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Wahrscheinlichkeiten

Eine spannende Sache, die Menschen in meinem näheren Umfeld des öfteren beeindruckt, ist die Fähigkeit bestimmte soziale Begebenheiten, gerade zwischen Menschen mit einer gewissen Sicherheit vorauszusagen. Das ist jetzt kein Alleinstellungsmerkmal. Gerade in den sozialen Berufen findet sich diese Fähigkeit des öfteren. Ich möchte aber mal ein bisschen erklären, wie das funktioniert. ((Also, wie es theoretisch funktioniert. Normalerweise hat man meist so ein intuitives vorahnungsähnliches Gefühl. Also ich jedenfalls.))

Bevor wir in die zwischenmenschliche Sache einsteigen, muss ich etwas über Wahrscheinlichkeiten erklären. Wenn wir einen sechsseitigen Würfel vier mal werfen, ist jeder Wurf an sich gleichverteilt. Das bedeutet, dass das Ergebnis 3,5,6,1 genauso wahrscheinlich ist wie 6,6,6,6. Doch dies entspricht nicht der menschlichen Intuition. Wir würden das zweite Szenario für unwahrscheinlicher halten. Deswegen gibt es auch keine multiple choice Tests, bei denen nachfolgend immer dieselbe Antwort richtig ist. Das macht nämlich die Probanden fertig, die denken, dass das doch gar nicht sein kann. ((Vertraut mir da… ich hab das ma aus Versehen bei einer Schulaufgabe gemacht. Die haben leichte Schweißausbrüche gehabt…))

Diese mathematische Wahrscheinlichkeit gibt es in menschlichen Beziehungen und Handlungen noch viel weniger, denn hier gibt es immer Abhängigkeiten. Zu den Faktoren von denen die Wahrscheinlichkeiten abhängen gehören: soziale Konstruktionen, Sozialisationsfaktoren, demographsiche Voraussetzungen und emotionale Komponenten. ((Okay, ja das ist, wenn man weit genug weg steht, fast alles dasselbe.)) Gehen wir das mal kurz durch.

Also Sozialisationsfaktoren sind vom Prinzip her solche Sachen wie ethnischer Background, religiöse Ansichten und ähnliche Sachen, die dem Menschen früh genug mitgegeben werden, ohne dass er sich groß dagegen wehren kann. Aus diesen erwachsen einige, aber nicht alle, soziale Konstruktionen. Bei diesen geht es um die verschiedenen sozialen Mythen, die in unserer Gesellschaft existieren und auch um die Frage, wie derjenige und diejenige sich zu diesen Konstrukten verhält. Zu diesen Konstrukten kommen, die mit den Sozialisationsfaktoren verbundenen, demographischen Voraussetzungen, die im Laufe des Lebens aus denselben erwachsen. Die emotionalen Komponenten sind dann schlicht die Metaebene dessen im Bereich der Gefühle. Hier werden die ganzen anderen Faktoren auch emotional gespielt und wahlweise überhöht oder gemindert.

So, wenn wir also das alles über eine Person wissen, ((Oder es gut genug raten können.)) dann ist es relativ einfach vorauszusagen, wie diese Person sich in bestimmten sozialen Interaktionsszenarien am wahrscheinlichsten verhält. Daraus lassen sich dann anhand von abstrakten Situationen sogar Voraussagen über den Ausgang einer sozialen Interaktion zwischen zwei gegebenen Menschen machen. Das aber immer nur mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten.

Grafisches Erzählen im Comic

Nachdem ich gestern den Vortrag auf der Nerdnite gehalten habe, gibt es jetzt das alles noch einmal in Textform zum ruhigen Nachlesen und mitdenken. Deswegen fangen wir dann auch mal vorne an.

Repräsentationen von Realität

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Das nebenanstehende Objekt hat, je nachdem in welcher Sprache man es bezeichnet, ganz unterschiedliche Lautkombinationen, die von der Sprechergemeinschaft vereinbart wurden um auf es zu referenzieren. In der deutschen Sprache ist es ein Baum und in der englischen ein tree. Was es tatsächlich ist können wir nicht sagen, denn Sprache ist ein Referenzsystem für Objekte in der Realität. Gleichzeitig kann jeder von euch auf dem Bild sofort erkennen, was es für ein Objekt ist.

