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Das Geschlechterkontinuum für die Erfassung in Fragebögen

Ich hätte es nie gedacht, dass ich hier mal einen wissenschaftstheoretischen Text schreiben würde, aber da ist er. Ich habe vor einiger Zeit das Konzept der dritten Option für das Geschlecht in Fragebögen kennengelernt und dieses Konzept kratzte mich sehr. Denn ich habe das Gefühl, dass diese Option auf ein paar Annahmen beruht, an denen ich zumindest Zweifel anmelden würde, solange sie nicht anständig bestätigt sind. Diese Annahmen wären:

  • trans/intersexuelle Menschen wissen das sie trans/intersexuell sind
  • trans/intersexuelle Menschen reflektieren ihre eigene Sexualität ausreichend
  • trans/intersexuelle Menschen identifizieren sich trans/intersexuell
  • trans/intersexuelle Menschen identifizieren sich nicht mit einem Standardgeschlecht, obwohl sie es könnten

Wenn wir davon ausgehen, dass Bildung keine Rolle dafür spielt, dass jemand trans/intersexuell ist oder nicht, dann wird das mit dem Reflektieren schon schwierig. Dazu kommt, dass jeder dieser Menschen das Recht hat sich nach den Konventionen der Mehrheitsgesellschaft einzuordnen. Denn es hängt hier von der Wahrnehmung der einzelnen Person ab.

Das macht diese dritte Option aber wissenschaftlich zu einem absoluten Problem. Haben wir bei einem Spektrum männlich/weiblich schlicht eine gewissen Menge false-positives und false-negatives, gibt es mit der dritten Option nun das Problem, dass weder dieser, noch den beiden anderen getraut kann, da nicht bekannt ist, ob die Kategorien trennscharf sind, weil Angehörige der neuen Kategorie eben auch den alten zuordnen können. Damit führt diese Kategorie, die teilweise mit einer Argumentation aus der political correctness, eingeführt wird leider dazu, dass die Daten schlechter werden und dass sich entsprechende Menschen im Zweifel nicht besser repräsentiert fühlen.

Dazu ist die dritte Option in sich nicht trennscharf und das führt dazu, dass man das immer mehr ausdifferenzieren muss und dann einen Wust an Optionen hat, die kein Proband mehr versteht.

Deswegen habe ich mir eine andere Variante überlegt, die zum einen die Komplexität der Sexualität abbildet als auch barrierefrei ist. Wie man das operationalisiert und wie das genau in einer Studie aussehen kann, wäre mal eine Aufgabe für die entsprechenden Theoretiker. Ich schlag das nur vor. Es sieht so aus:

Geschlechterkontinuum

Das ist nur ein Beispiel, bei dem die Probanden dann sich selbst einschätzen können und damit weitaus genauere Daten geben, die ich dann sogar besser granulieren und operationalisieren kann. Ich kann auch hier gleich noch sexuelle Orientierungen und so weiter abfragen und dabei immer verständlich sein. Dabei werde ich automatisch alternativen Geschlechtswahrnehmungen gerecht und bekomme gleichzeitig ein realistisches Geschlechterbild meiner Stichprobe. Ich persönlich gehe übrigens davon aus, dass die meisten Menschen keine Extreme ankreuzen würden.

So, food for thought…