Archiv der Kategorie: Politik

HCH033 Lehrerbedarf und Quereinstieg

Ich wurde jetzt mehrfach zu diesem Thema gefragt, hier also einmal kurz sprechendes Denken darüber.

HCH024 Unterricht mit Smartphones

Ich wurde gefragt, ob ich mal sagen kann, was ich dazu mache und es wurde ein kleiner Rundumschlag durch die Didaktik, mit einem kleinen Abstecher dahin, was ich so im Sozialkundeunterricht mache.

Shownotes

Sondierungen als postmodernes Drama

Stefan Schulz vom Aufwachen Podcast hat sich in Folge 247 gewünscht, dass sich jemand mit literaturwissenschaftlichen oder theaterwissenschaftlichem Hintergrund mit den Sondierungsgesprächen von CDU/CSU, FDP und Grünen zu beschäftigen.

Ich bin jetzt kein Theatermensch, also beschäftige ich mich etwas weniger mit der Inszenierung. Dafür fiel mir eines dieser postmodernen Theaterstücke ein, die ich im Studium allein dafür genossen habe, weil sie ein Publikum komplett kirre machen. ((Das sei bitte nicht mit dieser prätentiösen Scheiße verwechselt, wie man sie z.B bei diesem Trump Theaterstück findet. Dramatische Mittel müssen immer einen Sinn verfolgen, der den Zuschauer transzendieren lässt.)) Ich stelle erst einmal das Stück vor und dann ziehe dann Parallelen.

Synopse: Tom Stoppard – The Real Inspector Hound

Das Stück, das sich auf der einen Seite an den Sherlock Holmes Klassiker The Hound of Baskervilles anlehnt und auf der anderen ein Kommentar über journalistische Theaterkritiker. Zum Bühnenbild gehört die Tribüne, auf der die zwei Kritiker Moon und Birdboot sitzen, die sich ein eher lahmes Whodunnit Stück ansehen. Moon ist eigentlich nur da, weil der Oberkritiker Higgs nicht kann und Birdboot findet die Schauspielerin von Felicity ziemlich nett, obwohl er verheiratet ist. Er scheint hauptsächlich daran interessiert zu sein junge Schauspielerinnen gegen sexuelle Gefallen hochzuschreiben.

Der Plot des Stück-im-Stück ist einfach zusammen gefasst: in einem Herrenhaus am Arsch der Welt liegt ne Leiche rum. ((Übrigens seit Anfang des Stückes, die aber freundlich ignoriert wird, bis sie wichtig wird. Postmoderne FTW!)) Es wird per Holzhammerexposition bekannt gegeben, dass ein Wahnsinniger in den Sümpfen um das Herrenhaus unterwegs ist. Dazu kommt ein doppelbödige Liebesgeschichte, bei der Cynthia, eine der Personen im Stück im Stück, das Interesse zweier männlicher Charaktere geweckt hat, während Birdboot gleichzeitig anfängt sich mehr für ihre Schuspielerin zu entscheiden. Während sich Moon und Birdboot über das eher dröge Stück unterhalten klingelt auf der Bühne das Telefon. Moon geht ran und Birdboots Frau ist dran. Das führt dazu, dass Birdboot auf der Bühne ist, während das Stück wieder losgeht und prompt aus dem Off erschossen wird, nachdem er die Leiche als Oberkritiker Higgs erkennt. Moon wird zum Inspector Hound und dann als der falsche erkannt und auch erschossen. Woraufhin in einer dreifachen Enthüllung herauskommt, dass der Täter der drittrangige Kritiker ist, der Moon, Birdboot und Higgs ausm Weg haben wollte. 

Sondierung als postmodernes Drama

Nun, die aktuellen Sondierungsgespräche sind aus meiner Sicht auf vielen Ebenen ähnlich. Wir haben einmal ein lock-room-mystery bei dem sich keine der Personengruppen gegenseitig trauen können und dazu eine Gruppe der Zuschauer, die Teil des Stücks sind und sich doch gleichzeitig für distanziert halten. Wie in Stoppards Stück geht es eigentlich überhaupt nicht um das angebliche Kriminalstück auf der Bühne, sondern um die Zuschauer, die sich die echte Bühne teilen. Ihre Befindlichkeiten, wie die von Moon und Birdboot, sind am Ende wichtig. Das gilt für die Balkonfotos, wie die politischen Kommentatoren, die sich darüber aufregen, dass Sondierungspapiere vertwittert werden. Wir lernen als Beobachter des gesamten Dramas eigentlich hauptsächlich etwas über die professionellen Zuschauer, die das Geschehen auf der Bühne beurteilen sollen.

Und so sind es auch bei den Sondierungen die Fragen, die uns Beobachter umtreiben. Was treibt die Kommentatoren an? Warum stehen da jeden Tag Fotografen sinnlos im Regen um Angela Merkels Gesäß an einen Sims gelehnt zu fotografieren? Die wirtschaftliche Verzweiflung und gleichzeitig arrogante Blasiertheit von Moon und Birdboot scheint eine gute Parallele darzustellen. Auch diese sind da, weil sie da sein müssen und ihre Motive haben nichts mit dem Inhalt des Stückes zu tun.

Was sagt uns das über die Protagonisten, die sich unbeobachtet für Beobachter und Bewerter halten? Birdboot, der entscheidet, welche junge Schauspielerin hochgeschrieben wird, je nachdem ob sie sich mit ihm ins Bett legt, scheint eine einfache Parallele zu Boulevardpresse wie aber auch seriöserer Medien zu sein. Die Selbstimportanz der politischen Kommentatoren ohne Einblick ist faszinierend.