Damit ist auch klar, wo der Unterschied zwischen diesen beiden Arten der Repräsentation von Objekten ist. Visuelle Repräsentation ist direkter und immer detailreicher. Es werden viele Informationen gleichzeitig vermittelt und von unserem Gehirn verarbeitet. ((Übrigens sogar mehr als wir immer denken. Da wird ziemlich stark gefiltert.))

Bei dem Text, den ihr hier gerade lest, ist es genau anders. Text ist abstrakt. Zwar kann ein Wort mehrere Haupt- und Nebenbedeutungen haben, allerdings ist sehr viel mehr Text notwendig um die Informationen eines Bildes darzustellen, gerade wenn man alle Informationen verbalisieren wollen würde.

Das hat jetzt für eine Comic natürlich Konsequenzen. So wird das Geschichtenerzählen in einen visuellen und in einen verbalen Bereich aufgeteilt. Während die visuellen Informationen primär die Handlung und die Umgebung darstellen, wird Text für Gespräche aber auch abstraktere Informationen, wie Zeitsprünge oder Einordnungen benutzt. Letzteres ist ja ziemlich normal, aber wie die visuellen Informationen von uns so verarbeitet werden, ist eher spannend.

Besonderheiten sequenzieller Bilderzählungen

Nehmen wir mal einen schönen Comic von Jeph Jacques: Questionable Content. Öffnet den mal in einem zweiten Tab und folgt meinen Erklärungen. ((Und wenn ihr den noch nicht gelesen habt, gehet hin und lest ihn!))

Fangen wir mal mit der Frage des Handlungsverlaufs an. Wie ihr seht, haben wir eine Figur, die sich durch die Gegend bewegt. Im ersten Panel ist sie noch auf der Straße, während wir im zweiten Panel die Tür des Cafés hinter ihr zugehen sehen. Jeder weiß sofort, dass sie sich von dem einen zum anderen Bild bewegt haben muss. Dies passiert aber eigentlich im Gutter.  Der Gutter ist der schwarze Strich zwischen den Bildern. Dieser Strich beinhaltet die gesamte Handlung zwischen beiden Bildern. Wir füllen diese durch Deduktion aus. Das bedeutet, dass unser Gehirn aus den beiden Bildern eine Handlung ableitet, die dazwischen stattgefunden haben muss. ((Nuja, eigentlich muss sie das nicht, aber das menschliche Gehirn neigt dazu Plausibilitäten aufzumachen und zu gestalten.))

Damit kann man dann natürlich auch Spaß haben und nichtlineare Zeitverläufe gestalten. Schaut euch mal genau an, wie die Zeit zwischen den verschiedenen Panels vergeht. Die Unterhaltung in Panel 3-5 ist sicherlich viel kürzer als die Bewegung, die am Anfang des Comics stattgefunden hat, aber sie nimmt mehr Panels ein, als die anfängliche Bewegung. Das kann dann übrigens noch auf die Spitze getrieben werden, wenn man anfängt die Zeit für das Sprechen auch noch hereinzurechnen. Dann fällt einem auf, dass Reden eine zeitlose Handlung im Comic sein kann.

Spaß mit Semiotik

Die Semiotik ist die Wissenschaft und Lehre von den Zeichen und Symbolen. Es gibt noch ein Phänomen, dass bei der absoluten Kombination von Text und visuellen Mitteln auftreten kann. Zuerst begegnet ist mir das in Neil Gaimans Sandman, in dem auch viel Gebrauch davon gemacht wurde. Im Sandman werden nämlich die Sprechblasen der Charaktere in vielen Fällen grafisch gestaltet. Der Hauptprotagonist Dream, sowie seine Schwester Deilirium haben grafisch gestaltete Sprechblasen. Dream besitzt invertierte Sprechblasen, während Delirum in unsteter Schrift und mit   psychodelischen Farben hinterlegt spricht.

Beides passt gut zu den Charakteren, aber die spannendere Frage ist, was verstehen wir eigentlich. Was bedeutet es eigentlich, wenn ein Charakter in psychodelischen Farben spricht? Hier wird uns ein Gefühl, ein Eindruck vermittelt, der zwar eigentlich jedem klar ist, aber kaum verbalisierbar und beschreibbar ist. Hier entwickelt das Medium Comic Kommunikationsmöglichkeiten gegenüber der Leserin, oder besser ihrem Gehirn, die das normale Textmedium nicht hat. Leider werden diese Möglichkeiten noch zuwenig in den Comics genutzt, die ich bisher so konsumiert habe.

