Schlagwort-Archive: Musik

Nicht so’n Geiles Leben

Es läuft im Radio hoch und runter, und meist verstehen die Leute nur „geiles Leben“. Klingt alles hübsch poppig und toll. Doch Glasperlespiels Geiles Leben (Youtubevideo mit Lyrics)hat einen eher spannenden Text, dessen Inhalt mich genug juckt um ihn hier mal auseinanderzulegen.

Also, schauen wir uns das mal an:

[Strophe I:]
Führst ein Leben ohne Sorgen
24 Stunden, 7 Tage nichts gefunden
Was du heute kannst besorgen
Das schiebst du ganz entspannt auf morgen
Ich hab‘ ’ne Weile gebraucht, um zu verstehen
Dass die Zeit reif ist, um jetzt zu gehen
Ich wünsch‘ dir noch ’n richtig geiles Leben
Denn wie du dich veränderst will ich mir nicht geben

Okay. Der Text spricht aus der ersten Person, mit der man sich traditionell am besten identifiziert, mit einer anderen Person, der er anscheinend sehr vertraut ist. Die andere Person ist irgendwie doof, weil die „ein Leben ohne Sorgen führt“, in der sie sich etwas gehen lässt und entspannt herumprokrastiniert. Und das ist anscheinend genug Grund diese Person aus dem eigenen Leben zu entfernen, weil sich der Ich-Erzähler „nicht geben will, wie sie sich verändert“. Also wir halten fest: Die andere Person verschreibt sich einer entspannten, vielleicht sogar hedonistischen Lebensführung und verändert sich dadurch und beides ist schlecht.

[Refrain:]
Ich wünsch‘ dir noch ’n geiles Leben
Mit knallharten Champagnerfeten
Mit Fame, viel Geld, dicken Villen und Sonnenbrillen
Ich seh‘ doch ganz genau, dass du eigentlich was Anderes willst!

Ich wünsch‘ dir noch ’n geiles Leben
Ab jetzt wird es mir besser gehen
Vergiss den Fame, all die Villen und die Sonnenbrillen
Ich fühl jetzt ganz genau
Dass ich das zu meinem Glück nicht brauch

So, den Refrain frühstücken wir jetzt hier einmal ab. Er ist das Herzstück eines jeden Liedes, also auch diesem. Also, der Ich-Erzähler erklärt hier seinem Adressaten, dass „Fame, dicke Villen und Sonnenbrillen“ „doch ganz genau, dass ist, was dieser nicht will“. Ich finde ja Gedankenlesen und Hellsehen immer gut. Vor allem in der Popmusik. Woher wissen die nur immer alle, wie das Leben von anderen Leuten aussieht. Und, dass man die Sachen, die man tut nicht will. Oder vielleicht ist das doch perfider, vielleicht ist diese Aussage eher eine Aussage, dass man nicht so sein soll. Damit wird das alles allerdings zu einem schäbig moralisierenden Stück, das einem sagt, dass man doch bitte keinen Spaß haben soll und es soundso zu nix bringt, außer vielleicht durch harte Arbeit. Dazu ist Hedonismus kein Glück, wahres Glück gibt also nur, wenn man, öhm, keinen Spaß hat. Oder zumindest wenig Spaß, weil wir wissen ja: im echten Leben hat man keinen Spaß!

[Strophe II:]
Du führst ein Leben ohne Limit
56 Wochen, alle Gläser sind zerbrochen
Zwischen denen du nichts findest
Merkst du nicht, dass auch du langsam verschwindest?
Ich hab‘ ’ne Weile gebraucht, um zu verstehen
Es geht nicht darum, was Andere in dir sehen
Ich wünsch‘ dir noch ’n richtig geiles Leben
Denn wie du dich veränderst, will ich nicht erleben

Also okay, wir haben verstanden Hedonismus=schlecht. Diesmal weil er anscheinend Beziehungen kaputt macht. Moment… Sind Beziehungen nicht so Sachen, die auf Gegenseitigkeiten beruhen und bedeutet, diese Strophe nicht eher, dass die eine Beziehung, nämlich die zwischen Ich-Erzähler und Adressaten, sich ändert und war das nicht laut Strophe eins primär Schuld des Ich-Erzählers, der jetzt nicht damit zurecht kommt, dass ich sein Adressat ändert. Nunja, Solidarität gibt es hier nicht und soundso weiß auch in dieser Strophe der Ich-Erzähler, dass Hedonismus ja die Persönlichkeit zerstört. Er kann nicht Teil einer Persönlichkeit sein, oder schlicht ein legitimer Lebensstil.

