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Argumentationshilfen für politische Diskussionen

Ich holte gerade meine Mutter ab und da saßen etliche ältere Herren und diskutierten über Politik und die Welt. Das taten sie natürlich auf die beste Stammtischmanier, die man sich vorstellen kann. Die klassische Idee ist, dass diese Leute ja alle dumm sind und man sich das am Besten nicht antut. Ich denke aber, dass das genauso intelligente Menschen sind, wie das jeder von sich annimmt. Also kann man mit denen auch reden. Das tat ich dann irgendwann mal und siehe da. Die sind nicht dumm, die sind nur nicht informiert und folgen dir locker, wenn du ihnen eine klare Argumentationslinie gibt.

In diesem Sinne habe ich mir gedacht, dass ich doch ein paar der Standards nochmal aufschreibe und die jeweilige Copingstrategie ausführe.

1. „Ausländer“

Das erste Argument, was in diesem Themenbereich kommt ist natürlich die Frage, was denn überhaupt ein Ausländer ist. Meistens wird hier eine pseudobiologische Definition herangenommen, nämlich die, dass man deutsche Eltern gehabt hat. Das ist zwar von alters her die Basis der deutschen Staatsbürgerschaft, allerdings ist ein Deutscher nunmal einfach die Person, die einen deutschen Pass hat. Legt man das an, dann lassen sich viele dieser Diskussionen ganz anders gestalten. Unter anderem diejenige darüber, dass Ausländer bevorzugt werdenDenn wenn erst einmal klar ist, dass diese „Ausländer“ Deutsche sind, dann ist auch klar, dass diese dieselbe Unterstützung bekommen wie wir.

Da sind wir dann auch bei einem zweiten Thema, dass in diesem Zusammenhang gerne kommt, nämlich dass Deutsche mit Migrationshintergrund krimineller wären als echte Deutsche ((oder so…)). Dazu muss man dann in die Sozialstruktur schauen und stellt fest, dass es gar nicht am Migrationshintergrund an sich liegt, dass die Kriminalität da höher ist. Zum einen ist das ein klassischer Fall der Unterreportage von Straftaten Deutscher, weil auch die Presse hier unbewusst voreingenommen ist. Dann gehören die Menschen mit Migrationshintergrund zu großen Teilen zu den unteren Statusgruppen dieser Gesellschaft und diese neigen allein aufgrund ihrer prekären Situation zu mehr Kriminalität. Es ist also nicht so sehr die Eigenschaft als Migrant, sondern eher die als Mitglied der unteren Statusgruppen.

2. „die da oben“

Da ist es schwierig zu argumentieren, denn unsere politischen Eliten sind tatsächlich eher so mau. Trotzdem ist unreflektiertes Schimpfen auf die Obrigkeit natürlich ein Klassiker. Man sollte hier vielleicht eine Argumentationslinie verwenden, die betont, dass die Eliten unfähig sind und manchmal korrupt anstatt durchweg böse. Dummheit ist meist die bessere Erklärung.

Dazu sollte man immer auf die Filterbubble achten in der auch die politischen Eliten leben. Die merken meist durch Lobbying und ähnliches nicht, welche Probleme die Menschen da draußen im Lande haben. Das ist teilweise auch gut, aber man sollte es den Leuten ins Gedächtnis rufen und sie darauf hinweisen, dass mangelnde Beteiligung definitiv nichts im Bereich Bürgerrepräsentation erreicht.

3. falsche Annahmen

Das ist etwas seltener, aber mir auch schon öfter untergekommen. Dabei geht es meist um solche Sachen wie Beamte zahlen keine Steuern ((tun sie, sie zahlen keine Sozialabgaben)), Ostdeutsche müssen keinen Solidaritätszuschlag zahlen ((natürlich müssen sie das)), in Hamburg leben die armen Leute ja auch in der Innenstadt ((so gehört letztens, äh nein?)). Hier sollte man möglichst mit Überzeugung erklären, wie die Sachlage tatsächlich ist.

Soundso basieren die meisten Stammtischargumente auf Wissensmangel, den man bei respektvollem Umgang durchaus ausräumen kann.

4. Bleib sachlich und lasse dich nicht auf Ideologie ein

Man sollte immer argumentativ bei der Sachlage bleiben und sich weder auf persönliche Angriffe noch auf Nebenkriegschauplätze einlassen. Das ist schwerer als man denkt. Dazu ist es von Vorteil, dass die Leute weniger über einen wissen. ((Das kriegt man zwar nicht immer hin, aber es hilft.)) Es hilft natürlich auch klassische Diskussionsskripte, die man kennen sollte. Ad hominem Strategien einfach abperlen lassen, immer zurück auf das Thema, immer Relevanz für den Gegenüber herstellen, damit der sich das vorstellen kann und selbst keine Vorwürfe erheben. Dann wird einem sogar zugehört.

