der Charakterinteraktion liegen muss, denn diese führt nicht nur die inhaltlichen Schwerpunkte fort, sondern ist auch die Basis für die Charakterentwicklung.

Charakterinteraktion

Bei der Charakterinteraktion finden sich zwei grundlegende Schemata. Zum einen wird natürlich, zumeist hochwissenschaftlich, über die Fakten des jeweiligen Falls geredet, zum anderen geht es nebenbei immer wieder um persönliche Themen, die auch meist durch den Fall vorgegeben werden. Die Strategie ist hierbei eine Mischung aus persönlichem Gespräch zusammen wissenschaftlichen Ausflügen. Meist wirkt es auch so, als würden Brennan und Booth die anderen Menschen in ihrer Nähe, inklusive zu Verhörender, ignorieren und ihre eigenen Pfade weiterverfolgen. Dies gilt aber auch für die anderen Mitarbeiter des Jeffersonian Instituts ((Das ist die fiktive Version des Smithsonian Instution.)) da wird neben dem Betrachten von Beweisen auch über das Liebesleben der Chefin oder ähnliches philosophiert.

Generell ist es die Charakterinteraktion, die die Entwicklung der Figuren für den Zuschauer antreibt und die Serie an sich sehenswert macht. Wäre es nur trockene Wissenschaft und Kriminalistik, dann könnte man sich das ja auch nicht ansehen.

Entwicklung der Serie als Franchise

Zu guter Letzt geht es um die Entwicklung der ganzen Serie. Es gibt hier im Endeffekt einen Moment in dem sich der Ton und auch die Motivation der Serie komplett ändert und an dem, zumindest für mich, auch die Serie an sich ihren Reiz verloren hat. Im Wechsel zur siebten Staffel wird Brennan schwanger von Booth und die beiden haben zu Beginn dieser Staffel eine Beziehung. Damit ändert sich das Thema von „werden sie sich kriegen“ zu „die Wehen und Sorgen von Beziehungen“. Während Familienwerte vorher diskutiert werden, gibt es jetzt regelmäßige Szenen mit Baby oder auf der Couch in denen die amerikanische Version der staubigen Mittelschicht ausgelebt wird. ((Das ist übrigens eigentlich unnötig, da Brennan stinkreich ist. Der einzige Grund ist, dass Booth ansonsten kein Mann wäre, wenn sie tatsächlich schlicht alles zahlt.)) Die Serie verliert hier ihre Dynamik und konnte sie für mich dann auch nicht mehr ersetzen. Es wird zwar ein übergroßer Bösewicht aufgebaut, aber dieser muss, wie alle anderen vor ihm, auch besiegt werden. Also ist da auch nicht mehr viel zu erhoffen. Immerhin sind die Interns und die restlichen Wissenschaftler so beknackt geblieben, wie sie das auch schon in den ersten Folgen waren.

Fazit

Man kann sich Bones in Ruhe ansehen, komplexe Plotwandlungen wird man allerdings nicht finden. Stattdessen ist die langfristige Diskussion klassischer und moderner Werte ein guter Punkt, der noch besser wäre, wenn die klassischen Werte nicht immer gewinnen würden. Die Charakterinteraktion und -entwicklung ist im Mittelpunkt und eigentlich auch das, weswegen man die Serie am Ende sieht. Sie ist gerade für den Nerd interessant, aber versucht zu sehr die bürgerliche Mitte abzufischen. Am Ende habe ich das aber alles gern gesehen.