Alternative Interpretation: Boah ist da jemand neidisch, dass jemand anders Spaß hat.

[Refrain: siehe oben]

[Bridge:]

Das wird die Zeit meines Lebens
Und niemand ist mehr dagegen
Das hab ich für mich erkannt
Und deine Bilder hab ich endlich verbrannt

Okay. Refrain hatten wir jetzt, die Bridge zeigt noch mal, dass der Ich-Erzähler hier irgendwie ein Problem hat. Wobei sich die Frage stellt, wer eigentlich etwas gegen die Lebensführung des Ich-Erzählers hat. Oder, hm… hat sich der Adressat gar nicht geändert, sondern der Ich-Erzähler? Immerhin hat er etwas für sich erkannt und dann die andere Person aus seinem Leben geschmissen.

Hm. Vielleicht hilft hier etwas Hintergrundwissen: Die Wikipedia erklärt uns nämlich, dass Glasperlenspiel aus einer kirchlichen Band entstanden sind. Und nunja, wenn man jetzt mal eine christliche Ideologie annimmt, dann macht das alles auf einmal noch mehr Sinn. Die sagt nämlich, besonders in der calvinistischen Ausprägung, dass Spass haben gar nicht geht und einen total entmenschlicht. Kann also sein, dass es hier konservativ-christliche Werte propagiert werden.

Danach kommt noch zweimal der Refrain, um die Message auch schön nach Hause zu tragen. Wobei die poppige Musik sehr schön versteckt, dass hier jungen Menschen eigentlich gesagt wird: Spaß haben ist doof, du willst das auch nicht, weil es immer jenseits dessen etwas wichtigeres gibt, was immer das auch ist. Das Lied ist also irgendwie eine Mischung aus modernem Koservativismus und protestantischer Ethik, die hier total harmlos daher kommt und mit dem Schlagwort „geiles Leben“ der jugendlichen Hörerschaft hübsch untergeschoben wird.

Und jetzt weiß ich genau, warum ich das Lied eklig finde.

Review: Omnia – Naked Harp

Ich bin ja schon lange ein großer Fan der Band Omnia, deren Musik sie selbst als Neo-Celtic Pagan Folk (Rock) beschreibt. Der Musikstil beruht auf akustischen Instrumenten, in teilweisen rockigen, aber auch traditionellen Arrangements, die etwas auf moderne Hörgewohnheiten angepasst wurden. Die Hauptinstrumente sind dabei Flöten, Klavier, Schlagzeug und Saiteninstrumente wie Gitarren, aber auch die Harfe. Nun wurde immer mal wieder laut, dass Jenny, die besagte Harfe spielt, eine Meisterin dieses Instruments sei. Eine Tatsache, die sich bei Konzerten und den normalen Studioaufnahmen nur indirekt erfahren lässt, da hier die Harfe sehr selten im Mittelpunkt steht. Ich habe mich also immer gefragt, wie toll sie das wirklich kann. Immerhin fand ich die harfenlastigen Stücke auf den Alben bisher immer gut. Da ich anscheinend nicht der einzige war, der sich mal eine reine Harfen CD von Omnia wünschte, ergab es sich nun, dass Jenny mal eine solche aufgenommen hat. Und ich bin von ihrer Meisterschaft auf dem Instrument überzeugt worden.

Doch gehen wir das Album Naked Harp mal durch. 

Das Album beginnt mit One Morning in May. Einem langsamen tragenden Stück, das eine Bearbeitung des Songs von James Taylor ist. Es strahlt eine gewisse innere Ruhe und Hoffnung, die einem öfter auf diesem Album begegnen wird. Das einzelne Instrument der Harfe und die komplex klingenden Strukturen begeistern mich da schon.

Darauf folgt das Flutterby Set, eine Kombination aus zwei klassischen keltischen Jigs, die sich mit fliegenden Wesen und damit auch Leichtigkeit auseinandersetzen. Diese Leichtigkeit findet sich in den schnellen Läufen und fließenden Melodien beider Stücke.