5. früher war alles besser

War es das wirklich? Da würde ich einfach mal nachfragen und einen Vergleich heranziehen. Meist war früher nur anders, nicht besser. Darauf kann man an der Stelle immer abheben und es funktioniert auch.

So, wenn euch noch etwas einfällt, dann kommentiert hier mal und ich baue das noch ein.

Self-fullfilling prophecy anyone?

In einem ihrer letzten Posts hat Andrea über Amazon und deren Behandlung der eigenen Mitarbeiter geschrieben. In den Kommentaren entstand dann die Idee mal über unsere Arbeitswelt  und deren Auswüchse zu schreiben.

Die Frage die bei der Unterhaltung zentral war inwiefern man überhaupt eine Möglichkeit hat, solche Jobs abzulehnen, wie sie einem Amazon da anbietet. Und eigentlich ist die Antwort relativ einfach: viele Menschen können es sich eben nicht aussuchen, ob sie diesen Job ablehnen. Allerdings ist die Erklärung, warum das so ist, etwas komplexer und zeigt das große Missverständnis, dass eigentlich mit der neoliberalen kapitalistischen Idee einhergeht.

Kapitalistisches Wirtschaften bedeutet erst einmal, dass versucht wird mit möglichst geringen Kosten den höchsten Gewinn aus dem Umsatz zu erzielen. Das ist auch okay so. Allerdings lässt sich dies mit zwei Methoden erreichen: Kostenreduktion und Preismaximierung. Nun ist Preismaximierung schwierig, aber Kostenreduktion einfacher. Schaut man sich die Kosten, die ein Unternehmen so hat an, stellt man fest, dass der größte Posten die Angestellten und Arbeiter sind. Ein Großteil der Personalkosten sind dann wiederum die sogenannten Lohnnebenkosten. Diese sind neben dem eigentlich Gehalt so niedrig wie möglich zu halten, um einen hohen Gewinn zu erreichen. Da die Lohnnebenkosten vom Gehalt abhängen, sollte dieses auch niedrigstmöglich sein.

Das wäre alles kein Problem, würde diesem Prozess die soziale Marktwirtschaft sinnvoll entgegen stehen. Das tut sie aber seit einigen Jahren nicht mehr. Seit der Agenda 2010 wurde sukzessive dafür gesorgt, dass Arbeit in Deutschland preiswerter wird. Durch die neuen 400€ und Mini-Jobs konnten immer mehr Menschen angestellt werden. ((Das Ziel waren ja sinkende Arbeitslosenzahlen.)) Diese verdienen aber immer weniger Geld und zahlen auch immer weniger in die Sozialversicherungen ein. Doch natürlich möchten viele Menschen eigentlich nicht für so wenig Geld arbeiten, also muss es auch noch einen Zwangsmechanismus geben.

Diesen Zwangsmechanismus findet man im ALG II. War es bis dahin so, dass Arbeitslosigkeit etwas war, das den Staat in seine Fürsorgerolle brachte, galt sie nun als selbstverschuldete Belastung des Gemeinwesens. Deswegen sollte nur das mindeste für diese Menschen ausgegeben werden und es herrschte seitdem der Wahlspruch fördern und fordern vor. Unter diesem zynischen Mantel war es den Arbeitsämtern ((Seitdem Arbeitsagenturen. Man hatte Klienten, die über sich frei bestimmen, keine Staatsabhängigen, die Hilfe eines Amtes brauchen.)) erlaubt Menschen mit ihrer Existenz zu bedrohen. Nimmt man heute als Arbeitssuchender ((Noch ein Euphemismus.)) keinen zumutbaren ((Zumutbar bedeutet hier: jeder angebotene)) Job an, so wird einem das wenige Geld, das man überhaupt noch bekommt gekürzt. Schließlich gibt man sich ja keine Mühe. Und so landen viele Menschen bei Amazon und ähnlichen Buden um zu unmöglichen Bedingungen und Löhnen ohne eine Wahl zu arbeiten.

Doch da beißt sich die Katze auch in den Schwanz. Denn diese unterbezahlten Menschen haben auch kein Geld mehr, das sie verkonsumieren können. Damit müssen die Produkte des täglichen Bedarfs ((Pferdefleischskandale anyone?)) natürlich auch billiger werden und damit auch die Personalkosten weiter sinken. Solange bis das ganze am Boden landet und die marxsche Revolution doch noch kommt.

DIe Empörung, die es da bei vielen Menschen gab, wie schlimm das mit Amazon ist, ist eigentlich heuchlerisch, denn es ist auch der Neid und die Bequemlichkeit derer, die alles möglichst billig für den eigenen Gewinn haben wollen, der dazu führt, dass am sie selbst auch nichts mehr verdienen und haben.