Fazit

Das Besondere am Comic ist also die Kombination aus visuellen und verbalen Repräsentationen der Realität und bietet damit Autorinnen Möglichkeiten ihre Leserinnen auf mehr Ebenen anzusprechen, die ihnen mit reinem Text nicht zur Verfügung stehen.

Wer wird uns verraten?

Die Telekom möchte in Zukunft den Datenverkehr drosseln. Das ist eklig, aber wird auch erst 2016 kommen. Doch ich möchte hier mal eine kleine Voraussage treffen. Ihr kennt vielleicht dieses schöne Lied von Marc Uwe Kling. Dieser bezieht sich ja unter anderem darauf, dass die kleinen Vorteile der sozialdemokratischen Reformen dem radikalen Kommunismus das Wasser abgegraben haben. Das lag unter anderem daran, dass durch die sozialen Reformen Bismarcks viele Bürger glücklich waren und die Kommunisten ignoriert haben, die noch mehr als die bequeme Sozialversicherung wollten.

Was das mit Drosselkom zu tun hat? Meine Voraussage ist, dass das so kommen wird. Das freie Netz wird sterben, weil die meisten Leuten ihre kurzweilige Bequemlichkeit durch zukaufbare Optionen befriedigen werden und das dann auch tun. Die hehren Ziele der Netzpolitiker interessieren die Facebooknutzer und Youtubeglotzer nicht, wenn denen einfach ihre Bedürfnisse befriedigt werden. Da fallen die Blogger, Podcaster und so weiter schneller runter als wir „Netzneutralität“ sagen können.

Who are you?

‚Who are YOU?‘ said the Caterpillar.
This was not an encouraging opening for a conversation. Alice replied, rather shyly, ‚I—I hardly know, sir, just at present—at least I know who I WAS when I got up this morning, but I think I must have been changed several times since then.‘
‚What do you mean by that?‘ said the Caterpillar sternly. ‚Explain yourself!‘
‚I can’t explain MYSELF, I’m afraid, sir‘ said Alice, ‚because I’m not myself, you see.‘
‚I don’t see,‘ said the Caterpillar.
‚I’m afraid I can’t put it more clearly,‘ Alice replied very politely, ‚for I can’t understand it myself to begin with; and being so many different sizes in a day is very confusing.‘
‚It isn’t,‘ said the Caterpillar.
‚Well, perhaps you haven’t found it so yet,‘ said Alice; ‚but when you have to turn into a chrysalis—you will some day, you know—and then after that into a butterfly, I should think you’ll feel it a little queer, won’t you?‘
‚Not a bit,‘ said the Caterpillar.
‚Well, perhaps your feelings may be different,‘ said Alice; ‚all I know is, it would feel very queer to ME.‘
‚You!‘ said the Caterpillar contemptuously. ‚Who are YOU?‘

Alice’s Adventures in Wonderland by Lewis Carroll

Ich habe das ja schon öfter erlebt. Menschen, die so furchtbar unauthentisch sind, dass man sich fragt, wie sie die kognitive Dissonanz aushalten. Erst kürzlich fiel mir wieder eine Schülerin auf, die schon den anderen Schülern dadurch aufgefallen ist, dass sie besonders oft und übermäßig in tiefem amerikanischen Akzent Englisch im Alltag spricht. Natürlich war sie schon in den „States“ und das ist alles total toll. ((Äh, nein. Die USA sind beim besten Willen nicht der beste Ort zum Leben. Selbst wenn man ein Auskommen hat, ist das Land unangenehmer als die meisten vergleichbaren Länder der westlichen Welt.)) Das hat die junge Dame gratis, die spannende Frage für mich ist: warum trägt sie das so vor sich her? Welche romantische Idee verbindet sie damit, oder welches Trauma hat sie hier? Was bringt einen dazu möglichst fix die eigene Sozialisation wegzuwerfen, und sich eine fremde anzueignen.