Es folgt das erste Stück des Harfenmeister Turlough O’Carolan, von dem sich mehrere Werke auf der CD befinden. Eleanor Plunkett ist, wie viele Stücke O’Carolans, einer Person gewidmet, die ihn finanziell unterstützt hat. Es ist ein ruhiges Stück, das aber einen Sinn von würdiger Anmut vermittelt. Also durchaus etwas, das einer Dame aus gehobenem Stande angemessen ist.

Eine Dame noch höheren Ansehens steht im Mittelpunkt des nächsten Stücks. Die Fairy Queen zeigt nicht nur eine gewisse Anmutigkeit, sondern auch Verspieltheit in ihrer musikalischen Gestaltung.

Für diejenigen, die auf Omnia typische Musik gewartet haben, kommt nun mit einer Harfenbearbeitung von Dil Gaya. Das Lied, das aus Afghanistan kommt, zeigt, dass auch sehr uneuropäische Harmoniefolgen auf einer Harfe gespielt werden können. Die Kunstfertigkeit von Jenny zeigt sich auch in der Polyrhythmik des Liedes sehr gut.

Als Turlough O’Carolan sich aufmacht als wandernder Harfenspieler sein Geld zu verdienen war sein erstes Lied eine Widmung an eine junge Frau in die er sich verliebt hatte. Bridget Cruise ist ein einfaches, aber sehr berührendes Lied, das eine gewisse Ruhe und Sehnsucht ausstrahlt.

Im Gegensatz dazu steht das Jig Jenny’s Tits, das von zwei Meisen inspiriert wurde, die Steve und Jenny in ihrem Haus aufgezogen haben. In der alten Tradition, dass Jigs blöde Namen haben müssen, hat es dieses Wortspiel bekommen. Das Stück besteht nicht nur als einer sehr schnellen und wunderbar tanzenden Harfenmelodie, sondern zeigt auch mit dem Bodhrán ein anderes klassisches kelitsches Instrument. Ein sehr schönes Tanzlied.

O’Carolan, der uns durch ja durch dieses Album schrieb, nannte viele seiner Dankstücke Planxty. Damit ist klar, dass Planxty Irwin auch eines dieser Stücke ist. Es trägt sich majestätisch dahin und bildet einen guten Übergang zum nächsten Lied.

Die langsamen Love Birds lassen einen träumen und sich in die Arme einer geliebten Person denken. Dies ist Musik, die einen am Ende eines stressigen Tages und einer kalten Welt, die Liebe wieder spüren lassen. Ein Lied, das sich in einer lauen Sommernacht genauso gut anfühlt wie im Winter bei Kerzenschein.

Der Omnia Fan kennt En Avant Blonde als das Intro des Abschlusssongs Entrezomp-Ní Kelted. Eigentlich ein sehr einfaches Übungslied, wird es hier mit mehreren überlagerten Stimmen gespielt und steht endlich mal wieder für sich allein.

Es wird dann auch gefolgt von einem Omnia Medley, in dem die Fans der Band die Hooklines etlicher Lieder wiederfinden können, die hier einmal aneinander gewoben werden. Hier kann man auch einmal sehen, was für eine Kunstfertigkeit dahinter steckt, wenn Jenny diese Lieder auf der Bühne spielt.

Der Anam Cara der Liebste, ist laut Booklet iherm Ehemann Steve gewidmet. Das Lied plätschert langsam dahin und ich muss sagen, dass es gegenüber anderen Melodien wahrscheinlich wegen seiner Schlichtheit etwas untergeht. Es klingt definitiv nach zarter Liebe, aber mir sagt das eher weniger.

Es folgt das einzige Lied mit Gesang. Uvil Uvil ist ein schottisches Lied, das sehr feenhaft interpretiert wird. Es erzeugt einen Sinn von Ferne und Einsamkeit, die auch gut in die schottischen Highlands passt.