Und natürlich: Wer ist der/die wahre Kanzler(in)? und: Welche der Personen in den Sondierungen wird am Ende die Kritiker erschießen? ((Ich tippe da auf Christian Lindner…)) 

Ich bin wahlmüde…

Ihr habt die Überschrift gesehen, ich bin wahlmüde. Jetzt werden sich einige denken: „Aber du bist doch Sozilehrer!“ oder „Aber du bist doch immer so laut, was Politik angeht.“ Ja, bin ich und ich bin müde. Weil es dafür aber Gründe gibt und weil die wiederum viel mit der Welt da draußen zu tun haben, werde ich diese mal formulieren.

Scheiße, ist das langweilig.

Es ist so schon nervig dem Brimborium der Wahlen zu folgen. Mit Angela Merkel, die Einlullen als Politikmodus etabliert hat, und Martin Schulz, der als Person die Intensität eines weichen Kekses besitzt, hat das alles nun die anregende Wirkung einer Schlaftablette. Langweilige Menschen reden über langweilige Sachen und über sich selbst. Ist es nicht toll… also der Entertainmentwert ist so niedrig wie noch nie.

Nicht die Zielgruppe.

Ich bin anscheinend nicht die Zielgruppe dieser Wahl. Also so mit Mitte 30, gutem Einkommen, hoher Steuerlast und der Option eine Familie zu gründen, bin ich schon mal uninteressant. Aber weder meine FreundInnen mit Familie, meine FreundInnen in der Ausbildung, meine FreundInnen in der Wirtschaft noch irgendwer anders, nichtmal meine Eltern sind irgendwie die Zielgruppe dieser Wahl. Anscheinend soll hier die potente Gruppe der reichen Ausländerfeinde irgendwie Thema sein. Angesprochen fühle ich mich gerade so von einer Partei und die kompletten Themen berühren meine Realität nicht.

Selbstreferenzielles Mediengeblubber und abwehrendes AfD Gepushe

Die klassischen Medien scheinen mir auch komplett disjunkt von meiner Wirklichkeit zu sein. Ich weiß ja nicht worüber die reden, aber relevant für mich ist es nicht. Die Social Media Welt ist hingegen voller passiv-aggressiver Scheiße, die eine diffuse Angst vor der AfD verbreitet und gleichzeitig das beste tut, diese Partei immer wieder zu erwähnen. Anstatt endlich aufzuhören gegen die reden und stattdessen positive Botschaften zu senden. Wie wenig negative Botschaften bringen, kann Hillary Clinton erzählen. Sie machen nur die eigenen Reihen hysterisch, wenn das selbstaufgebaute „Böse“ dann doch im Bundestag sitzt. Konstruktiv wäre ja schön, positiv wäre auch schön. Bei der Hysterie möchte ich am liebsten allen Dildos schenken. ((Wer das nicht versteht: Dildos waren das „Heilmittel“ gegen Hysterie im Viktorianismus.)) Und bitte dabei nicht über die AfD reden, sondern darüber, was wir für eine Welt haben wollen. Und das immer wieder…

Und das macht mich unendlich müde. Ich muss mich ab Dienstag wieder vor SchülerInnen stellen und eine meine Hauptaufgaben ist es jungen Menschen, Ausbildung und Perspektive zu bieten. Und das nicht in dem ich mich einfach nur hinstelle und weine, wie schlimm die Welt ist. Denn ich habe es hier mit echten Menschen in einem direkten sozialen Verhältnis zu tun. Was ich da tu, hat weitaus mehr Konsequenzen als das Wahlkreuzchen und weitaus mehr Relevanz als dieser Blogeintrag oder ein verfickter agitierter Tweet. Es geht mir sowas von an die Löffel, dass ich mir diese selbstreferenzielle Scheiße von irgendwelchen Labertaschen anschauen muss, deren einziger Beitrag eine Tweetkette ist. Wenn ihr was bewegen wollt, dann nicht passiv-aggressiv von der Tastatur aus.

Absolutes Missverständnis des Wahlsystems und der Wahlen allenthalben

Es gibt da einen Politikunterricht zu. Hört ihn euch bitte an. Wahlen sind wichtig und der Mittelpunkt einer Demokratie. Es geht hier darum, das Gremium zu bestellen, dass die Regeln für unsere Gesellschaft festlegt. Wenn ihr der Meinung seid, dass das ein Sandkasten sein sollte, dann halte ich euch nicht auf, weil das meine politikphilosophische Überzeugung ist. Aber es macht mich auch müde zu sehen, wie die Diskurse über die Wahl von dem wegdriften, worüber wir reden sollten. Zwei Wochen vor dem Wahltermin überlegen, ob eine Satirepartei nicht eine tolle Gegenveranstaltung zu irgendwelchen abgehalfterten Rechtspopulisten im Parlament wäre, zeigt, dass wir anscheinend keine Probleme haben, die dringend gelöst werden müssen. Dem Sozialstaat geht’s ja blendend, die Leute sind alle glücklich und es regnet Zimtschnecken.

Dazu gehören auch die unsäglichen Wahlempfehlungen. Also Empfehlungen, dass ich wählen gehen soll und dann bitte nur die etablierten Parteien, weil wir ja die AfD verhindern müssen. Was für ein Bullshit. Die Menschen haben die Freiheit wählen zu gehen, und das ist gut so. Genauso wie sie die Freiheit haben, zu wählen was sie wollen, nach ihren eigenen Prinzipien. Wer empfiehlt, dass jemand etablierte Parteien wählen soll, um eine andere Partei zu verhindern hat damit den Traum des rechten Einheitsstaats auch erfüllt. Aus Angst seine persönliche Freiheiten einschränken ist nicht freiheitlich und der Traum der Rechtspopulisten.

