Schule und Digitalisierung – Replik auf einen Artikel aus der ZEIT

ich hab ja eigentlich Respekt vor der ZEIT, aber dieses Stückchen Text ist so weltfremd, wie dumm und borniert. Es werden vier „Ursachen für die Bildungsangst“ von Schulen ausgemacht und damit einmal alles über einen Kamm geschert, was geht. Das ist nicht einmal als Meinungsartikel zu ertragen.

Weil jedoch meckern ohne ernsthafte Antwort billig ist, möchte ich dem Text und seinen vier Ursachen antworten:

Die erste Ursache für die Bildungsangst sei die digitale Kluft zwischen den Lehrern. Das ist irgendwie richtig und irgendwie komplett falsch. Zum einen benutzt der digitalferne Kollege nicht das Handy um Urlaubsbilder zu verschicken, er klebt, um im Bild zu bleiben, Bilder in ein Fotoalbum. Da werden Papier, Folien und Tafel benutzt. Die Leute kennen die modernen Technologien, benötigen sie aber für ansprechenden Unterricht nicht. Ich bin Mitglied in einem Hackerspace, benutze Technologie virtuos, habe 2,5 Podcasts und administriere vier WordPressinstallationen, mein Lieblingsmedium in einem Klassenraum ist meine Stimme und eine Tafel mit Kreide. Ich finde Smartboards dumm und unflexibel, weil ich immer einen Beamer einschalten muss. Kreide liegt rum, und es dauert ca. 2 Minuten bis ich eine Struktur an der Wand habe, die ich ansonsten mühsam zusammenklicken muss. Dieses Argument ist also realitätsfern und affig. Medien sollten nie den Unterricht bestimmen, sondern Methoden, Inhalte und Bildungsziele. Dabei ist es in vielen Fächern scheißegal, worauf geschrieben wird.

Die zweite Ursache ist laut dem Autor, dass ein „diskursiver Graben“ aufgerissen wurde. Disruption hier, Entmündigung da. Ich weiß ja nicht, wo der Autor das her hat, aber das habe ich auf keiner Ebene der Diskussion um Digitalisierung gesehen. Das mag bei Anne Will so aussehen, aber das war es dann auch. Jeder Lehrer kennt die Chancen, die digitale Medien für die Mündigmachung der Schüler bieten, genauso wie ihre Grenzen. Der Hype ist genauso bekloppt wie die Ablehnung und ganz ehrlich: wir Lehrer haben für die Scheiße keine Zeit! Wir machen, was funktioniert und nicht was religiös diskutiert wird. Wir haben nämlich tatsächlich was besseres zu tun: die nächsten Generationen auf die Welt vorzubereiten, die bei Ursache drei steht.

Diese Ursache ist die pseudointellektuelle Frage nach der Berechtigung von Schulen, wenn eh alles automatisiert und ersetzt wird. Ich habe hier genug zu granularer Gesellschaft und Automatisierung geschrieben, man lese nach. Die Schlussfolgerung gibt es aber auch zum Mitklöppeln: das eigentümliche Menschliche: Kreativität, soziales Verhalten und Innovation lässt sich eben nicht durch Computer nachbilden. Dieses eigentümliche Menschliche entsteht durch Bildung und diese entsteht in einem Diskurs des eigenen Gehirns mit der Welt. Schulen müssen sich die Frage, was wir Leuten beibringen nur stellen, wenn wir, wie der Autor es implizit aus einer bekloppten Perspektive der Ausbildung auf Bildung sehen. Und nur so: schnelles WLAN hat in diesem Land kaum eine Schule, wenn es aufhört reinzuregnen, kümmern sich die Sachaufwandsträger aber gerne drum.

Die vierte Ursache ist eine Verunsicherung. Seien Menschen, die nicht programmieren können bald Analphabeten und braucht es humanistische Bildung, damit man noch Werte hat. Darauf gibt es zwei einfache Antworten: nein und vielleicht. Was man definitiv braucht sind solche plakativen Fragen. Bildung ist eben mehr als Ausbildung, wir brauchen auch weiterhin Leute, die eine überalternde Gesellschaft pflegen, wir brauchen immer noch Leute, die eine Vision der Zukunft haben, die innovativ denken und die kreativ an die Herausforderungen einer Gesellschaft herangehen. Und die Grundlage dafür ist Bildung. Die wenigsten Menschen müssen programmieren können und humanistische Werte zu erziehen ist ihnen zu widersprechen.

Der Autor hat einen armselig verengten Blick darauf, was Schulen leisten sollen und was Bildung ist. Dafür kriegen ich noch ein paar tolle Ratschläge mit: im Saarland lernen Drittklässler programmieren. Nein lernen sie nicht. Wenn das so einfach wäre, wären Programmierer nicht gesucht. Sie lernen Code lesen. Das ist Bildung, keine Ausbildung. Und es bringt keinen Spaß und Weitblick, wenn jemand ein paar Zeilen JAVA kann. Das ist so engstirnig, dass es weh tut.

Dazu wird mir agile management empfohlen, damit ich mal neugierig bin und neues ausprobiere. Das möchte ich dann aber zuerst mit seinen Mittelschicht Bildungsbürgerkindern machen und sehen, wann er mir vor der Tür steht und mir erklärt, dass ich Schule so nicht machen kann. Die Systemfrage wäre hier mal zu stellen, aber was nicht hilft, ist dem hundertsten idiotischen Trend aus der Wirtschaft hinterherzurennen, nur weil das Buzzword so schön ist. Wenn das die Maßgabe für die soziale Institution ist, die Menschen bildet und sozial selektiert, dann ist das vielleicht etwas leichtfertig.

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