Es gibt in meiner großen Omnia CD Sammlung ein paar Lieder, die ich sehr liebe und von denen ich mir immer eine neue Version gewünscht habe. Luna war eines dieser Lieder. Es ist ein sich steigerndes Lied, das hier von einem Hackbrett erweitert wird. Gegen Ende überschlägt sich die Melodie, nachdem sie sich immer komplexer aufgebaut hat. Dies ist für mich einer der schönsten musikalischen Teile auf der CD. Luna gibt mir schon sehr lange Frieden, wenn ich es höre und diese neue Version ist tatsächlich noch besser als die ältere Variante.

Die CD endet mit Carolan’s Dream, einem letzten Stück vom Großmeister der Harfe, das diese Sammlung verschiedenster Harfenklänge sehr gut abrundet. In seiner Ruhe bildet es einen guten Abschluss an eine eher ruhige CD, bei der ein einzelnes Instrument im Mittelpunkt stand.

Alles in allem ist Naked Harp etwas für den Hörgenuss und das „Runterkommen“. Es gibt wenig des aufgeputschten Pagansounds, den Omnia gerne versprühen. Die Harfe berührt dafür als Instrument die Seele des Hörers auf eine ganz andere Art, als es die energetischste Bühnenshow kann.

Der Hölle der impliziten Erwartungen

The thing is, I mean, there’s times when you look at the universe and you think „What about me?“ and you can just feel the universe replying, „Well, what about you?“

Thief of Time -Terry Pratchett

Wer sich für Musik interessiert kennt das Phänomen bestimmt: die Lieblingsband bringt eine neue tonträgersimulierende Sammlung komprimierter Audiodateien heraus ((Für die Retrofans gibt es die auch noch auf einem physischen Speichermedium.)) und man ist furchtbar enttäuscht, weil das total anders klingt oder andere Texte hat und das nicht mehr die Band ist, in die man sich damals verliebt hat. Das gilt natürlich auch für alle anderen Arten von künstlerischer Äußerung. ((Siehe den Aufschrei, den es hierzublog machen würde, wenn ich auf einmal Beautytips geben würde…)) Nun kann man über Geschmack nicht streiten, ((Das ist natürlich auch Quatsch. Man kann, nur ist es halt Zeitverschwendung.)) über die Vermittlung von Geschmacksurteilen dafür sehr wohl. Und da sind Musik-, Kunst- und Literaturfans allesamt von der selben allzu menschlichen Wahrnehmungsstörung geschlagen. Sie denken nämlich alle, dass die Kunsttreibenden sich an implizite Erwartungen halten müssen, die von Konsumentenseite an sie gestellt werden. Dabei sitzen sie zwei klassischen Wahrnehmungsverzerrungen auf, die auf der einen Seite bis zur Banalität normal sind, auf der anderen Seite eine äußerst amüsante Auswirkung auf den Diskurs über Musik haben.