Realität statt Fiktion

Ich bin also müde, dass ein Großteil dieser Wahl, die am Ende ein Parlament und mittelbar eine Regierung wählt, die über unsere Zukunft die nächsten vier Jahre entscheiden, anhand von Fiktionen diskutiert wird. Weder Satiriker noch nicht-satisfaktionsfähige Rechtspopulisten sind eine Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Eine Wahlbevölkerung, die komplett nicht mehr miteinander spricht, die schon in ihren Medien, und damit auch Realitätsfiktionen, gespalten ist und in der jeder glaubt, dass die Welt untergeht, wenn sie sich nicht genau nach den eigenen Vorstellungen entwickelt, die wiederum ist eine Gefahr für die komplette Gesellschaft.

Und weil ich zu der Gruppe gehöre, die versucht die Risse in dieser Bevölkerung zu überbrücken, bin ich müde… denn einfacher ist das nicht geworden…

Rocky Horror und der unverklemmte Umgang mit Sexualität und Geschlecht

Heute ist einer von diesen Tagen… deswegen geht es jetzt mal um die Rocky Horror Picture Show und Gender und Sexualität, weil es da durchaus ein paar lustige Perspektiven gibt, die immer noch aktuell sind. Doch fangen wir vorne an. Ich hoffe ihr kennt den Film ((Hallo?, das ist ein Klassiker! Wenn nicht ansehen!)), ansonsten gibt es hier Spoiler. Bei allem, was ich hier so erzähle vergesst übrigens nicht, dass der Film immer noch ab 12 ist.

Also, die Rocky Horror Picture Show, das Anti-Musical, das Richard O’Brien schrieb, nachdem Lloyd Webber ihn nicht als Sänger haben wollte, zieht sexuelle Verklemmtheit mit einem gehörigen Maß Horror durch den Kakao. Es ist am Ende eine Geschichte zweier junger durchgeklemmter Durchschnittsamerikaner der 70er, die mit der motorisierten Kettensäge befreit werden. Doch schauen wir uns erstmal Brad und Janet an:

Wir sehen schon hier, Brad ist total unsicher und Janet eine oberflächliche Tante. Bonuspunkte für American Gothic an der Tür der Kirche. Spannender ist noch, dass Brad drei Optionen für den Verlauf einer Liebe hat: gut, schlecht und mittelmäßig, wobei letzteres irgendwie die unschönste Variante ist. Brad kann sich dazu mal überhaupt offen artikulieren und antwortet auf Janets „I’m mad for you.“ „I love you, too.“ Alles in allem total verklemmte Einheitsbeziehungsbrei, dem gesellschaftliche Glück zugeschrieben wird.

Das ändert sich Mitten in der Nacht, wenn die beiden in Frank’n’Furters Schloss ankommen. Schon die Begrüßung trieft vor Innuendo, wenn Riff Raff Janet mit dem Satz „You’re wet.“ begrüßt und dann in den berühmten Time Warp startet:

Außer, dass das alles schon angemessen durchgeknallt ist, besteht der Tanz, der dem Publikum beigebracht wird, und den schönen Namen „Pelvic Thrust“ ((Schaut’s selbst nach…)) trägt, aus relativ eindeutigen Bewegungen. Janet fällt dann auch gleich mehrfach in Ohnmacht, während Brad versucht furchtbar männlich zu sein in dem er sie beschützt und die Kontrolle behält, während er diese schon bei geplatzten Autoreifen ((Gummi…)) abgegeben hat.

Nach dieser Vorstellung fangen wir dann an mal etwas tiefer einzusteigen, wenn Frank’n’Furter ((In der Neuverfilmung übrigens als Transfrau/Drag Queen mit dem Pronomen she. Whatever floats your boat.)) mit dem Fahrstuhl in die Szene herabfährt und Janet wieder in Ohnmacht fallen lässt:

Franks Crossdressing und seine generelle ironische Verachtung von Brads Ernsthaftigkeit zeigen schon, dass in seiner Welt alle Regeln nicht gelten, die Brad und Janet für angemessen halten. Frank überschreitet binnen kürzester Zeit einmal alle Grenzen und seine Selbstbezeichnung als „Sweet Tranvestite from Transsexual Transsilvania“ macht es nicht einfacher. Er beschließt die beiden jungfräulichen Spießer mit in sein Labor zu nehmen, um ihnen sein Experiment zu zeigen. Dafür werden Brad und Janet bis auf die Feinrippunterwäsche ausgezogen und verwundbar unter jede Menge sehr formell oder anzüglich gekleideter Menschen gestellt. Wie in „Sweet Transvestite“ angekündigt möchte er seine Kreation Rocky zum Leben erwecken. Das ultimative Spielzeug für den moralisch bankrotten Omnisexuellen, der er ist. Das passende Lied heißt dann auch „I Can Make You a Man“ und trieft vor Innuendo. Die Tatsache, dass Janet langsam auftaut und den weitaus „männlicheren“ Rocky ziemlich geil findet, zeigt dann auch die Wege auf, die Brad und Janet gehen. Während Brad immer mehr in eine Krise der eigenen Männlichkeit fällt, befreit sich Janet langsam. Das fängt mit ihrer Begeisterung für Rockys Muskeln an, geht dann aber in eine Tiefe, die sich in der Floor Show zeigt. Doch vorher kurz zu Eddie und Columbia und das nicht nur, damit ich diese musikalische Meisterleistung verlinken kann:

Der Stuntman fiel übrigens bei Versuch 1 mit dem Motorrad vom Vorsprung und verletzte sich dabei. Wir können sehen, dass Columbia den eher unangenehmen (und vielleicht sogar leicht misshandelnden) Eddie doch vergöttert und er Zeichen seiner Zuneigung zeigt. Das ist vielleicht die einzige halbwegs gesunde Beziehung hier, zwischen dem Groupie und dem rücksichtlosen Ex-Lieferjungen. ((Dazu später mehr…)) Was nur zwischen den Zeilen klar wird: Eddie teilt sich das Hirn mit Rocky. Ist aber eh, egal, weil Eddie ist ja dahin und Columbia ernsthaft im Herzen gebrochen.