Eine Erklärung könnte sein, dass man etwas sein möchte. Das Phänomen, dass das Individuum übersteigert wurde ist ja immer noch in der Gesellschaft verhaftet. Das egozentrische Ich, das als komplett eigenständig und einzigartig verstanden wird, ist für viele die einzige Rettung die persönliche Relevanz für die Welt anzuerkennen. Es geht also darum, dass man sich sagt, dass man jemand ist, damit man jemand ist. Anstatt jemand zu sein, erzählt man sich, dass man jemand ist. Die Menschen, die jemand sind, haben nämlich genug damit zu tun, dieser zu sein. Das Phänomen anderen sagen zu müssen, wer und wie man ist, zeigt dann auch auf, woran es für viele Menschen krankt: eine positive Eigendefinition. Weniger quatschen und mehr soziale Bestärkung in dem was man ist.

Kann vor der Postmoderne der Vorwurf erhoben werden, dass die Gesellschaft in den Einzelnen hineinregiert und ihm vorschreibt wie seine Identität zu strukturieren sei ((Ist ja teilweise immer noch so. Lehrer sollen auf eine bestimmte Art sein, sexuelle Orientierungen sind eine riesige Debatte, politische Orientierungen waren es immer und die Frage wo sozial bedingte psychische Störungen anfangen rundet das dann ab.)) müssen wir nach der Postmoderne den Vorwurf erheben, dass das Konstrukt des Individuums zu weitaus mehr Problemen führt. Die Individuen müssen sich nun immer sagen, dass sie welche sind. Das geht dann soweit, dass ganze Fernsehsendungen und Medienformate um diese Konstruktion der Person aufgebaut sind. Dort wird dann die Darstellung im Privaten übernommen und in ihrer entlarvenden Wirkung deutlich.

Es wird oft über den Verlust des Individuums geweint, wenn über neue Medien gesprochen wird. Die Frage muss eher sein, ob die neuen Medien nicht nur dabei helfen das Individuum als die Fata Morgana zu zeigen, die sie ist.

Wie man Beziehungen zur Hölle macht…

So nachdem ich etwas über die Streitkultur geschrieben habe, kann ich auch noch was zu den Strukturen beitragen mit denen man eine Zweierbeziehung zur Hölle macht. Dies sind kommunikative Spielarten an denen man erkennt, dass es dem anderen primär um Machtausübung geht.

Sehr oft wird hier die Objektebene und die Beziehungsebene verwechselt. Auf der Objektebene kann man nur Aussagen über ein Objekt machen, in der Beziehungsebene unterhält man sich darüber, wie man sich selbst und andere zu diesem Objekt verhalten. Beides gleichzeitig kann man nicht ausdrücken und in Beziehungen geht es viel zu oft darum, was Sachen bedeuten, als darum was tatsächlich das Problem ist.

Ein Klassiker ist das Ausnutzen der Beziehungsebene um etwas auf der Objektebene zu erreichen. Das funktioniert dann mit Sätzen wie: „Hast du Lust Kaffee zu kochen?“ oder in der deutlichen Variante „Hast du Lust für mich Kaffee zu kochen?“ Das kann man dann aber noch weiter treiben, in dem man die etwas konstruktivistische Antwort, dass man eigentlich keinen Kaffe machen will, es aber für den anderen tut, mit der Bedingung kontert, dass der andere es auch gerne tut.

Das nächste ist die Illusion der Alternativen, die wirklich vorzüglich eingesetzt werden kann. Hier wird dem Partner eine Wahl auf der Objektebene gestellt, die dann auf der Beziehungsebene für Vorwürfe genutzt wird. Dabei ist es übrigens scheißegal, wie die Wahl aussieht. Sprich, man bringt dem Partner zum Beispiel zwei CDs mit und fragt ihn unabhängig davon, welche er nimmt mit traurigen Augen: „Hat dir die andere nicht gefallen?“

Auch toll und allein von der Kommunikationsstruktur total klasse sind paradoxe Aufforderungen, bei denen man etwas vom anderen verlangt, was er nach dem Verlangen nicht mehr erfüllen kann. „Ich finde es mal toll, wenn du sagen würdest, was wir am Wochenende machen!“ zum Beispiel führt dazu, dass wenn man dann etwas vorschlägt, einem vorgeworfen wird, dass man es nur tut, weil es gesagt wurde. Daraus kann man dem anderen dann vielseitige andere Vorwürfe machen. Ein wahrer Strauss der Freude kommt aus dieser Struktur.

Da gibt es noch viel mehr, aber dies sind die Klassiker. Bitte benutzt sie nicht.