Diese Wahrnehmungsverzerrungen sind zum einen eine Überbewertung der eigenen Befindlichkeit gegenüber dem was der Künstler davon wahrnimmt ((Das wäre übrigens: nix!)) und der Befindlichkeit des Restes der Konsumierenden, und zum anderen die relative wirtschaftliche wie diskursive Macht, die der Einzelne gegenüber dem Künstler hat.
Das Erste ist dabei die Wurzel des Zweiten und tatsächlich eine klassische Wahrnehmungsverzerrung. Der Glaube, dass die eigene Befindlichkeit irgendetwas jenseits der Schaffung des eigenen Unglücks in der Welt bewegt, ist weitverbreitet und stammt daher, dass Menschen gerne die Welt hinter ihren Augen für realer halten, als das was tatsächlich stattfindet. In seinem Aufsatz „This is Water.“ argumentiert David Foster Wallace, dass es ein Zeichen einer geisteswissenschaftlichen Ausbildung ist, dass es ein Zeichen dafür ist, dass man gut an die Gesellschaft angepasst ist, wenn man diese Blockade überwinden und über den Rand des eigenen Hirns hinausblicken kann. ((Er sagt well-adjusted das bedeutet mehr und ich weiß nicht, ob ich ihm recht geben soll. Immerhin ist eine geisteswissenschaftliche Ausbildung nicht der einzige Weg ein anständiger Mensch zu werden.)) In diesem Fall bedeutet es natürlich, dass absolut jeder Hörer der Meinung ist, dass sein Empfinden über die musikalische Entwicklung eines Künstlers Gehör finden sollte, und zwar sofort und unbedingt. Dabei dreht sich dieser Künstler nicht einmal gestört im Schlaf um, wenn man verzweifelt Nadeln in seine Voodoopuppe steckt. Die eigene Befindlichkeit hat also keinen Einfluss auf irgendwas in der Welt, außer dem eigenen Unglück, dass man sich produziert. ((Mir wäre das ja zu blöde.))
Die zweite Verzerrung ist die Fehlwahrnehmung der eigenen medialen und ökonomischen Reichweite, wobei die Überschätzung der eigenen medialen Reichweite das grundlegende Problem ist und viel mit den modernen sozialen Netzwerken zu tun hat. Zwar kann jeder  heutzutage einen shitstorm lostreten, allerdings ändern diese Phänomene selten etwas an dem, was ihr Ziel tut. Im Zweifel verstärken das Ziel sogar das angeprangerte Verhalten, immerhin ist jede Art von Publicity gute Publicity. Dazu bleibt das Ziel meist berühmt, während man selbst ungefähr eine Woche vergessen ist. ((Naja, okay. Du kannst dann immer noch Publizist und Berater werden.)) Der Wirkungsnachweis dieser ganzen Sachen ist halt nicht erbracht, egal ob es negative Amazonbewertungen, fiese Gästebuchein- und Facebookbeiträge oder klassische shitstorms sind. ((Okay, außer man hat die kriminielle Energie der Gamergater… aber dafür reicht es ja zum Glück bei den meisten Menschen nicht.)) Im Zweifel ist die auslösende Person das Arschloch und schnell verschwunden. Das Traurige an der ganzen Sache ist, dass man sich das alles hätte sparen können, wenn man sich selbst nicht so ernst nimmt.

Das wird natürlich schwierig, wenn der eigene Job davon abhängt, dass man etwas irgendwie finden muss. Der klassische Aphorismus ist, dass man als Kritiker nichts können muss, außer meckern. Dabei helfen die impliziten Erwartungen, die gerade schon als Basis vielen persönlichen Unglücks analysiert wurden, natürlich sehr und es ist egal ob es die eigenen sind, oder diejenigen die man glaubt bei anderen Menschen auszumachen. Wichtig ist dann noch diese als objektiv darzustellen anstatt als das zu kennzeichnen, was sie sind, nämlich Befindlichkeiten und schon schreibt sich das enttäuschte, wütende oder hochzufriedene Review von allein. Es hat zwar keinen Mehrwert, aber man hat was gesagt und im nächsten Interview mit dem Künstler kann man dann auf die eigene Wahrnehmung als pseudo-objektive Größe referenzieren, als sei relevant. ((Das führt dann zu einem meiner Lieblingsgenres im Musikjournalismus: dem sinnlosen Künstlerinterview, bei dem die Künstlerin sich fragt, über wessen Werk sie da gerade mit dem Journalisten redet.)) Und dann kommt es zu dieser wunderschönen Schieflage, dass die enttäuschten Fans sich von den faselnden Schreiberlingen bestätigt fühlen, weil die auch nur die Befindlichkeiten der ersten spiegeln. Gibt halt mehr Abos als eine kriterienbasierte Beurteilung, die irgendwie Aufgabe hier wäre. Es spricht nichts dagegen eine vergleichende Bewertung abzugeben, aber Geschmacksurteile basierend auf Befindlichkeiten sind wertlos und zeugen maximal von den Wichtigkeitsneurosen der Autoren, als ihrer Fähigkeit künstlerische Tätigkeiten zu beurteilen. Es heisst, dass man sich über Kunst, Literatur und Musik vortrefflich streiten kann, deswegen sollte der eigene Geschmack weniger ins Gewicht fallen als  die Bewertung der künstlerischen Leistung. Da ist schon genug Geschmack drin.
Aber gut, es ist ja zu verstehen, dass es besser wirkt, wenn man Künstlern vorwirft sich in die falsche Richtung zu entwicklen, egal in welche das ist, ((Oder wahlweise Stagnation, die geht auch immer.)) denn da ist Konflikt und der verkauft sich. Für eine Bewertung, die zu einer sinnvollen Einschätzung führt, gibt es halt weniger Klicks als für einen Verriss. Den klicken auch diejenigen öfter an, die ihn für blöd halten.