Frank’n’Furter interessiert das alles nen Scheiß. Er hat seinen Rocky und nimmt den erstmal ins Bett mit. Nachdem er sich mit Rocky vergnügt hat, erscheint er allerdings nacheinander mit dem selben Trick bei Janet und Brad ((In der Reihenfolge…)) und legt beide flach. Janet, die ein schlechtes Gewissen hat und gleichzeitig erstaunlich rattig ist, findet den verängstigten Rocky und ähja.

Auf der einen Seite sehen wir, dass Janet irgendwie ihre Selbstsicherheit gewonnen hat und Rocky relativ klar anleitet, während Columbia und Magenta da irgendwas laufen haben. ((Die Micky Maus Mütze ist geil, oder?)) Die beiden haben sichtlich Spaß daran zuzusehen, wie Janet sich selbst entdeckt. Brad wiederum ist vollkommen verstört und Frank’n’Furter totsauer. Immerhin ist Rocky sein Spielzeug, das Janet doch bitte nicht wie einen Menschen zu behandeln hat. Das verschlimmert sich noch, als Dr. Scott auftaucht, ein UFO Forscher, der seinen Neffen Eddie sucht. ((Ups.)) Also zurück zu Eddie und Columbia. Bei einem durchgehend eigenartigen Abendessen erzählt Dr Scott und der Kiminologe ((DIESER MANN HAT KEINEN HALS!)) vom traurigen Leben Eddies und seiner Angst vor Frank’n’Furter:

Während Frank komplett gelangweilt ist, zeigt Columbia ihre Zuneigung. Na gut, „I very nearly loved him.“ zeigt auch, dass es anscheinend schwer ist, einen Verbrecher wie Eddie zu lieben, obwohl er Sympathie verdient hat. Vielleicht sollte noch erwähnt werden, dass Eddies Leiche unter dem Essentisch liegt. Als Frank dies zeigt, flüchtet sich Rocky automatisch zu Janet und Frank tickt komplett aus. Er verwandelt alle Beteiligten in Statuen um dann eine Bühnenshow vor leerem Saal abzuziehen in der eigentlich nur er in der Mitte steht.

Allerdings erfahren wir hier auch die Motivationen aller Charaktere nochmal und sehen: Rocky ist komplett verwirrt, Columbia hat Herzschmerz, Janet findet Sex geil und ist selbstbewusster, während Brad auch an allem, was richtig ist zweifelt. Die Strapse tun jetzt nicht wirklich was das besser zu machen. Oder der Pool ((In dem sich Susan Sarandon fast ne Lungeentzündung geholt hat.)), oder…

Wichtig ist hier vielleicht noch die Zeile, die wohl die größte Aufforderung des Filmes ist: „Don’’t dream it, be it.“ Die Aufforderung zur Emanzipation, die wünschenswert ist, aber auch große soziale Konsequenzen haben kann. 

Sie kommt von Frank, der aber einfach nur selbstzentriert ist und sich hinter wilder hedonistischer Sexualität versteckt, die allerdings im nächsten Lied gebrochen wird, wenn er angestachelt durch Magenta und RiffRaff traurig sagt, dass er heimkehrt.

Das passiert dann nicht. Der ewig vernachlässigte RiffRaff tötet Columbia, Rocky und Frank, lässt die Menschen im Krater des verschwundenen Hauses und den rauchenden Ruinen ihre Identitäten zurück.

Wie geht es danach für Brad und Janet weiter? Der eine ist sich seiner vorher schon fragilen Männlichkeit komplett unsicher, die andere ist selbstbewusst und möchte gerne mehr Sex in einer Welt, die sie als Frau gerne als devote Kindergebährmaschine hätte. Ihre Verklemmungen sind gelöst, doch um welchen Preis in einer Welt, die sich bis heute in dieser Hinsicht kaum geändert hat? 

Da bleibt nur der Endsong zu zitieren:
„And crawling on the planets face
Some insects called the human race
Lost in time and lost in space
And meaning.“ 

Über Essen, Geld und Gesellschaft

Dies wird der eine große Post in dem ich versuche das Phänomenfeld mal zusammenzutragen. Hauptsächlich, weil ich einen Ort haben will, auf den ich zeigen kann, damit ich es nicht immer wieder erzählen muss.

Am Anfang, ein blöder Witz…

„Wie erkennt man auf einer Party einen Veganer?“

„Gar nicht, er wird es dir nach zwei Minuten selbst sagen.“

So blöde der Witz ist, so richtig ist er in einer Beziehung: Menschen, die Veganismus leben, neigen zu etwas mehr Sendungsbewusstsein und das hat damit zu tun, dass für viele dieser Menschen Veganismus eine aktive politische Einstellung ist. Das findet sich auch bei Vegetariern, aber in einem niedrigeren Maße, weil mehr Menschen, die vegetarisch leben, das auch aus nicht-politischen Gründen tun können. Veganismus ist also eine politische Lebenseinstellung, die auf der Nichtausbeutung von Tieren beruht. Dazu kommt heutzutage meist noch eine Betonung auf die Umweltschäden, die industrielle Fleischproduktion verursacht und die Tatsache, dass eine hoch fleischhaltige Diät ungesund ist.