Streitkultur in Beziehungen

Ich wurde ja schon gestern gefragt, was das eigentlich sollte und worauf ich hinaus will. Das hat noch seine Zeit. Ich baue hier noch etwas meine Sammlung für die Argumentation auf. Nicht nur, weil das hilfreich ist, sondern auch, weil es mir kindlichen Spaß bereitet.

Im letzten Post habe ich ein paar der standardisierten Begründungen gesammelt, die man so für das Führen einer Beziehung angeben kann ohne komisch angesehen zu werden, die also sozial akzeptiert sind. Diesmal geht es um die Kommunikation in Beziehungen und hier um den Streit. Streit als Krise der Beziehung bietet dann wiederum Raum um die gemeinsame Wirklichkeit der Beziehung mehr in die Richtung der eigenen Realitätsvorstellung zu rücken als in die des anderen. Es geht hier also auch um Macht ((Es sei an dieser Stelle die Machtdefinition von Max Weber gegeben: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“)) den anderen in die Ecke zu drängen und ihm damit die eigene Weltsicht aufzudrücken.

In den gegebenen Streitskripten geht es dann auch von den Standardfloskeln bis hin zu dem Punkt, wo man schon im Streit die Trennung vorbereitet.

Allgemeine Floskeln
Beispiele: Das ist eine Unterstellung!, Das ist reine Provokation!, Das war schon immer so! ((Auch beliebt bei Schülern…))

Diskurszurechtweisungen
Beispiel: Das ist doch kein Argument! Mit dir kann man ja nicht diskutieren! Du drehst einem ja das Wort im Mund rum! ((Diese Art der Argumentation ist übrigens ein Grund für mich, einfach mit jemandem nicht mehr zu diskutieren. Macht keinen Sinn.))

Vorwürfe
Beispiel: Das tust du nur, um mich zu provozieren! Das sagst du nur, weil du sauer bist! An mir liegt es nicht, dass alles so schlecht ist. ((Gerade das Pathologisierende ist total eklig, denn es setzt voraus, dass man den Gegenüber besser kennt als er sich selbst.))

Einklagen
Beispiel: Du willst wirklich gehen? So will ich das nicht mehr! ((Hier sehen wir schon, dass es um Macht geht. Dadurch, dass ich hier ja sagen müsste um die Beziehung zu retten, hat der andere jede Möglichkeit klare Bedingungen an mich stellen, denen ich mich unterwerfen muss. Macht halt.))

Pseudobeschwichtigung
Beispiel: Nimm das doch nicht gleich wieder zu ernst. ((Wenn dir jemand so kommt, trenne dich doch besser gleich.))

Finale Skripte
Beispiel: Ich glaube das hat keinen Sinn mehr mit uns. So will ich das nicht mehr. ((Ist auch ein Druckmittel, dem man eigentlich nachgeben sollte.))

Auch hier wieder der Hinweis, dass es sich um Zitate der BOAG handelt.

Beziehungsbegründungen

Romantische Liebe ist ja eine Erfindung des Bürgertums des 18. Jahrhunderts, das eine Begründung für Beziehungen brauchte, die sich von der Zweckrationalität des Adel und der Baueren ((Heiraten zum Land- und Geldgewinn)) unterschied. Also, jedenfalls war das am Anfang die Begründung. Heute geht es gerade bei dem was man so als Reste des Hochbürgertums sehen kann wieder nur um die Kohle.

Was allerdings davon übrig blieb sind die Vorstellungen, die die Menschen von der Liebe haben und die sind voller Selbstverwirklichung und zwischenmenschlicher Harmonie. ((Genau, so sieht das auch normalerweise aus. HARMONISCH! KLAR?)) Und deswegen sind Beziehungen ein schönes Studienobjekt. Ich möchte hier gerne ein paar Erkenntnisse über die Mythen wiedergeben, die man sich so als Begründung für Beziehungen erzählt, denn Beziehungen sind natürlich auch eine sozial konstruierte Angelegenheit. Nennt man eine Beziehung Beziehung dann muss man sich auch an die entsprechenden Mythen halten, mit denen diese begründet werden. Da Beziehungen aus verschiedenen Mythen bestehen, die die Liebenden, so sie sich auf einen Satz geeinigt haben, mittels Skripten abspielen können. Der Hauptmythos scheint eine dauerhafte vollkommene Liebe zu sein, bei der man gleichzeitig kameradschaftlich, leidenschaftlich und glücklich gebunden ist. Doch auch der Verlauf einer Beziehung ist aufgeteilt und durchgeskriptet und ich stelle euch ein paar meiner Lieblingsskripte vor. Hier schließt sich gleich die Aufforderung an das Publikum an mitzumachen und beizutragen.