Und da wird es dann halt auch eklig. Sitzt die einzelne Person noch Wahrnehmungsverzerrungen auf, wird es im medialen Bereich schnell zum wirtschaftlichen Kalkül nicht zu berichten sondern zu polarisieren. Dagegen sein ist besser als es irgendwie schon okay zu finden, egal auf welchen fiktiven Gründen dieses dagegen nun basiert. Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind wirtschaftlich untragbar, machen weniger Spaß und helfen beim Bekämpfen von Minderwertigkeitskomplexen halt mal gar nicht.

Da kann man eigentlich froh sein, wenn man Zeug einfach nur privat doof finden kann.

Faun – Bamberg Konzert und Kongresshalle 2015

Am Montag war ich auf einem Konzert von Faun. Die Band hat ja seit einiger Zeit einen großen Plattenvertrag und während das zu eigenartigem fanbasespaltenden Aktionen wie einer Teilnahme am ESC führt, gibt es ihnen auch die Möglichkeit mit größerem Aufwand zu touren. Das mag für bestimmte Bands keine Rolle spielen, aber für Faun ist es ein Segen. Die Band legte schon immer Wert auf ausgefallene Lichteffekte und da kam ihr ein Konzert auf großer Bühne mit schöner Deko in einem echten Konzertsaal sehr zugute.

Ich hatte mir sehr früh Karten gekauft und damit den Luxus mit meiner bezaubernden Begelitung in der ersten Reihe direkt an der Bühne zu sitzen. Das sah dann so aus:

IMG 1285

Das Konzert beinhaltete viele Lieder des aktuellen Albums Luna, aber auch alte Klassiker von Faun. Neben der Band selbst, waren noch ein Multiinstrumentalist und eine sehr gute Cellisting sowie zwei Tänzerinnen/Jonglagekünstlerinnen mit von der Partie. Das Konzert war sehr durchchoreographiert, aber keinesfalls langweilig. Es war ideal zum gepflegten zuschauen im Sitzen im Gegensatz zu den eher schnipsigeren Festivalprogrammen, die einen geringern Akustik und einen höheren Pagan-Goa Anteil haben. Alles in allem also ein sehr schönes Erlebnis.

Punk is not dead. It just got itself some bagpipes and harps.

In Zeiten in denen Helene Fischer ((Kein Link, um Gottes willen, kein Link!)) der musikalische Mainstream ist, und damit das Merkeln auch im modernen deutschen Biedermeier angekommen ist, darf Musik nicht mehr politisch sein. Die Schmerzgrenze für politische Inhalte in Musik ist bei den meisten schon mit Rammstein und deren eher unterschwelligen Botschaften oder Wir sind Helden mit poetischen Meinungen erreicht. Da hört man doch lieber Andreas Bourani dabei zu, wie er sich und der deutschen Nationalmannschaft Relevanz zusingt oder trällert mit der abgehalfterten Führungsriege der CDU Lieder der Toten Hosen mit. ((Am Tag danach warf jemand Campino einen Backstein durchs Fenster um den ein Zettel gewickelt war, der ihm mitteilte, dass er aus der Vereinigung der Punks geschmissen wurde.))

Jetzt werden sicher einige sagen: „Punk ist gar nicht tot.“ Natürlich gibt es immer noch die ganze Sparte mit den drei Akkorden und der Wahrheit, die ist aber mittlerweile in sich selbst ergangen und hat sich eher einem widerborstig-apolitischen Hedonismus oder aber einer weitreichenden Kommerzialisierung ergeben. Da scheint Biertrinken des öfteren wichtiger als irgendeinen Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen.  Die politische Komponente ist größtenteils weg oder wird nicht mehr ernst genommen.

Woher soll Musik mit politischen Inhalten nun noch kommen? Okay. Wir haben Rapper wie Sookee, die das Thema beackern. Die meist eher plakativ, aber da geht was. Was noch? Metal? Da lebt zumeist auch der Hedonismus und wenn er es nicht tut, kann es sein, dass die Message auch mal gern verfassungsfeindlich ist. Deutschrock? Ja, doch. Wenn das nicht alles immer so bieder wäre. Da ist mir dann der HipHop wieder lieber. Mittelaltermusik? Das war doch immer nur romantisch verklärter Scheiß. Das sind die Ewig-gestrigen mit den Dudelsäcken und den Märchen, oder?