Doch jetzt wird’s ernst…

Während Nichtausbeutung von Tieren eine ethische Frage ist, die eine eigene längliche Diskussion wert ist, haben die Veganer mit den Umwelt- und Gesundheitskonsequenzen recht. Das Referenzwerk hierfür ist leider immer noch der Bericht Lifestock’s Long Shadow der Lebensmittelorganisation der Vereinten Nationen. Industrielle Fleischproduktion hat einen starken Einfluss auf Landgestaltung, globale Erwärmung und Wasserreinheit. Dazu werden pflanzliche Lebensmittel minderer Qualität in Massen produziert um Fleisch zu produzieren. Wenn Transportkosten dazukommen wird das alles noch viel bitterer.

Fleischzentrierte Ernährung gilt als zentraler Punkt bei vielen Zivilisationskrankheiten, vor allem Gicht, hoher Blutdruck und Übergewicht. Weniger Fleisch wäre hier also auch mehr.

Die Schlussfolgerung der Veganer ist, kein Fleisch und keine tierischen Produkte mehr zu essen. Dagegen lässt sich nichts sagen, aber die Einsprüche der Fleischesser kommen schnell und dann ist der Diskurs im Eimer und es gibt nur noch Glaubensdiskussionen. Deswegen muss das mal auseinanderdividiert werden.

Der Umweltaspekt

Im Zentrum der ganzen Kritik an modernem Fleischessen steht eigentlich eine Kritik an der industriellen Landwirtschaft. Dies ist ein hochoptimierter Prozess mit dem das rasante Bevölkerungswachstum der letzten 200 Jahre überhaupt möglich geworden ist. Anstatt auf natürliche Zyklen zu achten, wurden mit Hilfe von synthetischen Produkten eine immer höhere Ausbeute auf den selben Flächen erzielt. Dabei entstanden Monokulturen, die von Pestiziden und Herbiziden geschützt werden müssen. Die Tierhaltung wurde automatisiert und von den Flächen in kontrollierte Hallen verfrachtet. Die Preise für die so produzierten Lebensmittel sanken stetig, vor allem, weil die Kosten, die diese Landwirtschaft an der Umwelt verursacht nicht mit eingepreist wurden.

Das kann schön beobachtet werden, wenn der ökologische Landbau als Vergleich herangezogen wird. Hier steigen die Fleischpreise sofort, während die Obst- und Gemüsepreise nahezu gleich bleiben. ((Insbesondere in der Saison. Im Biomarkt ändert sich das Sortiment mit der Saison mehr. Das die Stabilität der Obst/Gemüseabteilung gleichbedeutend mit höherer Umweltbelastung durch Transport ist, kann man sich denken.)) Also, kostet umweltgerechteres und wahrscheinlich auch tierfreundlicher hergestelltes Fleisch weitaus mehr als im Discounter. Die Preise dort haben mit den Kosten in der Wertschöpfungskette nichts zu tun, und noch weniger mit den Umweltkosten. Das ist alles schon wunderbar prekär, wenn wir bis hier schauen, doch es geht weiter.

Der Gesundheitsaspekt

Schließt sich hier gleich an. Die Bedingungen unter denen preiswertes Fleisch produziert wird, sind nicht nur für die Tiere furchtbar, sondern auch für die Konsumenten. Antibiotika werden regelmäßig als Wachstumssteigerer eingesetzt und führen zu immer mehr Resistenzen bei den Konsumenten und damit zu direkter Lebensgefahr. Ein erhellende Unterhaltung mit einem Veterinärmediziner zu dem Thema findet sich beim Küchenstudio. Das bedeutet also, dass billiges Fleisch eine ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko darstellt. Das ist nicht unbedingt flächendeckend bekannt, aber interessiert auch weniger Leute und damit kommen wir zum Minenfeld der ganzen Angelegenheit.

Der soziale Aspekt

Billiges Fleisch ist also ein echte Problem für unsere Umwelt und eine Gefahr für uns selbst. Die Lösung der Veganer ist: wir lassen das einfach. Das ist valide und okay. Doch irgendwie will der Rest der Welt nicht folgen und weil ich mich hier mehrfach über Diskurs unterhalten habe, möchte ich versuchen das Problem von der religiös-ideologischen Seite auf eine verständnisbasierte zu stellen und weil ich gerne vorne anfange, geht es etwas zurück in die Geschichte.

Historisch gesehen ist Fleisch ein Lebensmittel der Reichen. Die englischen Wörter für die fleischproduzierenden Tiere sind allesamt germanischen Ursprungs, während die Wörter, die für das Fleisch verwendet werden alle französische Wurzeln haben, weil nur der französisch-sprechende Adel das Fleisch zu essen bekam. Diese Struktur zieht sich in Deutschland bis nach dem ersten Weltkrieg durch. Erst in der Weimarer Republik und später nach dem 2. Weltkrieg etabliert sich Fleisch als Grundlebensmittel. Dieses Zeichen des Reichtums will plötzlich jeder haben. Das Standardprestige von Fleisch setzte sich so sehr durch, dass Fleischkonsum „normal“ wurde und damit Ziel von alternativen gesellschaftlichen Strömungen, die ab den 70ern Fleischessen auch als Zeichen des Bürgertums ablehnte. Vegetarismus und Veganismus folgten dem und sind nun anerkannte Lebenseinstellungen, die von Menschen im Alter zwischen 16 und 40 als normal oder positiv angesehen werden.