Begründungsskripte

Hier gibt es zum einen Standardsituationen und zum anderen Schicksalsmedien mit denen Beziehungsanfänge beschrieben werden. Schaut zu… Boshaftigkeiten in den Fußnoten.

Die Macht der Liebe
Beispiel: Weil wir uns lieben. Es traf mich wie aus heiterem Himmel. ((Ja klar, der/die hat dir nicht gefallen oder so, gell?))

Emotionaler Kontrollverlust
Beispiel: Ich verliebe mich immer so schnell. ((Ist ja eigentlich schon pathologisch, wenn das so ohne Einfluss geht.))

Abhängigkeit vom Partner
Beispiel: Weil wir uns brauchen. Weil er/sie mich braucht. Weil ich ihn/sie brauche. ((Es gibt da auch preiswert Therapiemöglichkeiten.))

Beziehung brauchen
Beispiel: Weil ich nicht allein sein kann. Weil ich Torschlusspanik hatte. ((Weil ich kein selbstbestimmtes Wesen sein kann ohne mir ein anderes an die Backe zu binden.))

Postmoderne Autonomie
Beispiel: Weil er/sie mich nicht braucht. ((Naja, schon geil, oder?))

Sex
Beispiel: Weil er/sie gut im Bett ist. Weil er/sie der/die erste ist, der/die mich im Bett glücklich machen konnte. ((Joa, endlich mal ein Grund, der ehrlich ist.))

So. Ich danke hier auch der Bochumer Arbeitsgruppe für sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung, die mir diese Ideen in den Kopf setzte und deren Arbeitspapier Nr. 8 hier auch zitiert ist.

Über das Wollen….

In den letzten Wochen hatte ich arbeitsmäßig mit eindeutig zu vielen Fällen von psychischen Problemen zu tun, als dass meine Hoffnung die Gesundheit dieser Gesellschaft vorerst noch gerechtfertigt wäre. Aber wenn man diese Fälle so betrachtet, dann fällt mir ein Muster auf, über das ich mal wieder schreiben wollte. Es geht um die Auswirkungen der Märchen, die uns der finale Kapitalismus so erzählt.

Der Anfang hier ist das schöne Märchen von der Leistung. Die FDP meinte ja erst im letzten Wahlkampf, dass diese sich wieder lohnen muss. ((Nuja, tut sie ja laut dem ungeschönten Armutsbericht nicht.)) Aber das Märchen wird den Jugendlichen im Schulsystem immer wieder erzählt, zusammen mit der Bedrohung, dass wenn sie nicht leisten sie keine Zukunft haben. ((Das heißt übrigens auch keine Geisteswissenschaften oder sowas sinnloses als Studienfach zu wählen. Da verdient man ja nix.)) Dazu kommt dann noch, dass etliche junge Menschen sich von vorneherein aus romantischen Gründen hohe Ziele setzen. Das führt dann natürlich zu vielen Effekten für den Einzelnen. Zum Einen wird man schnell zum Soziopathen, weil ja schließlich Mitfühlen und Empathie im ständigen Konkurrenzkampf hinderlich sind und deswegen besser abtrainiert werden, zum Anderen werden die schwächeren Menschen Opfer von Panikattacken und anderen schwereren psychischen Störungen wie Borderline, Anorexie oder Depressionen mit Suizidneigung. Man kann halt nur so lange den Anforderungen, die an einen gestellt werden, standhalten, bevor man anfängt an sich selbst zu zweifeln oder sich in dem Versuch ausbrennt so gut zu sein, wie man denkt, dass man sein muss.

Dabei ist das alles halt nicht wahr. Leistung entscheidet weniger über den Zugang zu hohem Sozialstatus als das Geld und der Status der Eltern. Dazu garantieren die wenigsten Berufe heutzutage Zukunftssicherheit oder wenigstens die Rettung vor Altersarmut. Es gibt halt keinen Grund sich wegen diesen Forderungen unter Druck zu setzen oder ähnliches. Aber das ist natürlich leicht gesagt, es hilft den Menschen, die in diesen Konstruktionen gefangen sind natürlich nicht. Vielleicht sollten wir sie aber mal daraus befreien…