Ähja, irgendwie dann doch nicht mehr. Irgendwie kommt von der Harfenfraktion auf einmal Gegenwind. Da gibt es so zärtliche Hinweise von Schandmaul, dass Rechtsradikalismus in dem Bereich nix zu suchen hat. Und das sogar sehr schön tanzbar. Sowas schmettern dann bei Wacken mal mehrere tausend Leute mit.

Okay. Das ist jetzt irgendwie noch bürgerlich. Etwas pro-aktiver wird dann schon Ecke mit der eher akustischen Folkmusik. Da fängt es augenscheinlich harmlos mit der deutschen Band Faun an. Die wirkt zwar sehr hippymäßig und poetisch, bietet allerdings auch Lieder, die von den Zeitgeistfilmen ((Vorsicht, da ist auch Trutherbullshit dabei.)) inspiriert sind und auf den Konzerten, die wie folkige Goamessen wirken, wird gerne mal ein sehr okölogisches Weltbild verbreitet, insbesondere, wenn die Band es schafft auf ihrer Tour neben Merchandise einen kompletten Stand von Greenpeace mitzunehmen.

Doch da hört es nicht auf. Die Mittelalterrocker Saltatio Mortis fahren mit ihrem letzten Album Das schwarze 1×1 eine noch etwas deutlichere Linie. Hier geht es nicht mehr um gegenseitige Akzeptanz und poetische Naturliebe, sondern hier geht es um amtliche Gesellschaftskritik. Das klingt dann mal ordentlich rockig und bietet eine etwas veränderte Variante der deutschen Nationalhymne.

Doch damit nicht genug. Texter und Sprachrohr Lasterbalk der Lästerliche ((Hey, es ist ne Mittelalterband.)) lässt sich im Blog der Band gerne und länglich über GEMA, Politik und ähnliche Themen aus. Das Ganze länglich und pointiert. Hinzu kommt, dass die Band seit einiger Zeit die Umweltorganisation Sea Shepherd, die dann schon zur pro-aktiven Fraktion der Umweltschutzorganisationen gehören. Sea Shepherd beschäftigt sich primär mit Aktionen gegen Walfang und die Tatsache, dass sie getarnte Schiffe benutzen und auch schon Walfangschiffe geentert haben, sagt wohl genug.

Noch einen Tick politischer und pro-aktiver sind dann nur noch die Holländer von Omnia. Neben einer absoluten Punk/Hippyattitüde und reinem Selbstverlag, treffen sich hier Naturreligion, Gesellschaftskritik und politische Botschaft auf der Bühne und in vielen der neueren Songs. Vom eher philosophischen I don’t Speak Human


über das wütende Dance Until We Die

zum direkten Aufruf zur Intervention in Earth Warrior

gibt es hier eine klare politische Ansage, die man so vielleicht nicht erwartet und die bei den Mittelalterfestival gerade etwas bürgerlich-provinzieller Natur auch gern mal beklagt wird. Insbesondere relativ klare linke Ansagen, die hier getroffen werden schmecken rechtsgerichteten Pseudoteutonen nicht unbedingt.

Der Punk ist also nicht tot. Er hat sich nur Dudelsäcke geholt, spielt Harfe und protestiert gegen den Kapitalismus neben dem Gaukler.

Schlosshof Festival 2014

Ich habe hier lange nicht mehr geschrieben. Deswegen fange ich mal mit der leichten Kost an. Ich war gestern auf dem Schlosshof Festival in Höchstadt an der Aisch. Es ist Teil der fränkischen Burgenfestivals und eher eines der kleineren in der Serie. Ein Tag, sechs Bands im Hof eines Schlosses (duh!) und ein kleiner Mittelaltermarkt dazu. Durch das kurze Line-Up bekommt man dafür gleich ab der zweiten Band größere Namen serviert.

Das Festival war an sich sehr heimelich und wäre noch heimelicher gewesen, wenn es uns nicht alle eingeregnet hätte. Trotzdem haben viele Leute, darunter auch ich durchgehalten und deswegen gibt es jetzt die kleine Berichterstattung.