Die ältere und konservativere Gruppe in der Gesellschaft kann mit diesen Einstellungen allerdings wenig anfangen, schließlich fühlt sich Fleischkonsum als traditionell überkommen und heimisch an. Dazu kommt, dass ein größerer Teil dieser Menschen in einer Situation lebt, in der eine bewusste Auswahl der Lebensmittel eine niedrige persönliche Präferenz einnimmt, zumeist weil aus ihrer Perspektive das Geld fehlt um sich fleischfrei zu ernähren. Schließlich sind ironischerweise die billigsten Convenienceprodukte im Discounter fleischhaltig und teurer als das Gemüse. Hier entsteht dann ein argumentativer Grabenkrieg zwischen den „linken Ökofritzen“, die darauf hinweisen, dass gesundes fleischfreies Leben wichtig ist und den „konservativen Fleischfressern“, die darauf hinweisen, dass sie sich diesen teuren Scheiß nicht leisten können und vor der Umwelt nun einmal die Moral kommt.

Dieser Streit ist emotionalisiert und lässt sich auf dieser Ebene eigentlich nicht lösen. Die Vorwürfe sind genauso sinnlos wie berechtigt und zeigen das wahre Problem eigentlich nicht auf. Der Streit, der hier so emotional geführt wird, kann besser diskutiert werden, wenn man sich ein paar Ideen aus dem Resonatorpodcast zur Umweltökonomie ansieht. Zum einen muss die alternativ-progressive Seite verstehen, dass es das 1-10-90 Phänomen gibt: eine Person ändert ihr Verhalten, sie kann neun weitere überzeugen ihr zu folgen, aber die anderen neunzig werden so weitermachen wie vorher. Es bringt nichts die neunzig Prozent dafür anzuschreien, dass sie aus ihrer Sicht „normal“ sind. Das bedeutet jetzt etwas ganz Schreckliches für dieses gesellschaftliche Problemfeld…

es braucht Politik…

Politik heißt ja verbindliches gesellschaftliches Konfliktlösen. Das könnte man jetzt auch machen. Und weil es hier am Ende um Kompromisse geht, fallen Radikallösungen aus. Also das Verbot von industrieller Landwirtschaft genauso wie die Idee, dass das alles einfach so weitergeht. Bevölkerungserziehung ist die feuchte Wichsfantasie der Innenpolitiker, also auch eine schlechte Idee. Dann bleibt eigentlich nur noch der Weg, den der Umweltökonom in oben genanntem Podcast zeichnet: wir müssen die Umweltkosten von Lebensmittelproduktion einpreisen. Das geht über Steuern ziemlich einfach.

Doch hier kommt das verborgene Problem hinter der Diskussion. Werden die Umweltkosten eingepreist, dann werden die unteren Statusgruppen sich wieder ernähren müssen wie vor 200 Jahren und damit wäre der kollektive Traum des gesellschaftlichen Aufstiegs bestmöglich widerlegt. Deswegen ist die Frage des Fleischessen eine der sozialen Gerechtigkeit. Möchte die Gesellschaft auf der einen Seite nachhaltige, ökologische und gesunde Lebensmittelproduktion, dann muss sie auf der anderen Seite dafür sorgen, dass die Kosten, die diese Produktion erzeugt auch von allen ihrer Teile bezahlt werden können. Das bedeutet, dass Sozialsstaatlichkeit die Grundlage von strukturellem Umweltschutz ist.

Doch diese Sozialsstaatlichkeit ist noch schwerer durchzusetzen als ein Veggie Day.

Works for Me – Diskurs und Identität

So, wir kommen zum soziologischen Kaffekränzchen zurück. Es gibt da jetzt einen Tag für. Nachdem ich mich das letzte Mal auf die Erklärung der Schwierigkeiten beim finden von Diskursen bezogen haben, hat die Vrouwelin das einmal zusammengefasst und so geendet:

Und doch höre und lese ich Stimmen, die darauf hinweisen, dass es mit den rechten Stimmen in der heutigen Gesellschaft und Politiklandschaft eh keinen Diskurs geben kann, dass es heißt, wir oder die. Ich befürchte, dass das der momentanen Realität deutlich näher kommt. Mit rechts-extremistischem Gedankengut ist nicht zu verhandeln, weil es menschenfeindlich ist. Und dabei ist es egal, wie weit diese Einstellungen in die „Mitte“ eingesickert sind, sie werden dadurch nicht verhandelbarer. Doch wenn mit den Einstellungen von dreißig bis teilweise fast siebzig Prozent der Bevölkerung nicht mehr zu verhandeln ist? Wie funktioniert Demokratie wenn große Teile der Bevölkerung sie nicht mehr wollen? Weil sie zum Teil nicht wissen, wie es geht?

Als ich das so las, musste ich an einen weiteren Impuls denken, der mir die Tage gegeben wurde. Nämlich die Frage nach der Identität. Die grundlegende Idee „wir oder die“ widerstrebt mir nämlich zutiefst, kann eine Gesellschaft doch nur funktioniert, wenn ihre Mitglieder ein grundlegendes „wir gemeinsam“ Gefühl haben. Und so kommt es auch, dass das Motto des diesjährigen Chaos Communication Congress in die Überschrift geschlichen hat. Auch dieser beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern gesellschaftliche Probleme nicht auch gesellschaftlich gelöst werden müssen. Works for me ist dabei die Aussage, dass man sich ja nicht um Probleme kümmern muss, wenn sie einen selbst nicht betreffen. Das funktioniert nur für gesellschaftliche Probleme nicht. Bringen wir jetzt die beiden Linien das erste Mal zusammen, dann scheint das wichtigste Problem, das der Identität zu sein. Doch, wo kommt eigentlich unsere Identität her?