Umfeld

Höchstadt ist ein kleiner Ort in Mittelfranken und das Schloss ist nicht wirklich groß und so kommt es, dass der Mittelaltermarkt, der irgendwie obligatorisch scheint, sehr klein ausgefallen ist und jedenfalls mir kein Interesse entlocken könnte. Aber dann mache ich das auch schon relativ lange mit und habe die Standard-Markstände gesehen. Die Wege waren breit und die Toilette erstaunlich sauber und nicht mit Schlangen gesegnet. Alles in allem ist es wahrscheinlich noch angenehmer, wenn das Wetter gut ist. Es ist definitiv ein Festival auf dem man auch mit Kind erscheinen kann ((Besonderes Lob an alle Eltern, die ihre Kinder mit Gehörschutz aufs Festival nehmen.)). Es regnete teilweise sehr stark und es muss dem Publikum zu Gute gehalten werden, dass es so lange durchgehalten hat.

Die Bands

Vroudenspil

Vroudenspil ((Freudenspiel gesprochen)) sind eigentlich eine Mittelalterband und das erkennt man auch am Namen. Sie haben sich dem Piratentrend der letzten Jahre angeschlossen und eine durchaus eigenständige Instrumentierung mit wenig Dudelsack und dafür einem Akkordeon. Die Band ist gut, sie eröffnet regelmäßig solche Festivals und spielt solide Musik mit Spaß. Sie haben das Piratending drauf, allerdings fehlt irgendwie der Suspence of Disbelief. Es ist trotzdem gute Musik. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands, die ich Festivals eröffnen sehen habe, machen Vroudenspil Spaß, während du noch was essen gehst.

Coppelius

Die feinen Herren von Coppelius gaben sich danach die Ehre. Rockmusik mit zwei Klarinetten, einem Kontrabass, einem Cello und einem Butler. Was soll man da noch sagen. Coppelius haben die Show perfektioniert. Vom affektierten Gesichtsausdruck bis zur gestelzten Ausdrucksweise und „Applaus“ Schildern und Butler Bastille, der während der Stücke Mäntel aufräumt und den Klarinettisten die hohen Zylinder wieder aufsetzt. Was mich etwas gestört hat, war der große Anteil an englischsprachigen Songs. Sie spielen deutsch und englisch und die Mischung der Sprachen irritiert mich immer wieder. Trotzdem haben sie sich ihren Applaus und das Rufen nach „da capo“ sehr verdient.

Omnia

Hach, hach. Ich bin schon ewig Fan, was soll ich also sagen. Omnia machen mit akustischen Instrumenten Musik, die dich nur umbläst. Dazu noch musikalische Vielfalt und Attitüde machen die Konzert immer wieder zu einem speziellen Erlebnis.

Alestorm

Nach der vollen Akustik, die volle Keyboardbreitseite mit den Piratenmetallern von Alestorm. Die Schotten saufen dann halt Whisky aus der Flasche und spielen trotzdem wahnsinnig schnellen Powermetal mit eigenartigem Pirateninhalten. Das endet mit Crowdsurfing zum Bierstand. Definitive Spaßmusik, die live aus ganz anderen Gründen funktioniert als ihre Vorgänger.

Saltatio Mortis

Als die Backstreet Boys des Mittelalters verschrien, haben sich Saltatio Mortis so langsam den Thron des Mittelalterrocks von In Extremo gesichert. Während sich letztere aus meiner Sicht schon lange an zu simplen Texten und dem Nachrennen von Trends auszeichnen ((Jenseits dessen, dass der Sänger sich die Stimme kaputt geschrien hat.)) sind Saltatio Mortis immer eigenständiger geworden. Die Show ist professionell und doch nicht steril. Der Sänger hält das Publikum so auf Trab, dass ich fast Angst hatte abzunehmen. Sie haben den Posten als Headliner nicht nur verdient sondern auch sehr ausgefüllt. Wer mehr als nur das Video sehen will sollte mal bei den Wackenmitschnitt auf arte ansehen.

Fazit

Trotz des Regens eines der bisher besten Festivals auf denen ich war, weil mir das Line-Up wirklich durchgehen getaugt hat. Soviel bin ich seit Jahren nicht mehr gehüpft.

 

Aua…