Identität ist eine Konstruktion, wie alles das wir so in unserem Kopf haben. Sie ist ein Ergebnis von Kommunikation mit unserer Umwelt und etwas, das wir für zutiefst für wahr halten, während es gleichzeitig eine der größten Lügen ist. ((Igitt wie philosophisch…)) Menschen sind also das, was sie denken, das sie sind. Diese Identität wird aber auf zwei Arten während unserer andauernden Sozialisation generiert. Die übliche Variante funktioniert durch negative Selbstzuschreibung. Das bedeutet, dass Identität darüber generiert wird, dass die Person ein außen wahrnimmt und sich von diesem Außen abgrenzt. Daraus wird dann gedacht, dass sich auch ein definiertes Innen also eine definierte Identität ergibt. Das ist aber nicht wahr. Die unübliche Variante, der positiven Selbstzuschreibung generiert eine Identität, in dem die Person selbst sagt, wer sie ist und warum. Damit ist die Identität allerdings positiv besetzt, weil die Person sie sich selbst gegeben hat. Doch, wie gesagt, die Standardvariante ist die negative Zuschreibung darüber, dass die Person sagt, wer sie nicht ist. ((Schonmal aufgefallen, dass das die AfD Methode ist? Sie ist so einfach, weil die meisten Leuten genauso ticken.)) Diese Art von Identitätsgeneration führt dann wieder zurück zum 33c3 Motto, denn nur aus dieser Identitätsvorstellung, des ich bin nicht wie die anderen, kann man sagen „Works for me“ und daraus schließen, dass die Interessen der anderen egal sind. Die sind ja diejenigen gegen die sich abgegrenzt wird. Die positive Selbstzuschreibung wiederum eröffnet die Möglichkeit andere Menschen anzuerkennen, weil die Person selbst möchte, dass ihre Identität, die sie sich gegeben hat anerkannt wird. 

Und damit kommen wir zum Neuzugang am digitalen Kaffeetisch Kolame hat sich hinzugesetzt und auf eine bewundernswert-erschreckend soziologisch-systemtheoretische Art, die Rolle der Moral im Diskurs thematisiert hat. Eine Frage, die sie stellt ist:

Wie kriegt man die Personen wieder in einen Raum, ohne aber in vormoderne und noch sexistischere (als heute), patriachelere (als heute) und diskriminierende (als heute) Diskurspraktiken zurückzufallen?

Ich denke eine Antwort ist, dass dieser Diskurs, den sie da beschreibt, sich über Identitäten generiert und damit über die Betonung von Unterschieden, die viele dringend benötigen um sich sicher zu sein, wer sie sind. Dabei gilt dann „Works for me“ als Ausgangspunkt für Kompromissbereitschaft und das ist dann das Problem. Wenn es das Ziel ist, dass die verschiedenen Gruppen wieder miteinander in den Diskurs treten, dann muss neben den ganzen technisch-praktischen Problemen, die erörtert wurden, auch ein Raum geschaffen werden, in dem Identität in den Hintergrund tritt. Ein sozialer Raum in dem das wer ich bin nicht so wichtig ist, wie das was ich möchte. In dem aus dem „works for me“ ein „works for us“ oder wenigstens ein „works for most of us“ wird.

Der Weg zu diesem Raum kann aus meiner Sicht nur über zwei unterrepräsentierte Konzepte aus dem pädagogischen Arsenal führen: zum einen Selbstfindung als Kulturtechnik, zum anderen Empathie. Ich kann zu beidem sagen, dass es im Schulsystem nicht stattfindet und kein Ziel ist. Gleichzeitig stelle ich gerade dieses Schuljahr fest, dass Empathie etwas ist, dass Schüler*innen kaum erleben und das Selbstfindung eine Sehnsucht und ein Gegengift zur allgegenwärtigen Zukunftsangst ist, die sie erleben. Doch diese Eigenschaften und Kulturtechniken brauchen direkte Kommunikation und einen Diskurs in dem Identitäten und Rollen unwichtig sind. Beides ist in Schulen leider selten.

Diskursfindungsschwierigkeiten

Um auch weiterhin den Eindruck zu erwecken, dass sich hier das soziologische Kaffekränzchen Rundbriefe schreibt, möchte ich mich diesem Artikel vom sozioblogen äußern. Er verlangt danach, dass wir wieder mehr Diskurs brauchen. Dieser weisen Erkenntnis stimme ich zu. Mein Beitrag ist eher als Analyse gedacht, wo denn der Diskurs überhaupt hin verschwunden ist. Auch hier gilt mal wieder, wenig neues, aber wenn nicht bekannt ist, wo etwas herkommt, wird es mit dem wegkommen noch schwieriger.

In meiner Jugend…

Opa erzählt vom Krieg, oder besser von der Welt vor dem Jahr 2000. Da hatte er ein Festnetztelefon, einen Computer, der nicht an das Internet angeschlossen war und ein Fahrrad. Die Diskussion über Politik war gestützt auf Zeitung, Fernsehen und direkte Sprache. Wenn etwas medial neu geschehen ist, dann war das Einzige, was einen davon abhielt keine Ahnung davon zu haben, wovon der Rest sprach, kein Privatfernsehen zu haben.

Das Netz ist toll! wait…

So, und jetzt ist Medienwandel. Print liegt in den letzten Zügen, Radio ist nur noch Gedudel, Fernsehen ist für Rentner, Facebook ist für Rechte, twitter für Linke und die Jugend ist auf Snapchat ((oder so…)). Das ist so ungefähr und damit muss jetzt mal umgegangen werden. Es bedeutet aber auch etwas: der gesellschaftliche Diskurs ist komplett zersplittert, denn der Ort der ihn bisher vereinigt hat, sind die Massenmedien. Der Diskurs von Mensch zu Mensch wird dabei immer schwerer. In der Schule kann man erleben, dass Klassen keine Klassengemeinschaft mehr bilden, weil die Menschen, die im selben Raum sitzen, einen virtuellen sozialen Raum über den halben Landkreis aufspannen.

Das bedeutet dann aber auch, dass die Leute eben nicht mal mehr miteinander reden müssen, wenn sie im selben Raum sitzen. Und wir Lehrer wollen eigentlich auch, dass sie nur über unsere Themen reden, wenn sie miteinander reden. Der Diskurs mit anders denkenden Menschen ist also maximal mit Lehrern möglich, aber die sind soziales Hintergrundrauschen. Es ist für die meisten Leute technisch unmöglich einen Diskurs mit einer andersdenkenden Person zu führen.

Da die sozialen Medien dazu neigen den Nutzern nur Inhalte vorzuzeigen, die zur eigenen Weltwahrnehmung passen, also werden andere Weltsichten so antagonisiert, dass sie nur noch böse sind. Die einfachen Lösungen halt. Es wird aufgrund der enormen sozialen Beweislast gedacht, dass man selbst definitiv nicht falsch liegen kann, weil alle anderen es ja auch so sehen.

Das sind alles Bedingungen, in denen sozialer Diskurs eigentlich fast unmöglich geworden ist, außer er ist unvermeidbar, wie in Schulen oder größeren sozialen Anlässen, aber selbst da wird ja nicht mehr geredet, sondern gechattet und fotografiert.

Also, ja wir brauchen mehr Diskurs, aber vorher muss erstmal das Problem gelöst werden, dass die unterschiedlichen Gruppen wieder im selben Raum sind.

Gewalt und Lehrer… – über ein falsches Berufsbild

Gestern oder so ging dieser Artikel vom Spiegel rum, in dem gar schauerlichste Dinge über das Lehrerdasein berichtet werden. Laut einer Studie wurden 6% der Lehrer Opfer von körperlicher Gewalt und run ein Viertel von psychischer Gewalt.

So ausm Gefühl raus, könnte das stimmen. Nach Schularten aufgerechnet würde es da sehr schnell sehr nüchtern werden. Ich möchte aber mal eine zweite Dimension aufführen: das ist leider auch Berufsrisiko. Lehrerinnen und Lehrer arbeiten in einem sozialen Rahmen, im Direktkontakt und das bedeutet auch, dass die sozialen Querschläger da auch dabei sind. Schön ist das nicht, vermeidbar ist es aber auch nicht. So, jetzt kann das alles beklagt werden und das ist wohl auch die Reaktion auf den Artikel, allein bringen tut es nix. Genauso übrigens wie der Appell bayrischer Lehrerinnen und Lehrer gegen Hassprache. Die Erfahrung hat ja gezeigt, dass solche Appelle sofort dazu führen, dass sich Schülerinnen und Schüler besser verhalten.

Also, was tun? Zuerst einmal anerkennen, dass Gewalt von Schülerinnen und Schülern schlicht nicht verhinderbar ist. Pädagogik ist eine Zielaufgabe, keine Verhinderungsmöglichkeit. Wir erziehen Menschen zu etwas. Wenn das klar ist, dann gibt es zwei Wege, die beide was mit Lehrerbildung zu tun haben: zum einen braucht es in der Lehrerbildung endlich mal eine Vorbereitung auf das Lehrerleben, zu dem auch ein Resilienztraining gehört, zum anderen würde es schon mal helfen, den Beruf als das darzustellen was er ist: eine soziale Arbeit, bei der soziale Interaktion und damit kompetentes pädagogisches Handeln notwendig ist. Aus meiner Erfahrung wird von allen Beteiligten viel zu viel über Pädagogik geschwafelt anstatt sich die Frage zu stellen, was konkret gemacht werden soll. Wenn junge Menschen sich entscheiden Lehrerin und Lehrer zu werden, dann sollte denen klar gemacht werden, welchen Beruf sie sich da zulegen. Ein Beruf, in dem die größte Herausforderung nicht ist, irgendwelche Zettel rot anzumalen, sondern im Angesicht des anderen Menschen authentisch zu sein und zu handeln. Bildungsvermittlung und Erziehung sind alles soziale Prozesse. Das Soziale ist aber zu selten Thema in der Diskussion um Lehrerbildung und diese Diskussion über Gewalt greift, wie immer, zu kurz.

HCH020 Nach Trump

Ich blicke zurück auf die Wahl, mit etwas Abstand und mit etwas weniger Wut im Bauch über den großen kollektiven Wahnsinn, der da über uns im Nachhinein hereingebrochen ist. Es ist eher eine Zusammenfassung, als eine Analyse und ein Blick auf das, was daran an unserer Gesellschaft zu erkennen ist.

Am Ende gibt es den Versuch eines Vorschlags, wie die angebliche Entwicklung, die diese Wahl auslöst aufzuhalten ist.